Vorschau: Das 10. Filmfest Bremen (19. – 23. März 2025)

Vom 19. bis 23. März findet nun schon zum zehnten Mal das Filmfest Bremen statt. Zum Jubiläum werden 115 Lang- und Kurzfilme aus 30 Ländern gezeigt. Davon haben 33 Produktionen hier ihre Deutschlandpremiere. Insgesamt gibt es sechs Spielstätten und der Filmpreis geht in diesem Jahr an den renommierten britischen Regisseur Stephen Frears, dem auch eine Retrospektive gewidmet ist.

Lange Zeit hatte ich dies links liegen gelassen. Die Gründe hierfür habe ich im letzten Jahr bereits hier aufgeführt. Doch die Jahre, in denen das Filmfest Bremen ohne mich stattfanden, sind endgültig passé. Nicht nur, weil ich im letzten Jahr selber involviert war, habe ich das Filmfest Bremen schätzen gelernt. Sondern auch, weil die Zeiten, als es im Kalender noch mit dem Internationalen Filmfest Oldenburg konkurrierte oder der Filmpreis an (den von mir sehr geschätzten, aber hier nicht wirklich passenden) Hape Kerkeling vergeben wurde, Gottseidank vorbei sind. Ich habe auch die hier präsentierten Filme und die Menschen hinter dem Festival im letzten Jahr sehr schätzen gelernt. Mein Kritikpunkt – das für den Laien sehr unübersichtliche Filmprogramm – bleibt weiterhin bestehen. Aber dafür gibt es ja diesen Blog. Ich versuche da mal etwas Licht in den dicken Farbendschungel zu bringen.

Das Programm besteht zunächst einmal aus sechs Sparten, die auch farblich von einander getrennt sind.

1. Bremen und Umzu (grassgrün). Das war mal der Kern des Filmfests Bremen bei seiner Gründung. Produktionen aus Bremen, mit einem Bezug zu Bremen oder aus der Nähe von Bremen, sprich Niedersachsen.

2. Humor/Satire (gelb). Die Sparte kam als zweites hinzu. Wie der Name schon sagt, werden hier filme mit einem humoristischen und/oder satirischen Ansatz gezeigt.

3. Innovation/Experimental (fliederfarben). Hier laufen Filme, die entweder experimentell gestaltet sind oder (technisch, inhaltlich, filmisch, erzählerisch) eine Innovation bieten.

4. Deutschlandpremieren (türkisblau). Seit Kurzem gibt es auch die Sparte Deutschlandpremieren. Hier dürfen ohne thematische Einschränkungen alle Langfilme laufen, die bislang noch nicht in Deutschland zu sehen waren.

5. Gateways to the World (hellblaugrün). Hier dreht sich alles um Häfen oder Hafenbezug. Das kann auch mal eher metaphorisch sein.

6. Nachhaltigkeit (hellgrünblau). Filme, die den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit in ihr Zentrum stellen oder diesen bewusst unterstützen.

Zudem gibt es die Retrospektive (rot).

Alle sechs Sparten zeigen Langfilme, haben aber auch – bis auf die Deutschlandpremieren – einen oder mehrere Kurzfilmblöcke. Und bis auf wiederum die Deutschlandpremieren – dort entscheidet das Publikum! -, werden in allen Sparten von einer Fachjury Preise verliehen. Plus ein Preis für „Global lokal“, d.h. Dokumentationen über die Region.

Dann gibt es noch zwei Kurzfilmwettbewerbe: „Klappe!“, bei dem in 48 Stunden ein Film konzipiert, gefilmt und geschnitten werden muss (Wettbewerb lief schon). Plus ein Kurzfilmwettbewerb, der von der Bremer Wirtschaftsförderung ausgeschrieben wird.

Dazu kommen noch einige Sonder- und Fachveranstaltungen.

Man sieht also: Die fünf Tage sind randvoll gepackt und alles kann man natürlich nicht ansehen. Was auch daran liegt, dass sich viel überschneidet und es keine einheitlichen Zeitblöcke gibt.

In diesem Jahr bin ich noch weitaus mehr beim Bremer Filmfest eingebunden, als ich es im Vorjahr schon war. Wie im letzten Jahr präsentieren Stefan und ich mit unserer monatlichen Filmreihe Weird Xperience wieder einen Film auf dem Filmfest. Diesmal ist es der Film „Innovation“ der in der Sparte „Innovation/Experimental“ läuft. Als Vorfilm haben wir „The Eggregores‘ Theory“ mit dabei. Ebenfalls aus der Sparte „Innovation/Experimental“. Das passt auch super, denn Stefan und ich waren Beide auch in der Sichtungskommission „Innovation/Experimental“ und haben im letzten halben Jahr unzählige Filme gesichtet und zusammen mit den anderen Mitgliedern konstruktiv und angenehm diskutiert, welche Filme in dieser Sparte auf dem Filmfest laufen sollen – und welche nicht. Da tat es manchmal weh, wenn ein toller Film keine Mehrheit fand oder einfach die Kriterien „Innovativ“ oder „Experimentell“ nicht erfüllte. Es hat aber unglaublich viel Spaß gemacht und war eine sehr interessante Erfahrung mit netten Menschen.

Daher kann ich hier auch ein Tipps geben, was sich aus meiner Sicht ganz besonders lohnt. Dabei beschränke ich mich mal auf die Langfilme (ich übernehme mal einfach die Inhaltsangaben aus dem Programmheft) und lasse die Kurzfilme mal außen vor – nicht aber ohne auf meinen Favoriten dort: „She Stays“ hinzuweisen, der im Kurzfilmblock „Wer oder was“ im Atlantis läuft.

In der Sparte „Humor & Satire

Horror Story – Hier habe ich die Ehre, die Q&A mit dem Regisseur Adrian Apanel zu moderieren. Darauf freue ich mich schon sehr, da ich ein großer Freund des osteuropäischen und dort vor allem des polnischen Kinos bin. Darum geht es: Der frischgebackene Hochschulabsolvent Tomek will unbedingt einen renommierten Job in einem Unternehmen ergattern, um seine Ex-Freundin zurückzubekommen. Auf der Suche nach Arbeit zieht er in ein billiges Zimmer eines Gebäudes, das stark an ein Gruselkabinett erinnert. Doch mit der Zeit merkt Tomek, dass der wahre Horror nicht das Haus oder seine bizarren Bewohner sind, sondern die Jobsuche selbst.

The Spin – Für mich als Musikfan und Vinyl-Liebhaber natürlich ein Muss. Inhalt: Elvis und Dermot besitzen einen kleinen Plattenladen in dem Dorf Omagh. Als ihre Vermieterin Sadie mit der Zwangsräumung droht, machen sie sich als letzte Rettung auf den Weg nach Cork, um eine unbezahlbare LP zu besorgen, die all ihre Probleme lösen könnte, zumindest solange alles nach Plan läuft. Der Roadtrip stellt ihre Beziehung auf die Probe, denn während Dermot mit einer gescheiterten Musikkarriere kämpft, sieht Elvis sich mit seinen Unsicherheiten konfrontiert. Die Reise durch die wunderschöne irische Landschaft ist ein Fest der Wärme, des sanften Humors, der Freundschaft und der Selbstfindung.

