Blu-ray-Rezension: „Die Erde ist ein sündiges Lied“

Der Norden Finnlands, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Die 18-jährige Martta (Maritta Viitamäki) lebt in einem kleinen Dorf mit ihren Eltern Juhani und Alli (Pauli Jauhojärvi und Milja Hiltunen), sowie ihrem Großvater Äijä (Aimo Saukko) zusammen. Ihr Leben ist gekennzeichnet von Armut und den harten Lebensbedingungen. Als sie sich in den samischen Rentierhirten Oula (Niiles-Jouni Aikio) verliebt, bahnt sich eine Katastrophe an.

Wenn gleich in einer der ersten Szenen ein Hund getreten wird, dann ahnt man schnell, dass es in Rauni Mollbergs Film „Die Erde ist ein sündiges Lied“ nicht unbedingt heiter zugehen wird. Mollberg selber hat den Ruf ein sehr unangenehmer Mensch, aber genialer Regisseur gewesen zu sein. Einer der gerne zu weit ging. Verbal übergriffig und verletzend. Manchmal auch physisch. Seine Schauspieler und Schauspielerinnen vor sich her treibend, brutal und manipulativ. Jemand, der seine Wut, Ungeduld und Frustration auch gerne an der Crew ausließ. Seltsamerweise wird er von eben jenen Opfern seiner Taten zwar konsequent als „Arschloch“ bezeichnet, trotzdem sprechen sie mit großem Respekt von ihm und scheinen im Nachhinein seine Untaten herunter zu spielen – so als ob man über den verstorbenen, zu Lebzeiten immer etwas peinlichen Onkel spricht, der sich bei den Familienfeiern immer sinnlos betrunken und die Anwesenden angepöbelt hat – , da doch am Ende große Meisterwerke entstanden. Beides merkt man „Die Erde ist ein sündiges Lied“ an: Das raue, brutale Meisterwerk und die sicherlich nicht angenehmen Umstände, wie es entstanden ist.

Sicherlich lag es auch in der Intention Mollbergs, dem Film durch die so entstanden Spannungen und Grenzsituationen die Aura einer ungeschönten Dokumentation geben. Szenen wie jene, in der die Geburt eines Kalbes auf grauenvolle Weise schief geht und es im Leib der Mutter zerstückelt werden muss, sind hart mit anzusehen. Und in einem Interview mit dem Szenenbildner und rechte Hand Mollbergs wird erzählt, dass sie ungestellt war. Es bleibt zu hoffen, dass dies eine Übertreibung war. Die eingangs erwähnten Tritte gegen den Hund sind es aber nicht. Auch ist es kein Special Effect, wie vor der Kamera zahlreiche Rentiere mit einem gezielten Stich ins Herz getötet werden, und ihnen anschließend das Fell abgezogen wird. Mollbergs Film wimmelt von solchen Bildern, die einem eine brutale, grausame Welt zeigen, in der ein Leben schnell beendet werden kann, Alkohol und Armut die Gesichter und Leben der Menschen zerstören und echte Liebe keine Chance hat. Ja, man nicht einmal sicher sein kann, dass Liebe überhaupt existiert. Die Menschen sind derb und derb ist auch ihre Sprache und ihr Umgang miteinander. Auch wenn die karge, aber beeindruckend schöne Landschaft Südlapplands das Zeug zur Romantisierung hat, so scheint sie irgendwo getrennt von den Menschen zu existieren. Wenn diese durch sie hindurch stapfen, wirken sie wie Fremdkörper.

Sein Darsteller fand Mollberg nicht in Casting-Agenturen, sondern auf der Straße, an Tankstellen, beim Vorsprechen an der Schauspielschule. Dementsprechend rau sind seine Figuren. Die Gesichter verwittert und oftmals vor Dreck starrend, die Zähne schief, die Haare struppig oder strähnig. In zerschlissener Kleidung. In Worten und Gesten primitiv. Aber eben auch „echt“ und charismatisch. Damit auch sehr lange in Erinnerung bleibend. Mollbergs Entdeckung Maritta Viitamäki, die hier das erste Mal vor der Kamera stand, spielt mit einer entwaffnenden Natürlichkeit. Ihre Martta ist keine klassische Schönheit, aber im Dorf (oder sollte man eher sagen, der Ansammlung von ärmlichen und heruntergekommenen Höfen) das einzige junge Mädchen, welches quirlig, lebensbejahend und lebendig wirkt. Ihre Freundin ist zwar ebenfalls hübsch, aber in ihrem jungen Alter bereits so verhärmt, dass sie viel älter und lustfeindlich wirkt. Bis in einer fast schon surrealen Szene ein Geistlicher die örtliche Kirche besucht. Ein auf den ersten Blick abstoßender Mann, der sich in seiner Predigt wortstark über die Unmoral und Wertlosigkeit der Leute ereifert. Und sich in eine Rage redet, welche seltsam ansteckend wirkt und seine Zuhörer in eine beunruhigende Ekstase versetzt. Die Stimmung ist dadurch am Ende derart sexuell aufgeheizt, dass die sich Männlein und Weiblein übereinander hermachen und Marttas Freundin am nächsten Morgen nackt im Bett des angeblich so moralischen und reinen Priester erwacht.

Im Gegensatz zu ihrer Freundin lebt Martta ihre Sexualität ohne Reue aus. Sei es mit dem Nachbarn, dem „fremden“ Samen aus dem Norden oder mit ihrem eigenen Adoptivbruder. Sex ist für sie etwas natürliches, etwas was ihr Freude bereitet und ein wenig Geborgenheit gibt. Und dies wäre wahrscheinlich auch kein Problem (ein Nachbarin hat unzählige uneheliche Kinder und ist trotzdem Teil der Gemeinschaft), doch sie lässt sich mit dem Falschen ein. Der nicht zur Gemeinschaft zählende Same Oula, der in der Natur wohnt, traditionelle Tracht trägt und Rentierhirte ist, ist in den Augen der Dörfler verfemt. Gut genug, um einmal im Jahr die Rentiere ins Dorf zu treiben, aber nicht gut genug für ihre Töchter. Eine Beziehung zum Fremden wäre eine Schande. Auch wenn sich Oula weitaus anständiger verhält, als das grobe Dorfvolk um Martta herum, welches Martta bei jeder sich bietenden Gelegenheit begafft und versucht anzutatschen. Die Figur des Oula ist ein leider noch immer aktueller Kommentar zur Ausländerfeindlichkeit und der sture Einkapselung in die eigene Blase. Man kann sich allerdings nicht vorstellen, dass ein Film wie „Die Erde ist ein sündiges Lied“ heute noch einmal so gedreht werden könnte. Mollbergs Film ist ein kraftvolles Unikum. Nicht schön anzusehen. Grausam und brutal. Mit einem zutiefst pessimistischen Blick auf den Menschen. Eine messerscharfe Sezierung des nackten Menschen mit seinen Trieben, Schwächen, Unzulänglichkeiten und ungefilterten Emotionen.

Wie gewohnt hat das Vorzeige-Label Bildstörung wieder ein absolut vorbildliche Edition zusammen geschnürt. An der Bildqualität lässt sich nichts aussetzen, ebenso am Ton. Dieser liegt lediglich auf Finnisch vor mit deutschen Untertiteln. Was der Authentizität und dem dokumentarischen Charakter des Filmes nur förderlich ist. Würden die Finnen auf einmal Deutsch sprechen, so käme einen dies falsch vor. Die Extras zum Film befinden sich auf einer zweiten Scheibe, die nur als DVD vorliegt, was aber nichts ausmacht. Diese bestehen aus einem relativ aktuellen Interview mit der Hauptdarstellerin Maritta Viitamäki, die sich gut an die Dreharbeiten erinnert und eine sympathische, fröhliche Person ist. Auch wenn ihre Erfahrungen mit Mollberg nicht die Besten waren. Das zweite Interview findet mit Seppo Heinonen statt, der lange Zeit Mollbergs rechte Hand war und einen guten Einblick in die Person Mollberg gibt, den er als „Arschloch“ und ebenso film- und detailbesessen, wie unberechenbar bezeichnet. Teil dieses Interviews findet man auch im wichtigsten Extra wieder: Den 90-minütigen Film „Dinosaurier“, den sein Schüler und zeitweiliger Co-Autor Veikko Aaltonen inszenierte, der mittlerweile selber zu den bedeutenden Regisseuren Finnlands zählt. Der Film geht auf Mollbergs Werdegang ein, seine extrem schwierige Persönlichkeit, die Dreharbeiten für seine Filme, insbesondere „Die Erde ist ein sündiges Lied“ und „Der unbekannte Soldat“ und die Geschichte der finnischen Filmindustrie in den 60ern, 70er, 80ern und der Gegenwart. Gerade letzteres ist sehr spannend und zumindest mir eher unbekannt. Bei den Interviews mit Mollbergs Mitstreitern bleibt mir zu viel im Ungefähren. Zwar hört man von allen, dass Mollberg seine Schauspieler und Crew ausgenutzt und gepeinigt hat. Doch davon, was konkret vorgefallen ist, erfährt man nur wenig. Muss vielleicht auch nicht und ist dem Respekt der Interviewten vor dem verstorbenen „Genie“ geschuldet. Doch durch die vagen Information und dem gleichzeitigen relativeren mit dem Argument, dass am Ende aber ja immer ein Meisterwerk herausgekommen sei, schleicht sich ein Gefühl von „so schlimm wird es schon nicht gewesen sein“ ein, welches sicherlich nicht im Sinne der Macher war. Oder doch? Die Extras werden abgerundet durch einen Audiokommentar der Regieassistentin Pirjo Honkasalo und dem Kameramann Kari Sohlberg (auf Finnisch mit deutschen Untertiteln), sowie einem Booklet mit einem längeren, sehr gut geschriebenen und informativen Text von Olaf Möller und einem kürzeren von Heikki Huttu-Hiltunen zur Sprache im Film „Die Erde ist ein sündiges Lied“.