Dead Dead Full Dead – Den werde ich leider nicht im Kino sehen können, da er komplett außerhalb meiner Zeitplanung liegt. Sehr schade. Werde ich aber anderweitig nachholen. Era ist eine exzentrische Pseudo-Astrologin und Instagram-Influencerin. Sie wird tot in ihrer Wohnung in einem Hochhaus aufgefunden. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Eras Ehemann, ihre Haushaltshilfe und eine neugierige Nachbarin. Zwei junge, inkompetente Polizist:innen sind als erstes am Tatort. Ein absurd-komischer „Whodunit-Krimi“, in welchem eine Ziege sich in ein Stofftier verwandelt, ein Mann telekinetische Kräfte hat, die Tote nicht nur einmal stirbt, vor dem Fenster eine riesige Mondfinsternis stattfindet und ein Mann von einem anderen Planeten beobachtet, wie sich das Mordrätsel langsam entfaltet.

In der Sparte „Innovation/Experimentelles“ (wo ich alle Beiträge schon sehen konnte)

Invention – Diesen Film präsentieren Stefan und ich unserer Reihe Weird Xperience. Dazu haben wir hier auch schon einiges angekündigt. INVENTION ist eine Zusammenarbeit zwischen der Regisseurin Courtney Stephens und der Schauspielerin und Filmemacherin Callie Hernandez. Der Film fiktionalisiert die Nachwirkungen des Todes von Callies Vater anhand eines realen Archivs verschiedener Fernsehauftritte, in denen er als Heilpraktiker zwischen Ende der 90er Jahre und 2020 auftrat. Die fiktive Handlung dreht sich um das Patent für ein experimentelles Heilgerät, welches das einzige Erbe der Tochter ist. Der Film ist ein Porträt des derzeitigen Amerikas, in dem die weit verbreitete Enttäuschung die Kultur mit hoffnungsvollen Fiktionen und giftiger Nostalgie tränkt.

Olivia & the Clouds – Wunderbarer experimenteller Animationsfilm. Ein Favorit der Sichtungskommission. Und das zurecht! Olivia, die von einer früheren Beziehung geplagt wird, versteckt diese unter ihrem Bett. Mit diesem Geist der Vergangenheit tauscht sie Blumen gegen tröstliche Regenwolken. Barbara, die von Mauricio abgewiesen wurde, entflieht der Realität durch fantastische Geschichten. Mauricio, der voller Reue ist, wird von der Erde verschluckt. Ramón, der in Olivia verliebt ist, wird Zeuge des Gedeihens einer seltsamen Pflanze, die Olivia ähnelt. Mit surrealen Elementen erforscht „Olivia & the Clouds“ die anhaltende Wirkung der Erinnerung an die Liebe.

Martin liest den Koran –  Hatte bereits einen Kinostart im November, aber nicht in Bremen und Umgebung. Hatte ich mir nicht viel von versprochen, bin dann aber schwer begeistert gewesen. Tipp! Martin hat erst vor einem Jahr sein Studium des Islams begonnen und besucht nun einen Professor für Islamwissenschaften, um ihm von seinem bereits vorbereiteten Terroranschlag zu erzählen. Denn Martin ist der Meinung, dass seine Aktion durchaus den Regeln des Koran folgt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt: Kann der Professor Martin soweit überzeugen, dass der Koran klar verbietet, Menschen zu töten? Wenn nicht, dann wird Martins Bombe folgerichtig sehr viele Menschen töten. Aber hat Martin den Professor wirklich nur aufgesucht, um den Rat eines „weisen Mannes“ einzuholen oder verbirgt sich etwas anderes hinter dem unangekündigten Besuch?

Dreaming & Dying – Auch den mochte ich sehr gerne und bin froh, dass er es bis ins Festival geschafft hat. Drei Freund:innen (Anmerkung: Zwei Männer und eine Frau – nicht ganz unwichtig für die Handlung)  mittleren Alters treffen sich zum ersten Mal seit Jahren wieder. Jede:r von ihnen möchte unausgesprochene Gefühle gestehen, doch ihr gemeinsamer Urlaub nimmt eine überraschende Wendung, als die Schatten ihrer Vergangenheit drohen, wieder ans Licht zu kommen.

In der Sparte „Bremen und Umzu

Jenseits der Schuld – Finde ich thematisch spannend und werde mir die Doku wohl anschauen. Auch, wenn das als Elternteil sicherlich emotional schwierig wird. „Jenseits von Schuld“ erzählt die Geschichte von Ulla und Didi Högel, deren Sohn Niels als Krankenpfleger vermutlich hunderte Menschen tötete und für 87 Morde verurteilt wurde. Die Schuld ihres Sohnes hat ihr Leben unwiderruflich verändert. Trotz aller Fragen, die sie quälen, müssen sie lernen, mit der ständigen öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen: Prozesse, TV-Serien, Artikel – immer wieder wird ihr Familienleben thematisiert. Sie halten zu ihrem Sohn, doch Zweifel bleiben: Können sie ihm vertrauen? Alle Medien berichten, er sei manipulativ. In diesem extremen Spannungsfeld kämpfen die Högels täglich mit dieser Last und stoßen als Eltern, Paar und Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

In der Sparte „Deutschlandpremieren“

Somnium – Hier bin ich sehr gespannt. Der Film, an denen ich die höchsten Erwartungen habe. Mal sehen, ob er sie einhält. Nach einer schmerzhaften Trennung zieht Gemma von einer Kleinstadt nach Los Angeles, in der Hoffnung, groß rauszukommen. Um sich finanziell über Wasser zu halten, nimmt sie einen Job in der Nachtschicht bei Somnium an – einer mysteriösen, experimentellen Schlafklinik, in der Träume wahr werden. Währenddessen stürzt sich Gemma in die halsabschneiderische Welt der Hollywood-Castings. Doch als der Erfolgsdruck steigt, beginnt sie, seltsame und beunruhigende Phänomene zu erleben, und findet sich bald in einer albtraumhaften Spirale wieder, als sie dunkle Geheimnisse entdeckt, die hinter den Mauern der Klinik lauern.

My Killer Buddy – Auch hier bin ich gespannt. Die Handlung liest sich jedenfalls sehr gut. Denni ist ein zehnjähriger Junge, der einen Auftrag zu erfüllen hat: Er muss seine Mutter vor der Gewalt seines Vaters retten. Aber er ist zu klein, um das allein zu schaffen und bittet jemanden um Hilfe, der von Beruf aus Menschen tötet: einen Superkiller. Leider ist der Superkiller, auf den er trifft, Secco, der lediglich den grimmigen Blick eines Kriminellen hat und vor allem dringend Geld braucht. Die Begegnung zwischen Denni und Secco führt zu einem unerwarteten Abenteuer, in dem sich beide mit der Bedeutung des Mannsein auseinandersetzen müssen. Beide eint dabei die Furcht vor der mysteriösen Verbindung zwischen Vätern und Söhnen.

In der Sparte „Gateways to the World“

Praia Fomosa – Der Film war auch bei „Innovation“ eingereicht, daher konnte ich ihn bereits sehen. Ein sehr stiller, surrealer Film, auf den man sich einlassen muss. Den Bezug zu „Häfen“ sehe ich eher nicht, aber wird schon passen. Muanza ist eine Frau, die im Königreich Kongo geboren und im frühen 19. Jahrhundert nach Brasilien verschleppt wurde. Als sie im Jahr 2023 aus einem tiefen Schlaf erwacht, findet sie sich in einem zeitverdrehten Rio de Janeiro wieder, in dem Figuren aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart gemeinsam Teil ihrer Suche nach ihren Wurzeln durch die Stadt sind. Praia Formosa vermischt fiktive Geschichten und dokumentierte Charaktere, historische Fakten und spekulative Fabulation. Durch die Verflechtung von Zeit und Ästhetik thematisiert der Film das alltägliche Leben der Stadt, den Kampf gegen die erzwungene Deterritorialisierung und die Affekte, welche die Schwesternschaftsbande aufrechterhalten.

Flow – Der Oscar-Gewinner. Und dies 100% verdient. Läuft derzeit auch regulär in den Kinos, wo ich ihn mit der ganzen Familie geschaut habe. Und alle waren begeistert. Muss man meiner Meinung nach auch auf der großen Leinwand sehen. Große Liebe! Häfen sehe ich auch hier keine, aber mit viel gutem Willen geht das schon. Kaum hat sich die kleine schwarze Katze den Schlaf aus den Augen gerieben, muss sie erschrocken feststellen, dass eine gewaltige Flut die alte Welt unter sich begräbt. Gerade noch so rettet sie sich auf ein Segelboot, wo nach und nach auch ein diebisches Äffchen, ein gutmütiger Labrador, ein schläfriges Wasserschwein und ein stolzer Sekretärvogel Zuflucht finden. Schon bald wird klar: Ihre Diversität ist ihre Stärke und gemeinsam stellen sie sich den Herausforderungen der neuen Welt.

 

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Studioaustellung „Nosferatu Revisited“ im Filmmuseum Düsseldorf

Immer wenn ich zum Mondo Bizarr Weekender (siehe vorangegangener Post) fahre, ist auch ein Besuch im sehr schönen Filmmuseum Düsseldorf Pflicht. Dieses kenne ich mittlerweile wie meine Westentasche und freue mich daher über jede neue Sonderausstellung. Wobei man dabei zwischen Sonderausstellung, Studioausstellung und Kabinettausstellung trennen muss. Eine wichtige Unterscheidung, die so vielleicht nicht jedem bekannt ist und zu Missverständnissen und Enttäuschungen führen kann.

So wollte ein Bekannter von mir nach Düsseldorf fahren, um dort die Sonderausstellung zu „Nosferatu“ zu besuchen. Die Sonderausstellungen waren auch immer toll und nahmen einen ganzen Raum ein. Sei es über Special Effects, Tiere im Film oder Christoph Schlingensief. Der Raum, welcher dafür genutzt wurde, scheint es aber nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Zumindest ist dort derzeit ein Ausstellungsraum des benachbarten Kermanikmuseum zu finden.

Im letzten Jahr gab es lediglich eine sogenannte „Kabinettausstellung“ mit dem Thema „James Dean: Wahrheit und Mythos“. Zu finden war dort eine Vitrine mit James-Dean-Memorabilien, ein Aufsteller und mehrere Fotos an der Wand. Das war es.

Was ist nun aber eine „Studioausstellung“? Quasi dasselbe wie eine Kabinettausstellung, nur mit vier Vitrinen und einer Leinwand. Die Studioaustellung zu „Nosferatu Revisited“ befindet sich auf einer Empore im obersten Stockwerk und ist ca. 5×5 Meter groß. Im Zentrum befindet sich eine Art Mini-Kino mit vier Sitzen, von wo aus man auf einer Leinwand jeweils zwei kurze Ausschnitte aus den drei Nosferatu-Filmen (1925, 1979, 2014) anschauen kann. Was sehr interessant ist, da hier jeweils die gleichen Szenen gezeigt werden und man so die unterschiedenen Stile/Herangehensweisen der drei Filme gut vergleichen kann.

Darum herum gruppieren sich die Vitrinen mit Werbematerial zu den Filmen, Entwürfe und Grafiken des Filmarchitekten Albin Grau, Klaus Kinskis Kostüm aus der ’79er Fassung, sowie seine Finger- und Zahnprothesen. Letzteren beiden Dinge kennt man allerdings auch schon alles aus der Dauerausstellung, zu der diese eigentlich gehören. Neben den Vitrinen gibt es noch eine etwas komisch aussehende Nosferatu-Figur und tatsächlich interessante und teilweise auch nicht mit tausendmal Wiedergekäutem (die Rolle von Albin Grau) bestückte, erläuternde Texttafeln.

Das war es dann aber auch schon. Lohnt sich also ein Besuch? Wenn man eh gerade dort ist: Absolut. Vorzugsweise an einem Sonntag, wenn der Eintritt ins Museum frei ist. Wenn man extra dafür von weiter weg anreisen möchte und das Filmmuseum schon kennt: Nicht unbedingt. Ansonsten ist das Filmmuseum aber natürlich immer einen Besuch wert.

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Rückblick: Mondo Bizarr Weekender X in Düsseldorf (14.-16.2.25)

Zum nunmehr 10. Mal fand die wie immer wunderbare Reise im Bahnhofskino um die Welt im schönen Black Box Kino im Filmmuseum Düsseldorf statt. Eigentlich wäre es bereits die 11. Ausgabe gewesen, aber 2021 machte Corona der Sause einen dicken Strich durch die Rechnung.

Ich bin seit 2018 dabei. Immer mit der gleichen Reisegruppe, die mal mehr, mal weniger groß ist. Diesmal gab es aus gesundheitlichen und privaten Gründen zwei Ausfälle, was die Anreise diesmal etwas kniffelig machte. Aber am Ende war alles gut und drei tollen Tagen im Kino stand nichts weiter im Wege.

Da in NRW eine Grippewelle grassierte, war das Kino diesmal etwas weniger, aber immer noch sehr gut gefüllt. Zudem musst leider eine große Filmplakate-Auktion ausfallen. Man fühlt sich sofort wieder heimisch und gut umsorgt. Hier ein dickes Kompliment an Mitorganisator Christian, der uns in Empfang nahm und ständig am Herumwirbeln war, um die Dinge am Laufen zu halten. Und auch mal das Foyer mit Capri Sonne und kleinen Schnäpschen ausstattete. Oder per KI und etwas Tuning einige täuschend echt nach den 60ern und 70ern klingende „Mondo Bizarr“-Hymnen gezaubert hatte. Der Gute ist halt auch ein toller Musiker, dessen Projekte „Sospetto“ und „Pan/Scan“ hier nicht genug gelobt werden können.

Und der auch wieder die legendäre „Kiste“ organisiert hat, wo man für 2 Euro DVDs und Blu-rays rausziehen konnte. Das eingenommene Geld kommt dann dem Kauf von neuen Trailern zugute. Tolle Aktion – auch wenn es eine recht unangenehme Figur gab, die es extrem übertrieb und anderen kaum eine Chance lies, dort in Ruhe zu stöbern. Als die Gestalt dann einmal für seine Beute einen ganzen großen Pappkarton (!) brauchte, um alles unterzubekommen, kam man aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.

Aber solche kleinen Misstöne können den positiven Eindruck in keinster Weise schmälern. Das sonstige Publikum war supernett, die Stimmung toll und man merkte nicht nur bei den Organisatoren das Herzblut und die Liebe, die in dem Event steckt. So gab es eine Gruppe, die immer aus ganzen Bundesgebiet – plus benachbarten Ausland! – anreist und sich zum Jubiläum die passenden T-Shirts hat machen lassen. Die sie dann auch den Organisatoren schenkten. Tolle Aktion!

Zu sehen gab es wieder acht Filme in drei Tagen. Von 35mm und mit unterhaltsamen Einführungen durch Marc und Oliver, die wieder wunderbar auf das Folgende einstimmten. Dazu jeweils ein tolles Vorprogramm aus passender Vintage-Kinowerbung und Film-Trailern. Nur am letzten Tag, musste dieses Vorprogramm aus technischen Gründen ausfallen. Schade, aber so kamen wir zumindest früher zurück nach Bremen.