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07. Mai: „35 Millimeter – Das Retro Filmmagazin“ zu Gast in Bremen!

In eigener Sache:

Am Sonntag, den 7. Mai ist ab 17:00 Uhr ein großer Teil der Redaktion der „35 Millimeter – Das Retro Filmmagazin“ zu einem Nachmittag ganz im Zeichen des „Trivialen Zelluloids“ in der Kneipe HELGA in Bremen-Walle (Helgolander Str. 22) zu Gast!

Es wird drei Vorträge zum Thema „triviales Kino“ geben.

Ich selber werde in meiner Rolle als stellvertretender Chefredakteur „Triviales im Europäischen Kino bis 1965“ vorstellen. Die Redakteure Dr. Christoph Seelinger (Braunschweig) und Lars Johansen (Magdeburg) werden über „Herkules erobert die Leinwand – Muskelmänner im italienischen Sandalenfilm“ bzw. das Kolportagekino des Wolfgang C. Hartwig referieren.

Im Anschluss gibt es ein kleines Filmkonzert von Jakob Gardemann (Meisterschüler der HBK Braunschweig) zu drei experimentellen, jugoslawischen Kurzfilmen aus den frühen 60er Jahren.

Danach ist dann noch Zeit, um mit den Vortragenden und den weiteren aus ganz Deutschland angereisten Redakteuren zu plaudern.
EINTRITT FREI

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Die neuen Ausgaben der 35 Millimeter und 70 Millimeter sind erhältlich

Auch wenn ich den Blog momentan etwas zugunsten anderer Aktivitäten vernachlässige, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass sowohl die Ausgabe 49 des „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, sowie die Ausgabe 4 des von mir als Chefredakteur verantworten „70 Millimeter-Magazin“ seit einiger Zeit über den Online-Shop des Verlages erhältlich sind.

Die 35 Millimeter hat diesmal das Titelthema „Osteuropäisches Kino“ und ich hatte das große Vergnügen mich dreimal mit einem meiner Lieblingsfilmländer, nämlich Polen, auseinanderzusetzen. Ich schrieb über einen meiner Lieblingsfilme: „Die Handschrift von Saragossa“ vom großartigen Woijech Has. Und dann porträtierte ich zwei seht unterschiedliche Jerzys. Nämlich Jerzy Kawalerowicz und Jerzy Skolimowski. Mir hat die Arbeit an diesem Heft besonders viel Spaß gemacht und die Artikel der Kollegen zu lesen, war auch ein einziger Quell der Freude.

Die 70 Millimeter hat im Gegensatz zur großen Schwester normalerweise keine Titelthemen. Aus den vielen Vorschlägen, welche die Redakteure unterbreiten, stelle ich als Chefredakteur einen möglichst bunten Strauß an Artikeln für das Heft zusammen. Manchmal kommt es aber auch vor, dass die Redakteure Themen anbieten, die ganz zufällig einen gemeinsamen Nenner haben. So war es diesmal, als ganz unabhängig von verschiedenen Seiten Artikelvorschläge kamen, die man gut unter der großen Klammer „Blaxploitation“ zusammenfassen konnte. So ist die Hälfte des Heftes diesem Thema gewidmet, und ich selber habe hier einen Beitrag zum einzigen Blaxploitation/Italo-Western-Hybrid „Einen vor den Latz geknallt“ alias „Tote brauchen keine Dollars“ verfasst. Insgesamt bin ich auf das Heft, vor allem Dank meiner tollen Autoren, sehr stolz.

Die 35 Millimeter #49 kann man HIER für € 6,40 zzgl. Versand beziehen.
Die 70 Millimeter #4 gibt es HIER für 4,90 zzgl. Versand.

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Blu-ray-Rezension: “Der Meister mit den gebrochenen Händen“

Der Vater des jungen Jackie wird einem Schurken ermordet, als er sich weigert, wehrlose Dorfbewohner zu töten. Jackies Onkel nimmt den Jungen zu sich, verbietet ihm aber Kung Fu lernen. Heimlich beobachtet Jackie das Training einer Kung-Fu-Schule mit. Als er vom dortigen Lehrer weggejagt wird, trifft Jackie auf einen alten Bettler, der ihn weiter unterrichtet. Als Jackie ein junger Mann ist, legt er sich mit einer Truppe lokaler Kleinkrimineller an, was seinem Onkel gar nicht gefällt, weshalb er Jackie hart bestraft. Doch Jackie erholt sich, räumt mit den Ganoven auf und tritt am Ende sogar dem Mörder seines Vaters entgegen.

Der Meister mit den gebrochenen Händen“ war für mich immer eine jener VHS-Kassetten, die in der Videothek irgendwo unten im Regal standen und bei denen man sich sicher war, dass es sich um eine Mogelpackung handeln würde. In der Erinnerung meine ich, dass auf der Kassette damit geworben worden wäre, dass die Toneffekte von den Spencer/Hill-Machern stammen würden. Da ich bei de Recherche dazu aber nichts finden konnte, wird dies höchstwahrscheinlich ein anderes Eastern-Tape gewesen sein. Richtig ist jedenfalls, dass der Kino- und VHS-Titel „The Master mit den gebrochenen Händen“ war. Wobei „The Master“ in Anführungszeichen stand. Ob man sich hier an den Erfolg von „Meister aller Klassen“ hängen wollte, der im Original ja „The Young Master“ hieß? Aber wer wusste das hierzulande schon? Ferner packte man noch ein Bild von Jackie aus seinem US-Debüt „The Big Brawl“ aka „Die große Keilerei“ auf das Cover. Da dürfte sich manch einer gewundert haben, als er in den frühen 80ern den Film auslieh. Denn bei „Der Meister mit den gebrochenen Händen“ handelt es sich in weiten Teilen um einen Film von 1973 (gedreht wurde dieser sogar schon 1971). Und da sah Herr Chan noch etwas anders aus, denn erst in der zweiten Hälfte der 70er legte er sich unter das Messer, um seine Augen ein wenig runder und damit „westlicher“ machen zu lassen.

Der Rest wurde nach Jackies Durchbruch mit „Sie nannten ihn Knochenbrecher“ einfach ohne den Star nachgedreht. Und da schnappte man sich kurzerhand den sicherlich günstiger zu bekommenden Simon Yuen Siu-Tin als trinkfreudiger Bettler, der sich als Kung-Fu-Meister entpuppt und den jungen Jackie unter seine unkonventionellen Fittiche nimmt. Eine Rolle, die er nicht nur im bereits erwähnten „Sie nannten ihn Knochenbrecher“, sondern auch dem anderen immens erfolgreichen Jackie-Chan-Filmen „Die Schlange im Schatten des Adlers“ und unzähligen billigen Imitaten dieser beiden Erfolge übernommen hatte. Simon Yuen Siu-Tin ist übrigens der Vater von Yuen Woo-Ping, der nicht nur als Regisseur die beiden eben genannten Jackie-Chan-Filmen und eine Reihe großartiger 80er-Hongkong-Actioner gedreht hat, sondern mehr noch als Kung-Fu-Choreograph großer US-Produktionen wie „Matrix“ bekannt wurde. Leider verstarb Simon Yuen Siu-Tin kurz nach Fertigstellung der nachgedrehten Szenen 1980 an Krebs. Die Szenen die nicht zum ursprünglichen Film gehörten, sind all jene in denen die Figur des Bettlers auftaucht. Also vor allem der Beginn und das abgeklatschte zweite Finale, in dem teilweise Szenen aus anderen Filmen mit Jackie Chan genutzt wurden, vor allem aber ein Jackie-Chan-Double herumläuft, welches aus einem sehr fadenscheinigen Grund eine Maske über dem Gesicht trägt.

Somit hat man es bei „Meister mit den gebrochenen Händen“ im Grunde mit einem künstlichen Konstrukt zu tun, welches zu 2/3 aus einem unbekannten B-Film von 1973 und zu 1/3 aus neuem Material ohne Jackie Chan zu tun. Da erstaunt es in der Tat, dass sich das dann doch relativ gut zusammenfügt. Zumindest am Anfang. Nach dem eigentlichen Finale des ursprünglichen Films wird es dann wirr, sprunghaft und passt nicht mehr wirklich. Gleiches gilt für die komödiantischen Szenen mit Dean Shek, die an den Haaren herbeigezogen und nicht wirklich gelungen sind. Doch davon ab, ist „Meister mit den gebrochenen Händen“ ein auf mehreren Ebenen interessantes Zeitdokument. Einmal zeigt es die Kreativität, welche die B-Filmmacher in Hongkong an den Tag gelegt haben, um am Erfolg der Stars des Landes zu partizipieren. Stichwort Bruceploitation. Andererseits zeigen die Szenen des Originalfilms, dass Jackie Chan schon mit 17 Jahren in der Lage war einen Film zu tragen und hier einiges von der Persönlichkeit einbrachte, die ihn einige Jahre später zum Superstar machten. Umso erstaunlicher, dass man nach dieser ersten Hauptrolle lange keine rechte Ahnung hatte, was man mit Jackie anfangen sollte und ihn als Bruce-Lee-Nachfolger aufbauen oder sogar als Bösewicht verheizen wollte.