Aber lange wird die Abwesenheit aus Düsseldorf nicht dauern, denn vom 3. bis 4. Oktober findet am selben Ort das nächste Forentreffen meines geliebten Internet-Forums Deliria-Italiano.de statt! Worauf ich mich jetzt schon wahnsinnig freue. Wie auch auf den Mondo Bizarr Weekender XI! Man sieht sich!

Während des Wochenendes war ich auch Schallplatten kaufen. Meinen Bericht dazu findet man auf meinem Zweit-Blog KLANG UND VISION.

Zu den Filmen:

Bis die Gänsehaut erstarrt – Die Idee, den Film in Split Screen zu drehen ist erst einmal sehr ehrenwert. Das macht auch durchaus Sinn, um die Spannung zu erhöhen oder ein besonderes Seherlebnis zu kreieren. Ein Gimmickfilm eben. Von Richard L. Bare, der fast ausschließlich für TV-Serien tätig war. Das muss ja nicht schlecht sein. Ich fand allerdings, dass man hier sehr gut sehen konnte, wie und wo Split Screen gerade nicht funktioniert. Das Ganze lebt ja zumeist davon, dass man zwei Handlungen sieht, die unweigerlich zusammen kommen. Der Mörder der sein Opfer jagt, welches sich zu verstecken versucht. Der Detektiv der in der Wohnung des Täters nach beweisen sucht, während der auf dem weg zurück ist. Usw. usf. Was meiner Meinung nach nicht funktioniert ist, auf der einen hälfte Handlung weiterlaufen zu lassen, während auf der anderen jemand einfach nur herumsitzt. Oder plötzlich auf einer Hälfte Rückblenden zu zeigen, die mit der Handlung auf der der andere Hälfte gerade nichts zu tun haben. Split Screen funktioniert eben am Besten, wenn etwas dort gleichzeitig passiert. Das war hier eben sehr häufig nicht der Fall. Mir war auch nicht klar, ob man jetzt versucht hat den Täter anonym zu halten oder nicht. Auf jeden Fall, weiß man von der ersten Sekunde wer es ist – auch wenn der Film so tut, als wäre das noch ein Geheimnis. So halte ich den Film für ein interessant gescheitertes Experiment, welches gerade aufgrund dieses Scheiterns viel darüber aussagt, wie Spannung erzeugt wird und wie Split Screen funktioniert. Apropos Scheitern: Die vermutlich humorvoll gemeinten Intermezzi einer seltsamen Orgelspielerin, die den kompletten Film mit dem Score von Lon Chaneys Phantom der Oper untermalt fand ich auch eher unglücklich. Trotz oder gerade auch wegen all dieser Schwächen bin ich aber trotzdem froh, den Film einmal gesehen zu haben.

Die Todeskralle des Karatetöters – Heidewitzka! Ein wirklich unterhaltsamer und teilweise weit over the top spielender Film aus Südkorea, bei dessen wahnsinnigsten Szenen -die allesamt dem Oberfiesling gehörten – schon die Kinnlade runter klappte. Regie führte der mir ansonsten unbekannte Lee Doo-yong, der noch bis in die 2010er aktiv war. Die Kämpfe waren okay bis gut und nahmen nicht so sehr überhand, wie im Vorfeld befürchtet. Die Macher wollten wohl tatsächlich etwas mehr auf Handlung setzen. Die Synchro war spaßig, aber nicht albern. Ständig passiert etwas, der Darsteller des „Karatetöters“ hat mir gefallen und generell waren die Figuren ganz gut besetzt. Letztendlich ein sehr unterhaltsamer Film, der mich auch zur späten Stunde wach und bei Laune hielt.

 

Der Schlächter Idi Amin – Ein seltsamer Hybrid aus England und die einzige Regiearbeit des indischen Produzenten Sharad Patel. Man merkt schon, dass die Filmemacher durchaus ein Anliegen hatten, und die grausame Geschichte um den wahnsinnigen Diktator möglichst authentisch erzählen wollten. Das sah zumindest nach dem Plan aus. Natürlich wurde dann viel verkürzt, man schien immer wieder den Faden zu verlieren (ein Arzt wird mal zur Hauptfigur gemacht, anhand derer die Geschichte erzählt werden soll – dann verschwindet der gute Doc aber ständig komplett aus der Handlung – was auch nicht stört) und sich dann doch auf die pure Expoitation zurückzuziehen. So riesig kann auch das Budget nicht gewesen sein. Immerhin spielt sich mindestens ein authentischer Akteur selber. So ist immer was los, vieles wird verkürzt und am Ende wurde doch immerhin soviel Neugier geweckt, dass man sich mit der wahren Geschichte einmal beschäftigen möchte. Interessant.

Barbarella – Ein schönes Wiedersehen auf großer Leinwand und auf 35mm. Ich hatte Roger Vadims Film erst kürzlich (okay, auch schon wieder ein paar Jahre her) gesehen, als ich einen Artikel darüber in der 70MM schrieb. Von daher hatte ich ihn gut in Erinnerung, auch wenn so viel passiert, dass man dann doch einiges vergessen hat. Spaß macht er immer noch. Musik, Ausstattung und Kostüme sind ein Traum. Die Handlung wunderbar typischer franko-belgischer Comic-SF. Die Darsteller haben alle Spaß, gerade David Hemmings als Clouseau-mäßiger Rebellenführer. Das Ende finde ich immer noch recht weird, aber passt schon. TOLL!

Muttertag – Großartiger Film von Charles Kaufman, der aus dem Troma-Umfeld stammt und sonst leider nicht viel gemacht hat. Der Film ist zynisch und bitterböse ohne Ende. Teilweise auch sehr schmerzhaft, selbst wenn er nicht so blutrünstig ist, wie der Ruf vermuten lässt. Dafür unangenehm fies. Mich wundert es, dass die Darsteller keine Genrestars geworden sind. Ich glaube, die habe ich sonst nirgendwo anders gesehen. Vieles fällt einem auch erst nach mehrmaligen Sehen auf und gerade in der Kinosituation. Kleine Details zwischen schwarzem Humor und purem Terror. Gefällt mir auch von Mal zu Mal immer besser.

Zu diesem Film hatten die Organisatoren sich auch wieder etwas besonders einfallen lassen. Der gute Christian verteilte großzügig Kopien des damaligen Kinoprogramms. Etwas, was auch schon zu einer schönen Tradition geworden ist.

Melody in Love – Für mich ein Satz mit X, der mich schnell genervt hat. Das kann man sich auch schön schreiben, z.B. dass Regisseur Hubert Frank bewusst Erwartungen unterläuft. Da werden nämlich ständig Spannungsbögen aufgebaut, die dann in der Mitte komplett in sich zusammenfallen. Man geht tauchen, es erscheint ein Hai. Man zückt das Tauchermesser. Passiert aber nix. Irgendwann taucht man auf und ruft entzückt „Das war aber ein Großer!“. Man taucht nach einer Schatzkiste, da ist aber nichts drin. Man bzw frau gerät in einer Seitengasse in einen Hinterhalt und wird von einem Kung Fu kundigen Einheimischen gerettet- das wird aber so weggewischt und spielt keine Rolle mehr. Später taucht der Retter in der Not einmal ultrakurz auf, wird erkannt, und ist schon wieder weg. Das geht ständig so: Es werden spannenden Momente aufgebaut, die dann einfach nicht passieren. Das nervte mich irgendwann kolossal. Genauso wie dieses eklige „Sie ist erst 17, aber will ständig Sex mit mir. Harr harr harr“. Nein, das war alles gar nichts. Da können auch spektakuläre Vulkanausbrüche (die auch Null Konsequenzen haben), eine gute Kamera, ohrwurmige Musik, schöne nackte Frauen und ein doch sehr hübsch anzusehender Sascha Hehn nichts dran ändern.

Jagdgeschwader Kamikaze – Patriotischer Kriegsfilm aus Taiwan, der die heroischen Taten eines Jagdgeschwaders im Kampf gegen die überlegenen Japaner preist. Dieses wird von sehr gelungenen Modellen gedoubelt, was seinen Charme hat. Andererseits dann auch mal etwas statisch wirkt. Besonders, wenn man die Piloten sieht, die ganz offensichtlich vor einer himmelblauen Leinwand agieren. Dem Film fehlten in den deutschen Kinos auch 25 Minuten. Aber, ob die den Kohl fett gemacht hätten? Im Grunde verläuft Tseng-Chai Changs Film so. Reden, alle in die Maschinen, kämpfen, landen, wieder reden, alle in die Maschinen usw. usf. Das ermüdetet dann schon arg. Besonders, wenn „reden“ oftmals patriotische Reden und Durchhalteparolen meint. Mich übermannte an immer öfter der Schlaf und so musste ich meinen Nebenmann am Ende fragen, was eigentlich mit dem Helden der Geschichte passiert ist. Das hatte ich nämlich tatsächlich verpennt.

Die Frau mit der 45er Magnum – Tatsächlich eine Erstsichtung, auch wenn die Blu-ray hier schon seit ein paar Jahren liegt. Ich bin aber froh, Abel Ferraras Film beim ersten Mal im Kino erleben zu dürfen. Ein fieser, sehr böser Rape & Revenge-Film, der – wie ich fand – den Zuschauer uns seinen „male gaze“ hinterfragt. Gleichzeit auch sehr tragisch, manchmal ein wenig dick aufgetragen – aber das fügt sich trotzdem sehr gut ein. Denn in diesem ganze Dreck von New York ist die Geschichte zwar vorstellbar, aber auch sehr, sehr auf die Spitze getrieben. Da ist Ms. 45 dann auch ein lauter film mit Wut im Bauch. Auf die ekligen typen, die Frau als Freiwild und minderwertige Wesen sehen. Die von ihrer eigenen Egos förmlich besoffen sind. Ein Männercliquen-Welt, in der sich Frauen Gehör zu schweigen haben. Wie unsere stumme Heldin. Zoë Tamerlis spielt diese aber auch fantastisch. Ein Jammer, dass es mit ihr im realen Leben so schlecht enden sollte. Das große Finale ist dann auch der Hammer, was Choreographie und Musik angeht. Ein kleiner, dreckiger Film, der ebenso fasziniert, wie unter die Haut geht. Ich muss mal wieder mehr Ferrara schauen.

 

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Das Bali – Das (fast) vergessene Bahnhofskino von Bremen

Als ich von diesem Fund lass, musste ich gleich hin und diesen vergessenen Aushangkasten für die Nachwelt festhalten. Am 10. Januar berichtete der Weser Kurier unter der Überschrift „Zeitzeugnis der Bremer Filmgeschichte am Friedenstunnel entdeckt“ darüber, dass nachdem eine Werbetafel abmontiert worden war, darunter ein vergessener, alter Aushangkasten des Bali Kinos zum Vorschein gekommen war, welcher dort seit 1971 hing.

Was mich wundert: Der Kasten hängt nicht wirklich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, sondern ist davon 650m entfernt.

Das Bali (kurz für „Bahnlichtspiele“) fasziniert mich schon seit vielen Jahren. Gerade durch meine Liebe zum sogenannten „Bahnhofskino“, welches jene Art von Filmen bezeichnet, welche in eben (vor allem in den 70ern) diesen Kinos liefen. In den 70ern waren das Italo-Western, Kung-Fu-Filme, Action- oder (später vor allem) Erotikfilme.

Das Bali-Kino war das erste Kino in Bremen mit einem durchgängigen Programm. Für 1,60 Mark waren im rechten Außenflügel des Bahnhofsgebäudes durchgängig Filme zu sehen. Bali steht für Bahnlichtspiele. Diese Art von Kino gab es nicht nur in Bremen, sondern in unzähligen Bahnhöfen Deutschlands.

In ihrer ursprünglichen Funktion boten sie schon in den 1950er-Jahren Zugreisenden die Möglichkeit, ihre Wartezeit auf den Zuganschluss durch Unterhaltung zu verkürzen. Nicht nur Filme waren zu sehen, auch Nachrichten liefen über die Leinwände. Ein anderer Name für diese Branche war, je nach Betreiber, Aktualitätenkino (Aki) oder Aktualitätenlichtspiele.

Quelle: Weser Kurier

Da ich an das Kino überhaupt keine Erinnerung habe, und es mir trotz intensiver Suche bislang nicht gelungen ist vernünftiges Bildmaterial mit dem alten Bali zu finden, hat sich das Kino bei mir fast schon zur Obsession entwickelt. Immerhin weiß ich mittlerweile, wo es einst im Hauptbahnhof war und habe tatsächlich ein einziges Foto vom August 1963 gefunden, wo es drauf zu erkennen ist.

Was da im August ’63 gespielt wurde, habe ich allerdings nicht herausgefunden. Damals hatte das Bali scheinbar sein Programm nicht im Weser Kurier inseriert. Das sollte erst später erfolgen. Die frühste Anzeige habe ich am 14.1.196 gefunden:

14.1.1966

 

 

 

 

Eine Woche später wurde das Aussehen der Anzeige dann angepasst und blieb dann auch die nächsten Jahre so.

21.1.1966

28.1.1966

 

 

 

 

Hier einige Beispiele aus den späten 60ern,

8.4.1966

6.1.1967

3.5.1968

 

 

 

 

 

 

 

 

In den frühen 70ern und in dem Jahr, als der Aushangkasten aufgehangen wurde, sah das Programm so aus:

20.7.1970 (von der Veranstaltungsseite des Weser Kuriers)

29.1.1971

23.7.1971

 

 

 

 

 

 

 

 

Mitte der 70er Jahre verschwinden die Anzeigen plötzlich und tauchen erst zum Ende des Jahrzehnts wieder auf.

19.8.1977

 

 

 

 

 

 

Hier die Inserate aus den den letzten drei Lebensjahren des Bali (fast auf den Tag genau 43, 42 und 41 Jahre alt), bevor es 1984 die Pforten schloss.

29.1.1982

28.1.1983

27.1.1984

Wenn man so in die Zeit zurück reist, finde ich es spannend, dass gerade in den frühen Jahren auch Kinderprogramme und sogenannte „Kunstfilme“, wie Bunuels „Belle de Jour“, oder Blockbuster wie „Love Story“ dort liefen – und nicht die billigen Genreproduktionen, für die man das Bahnhofskino heute vor allem kennt. Auch, dass das Genre „Horror“ hier (zumindest in Bremen und in den Stichproben, die ich mir angesehen habe) keine oder nur eine kleine Rolle spielte, finde ich bemerkenswert. Da das Programm täglich wechselte, fanden sich die anzeigen nicht nur Freitags auf der Kinoseite des Weser Kuriers, sondern in der Woche dann auch unter „Veranstaltungen“.