In seiner Autobiographie schreibt Jackie Chan, dass er durch Beziehungen an die Hauptrolle gekommen sei, dann aber geschockt war, als er am Drehort ankam. Seinen Ausführungen nach gab es kein Budget, keine fertiges Drehbuch und auch keine wirkliche Regie. Bezahlt wurden er und die restliche Crew am Ende auch nicht, da Regisseur und Produzent mit dem Filmmaterial auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Tatsächlich wurde der Film aber scheinbar im März 1973 in Hongkong als „Cub Tiger from Kwang Tung“ oder „Little Tiger of Canton“ aufgeführt. Andere Titel waren „Snake Fist Fighter“ oder „Ten Fingers of Death“ und 1981 kam dann die neue Fassung als „Master with Cracked Fingers“ in die Kinos. Oder bei uns eben im Oktober 1981 als „The Master mit den gebrochenen Händen“.

FilmArt hat dem Film nun eine HD-Veröffentlichung gegönnt, die im Gegensatz zu der alten Kino- und VHS-Fassung ungekürzt ist. Erstmals remastered und mit überarbeiteten Ton. Das Bild ist angesichts der Produktionsgeschichte des Films gut. Die damals gekürzten Szenen wurde in Mandarin mit deutschen Untertiteln eingefügt. Extras gibt es bis auf eine Deleted Scene (eine Szene, die nur in der deutschen Kino vorhanden war und eigentlich in einen ganz anderen Film gehört) und Trailer leider keine.

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Mein ganz persönlicher Jahresrückblick 2022

Zwischen den Jahren ist traditionell die Zeit ein wenig inne zu halten und das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Was für ein seltsames Jahr. Wir stecken immer noch in der Pandemie fest, aber irgendwie scheint sich jeder daran gewöhnt zu haben und das Ganze nicht mehr so recht ernst zu nehmen. Obwohl gerade in den letzten Wochen um mich herum gefühlt jeder/jede Zweite sich infiziert hat. Auch mich selber erwischte es im September bereits zum zweiten Mal. Allerdings war dies dank Impfungen im Gegensatz zu meiner Erkrankung am Anfang der Pandemie als es noch keine Impfmittel gab, ein regelrechter Spaziergang. Nervig, aber es hat mich diesmal nicht aus den Socken gehauen. Ein Blick in die Welt lässt einen auch nicht gerade rosig in die Zukunft blicken. Man kann manchmal den Eindruck erlangen, alles rast mit Vollgas auf einen finsteren Abgrund zu. Und die Menschheit entwickelt sich immer weiter zurück. Aber da ich solch dunkle Gedanken gar nicht die Oberhand gewinnen lassen möchte, setzte ich meinen letzten Rest Optimismus auf eine junge Generation, die in einer lebenswerten Zukunft leben möchte und sich von uns alten Säcken und psychopathischen „Führern“ dies nicht kaputt machen lassen möchte.

Aber kommen wir zu erfreulicheren. So viel wie in diesem Jahr habe ich in Bezug auf mein liebstes Hobby Film noch nie gemacht. Die nackten Zahlen: 7 Artikel für das „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, 2 Artikel und die Hauptverantwortung als Chefredakteur für beide Ausgaben des „70 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ in diesem Jahr, und noch einmal zwei Artikel für „35-Millimeter-Sonderausgaben“. Und einen Podcast für die 35 Millimeter habe ich auch noch geschafft. Vier Booklets für die „Western All’Arrabbiata“-Reihe von Koch Film/Plaion (von denen zwei noch nicht veröffentlicht sind) (mit)geschrieben, sechs Audiokommentare für Ostalgica (mit Lars und Clemens, davon zwei noch nicht veröffentlicht) eingesprochen, vier Videofeatures für Ostalgica (drei noch nicht veröffentlicht) produziert, an einer großen 2-teilige Diskussionsrunde mit Andreas von Ostalgica, Lars und Clemens für den Offenen Kanal Magdeburg (und wahrscheinlich irgendwann auch als Extras auf einer Ostalgica-Veröffentlichung) teilgenommen, drei Beiträge in einer Buchveröffentlichung (dazu demnächst mal mehr, wenn ich es in den Händen halte) abgeliefert. 11 x Mit-Gastgeber bei Weird Xperience gewesen, Einführungen zusammen mit Stefan beim Deliria-Italiano-Forentreffen in Nürnberg und beim HyperHorrorHappening im City 46 gehalten. Dazu noch zwei große Veranstaltungen der neuen Reihe „Film & Konzert“ im Karo in Bremen-Walle mitverantwortet.

Reisen zum wunderbaren Mondo-Bizarr-Weekender in Düsseldorf, der unter strengen Hygienebedingungen endlich wieder stattfinden konnte. Gleiches gilt für das „Monster machen mobil“ in Hamburg, wo ich einen Traum verwirklichen und „Der weiße Hai“ von 35mm auf der großen Leinwand bewundern durfte. Nach Oldenburg zum Internationalen Filmfest, welches wieder stimmungsmäßig an Vor-Pandemie-Zeiten anschloss und schließlich wie jedes Jahr das große Highlight: Das 14. Deliria-Italiano-Forentreffen, welches zum zweiten Mal im schönen Nürnberg stattfand. Theoretisch hätte das alles auch noch mehr sein können, aber da ich mir neben Film (und dem regulären Broterwerb, der dieses Jahr auch viele anspruchsvolle Herausforderungen mit sich brachte) mit dem Erlernen eines Musikinstruments (lebenslanger Traum), sowie der Mitgliedschaft in einem Kneipenverein, bei dem ich für das Organisieren der Veranstaltungen mitverantwortlich bin, zwei weitere Hobbies gesucht habe, blieb nicht so viel Zeit dafür. Schließlich habe ich auch eine Familie und die fordert völlig zu Recht auch, dass der Papa mal für sie da ist. Ich gebe zu, ohne die Pandemie und die Möglichkeit fast ausschließlich im HomeOffice zu arbeiten, hätte ich das alles nicht geschafft.

Was wirklich gelitten hat in diesem Jahr war der Blog. Irgendwo muss man Zeit einsparen und da hat es zunächst die Rubrik „Das Bloggen der Anderen“ getroffen und dann das intensive Schreiben hier. Ich hatte einfach zu viel anderes um die Ohren (siehe oben) und auf den Blog zu verzichten fiel angesichts der vielen Termine und Deadlines, die ich anderweitig hatte, am Leichtesten. Was nicht heißen soll, dass der Blog tot wäre. Im Gegenteil. Sobald ich wieder etwas mehr Luft habe, dann wird es hier auch wieder etwas „lauter“. Wobei – just wo ich dies schreibe flattert mir eine extrem unangenehme und kostspielige Email in den Posteingang, die meine Freude am Bloggen ins Kellergeschoss und noch weiter nach unten sinken lässt. Das hätte ich jetzt nicht mehr gebraucht. Mal schauen, was das wird…

Was noch gelitten hat und dringend besser werden muss: Durch die vielen Verpflichtungen fiel es schwer, mal was „nur für sich“ zu machen oder vor allem sich öfter „einfach so“ mal mit Freunden zu treffen. Da muss man immer abwägen. Wenn man schon häufig unterwegs ist, sollte man die Zeit dazwischen auch wirklich für die Familie reservieren. Aber das habe ich schon sehr vermisst. Und so schön es ist, sich in seinen Hobbies ausleben zu können, es frisst eben auch viel Zeit, die sorgsam verteilt werden will. Mal schauen, wie ich das in 2023 besser hinbekomme. Mein seit über 10 Jahren geplantes Buchprojekt zum Beispiel kriege ich so sicherlich nicht auf die Spur.

Die üblichen Statistiken zum Blog, die ich in den Vorjahren immer geführt habe, lasse ich mal weg. Da habe ich seit letztem Jahr nicht mehr drauf geschaut. Ich weiß ja, dass ich das Filmforum Bremen stark vernachlässigt habe, dass muss ich jetzt nicht noch mit Zahlen untermauern.

Geguckt habe ich überraschend viel: 241 Spielfilme oder Dokumentationen in Spielfilmlänge sind es geworden. Das ist noch einmal deutlich mehr als die 224 Filme letztes Jahr, die auch schon ein Rekord waren. Allerdings sind da fast keine aktuellen Produktionen dabei, da ich es auch in diesem Jahr kaum ins Kino geschafft habe. Was ich extrem traurig finde. Aber wie oben bereits ausführlich geschildert: Die Zeit, die Zeit.

Hier also die obligatorischen Top10. Wobei ich es bei den aktuellen Filmen mangels gesehener Masse bei den Top5 bleiben lasse.

Top 5 aktuelle Filme

1. Blond (Andrew Dominik, 2022)
2. The Fire Within: A Requiem for Katia and Maurice Krafft (Werner Herzog, 2022)
3. Alma Viva (Cristèle Alves Meira, 2022)*
4. Linoleum (Colin West, 2022)*
5. Lightyear (Angus MacLane, 2022)

* im Kino gesehen

Top 10 ältere Filme (nur Erstsichtungen)

1. The Painted Bird (Václav Marhoul, 2019)
2. Les frères Sisters (Jacques Audiard, 2018)
3. La traque (Serge Leroy, 1975)
4. Krakatit (Otakar Vávra, 1948)
5. ‚Hukkunud Alpinisti‘ hotell (Grigori Kromanov, 1979)
6. Ôkami to buta to ningen (Kinji Fukasaku, 1964)
7. The Lost City of Z (James Gray, 2016)
8. Denk ich an Deutschland – Das Wispern im Berg der Dinge (Michael Althen/Dominik Graf, 1997)
9. Zatôichi monogatari (Kenji Misumi, 1962)
10. Dementia (John Parker/Bruno VeSota, 1955)

Ich wünsche allen meinen Leser*innen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt gesund! Wir lesen/sehen uns wieder in 2023!

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 47 (nicht mehr) erhältlich – aber kleiner Trost

Kurz nachgereicht. Die 47. Ausgabe des „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ mit dem Titelthema „Circus & Sideshow“ ist direkt nach ihrer Veröffentlichung ausverkauft gewesen. Beim Verlag ist sie nicht mehr zu beziehen. Vielleicht wird man mit etwas Glück bei eBay und Konsorten fündig. Auch nicht schlecht. Ich hatte in der Ausgabe anhand ausgewählter Beispiele über Hellseher und Wahrsager im Film geschrieben, was mir viel Freude bereitet hat. Da Zirkus nicht zu meinen favorisierten Freizeitbeschäftigungen zählt, bin ich da auch nicht besonders gut im Thema. Weshalb es für mich sehr spannend war, die Beiträge der Kollegen zum Thema zu lesen.

Wer ich nun ärgert nicht zum Zuge gekommen zu sein, aber gerne eine aktuelle 35MM bestellen möchte, der/die sei mit dem „Best-Of“-Heft X-MAS-EDITION vertröstet. Hier wurden alle bisher in der 35MM zum Thema Weihnachten erschienen Artikel gebündelt. Darunter mein Plädoyer für „Santa Claus Conquers the Martians“ aus der Doppel-Nummer 24/25. Für nur Euro 2,90 kann man die X-MAS-EDITION hier erhalten

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Bericht vom 29. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 3

Kulturetage

Mein dritter und letzter Tag beim 29. Internationalen Filmfest Oldenburg war dann der Tag der Überraschungen. Allzu hohe Erwartungen hatte ich an keinen der drei Filme, die ich mir ausgesucht hatte. Lediglich auf „The Gravity” war ich (und das auch noch aus den falschen Gründen, wie ich später noch ausführen werde) gespannt. Doch weiter gefehlt. Unterhaltsam waren sie alle drei und vor allem „Alma Viva“ vermochte mich sehr begeisterten.

Los ging es wieder im Casablanca 2, wo mich ein französischer Film mit Sophie Marceau erwartete. Der dann auch relativ viel Publikum zog.

A Woman
Inhalt: „Juliane Verbeck ist Polizistin in Paris – eine kühle, klardenkende Frau, die ihren Job so gut beherrscht, dass sie es nebenbei sogar schafft, erfolgreiche Bücher zu schreiben. Doch obwohl sie in der Lage ist, Fälle von rein beruflicher Natur schnell aufzuklären, ist ihr die Untreue ihres Ehemannes lange Zeit entgangen. Nachdem sie aber angefangen hat, dessen Spur aufzunehmen, gibt es für sie kein Halten mehr. Aus der gesetzeskonformen Polizistin wird ein mörderischer Racheengel.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Natürlich ist „A Woman“ ein hochkonstruierter Film. Da ist die Hauptfigur nicht nur erfolgreiche Romanautorin, sondern auch gleich Kommissarin bei der Mordkommission. Und selbstverständlich wohnt sie nicht irgendwo, sondern gleich in einer beeindruckenden Villa mit riesigem Garten. Und man hat noch ein geräumiges Apartment in der Mitte von Paris. Woher kommt der Reichtum? Vom Ehemann, der Luxusobjekte vermarkelt? Wie man sieht: „A Woman“ spielt nicht unbedingt in der realen Welt, auch wenn er so tut. Dementsprechend hinterfragt man dann aber auch nicht die drastischen Reaktionen, die die Untreue des Ehemannes bei Juliane hervorrufen. Akzeptiert man diese artifizielle Filmwelt der Schönen und Reichen (wie man sie ja auch aus den Filmen Chabrols kennt, der hier möglicherweise Pate stand), kann man sich aber zurücklehnen und sich von der abstrusen Handlung unterhalten lassen. Diese lebt von der souveränen Darstellung Sophie Marceaus, die im Alter eine gewisse Ähnlichkeit mit Charlotte Gainsbourgh entwickelt, die hier auch gut gepasst hätte.

Die Handlung schlägt dann mal hier, dann dort ein wenig über die Stränge und Regisseur Jean-Paul Civeyrac packt immer mehr in den Film, als diesem eigentlich guttuen würde. Da kommt plötzlich ein Mutter und ihre Tochter zusammen mit ihrem prügelnden und vielleicht auch missbrauchenden Ehemann aus dem Nichts ins Spiel, und das Ende erinnert an einen Exploitationfilm der 70er. Das alles ist sehr professionell gefilmt und macht auch Spaß, wenn man das alles nicht zu ernst nimmt. Interessanterweise ist „A Woman“ einer der ganz wenigen Filme des Festivals, in dem die Corona-Pandemie thematisiert wird. Wobei die Maskenpflicht sehr inkonsequent und unlogisch gezeigt wird. Da wird sich die Maske aufgesetzt, wenn mit einer Zeugin gesprochen wird, aber gleich wieder abgesetzt, wenn man inmitten der Kollegen steht. Da die Pandemie aber auch so immer wieder angesprochen wird, kann man mit viel guten Willen „A Woman“ auch als Metapher darauf sehen: Nach einem unvorhergesehen, nicht selbst verschuldeten Ereignis, wird das Leben nie wieder so sein wird, wie zuvor. Muss man aber nicht.

Danach verabschiedete ich mich für dieses Jahr aus dem Casablanca und lief zum Theaterhof zurück. Dem ich an dieser Stelle ein dickes Kompliment aussprechen muss. Der Theaterhof war in den Jahren zuvor nie meine Lieblingsspielstätte des Festivals gewesen. Eher im Gegenteil. Und auch in diesem Jahr hatte ich mich eigentlich bemüht, den Theaterhof zu meiden. Weshalb? Weil die Projektion dort immer suboptimal war. Viel zu blass und mit etwas zu wenig Kontrast. Ganz anders dieses Jahr. Hier wurde anscheinend in einen richtig guten Projektor investiert. Die Probleme der vergangenen Jahre waren Vergangenheit, das Bild knackig scharf mit intensiven Farben und knackigen Schwarztönen. Ganz wunderbar. So macht Kino Spaß.

Alma Viva
Inhalt: „Ein kleines Dorf in den portugiesischen Bergen. Eine tote Großmutter. Und die Entdeckung ihrer übersinnlichen Fähigkeiten. Was als normale Sommerferien begonnen hat, wird für Salomé zu einer Reise in die Vergangenheit. Während ihre Verwandten die Beerdigung ihrer Großmutter planen, wird das Mädchen von ihrem Geist besucht. Ein beunruhigendes Vermächtnis, das Salomé vererbt wurde, denn die Großmutter galt im Dorf als Hexe.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

„Alma Viva“ war für mich die schönste Überraschung des Festivals. Befürchtet hatte ich einen sehr zähen, unspektakulären Familienfilm. Ein Familienfilm ist Alma Viva auch, aber was für einer. Einer in dem das Leben pocht und der ein solch vitales Bild einer Familie und der Dorfgemeinschaft zeichnet, dass man sich fast augenblicklich als Teil der sich streitenden, feiernden, hass-liebenden und dann doch füreinander einstehenden Familie fühlt. Die einzelnen Typen und die Darsteller sind so natürlich, dass man das Gefühl hat, sie alle gut zu kennen. Dazu wird dann noch eine gesunde Portion magischer Realismus mit in den Mix geworfen.

Erzählt wird die Geschichte durch die großen Augen der jungen Salomé, die nie Gefahr läuft „niedlich“ oder „keck“ zu sein, sondern wirklich „nur“ das Kind von nebenan ist, mit all seinen positiven und negativen Facetten. Nie fühlt sich der Film falsch an, nie gibt es falsche Sentimentalität. Nichts wird romantisiert. Und doch fühlt man sich zu diesen Leuten hingezogen. Das einzige, was man der französisch-portugiesischen Filmemacherin Cristèle Alves Meira vorwerfen könnte ist, dass sie ihr starkes Schlussbild dadurch schwächt, dass er den Abspann über die beeindruckende Landschaft laufen lässt, statt das letzte Bild einfach für sich stehen zu lassen.

Da der Sonntag beim Festfest immer davon geprägt ist, dass die Gäste schon abgereist sind und somit keine Q&A mehr stattfindet. Dadurch fangen die Filme aber auch immer pünktlich an und enden auch pünktlich. Sodass erstmals in drei Tagen auch genug Zeit blieb für das leibliche Wohl zu sorgen. Den Hinweg zum bekannten Dönerladen am Hauptbahnhof konnte ich noch trockenen Fußes zurücklegen, auf dem Rückweg schüttete es wieder so, dass ich völlig durchnässt wieder am Theaterhof ankam. Da ich aber noch genügend Zeit hatte, konnte ich mich in den bequemen „Kuschelecken“ im Foyer trocknen und einfach mal die freie Zeit genießen. Was in den letzten beiden Tagen nicht so oft vorgekommen war. Dann ging es in den letzten Film, der mich überraschenderweise wieder nach Frankreich brachte.