Mich faszinieren auch, dass das Kino – laut Zeitungsartikel – 368 Plätze gehabt haben soll. Zum Vergleich: Der große Saal der Schauburg hat 258 Plätze, die Gondel gar nur 180. Ich kann mir dort, wo früher das Kino gewesen sein muss, beim besten Willen nicht vorstellen, wie das ausgesehen hat und wo dort so ein riesiges Ding hingepasst hat.

Hier einige aktuelle Fotos des Ortes, wo früher das Bali war.

 

Ich muss mal gucken, wo man noch Spuren alter Kinos findet. Ich erinnere mich, dass in Findorff beim ehemaligen Admiralkino noch Aushangkästen hingen. Ich glaube aber, die sind mittlerweile weg.

Wer Erinnerungen an das Bali hat oder gar noch Fotos – Ich wäre sehr daran interessiert, um das Puzzle weiter zusammenzusetzen. Wie gesagt, das Thema verfolgt mich schon seit Jahren.

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„My House is on Fire“ – Ausstellung Lithographien von David Lynch in Oldenburg

An dieser Stelle möchte ich auf die höchst empfehlenswerten David-Lynch-Ausstellung im Horst-Janssen-Museum in Oldenburg hinweisen, in der Lithographien des Meisters thematisch zusammengefasst Werken von Horst Janssen gegenübergestellt wurden. Dabei faszinierend es sehr, wie ähnlich die Werk der Beiden, gerade in der direkten Gegenüberstellung, teilweise sind. Und dies obwohl sich beide Künstler nicht kannten. Ich gebe zu, dass ich mich in der Ausstellung aber vor allem mit dem Werk Lynchs beschäftigt habe. Und dies war schon beeindruckend. Wie seine Filme, sind auch die Bilder vielseitig interpretierbar und enthalten Details, die einem erst beim dritten oder vierten Blick auffallen. Spannend war auch zu sehen, wie hier schon Dinge vorweggenommen werden, die Lynch dann gerade in der dritten Staffel von „Twin Peaks“ weiterverarbeitete. Gerade die Werke, die sich um Elektrizität drehten.

Neben den Bildern, gab es auch eine kleine Installation (Ant Head) und den Kurzfilm „Fire (PoZar)“ von 2015 (die IMDb gibt 2020 an, da er dort erstmals veröffentlicht wurde), der von Marek Zebrowski vertont wurde, mit dem Lynch 2007 auch die CD „Polish Night Music“ aufnahm, die ebenfalls 2015 wieder veröffentlicht wurde.

Apropos Musik: Diese konnte man auch immer wieder auf Kopfhörern zu einigen Bildern hören. Hier hatte man sich für das Free-Jazz-Album „Thought Gang“, welches Lynch 2018 mit seinem Stammfilmmusikkomponisten Angelo Badalamenti als eben Thought Gang aufnahm. Keine leichte Musik, aber sehr spannend. Das Album hatte ich mir bereits auf CD bestellt, es hat aber eine längere Lieferzeit.

Wie ich erlauschen konnte, war Lynch auch stark in die Konzeption involviert und hat z.B. das Logo der Ausstellung entworfen.

Eine Info: Das Horst-Janssen-Museum wird gerade umgebaut, weshalb es derzeit nur über Umwege und durch die Hintertür zu erreichen ist. Zudem steht nicht die volle Fläche zur Verfügung – deshalb ist der Eintritt aber momentan auch frei! Auch für die Sonderausstellung und an allen Tagen (Di-So, 10:00-18:00 Uhr). Führungen gibt es aber auch. Die sind dann nicht kostenlos, aber laut Homepage kostet das 3 Euro pro Person für 60 Minuten, bzw. 4,50 für 90 Minuten. Hätte ich auch gerne mit gemacht, aber ich wurde leider an der Kasse nicht drauf aufmerksam gemacht, und bemerkte dies erst nachdem ich rein bin, und eine geführte Gruppe von drei Personen kurz nach mir durch die Ausstellung geführt wurde. Ich habe mich dann aber in Hörweite aufgehalten (was eh kaum zu umgehen war) und alles wichtige mitbekommen.

Schade war auch, dass der Katalog nicht zu erwerben war, da er gerade erst gekommen und bereits ausverkauft war. Ich solle es aber über die Homepage versuchen (wo ich bislang dazu noch keine Möglichkeit gefunden habe). Zudem ist aufgrund des Umbaus der Museumsshop geschlossen, sodass man das einzige angebotene Buch von Lynch (die deutsche Ausgabe von „Catching the Big Fish“) nur als Ansichtsexemplar anschauen konnte.

Die Ausstellung geht noch bis zum 16. Februar. Interessierte sollten sich als besser beeilen.

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Nachruf: David Lynch (1946-2025)

Es gibt immer wieder dies Todesfälle, die einen kurz aus dem täglichen Leben reißen. Die einen erschüttern, obwohl man die Person gar nicht persönlich gekannt hat. Doch da sie einen so lange mit ihrer Kunst begleite hat, hatte man das Gefühl, sie zu kennen. Sie bedeutete einem etwas. Vielleicht nur als Ideal, welches wenig mit dem realen Menschen zu tun hat. Doch dieses leitet einen durchs Leben, lässt einen Erfahrungen machen, die einen bereichern, zum Nachdenken bringen, den Horizont erweitern. Die starke Emotionen in einem auslösen und einen etwas über sich selber und die Welt an sich erzählt. 2016 waren es die Tode von drei für mich sehr wichtigen Künstlern die mich auf diese Art und Weise berührt und kurzzeitig den Boden unter den Füssen weggerissen haben: David Bowie, Prince und Andrzej Zulawski. Bei allen kam der Tod für mich aus heiterem Himmel. Bei allen dachte ich gerade, sie würden in eine neue Phase ihrer unerschöpflichen Kreativität eintauchen – und dann waren sie plötzlich nicht mehr da.

Gestern ist David Lynch verstorben, und ich fühlte mich wieder wie 2016. Auch hier hatte ich nicht mitbekommen, wie krank er war. Ja, ich hatte da was gelesen, aber so ernst klang das jetzt für mein Laien-Ohr nicht. Zumal er kämpferisch ankündigte, nicht kürzer treten zu wollen. Jetzt ist er nicht mehr da. Die Frage „What year is this?“ wird nie beantwortet werden. Wäre sie aber vielleicht sowieso nicht, denn Lynch erklärte nicht. Entkleidete seine Geheimnisse nicht. Er pflanzte sie in den Kopf seiner Zuschauer, in denen die Fragen gärten und zu ganz individuellen Ergebnissen führten. Was ist die Black Lodge? Wohin führt der Lost Highway? Was passiert im Mullholand Dr.? Wo ist Nikki? Wer Lynchs Filme gesehen hat, der kehrt immer wieder zu ihnen zurück. Vielleicht nicht tatsächlich auf dem Bildschirm, aber im Kopf wo Lynchs Geschichten und Bilder immer wieder wie diebisch lächelnde Dämonen auftauchen und das Denken besetzen.