The Gravity
Inhalt: „In wenigen Tagen kommt es zu einem einmaligen Ereignis: Alle acht Planeten des Sonnensystems werden in einer Reihe stehen. Niemand weiß, wie sich das auf die Gravitation auswirken wird. Das Thema dominiert die Nachrichten. Während der Himmel über Frankreich sich bereits rot verfärbt, versuchen Daniel und sein Bruder Joshua, sich mit Drogenhandel in den Elendsvierteln von Paris über Wasser zu halten. Eine jüngere Generation aus dem Ghetto stört sich jedoch am Treiben der Beiden. Sie nennen sich die »Ronin« und beginnen eine harte Konkurrenz mit den beiden Brüdern – und sie sind besessen von der bevorstehenden Reihung der Planeten.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Scheinbar hatte ich die Inhaltsangabe im Katalog des Festivals (die auch nicht ganz korrekt ist, bzw. die Schwerpunkte etwas verschiebt) zu diesen Film falsch gelesen oder mit einem anderen Film durcheinandergebracht, denn ich erwartete eine absurde amerikanische Komödie und war daher überrascht mich in einem französischen Film über das harte und Kriminalität geprägte Leben in den Betonburgen der Pariser Vorstadt wiederzufinden. Da spielt das Gimmick mit den sich in bald in einer gerade Linie befinden Planeten zunächst auch eher eine Nebenrolle, auch wenn die Konstellation und der sich zunehmend rot färbende Himmel immer wieder auf nahendes (kosmisches?) Unheil hinweist. Bis es aber dazu kommt (oder auch nicht), begleiten wir erst einmal den frisch entlassenen Sträfling Christophe dabei, wie er sich im Alleingang die Herrschaft über den mittlerweile von der mysteriösen und sehr jungen „Ronin“-Gang beherrschten Block wiederholen will. Daneben gibt es seinen alten Freund aus Kindertagen Daniel, der mittlerweile ein sportlich erfolgreicher Läufer geworden ist und aus dem Viertel fliehen will, sowie dessen seit einem tragischen Unfall an den Rollstuhl gefesselten Bruder Joshua.

Der Film konzentriert sich zunächst darauf, wie Christophe Pläne schmiedet, um sich „sein“ Viertel zurückzuholen und sein lukratives Drogenhandel wieder aufzunehmen. Und darauf, wie Daniel widerwillig seinem Bruder hilft, hinter dem Rücken der „Ronin“ als Kleindealer ein paar Euro zu machen, während er gleichzeitig seine Abreise mit Frau und Kind nach Kanada plant. Doch dann verliert der Film seine „Gravität“, die ihn zuvor geerdet hat. Die Ereignisse werden immer geheimnisvoller. Die Ronin, welche zuvor als eine Art Robin-Hood-Gang gezeichnet wurden, entpuppen sich plötzlich als Anhänger eines seltsamen Kults. Komplett mit unterirdisch-labyrinthischen Geheimorten, die die drei „Alten“ ihrer „Religion“ als Opfer darbieten wollen. Joshua ist ein genialer Erfinder, der seinen Rollstuhl in eine Transformers-ähnliche Waffe umfunktioniert hat. Daniel und Christophe sind brutale Kämpfer, die sich ihren blutigen Weg durch immer größer werdenden Reihen von Ronin pflügen müssen. An dieser Stelle hat „La Gravity“ dann die Milieu-Studie verlassen und sich in einen seltsamen Action-Horror-Hybrid unter dem roten Himmel der schicksalhaften Planetenkonstellation verwandelt. Das kann man bis zum mysteriösen Ende dann auch als Gleichnis lesen, dass es beinahe übermenschliche Kräfte braucht, die Anziehung des Ortes an dem man aufgewachsen ist und des Milieus zu dem man gehört zu entziehen.

Vielleicht übertreibt es Regisseur Cédric Ido auch mit seinen Metaphern und hätte sich auf die eine oder die andere Geschichte konzentrieren sollen. Andererseits ist das sanfte, fast unmerkliche Abgleiten in Chaos und Gewalt auch ausgesprochen spannend und mit einem immer mehr anziehenden Tempo in Szene gesetzt, sodass der Film auch ohne Metaebene recht gut als Mischung aus Milieu-Studie, Action und Horror funktioniert.

Damit endete „mein“ 29. Internationales Filmfest Oldenburg. Von den Filmen her war das wieder ein ganz hohes Niveau. Ausfälle gab es keine. Bis auf den eher mittelmäßigen „Chaguo“ bewegte sich alles zwischen gut und ausgezeichnet. Mein Kompliment an diejenigen, die für die Filmauswahl zuständig sind. Guter Job! Ich freue mich schon sehr auf die 30. Auflage und hoffe sehr, diese dann wenigstens ab und zu wieder in Begleitung erleben zu können. Das ist schon schöner. In diesem Sinne: Tschüss Oldenburg und bis zum nächsten Jahr!

 

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Bericht vom 29. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 2

Am meinem zweiten Tag des 29. Internationalen Filmfest Oldenburg rutschte ich von Bremen ohne Probleme nach Oldenburg durch und fand wieder einen Parkplatz ganz nah an dem Kino, indem ich meinen Samstag verbringen sollte: Dem Studio K in der Kulturetage. Heute liefen dann auch die Filme, an die ich im Vorfeld die höchsten Erwartungen gehabt hatte. Und um es vorweg zu nehmen: Ich wurde nicht enttäuscht.

Parsley
Inhalt: „Die junge Haitianerin Marie lebt mit ihrem dominikanischen Ehemann Frank im Jahr 1937 nahe der Grenze der Dominikanischen Republik zu Haiti. In der Nacht nach der Beerdigung ihrer Mutter werden sie von Schreien aus dem Dorf geweckt, Unruhe eskaliert in Gewalt und Panik. Frank verlässt die Hütte, um herauszufinden, dass etwas gestern noch Unfassbares geschieht. Die Regierung hat die sofortige Hinrichtung aller Haitianer auf dominikanischem Land angeordnet. Mit ihrer kleinen Schwester im Schlepptau flieht Marie in den Wald, um Frank zu finden. Im 9. Monat schwanger und ohne Versteck, muss sie im dichten Hinterland ums Überleben kämpfen und wird Zeugin der Gräueltaten eines kurzen, aber umso grausameren Genozids, vor dem es kein Entrinnen zu geben scheint.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

„Parsely“ erzählt von einer blutigen und unmenschlichen Episode in der Geschichte der beiden Nachbarstaaten Dominkanische Republik und Haiti. Eine Episode, die – wie José María Cabral in der Q&A erzählte – auch heute noch gerne totgeschwiegen wird und ihm viele Anfeindungen einbrachte, weil er sie mit seinem Film versuchte aufzuarbeiten. Der Film spielt in einer grausamen Nacht und wir folgen unserer hochschwangeren Protagonistin durch die Schrecken eines Genozids. Dabei gelingt Regisseur José María Cabral der Spagat, einerseits die Brutalität und die Auswirkungen der Gewalt zu zeigen, andererseits trotz durchaus harter Effekte die Drastik der Darstellung für ein typisches Festivalpublikum gerade noch erträglich zu halten. Zwar schnürt einem manches den Hals zu, aber die schlimmsten Szenen werden dann doch aus der Distanz gefilmt. Der Film lebt von der sehr guten Darstellung der Hauptdarstellerin Cyndie Lundy, welche die Marie wie betäubt durch eine immer unmenschlicher werdende Hölle stolpern lässt. Am Ende bereit, sich für die Freiheit ihres Ungeborenen selbst zu verstümmeln. Das eng auf 4:3 begrenzte Bild sorgt für eine permanent klaustrophobische Stimmung. Und Cabral weiß, wann und wie er seinen Film beenden muss. Ein Happy End kann es in einer solchen Welt nicht geben, aber einen Funken der Hoffnung möglicherweise schon. Ambivalent das letzte Bild, und die Geschichte gehen im Kopf des Zuschauers weiter.

José María Cabral, Cyndie Lundy

 

 

The Prank
Inhalt: „Ben braucht gute Noten, um ein Stipendium zu bekommen. Seine verwitwete Mutter Julie ist nicht in der Lage, das Schulgeld für ihn zu bezahlen. In der Schule droht seine Physiklehrerin Mrs. Wheeler damit, die gesamte Klasse durchfallen zu lassen, nachdem sie herausgefunden hat, dass jemand bei der Zwischenprüfung geschummelt hat. Frustriert schmieden Ben und sein bester Freund Tanner den Plan, Mrs. Wheeler online zu diskreditieren, indem sie ihre Lehrerin des Mordes an einem vermissten Schüler bezichtigen. Doch der »Prank« nimmt mehr Fahrt auf, als Ben und Tanner sich ausgemalt haben.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Mit „The Prank“ ist Regisseurin Maureen Bharoocha ein wirklich schöner Film gelungen, der stark an Joe Dantes wunderbaren „Meine teuflischen Nachbarn“ erinnert. Vorgestellt als Highschool-Comedy-Hitchcock-Thriller, trifft der Film die Erwartungen. Wobei „Hitchcock“ dann doch etwas hochgegriffen ist, aber Bill Castle wäre auch eine schöne Referenz. Brillant ist die Besetzung des typischen, schlurfig-chaotischen Best-Buddy-Sidekick mal nicht mit einem Jungen, sondern einem Mädchen. Das bringt dieser eher stereotypen Rolle, die man so seit den 80ern unzählige Mal gesehen hat, tatsächlich eine völlig neue Qualität. Natürlich waren die Schauspieler, die diese Rollen verkörperten, immer schon die „Scene stealer“ gewesen. Interessanter und witziger als der nominelle Hauptdarsteller. Aber eben auch immer nie auf Augenhöhe, sondern „Mittel zu Zweck“. Der Nerd, der gut genug ist, die Probleme des „Normalen“ zu lösen, aber am Ende eben auch nur die zweite Geige spielen und allein nach Hause gehen darf. Der Nerd hat seine Schuldigkeit getan, der Nerd kann gehen.

Ganz anders hier. Tanner ist definitiv auf Augenhöhe mit Ben. Auch wenn Ben noch immer als Hauptfigur durchgeht, so ist Tanner weitaus mehr als die lustige Nebenrolle. Zwischen zwei Jungen hätte es so etwas wie eine Rangordnung gegeben, die hier durch die Besetzung von Tanner mit der wundervollen Ramona Young dankenswerterweise völlig fehlt. Was einem auch bezüglich Rollenklischees und typischen Geschlechterbildern zu denken gibt. Davon abgesehen, besitzt „The Prank“ aber auch eine höchst unterhaltsame Geschichte, die nebenbei einen klugen Kommentar zu Fake News und die Schnelllebigkeit der Sozialen Netzwerke abgibt. Das As im Ärmel ist natürlich Rita Moreno, die mit unglaublichen fast 90 Jahren sichtbar Freude an ihrer bösen Rolle hat und der die Spiellust förmlich aus den Augen sprüht. Da verzeiht man auch gerne eine paar Übertreibungen im letzten Akt. Aber das hat man ja bei dem oben erwähnten „Meine teuflischen Nachbarn“ auch getan.

Maureen Bharoocha

Moderatorin, Maureen Bharoocha, Produzent

Aberrance
Inhalt: „Erkhmee and Selenge ziehen in eine Hütte in der mongolischen Wildnis, um sich von dem stressigen Leben in der Großstadt zu erholen. Ihre Ehe ist mit Problemen befrachtet. Selenge hat Panikattacken, während Erkhmee beim Versuch sich um sie zu kümmern, sein gewalttätiges Temperament nicht im Zaum halten kann. Als ein neugieriger Nachbar sich einmischen will, setzt er eine Kettenreaktion in Bewegung.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Bevor ich auf den Film selber bespreche, muss ich kurz auf ein Gespräch eingehen, welches ich leider hinter mir mitverfolgen musste. Da sprachen zwei (ältere, weiße Männer) darüber, was sie den jetzt in diesem mongolischen Film erwarten würde. Scheinbar hatte keiner von Beiden die Inhaltsangabe im Kopf. Uns so kreiste das Gespräch dann um Dschingis Khan, der ja nur bis Wien kam (ja, genau. Da ist wohl etwas durcheinander geraten..), die weite Steppe in der der Film wohl spielen würde plus die Vorstellung, dass die Leute da dann stundenlang durch laufen müssten. Alles mit einem „Hahaha, die Mongolen.. wollen auch Filme drehen. Na, das kann ja etwas werden“ im Unterton. Dann wurde sich noch über einen koreanischen Film im Festival unterhalten (es muss sich dabei um Park Chan-wooks (!) „Desicion to Leave“ aus Südkorea handeln, ein anderer südkoreanischer Film lief dort nicht). Auch hier ein: „Naja, die Koreaner wollen ja jetzt auch Filme drehen“. Eine Ignoranz, ein Kulturchauvinismus der wirklich weh tut. Das ist die Art von Publikum, die ich kenne, wenn irgendwo ein schönes Festival mit europäischen Genreklassiker der 70er und 80er läuft, und die Leute sich daran berauschen wollen, wie schlecht und „trashig“ doch diese alten Schinken sind. Hier hat das alles aber auch noch einmal eine ganz andere Qualität. Fürchterlich.

Ganz und gar nicht fürchterlich (in dem Sinne) war dann der mongolische Slasher/Thriller „.Aberrance“. Ein Erstlingswerk des begnadeten Kameramannes Baatar Batsukh, der vor zwei Jahren schon den nicht ganz so gelungen „The Steed“ in schöne Bilder kleidete. Hier nun tut er das, was ein Kameramann so tut, wenn ihm niemand mehr sagt, was er zu tun und zu lassen hat. Er experimentiert, jagt die ungewöhnliche Einstellung und birst förmlich vor kreativer Spielfreude. Und das muss man ihm hier zu Gute halten: Nie zum völligen Selbstzweck, sondern immer auch der Handlung verbunden. Hinzu kommt ein überwältigendes Sounddesign, wodurch der sichtbar preisgünstige „.Aberrance“ zu einem audio-visuellen Erlebnis wird. Die Story schlägt einige nette Haken, indem einige Genre-Stereotypen durchgespielt werden, um dann immer wieder einen anderen – nicht weniger stereotypischen, aber eben anderen – Weg einzuschlagen. So teilt sich der Film in drei unterschiedliche Thriller-Typen auf, um am Ende beim Slasher zu landen und letztendlich auf einer bitterbösen, zynischen Note zu enden. Das ist ausgesprochen kurzweilig, spannend und manchmal dann doch auch überraschend.

Solide Darsteller, blutige Effekte und vor allem das bereits angesprochene hochgelungene Bild-Ton-Design machen „.Aberrance“ eigentlich zu einem idealen Kandidaten für auf moderne Genre-Ware spezialisierte Labels wie Pierrot Le Fou, die ihren Kunden auch mal etwas „Exotisches“ bieten wollen. Wobei „Exotisch“ nicht so recht passt, da man diese Art von Film schon häufig gesehen hat (er hätte auch aus Frankreich oder Spanien stammen können), und man von der Mongolischen Landschaft nicht so viel zu sehen bekommt. Aber der Film ist sehr gut gemacht, macht Freude, und man kann schon sehr auf den nächsten Film des vielversprechenden Herrn Batsukh gespannt sein. Gerne wieder ein Genreausflug.

Moderator Buddy Giovinazzo, Produzentin, Baatar Batsukh, Produzent

Baatar Batsukh

Nach diesem sehr befriedigenden Festivaltag, überlegte ich noch kurz, ob ich nicht doch noch die Mitternachtsvorstellung im Theaterhof mitnehme und mir den deutschen „Subjekt 101“ – auf den ich eigentlich recht gespannt war – ansehen sollte. Doch dann gewann die Vernunft die Oberhand (mehr als drei Filme hintereinander schaffe ich kaum noch aufzunehmen, und die Aussicht später völlig übermüdet über die Autobahn zu juckeln fand ich auch nicht so prickelnd), und ich setzte mich ins Auto. Die Rückfahrt wann dann so unproblematisch und angenehm, dass ich mich selber wunderte, als ich recht flott wieder vor der eigenen Haustür stand.

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Bericht vom 29. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 1

So lange hatte ich mich auf die 29. Ausgabe des Internationalen Filmfest Oldenburg gefreut – und dann war sie plötzlich da. Für mich wieder ein Höhepunkt des Jahres. Und nach zwei harten Pandemie-Jahren strömten die Menschen dann wieder überraschend zahlreich in die Filmvorstellungen. Zwar waren bei meiner Ankunft am Freitagnachmittag noch Karten für alle Filme zu haben (das war in den Jahren vor der Pandemie eigentlich nie der Fall), doch im Vergleich zu den beiden Vorjahren waren die Vorstellungen gut besucht und auch in den jeweiligen Foyers der Kinos tummelte sich das Leben. Zwei Dinge waren für mich allerdings anders als sonst: Einmal war da das Wetter. Ein so schlechtes Wetter und solch einen heftigen Regen hatte ich meiner Erinnerung nach in Oldenburg zu Filmfest-Zeiten noch nie erlebt. Zum anderen war ich – mit Ausnahme des schlimmen Pandemiejahres 2020 – das erste Mal seit langem wieder ganz alleine auf dem Festival unterwegs. Das war ich zum Anfang meiner „Filmfest-Karriere“ zwar auch, doch in den letzten Jahren hatte ich das Gemeinsame und den Austausch mit netten Menschen, schlicht die Geselligkeit und das Quatschen über Gesehenes und Nichtgesehenes doch sehr, sehr lieb gewonnen. Da war es diesmal doch ein etwas merkwürdiges Gefühl, zumal sich meine Hoffnung in Oldenburg bekannte Gesichter zu treffen auch nicht erfüllte. Andererseits war das Programm wieder so eng getaktet, dass es zwischen dem Eilen von einem Kino ins nächste kaum Zeit zum Verschnaufen gab.

Nachdem ich mich durch den üblichen Freitagnachmittagstau auf der B75 und dichten Verkehr in der Oldenburger Innenstadt gequält hatte und dann auch endlich den diesjährigen Sitz des Festivalbüros gefunden hatte, ging es in den schönen und gemütlichen Saal 2 des Casablanca-Kinos. Dort begann mein Festival mit einem Film aus Kenia.