Mein erster Lynch-Film war „Der Elefantenmensch“, den ich im Fernsehen sah und der mir emotional stark zusetzte. „Ich bin kein Tier! Ich bin ein menschliches Wesen!“. Sehr viel später erst sah ich sein Debüt „Eraserhead“. Große Fragezeichen, große Faszination, große Liebe für das Dunkle, das Wahnsinnige, das „Sich-nicht-fassen-lassen-wollende“. „Dune“ verstörte mich, der ich einen Film ala „Krieg der Sterne“ erwartet hatte, mit seiner seltsamen Finsternis. „Blue Velvet“ war eine Offenbarung. Ein Albtraum in dem ich selber als Jeffrey gefangen war. „Wild at Heart“ eine wahnsinnige Achterbahnfahrt, die mein Gehirn komplett auseinander purzeln ließ. „Meine Schlangenlederjacke ist ein Ausdruck meiner Individualität“. Da bekam man, was man von einem Roadmovie erwartete – und eben genau dies nicht. Da kippte eine klassische B-Film-Geschichte in einen merkwürdigen Traum und führte einen in ein Labyrinth, aus dem man nicht wieder herausfand. Ebenso wie bei „Lost Highway“, den ich lange vor mich herschob, da ich nicht wusste, ob mich das, was ich im Vorfeld hörte, mir gefiel. Tat es natürlich dann. Der Film war ein Strudel an Bildern und vor allem Emotionen, Gefühlen, merkwürdigem Kribbeln im Rückgrat, welcher mich einfach unter die Oberfläche zog. „Mullholand Dr.“ schaffte es, mich – wie viele andere – zunächst auf eine falsche Fährte zu locken, um dann den Brägen kräftig durchzuficken. Lange Zeit war es mein Lieblingsfilm von Lynch. Wenn es so etwas gibt. „Straight Story“ war dann so anders. Eine echte „straight story“. Voller Liebe, Melancholie und wieder viel, viel Gefühl. Diesmal nicht beängstigende, sondern beruhigende. Ein so schöner Film mit einer ebenso wunderschönen Musik. „Inland Empire“ dann. Ein verdammter Monolith. Drei Stunden lang. Und noch einmal zwei Stunden, wenn man den begleitenden, aus verworfenen Szenen bestehenden „Something Happend on the Way“ dazu zählt. Ein Fiebertraum, der mich stärker faszinierte als alles andere. Der mich in einen förmlichen Rausch versetzte. So stelle ich mir die Einnahme von Drogen vor. In meinem Kopf verschwammen Wachsein und Traum. Nach dem Film wusste ich nicht, was ich gesehen und was eventuell nur imaginiert habe. Ein wahnsinniges Erlebnis.

Ich glaube auf den Extras meiner „Inland Empire“-DVD ist eine kurze Szene in der Lynch mit polnischen Filmstudenten im einer stinknormalen, leeren Halle steht und einfach nur dort fragend einen Namen dort hineinruft. Und mit dieser Allerweltshandlung eine solch dichte, bedrohliche Stimmung schafft, dass mich diese kurze Szene noch heute verfolgt. Das hat ihn für mich definiert. Das Bild hinter dem Bild finden und dies dann in die scheinbare Realität hineinkriechen lassen.

Und dann ist da „Twin Peaks“. Meine erste wirklich intensive Begegnung mit ihm. Sehen konnte ich die Serie damals nicht, da sie auf RTL lief. Damals wurde RTL bei uns im Wechsel mit SAT1 gesendet. Und ich meine zu „Twin Peaks“-Zeiten war gerade SAT1 dran. Aber ein Freund konnte RTL empfangen und hatte die Serie auf Video mitgeschnitten. Auch die zweite Staffel, die dann auf Tele5 lief, die ich ebenfalls nicht empfangen konnte. Aber ich wurde ja gut versorgt. Nach der Schule wurde ein Tape eingeworfen und dann ging es nach Twin Peaks. Was habe ich die Serie geliebt. Was war sie in dieser Zeit für ein zentrales Element in meinem Leben. Irgendwie habe ich es dann geschafft an dem Nachmittag an dem die letzte Folge lief, alle Tapes durchgeschaut zu haben. Die legendäre letzte Folge sah ich dann live bei meinem Freund. Und als während dieser Folge immer mehr neue Fäden aufgemacht wurden, statt dass die vorhandenen zum Abschluss gebracht wurden, wunderten wir uns immer mehr, wie Lynch das jetzt zu einem Ende bringen wollte. Und als die Folge dann durch war, sahen wir uns hilflos und verwirrt an – und wussten in dem Moment nichts mehr zu sagen. Später waren wir gemeinsam in „Fire Walk With Me“ aka „Twin Peaks – der Film“. Eigentlich dachten wir, dass die unzähligen Fragen beantwortet würden. Was aber natürlich nicht der Fall war. Während des Filmes verließen immer mehr Zuschauer*innen den Saal (Schauburg, kleines Haus – vergesse ich auch nie). Wir blieben sitzen. Waren beglückt. Und nach dem Film standen wir noch stundenlang vor dem Kino und diskutierten, erzählten uns von den vielen kleinen Entdeckungen und Verbindungen zur Serie. Spannen den Film im Kopf weiter. Ein ungemein bereicherndes Erlebnis.

Die dritte Staffel ist nun David Lynchs Vermächtnis. Für mich das Beste und intensivste, was ich jemals im Fernsehen gesehen habe. Wobei – Fernsehen. Die Serie lief auf Wow. Wie damals mein Freund, der mir die Videokassetten geliehen hat, bekam ich die Folgen diesmal von einem Arbeitskollegen und ich sah sie größtenteils auf dem Laptop. Trotzdem war ich komplett „in der Serie“ drin. Lechzte nach der nächsten Folge. Wurde vollkommen durchgerüttelt, schockiert, verwundert, fasziniert. Die ersten beiden Folgen sah ich während einer Teamauszeit im verdunkelten Hotelzimmer, während sich die Kolleg*innen noch amüsierten. Später stellte ich fest, dass mein Kollege einige Folge vergessen, bzw. falsch benannt hatte. Weshalb ich mir dann doch widerwillig Wow besorgte. Einige Episoden verfolgten mich tagelang, ließen sich nicht mehr abschütteln (die mit Harry Dean Stanton habe ich bis heute nicht verdaut). Und natürlich endet alles kryptisch mit der Frage „What year is this?“. Ein mehr als würdiger Abschluss für Lynchs Filmkarriere. Mehr als würdig. Ein Meisterwerk. Ein Geniestreich.

Aber Lynch war nicht nur Film, sondern auch Malerei (womit ich mich jetzt mehr beschäftigen werde und endlich die Ausstellung in Oldenburg besuchen), Bildhauerei und Musik. Lynch war selber Musiker. Er nahm großen Einfluss auf die kongeniale Musik seines Hauskomponisten Angelo Badalamenti. Einen Film von David Lynch kann man nicht nur sehen, sondern auch „erhören“. Es gibt diesen typischen Lynch-Sound, den er auch bei seinen eigenen Ausflügen in die Musik pflegte und der dieselbe unter die Haut kriechende Atmosphäre kreiert. Seien es seine Solo-Stücke, die mit John Neff als BlueBOB oder als Co-Komponist und Produzent von Julie Cruise oder Chrysta Bell. Sogar auf dem Sampler mit Musik aus der dritten Staffel von „Twin Peaks“ spürt man seine Hand. Und selbstverständlich lies er es sich nicht nehmen, die Videos für seine Musik zu drehen, wie das verstörende Musikvideo zu „Crazy Clown Time“. Überhaupt gibt es hier noch viele Schätze zu heben, denn Lynch war in der kurzen Form sehr produktiv. Er schuf nicht nur die verstörende „Rabbits“-Serie, sondern noch viel mehr. Da wurde selbst der Wetterbericht zu einem Ruf aus einer parallelen Welt. David Lynch ist tot. Sein Werk und sein Einfluss leben weiter. Und sie werden weiterhin eine große Rolle in meinem Leben spielen. Danke für den Donut, David! Ich versuche nicht nur auf das Loch zu schauen.