Chaguo
Inhalt: „Wendo und Mugeni sind Mitglieder historisch verfeindeter Stämme eines afrikanischen Landes, welche die Macht nach der Unabhängigkeit untereinander aufgeteilt haben. Das Paar versucht sich aufgrund von vergangenen Geschehnissen von der Politik ihrer Familien zu distanzieren und arbeitet unabhängig von ihren Familien. Doch der Druck des aktuellen Wahlkampfes zieht die beiden immer tiefer in ein erbarmungsloses Machtspiel voller Intrigen. Die Landesbevölkerung blickt rastlos und unzufrieden einer scheinbar unfairen demokratischen Wahl entgegen. Währenddessen steht Wendos und Mugenis Beziehung vor den riesigen Hürden ihres politischen Erbes.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Die Geschichte hinter diesem Film ist eigentlich aufregender als der Film selber. Wie in der Q&A vom Filmemacher Ravi Karmalker (der den Film zusammen mit dem Kenianer Vincent Mbaya drehte) und Dr. Annette Schwandner von der Konrad-Adenauer-Stiftung (die das Projekt initiiert und unterstützt hat) ausgeführt wurde, gibt es in Kenia keine funktionierende Infrastruktur für eine professionelle Filmindustrie. Was dort produziert wird, liegt angeblich auf dem Niveau von Handyvideos. Nun hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung die Idee, dem auf die Sprünge zu helfen und zusammen mit lokalen Filmschaffenden und Filmtechnikern einerseits einen Film zu schaffen der (Zitat von der Homepage des Filmprojekts): „The overall objective of the film is to edutain the Kenyan youth and society in general on the importance of participating in politics and more so elections. It is our hope that the film will provoke some positive thoughts and attitude change towards participating in political processes. Elections are regarded as the ultimate democratic exercise, the youth being the majority making about 75% of the population in Kenya, their vote would ultimately contribute to the desired political change“. Und andererseits bei der Ausbildung einer professionellen kenianischen Filmproduktion zu helfen. Dies war scheinbar ein Erfolg, da der Film von über 5 Millionen Kenianer gesehen wurde, im Gespräch als kenianischer Oscar-Kandidat ist und an Netflix verkauft wurde. Demnächst läuft er hierzulande aber wohl auf Arte.

Das Problem mit „Chaguo“ als Film und „political Thriller“ ist, dass er arg konventionell geraten ist. Er sieht mehr aus wie ein TV-Film und hält sich auch an Vorabendkonventionen. Während in der Q&A berichtet wurde, dass es bei den echten Wahlen in Kenia vor einigen Jahren Übergriffe gegeben hat, bei denen über 1000 Menschen ums Leben kamen, erschöpfen sich diese Attacken der politischen Gegner hier in Rempeleien und einer Kopfverletzung. Das schockt dann niemanden. Auch die einfach gehaltene Romeo und Julia-Geschichte um die Liebe zweier Menschen, die eigentlich durch ihre unterschiedliche Stammes-zugehörig getrennt sind, ist weder überraschend, noch weicht sie von bekannten Mustern ab. Viele Handlungswendungen kündigen sich schon weit im Voraus an (wie die verräterische Praktikantin) und so etwas wie Spannung kommt kaum auf. Dafür ist alles zu nett und harmlos. Da passt das märchenhafte Happy-Ed dann auch wie die Faust aufs Auge. Positiv hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen, vor allem von Nyokabi Macharia, von der man in Zukunft noch gerne mehr sehen möchte. Zudem bekommt man einen Einblick in das Land Kenia, welchen man in der Regel nicht hat. Zum Beispiel, wie modern und zeitgemäß die jungen Menschen in der Hauptstadt leben. Und die Problematik mit der Stammeszugehörigkeit und dem „Tribalism“ wird einem näher gebracht. Ein hochinteressanter Aspekt, und vielleicht ein Schlüssel dafür, viele der Probleme des Kontinents zu verstehen. „Chaguo“ kann ein Startpunkt sein, um sich damit zu beschäftigen. Auf rein filmischer Ebene ist er mehr gut gemeint (was man anerkennen kann) als wirklich rundum gelungen. Aber das war vielleicht auch nicht das Ziel.

Moderator, Ravi Karmalker, Dr. Annette Schwandner

Produzent, Ravi Karmalker

Ravi Karmalker, Dr. Annette Schwandner

 

 

 

 

 

Nach der langen und interessanten Q&A blieb nicht viel Zeit bis zum nächsten Film. Da dieser aber auch im Casablanca 2 lief, musste ich nur einmal aus der Tür heraus und konnte mich gleich wieder in Schlange stellen, die nach 10 Minuten in den Saal gelassen wurde. Nun führte die filmische Reise in die USA.

Linoleum
Inhalt: „Als kleiner Junge wollte Cameron Astronaut werden. Jetzt hat er sich längst auf das ruhige Vorstadtleben eines Familienvaters eingelassen, der eine Wissenschaftsshow für Kinder im Regional-TV präsentiert. Bis eines Tages Dinge passieren, die man nicht leicht erklären kann. Ein Sportwagen fällt vom Himmel, dessen Passagier sich dummerweise als ehemaliger NASA-Mitarbeiter herausstellt, der ihn als Moderator seiner Show ablösen soll. Aber der Himmel hat noch mehr Überraschungen parat. Eines Morgens liegen die Überreste einer abgestürzten Raumkapsel in Camerons Garten. Für Cameron ist klar, er wird sich seinen Kindheitstraum doch noch erfüllen und nach den Sternen greifen. Aus den Resten der Kapsel will er eine flugfähige Rakete bauen und ins All fliegen.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Der Film hat mich sehr positiv überrascht und auch auf dem richtige Fuß erwischt. Der Regisseur Colin West meinte in seiner Einführung, dass es ein Film sei, der von der Liebe handelt. Mit dieser Information, kann man die kleinen Hinweise, die West immer wieder einstreut, recht schnell entziffern. Wenn man böswillig wäre, könnte man „Linoleum“ auch als „Donny Darko Light“ aburteilen. Aber das wäre – trotz einiger Parallelen – dann doch sehr ungerecht, da West seinen eigenen Weg geht und seine Geschichte dann doch anders anpackt. Unterstützt von der brillanten schauspielerischen Leistung von Jim Gaffigan (einem in den USA scheinbar extrem populären Stand-Up-Comdian), der tollen Rhea Seehorn und vor allem der jungen Katelyn Nacon als Tochter Erin und Gabriel Rush als Nachbarjunge und Freund von Erin erzählt „Linoleum“ eine Geschichte um Träume, das Altwerden und – ja, der Liebe, sowie den alten Dämonen, die uns immer noch bis ins hohe Alter verfolgen. Hierfür findet West immer wieder ungewöhnliche Bilder, wenn er seine Protagonisten nicht im Zentrum zeigt und auf scheinbar unwichtige Stellen im Bild fokussiert. Oder sich verschiedene Ebenen überlagern. Neben den seltsamen Dingen, die Cameron geschehen, lebt der Film von seinen lebendigen Figuren, die einem schnell ans Herz wachsen. Vor allem seine Tochter Erin hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Zwar ahnt der filmerfahrene Zuschauer relativ bald, was da vor sich geht, man freut sich aber trotzdem, wenn dann am Ende alle Puzzleteilchen ineinander fallen und ein rundes, absolut stimmiges und sehr zu Herzen gehendes Bild abgeben. Letzteres kann ich zumindest für mich in Anspruch nehmen, da mich einige Aspekte der Geschichte so tief berührten, dass anschließend wahrscheinlich mein Sitz mit einem Mopp getrocknet werden musste.

Moderator Buddy Giovinazzo, Colin West

Dann hieß es die Beine in die Hand nehmen und schnell zum Theaterhof rennen. Durch den strömenden Regen und tiefe Pfützen. Als ich schließlich etwas außer Atem dort ankam, war mein Ticket für den japanischen Film „The City“ schon etwas aufgeweicht, aber man ließ mich trotzdem hinein.

The City
Inhalt: „In den dunklen Tiefen des gut geölten kriminellen Untergrunds von Tokios Shibuya Viertel regiert GOD die Straßen. Als einer seiner Killer Mist baut und auf der Flucht ist, nehmen GODs Schergen die Verfolgung auf, um sich zu rächen.“ (zitiert aus dem Programm des Internationalen Filmfest Oldenburg)

Die Inhaltsangabe oben kommt so nicht wirklich hin, aber ich lasse das mal so stehen.

Über sieben Jahre hat Katsuki Kuroyanagi mit einem lächerlichen Budget von USS 6.800,- und Freunden an seinem schwarz-weißes Debüt gedreht. „The City“ ist eine Hommage an den gangsterfilm, an den Film Noir und teilweise einige Klassiker des japanischen Kinos. Dabei verwirren zunächst die schnellen Schnitte, die scheinbar willkürlich eingeblendeten Daten und Uhrzeiten, der rasche Wechsel von Situation zu Situation und Person zu Person. Die ersten zwanzig Minuten versucht man dann irgendwie herauszubekommen, worum es in „The City“ eigentlich geht. Wie die einzelnen Figuren zueinander stehen und was ihre Aufgaben sind. Dann verliert man sich allerdings in den tollen Bildern einer Großstadt bei Nacht, lässt sich von den Figuren durch den Unterleib der Metropole ziehen, in den Orten zwischen Licht und Schatten, Dreck und Gestrandeten, Fastfood und Drogen. Und kann sich an Kuroyanagi durchdachten und stimmungsvollen Bildern, dem Soundtrack/ -design und den Zwischenschnitten berauschen. Irgendwann kommt dann auch Klarheit in die Handlung, und der enigmatische Nachtfilm verwandelt sich in einen veritablen Rachethriller. Da ist es dann fast schon schade, dass Handlung dann doch relativ simpel ist und alles in sich logisch, aber auch in typischen Genre-Konventionen aufgelöst wird. Allerdings behält Kuroyanagi sein Gespür für starke Bilder bei und erliegt auch nicht der Versuchung am Ende doch das eine, eindeutige Bild zu nutzen – sondern blendet früh genug ab, um den Zuschauer in der Schwebe zu lassen. Ein sehr vielversprechendes Debüt.

Katsuki Kuroyanagi, Moderator

So endete mein erster Tag. Clevererweise hatte ich am Nachmittag mein Auto schon direkt vor dem Theaterhof geparkt, sodass mich der noch immer heftige Regen nicht allzu sehr ärgern konnte.

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Blu-ray-Rezension: “Karate, Küsse, blonde Katzen“

Auf dem Weg nach Australien werden fünf Engländerinnen von chinesischen Piraten entführt und an den Menschenhändler Chao verkauft. In dessen Palast sollen die Fünf in diversen Liebestechniken ausgebildet werden, und später als dann teuer verkauft werden. Im Palast befindet sich aber auch das Mädchen Ko Mei Mei, die Chaos Bande infiltriert hat und zusammen mit ihrem Bruder Ko Pao vernichten will. Heimlich bringt sie den fünf Engländerinnen geheime Kampftechniken und Kung Fu bei.

In der Mitte der 70er Jahre versuchten die Shaw Brothers mithilfe von Koproduktionen zu expandieren. Das bekannteste (und populärste) Beispiel dürfte „Die sieben goldenen Vampire“ mit den britischen Hammer Studios sein, die Gothic Horror um Dracula mit den chinesischen „hüpfenden Vampiren“ und Martial Arts verband. Die ungewöhnlichste Kooperation ist allerdings die zwischen den Shaw Brothers und der Rapid-Film von Wolf C. Hartwig, die vor allem mit ihrer höchst erfolgreichen „Schulmädchenreport“-Reihe assoziiert wird. Aus diesem Grunde wird „Karate, Küsse, blonde Katzen“ auch häufig auf „Karate-Schulmädchen“ reduziert. Dabei war die Verbindung Shaw Brothers – Rapid-Films eine sehr viel naheliegendere als Shaw Brothers – Hammer. Denn die Rapid-Film hatte seit Mitte der 60er einige recht erfolgreiche „Hongkong-Filme“ realisiert. Oftmals direkt vor Ort gedrehte Abenteuer-Thriller-Gangster-Geschichten. Angefangen mit „Heißer Hafen Hongkong“ (1962) von Jürgen Roland über „Die jungen Tiger von Hongkong“ (1969) vom „Karate, Küsse, blonde Katzen“- und „Schulmädchen-Report“-Regisseur Ernst Hofbauer bis zu „Das Mädchen von Hongkong“ (1973), den wiederum Jürgen Roland inszenierte. Insgesamt trugen gleich fünf Rapid-Film-Produktionen das Wort „Hongkong“ im Titel, noch mehr wurden in Hongkong oder anderswo in Asien – häufig auch von Hofbauer – gedreht.

Mit den „Schulmädchenreport“-Filmen hat „Karate, Küsse, blonde Katzen“ nur in soviel etwas zu tun, als dass hier auf Nacktheit, teilweise ziemlich alberner Humor und vor allem eine besonders schmierige Synchro gesetzt wurde. Diese Synchronisation ist heute nicht mehr unproblematisch, da teilweise hoch rassistisch und anderen Kulturen gegenüber höchst despektierlich. Ebenfalls Bauchschmerzen verursachen die Sprüche der Brenda, welche die Situation dahingehend herunterspielt, dass sie sich schon über die drohenden Vergewaltigungen freut, um es „denen mal so richtig zu besorgen“. Das kennt man auch aus diversen Jess-Franco-Frauengefängnis-Filmen, wo solch eine Rolle häufig von Peggy Markoff gespielt wurde. Der Humorteil ist, wie gesagt, sehr albern. Da setzt die Brenda häufiger mal ihren Allerwertesten ein, um Leute auszuknocken. Nachdem die Mädchen verkauft wurden, werden die Käufer als lächerliche, dicke Menschen oder mit absurden Zähnen gezeigt. Dies ist allerdings auch einer Merkmal der Hongkong-Komödien, die sehr häufig ebenfalls einen schrecklich infantilen Humor haben. Von daher mag man dem Duo Hartwig-Hofbauer hierfür vielleicht keine Vorwürfe machen.

Erwartet man, dass Rapid Film seine Stamm-Schulmädchen-Darstellerinnen schicken würde, so ist man durchaus überrascht. In der Rolle der Brenda die Engländerin Gillian Bray zu sehen, die ansonsten nur in einigen italienischen Produktionen zu sehen war. Die weiteren Damen (bei denen die Qualität der Darstellungen sehr heterogen ist, sodass die Meisten von ihnen leider zu reinen Ausstattungsstücken verkommen) werden von Schauspielerinnen mit englisch klingenden Namen gespielt. Da diese allerdings hier ihren einzigen oder zumindest einen der wenigen Auftritte haben, kann nicht 100% verifiziert werden, ob es sich hier nicht doch auf Deutsche handelt. Zumindest „Deborah Ralls“ hatte laut IMDb zuvor einen „uncredited“ Auftritt in „Schulmädchen-Report Teil 7“. Einzig Hauptdarstellerin Sonja Jeannine kann eindeutig als Wienerin identifiziert werden. Sie hatte davor und danach ebenfalls in diversen „Reportfilmen“ mitgespielt, aber auch in „Zinksärge für die Goldjungen“ und später hatte sie die weibliche Hauptrolle in dem Italo-Western „Mannaja – Das Beil des Todes“ von Sergio Martino mit Maurizio Merli. Sonja Jeannine macht ihre Sache in „Karate, Küsse, blonde Katzen“ ausgesprochen gut und zeigt sich als einzige der europäischen Darstellerinnen-Riege als recht talentiert und sportlich in Sachen Martial Arts.

Auf der chinesischen Seite ist Hui-Ling Liu als Ko Mei Mei zu sehen, die hier noch ganz am Anfang einer langen Karriere im Martial-Arts-Filmen der Shaw Brothers stand. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt allerdings Ti Hua Ko als lesbische Tiao Tao Fu. Mit weiß geschminkten Gesicht und schwarz-braun gefärbten Augenringen wirkt sie wie ein Geist aus einem japanischen Horrorfilm. Und genauso tödlich. Da ist es sehr schade, dass sie nur eine beschränkte Anzahl von Auftritten hat und letztendlich viel zu früh aus der Handlung entfernt wird. Als Held Ko Pao bleibt Hua Yueh leider recht blass.

Neben dem Routinier Ernst Hofbauer, wurde der Film auch auf Shaw-Brothers-Seite von dem großartigen Kuei Chih-Hung inszeniert. Über Kuei Chih-Hung und seine hoch empfehlenswerten Filme lass ich einst das erste Mal in der wunderbaren „Absurd 3000“. Kuei Chih-Hung hat in den 80ern einige der beeindruckendsten und finstersten Horrorfilme der Shaw Brothers gedreht, wie „Boxer’s Omen“, „Corpse Mania“ oder „Hex“. Aber auch vorher war er für den düsteren Teil des Shaw Brothers Output zuständig. So z.B. für den tollen „Der gnadenlose Vollstrecker“, der ebenfalls in der filmArt Shaw Brothers Collector’s Edition als Nr. 5 erschienen ist (Rezi hier). Wer hier was gedreht hat, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Die Vermutung liegt aber nah, dass Kuei Chih-Hung zuerst für die Kampfszenen verantwortlich war. Es gibt aber in „Karate, Küsse, blonde Katzen“ auch einige sehr stimmungsvoll inszenierte Szenen, die tatsächlich an Werke wie „Der gnadenlose Vollstrecker“ denken lassen. Und eine Szene, in der die Damen dem Käufer einer der ihren eine schon blau angelaufene Leiche ins Bett legen (eine Szene, die sich nur noch erahnen lässt, da sie scheinbar geschnitten wurde) würde auch gut zu Kuei Chih-Hung passen. Tatsächlich fügen sich aber die von Hofbauer und Kuei Chih-Hung gedrehten Szenen erstaunlicherweise zu einem Ganzen, ohne dass allzu große Brüche sichtbar werden. Und da beide ihr Handwerk verstehen (Hofbauer hat außer den „Schulmädchenreport“-Filmen ja noch sehr viel mehr gedreht, vornehmlich im Thriller- und Abenteuerfilm-Bereich), ist „Karate, Küsse, blonde Katzen“ zwar immer noch ein kleines Kuriosum mit allerlei Fehlern und Schwächen, aber insgesamt ein sehr ansehnlicher und unterhaltsamer Film geworden.

Die Nummer 12 der Shaw Brothers Collector’s Edition war bereits in einer schönen DVD-Auflage von Camera Obscura erhältlich. Hier nun liegt der Film erstmalig in HD vor. Wie die Camera-Obscura-DVD soll auch diese Fassung leicht in der Handlung geschnitten sein. An einer Stelle merkt man auch deutlich, dass etwas fehlt (die oben angesprochene Szene mit der Leiche im Bett). Doch genaues weiß man nicht, einen detaillierten Schnittbericht habe ich nicht gefunden. Geht man nach der OFDb, so fehlen wahrscheinlich zwei Minuten mit fünf Schnitten, die damals bereits aus der Kinofassung entfernt werden mussten, um ein FSK18 zu erlangen. Das Bild ist wieder auf dem gewohnt hohen filmArt-Niveau. Als Tonspur kann man nur die deutsche Synchronfassung auswählen. Schade, eine Version in Mandarin wäre sicherlich auch ganz interessant gewesen. Als Bonus sind die deutsche Super-8-Fassung des Filmes und ein Booklet mit Aushangfotos und zeitgenössischem Werbematerial dabei.

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