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Mein ganz persönlicher Jahresrückblick 2024

Wie? Das Jahr ist schon wieder vorbei? Die Zeit vergeht im Sauseschritt, wir laufen mit. Tatsächlich kommt es mir so vor, als hätte 2024 gerade erst begonnen, da lugt 2025 schon um die Ecke. Und noch immer gilt: Die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts bekleckern sich nicht Ruhm. Und ich schaue mittlerweile eher ängstlich, denn optimistisch in die Zukunft. Gerade auch aufgrund der politischen Ereignisse in diesem Jahr. Da hilft manchmal die offensive Flucht in die Hobbies.

2024 gab es bei mir einen kleine Verschiebung in den Interessen. Von Film hin zu Musik. So wanderten 358 Tonträger in die Sammlung, was teilweise auch an zwei größeren CD-Sammlungen lag, die ich bereits 2023 geschenkt bekam. Und an den Plattenbörsen und – geschäften, die ich 2024 aufsuchte. Zudem habe ich – trommelwirbel – im August auch einen neuen Blog gestartet, der sich „Klang & Vision“ (https://klangundvision.de) nennt, und wo ich über Vinyl und Konzerte (gerne auch mit Bremer Schwerpunkt) schreibe. Den habe ich noch nicht groß promotet und so schreibe ich dort mehr oder weniger noch für mich selber. Daneben war ich auch selber als wieder Konzert(mit)veranstalter für die Helga tätig. Dort waren es sage und schreibe 9 Konzerte und ein kleines Festival mit sechs Bands, was ich alles im Hintergrund mit betreut habe. Und mit „Interna“ und „Billy Zach“ auch zwei Bands dabei, die ich schon vor dem Konzert kannte und ganz großartig fand.

Was aber nicht heißt, dass ich meine Leidenschaft Film aufgegeben hätte. Höchstens ab und zu etwas vernachlässigt. Allerdings habe ich hier was Bilddatenträger betrifft dann etwas weniger exzessiv zugeschlagen. Trotzdem sind es 163 geworden. Vieles wurde mir geschenkt (Danke dafür!), habe ich ersteigert, sind Grabbelkistenfunde, oder ich habe es mir verdient. Und wenn ich mir etwas gekauft habe, waren es vor allem Klassiker, aktuelle Filme wurden tatsächlich eher gestreamt.

Und trotz allem war es für mich wieder war mein Hobby Film angeht, ein spannendes Jahr. So war ich dieses Jahr das erste Mal seit fünf Jahren wieder beim Filmfest Bremen dabei. Und dies nicht nur als Besucher, sondern auch aktiv. Denn mein Kollege Stefan und ich waren mit Weird Xperience Gastgeber eines dort gezeigten Films: GUNFIGHTER PARADISE. Wir führten 2x in den Film ein, hielten eine Q&A (auf Englisch!) mit den Filmemachern, suchten einen passenden Vorfilm aus und moderierten einmal die „Kurz&blutig“-Sektion. Und dabei blieb es nicht. Stefan und ich wurden auch in die Sichtungskommission für das Filmfest Bremen 2025 geholt, wo wir in der Gruppe „Innovation & Experimentelles“ unzählige (sehr häufig) tolle Kurz- und Langfilme sichteten. Einen Ritterschlag erhielt ich im August, als ich gefragt wurde, ob ich beim Kurzfilmwettbewerb Short Film Collection des Filmbüros Bremen Teil der Jury sein möchte. Das war auch ein ganz wunderbarer Abend!

Was meine Arbeit an Bonusmaterial für Blu-ray-Veröffentlichungen angeht, so war es ein zwar produktives, aber auch ruhiges Jahr. Von dem, was ich da alles geschrieben habe (diesmal waren es nur Booklet-Aufträge) ist bislang noch nichts erschienen – weshalb ich mich hier mal bedeckt halte. Aber da kommt wohl in 2025 was. Für das Buch „Zeitlos“ über Zeitreisefilme habe ich auch zwei Artikel geschrieben. Das Buch ist mittlerweile erhältlich, aber so geräuschlos auf den Markt gekommen, dass ich es auch erst sehr spät mitbekommen habe und es leider bislang auch nicht in den Händen halten kann. Nun gut.

Natürlich war ich auch wieder in Sachen 35/70-Millimeter gut beschäftigt. Ich verantwortete die Ausgabe 6 und 7 des 70-Millimeter-Retro-Filmmagazins, schrieb für alle vier Ausgabe der 35 Millimeter u.a. über Bela Lugosi und José Bénazéraf. Highlight war das Redaktionstreffen im Mai in „meiner“ Helga Kneipe. Es gab tolle Vorträge für die Öffentlichkeit, es war wunderschön so viele Redaktionsmitglieder zu sehen und einige auch das erste Mal kennenzulernen. Extrem frustrierend war lediglich, dass wir trotz kräftiger Werbung mehr oder weniger unter uns blieben. Das Interesse der Bremer an Filmgeschichte ist wohl eher gering. Was ich sehr schade finde.

Sehr schade fand ich auch, dass es in diesem Jahr kein HyperHorrorHapping gab. Das war in den Vorjahren immer ein echtes Highlight gewesen und einfach toll, mit welchem Elan und welcher Leidenschaft die beiden Köpfe hinter dem HHH (Johanna und Olli) das gegen alle Widerstände auf die Beine gestellt haben. Ich hoffe da auf 2025, möchte aber die Gelegenheit nutzen, auf die ebenfalls sehr empfehlenswerte Reihe mit Musikdokus, welche die Beiden im Kommunalkino kuratieren und moderieren, hinzuweisen: 46rpm ist ein „Muss“! Neben dem Filmfest Bremen, war ich auch wieder in Oldenburg auf dem Internationalen Filmfest, welches mir jedes Jahr im September ein zweiten Wohnzimmer ist. Sehr genossen habe ich auch den alljährlichen Mondo-Bizarr-Weekender in Düsseldorf und das wie immer wundervolle Deliria-Italiano.de-Forentreffen, welches diesmal im wirklich tollen Kommunalkino Hannover (da kann sich Bremen mittlerweile mal mehr als eine Scheibe von abschneiden) stattfand. Dort erfüllt sich ein weiterer Traum, nämlich einmal einen meiner Lieblings-Italo-Western von 35mm auf der großen Leinwand zu sehen: „Keoma“! Zudem durfte ich Sergio Leones Schwanengesang „Es war einmal in Amerika“ dort in einer brillanten 35mm-Kopie sehen. Eine absolute Wiederentdeckung und für mich über alles gesehen mein Film des Jahres!

Mit Weird Xperience hatten wir im Cinema Ostertor eine wirklich gute Zeit. Danke hier für die tolle Unterstützung durch das Kino. So langsam pendeln sich die Besucherzahlen auch auf – wie wir finden – gutem Niveau ein. Mit Ausreißern nach unten (der wirklich gelungene „New Life“ hatte nur 7), wie nach oben (über 60 wollten „Tanz der Teufel 2“ sehen). Und wir haben mittlerweile auch immer wieder Besucher, die dann auch dabei bleiben und öfter kommen. Das freut uns natürlich ungemein und spornt uns an immer wieder ordentlich an.

Auf diesem Blog habe ich immer wieder längere Pausen eingelegt, was aber aufgrund der vielen anderen hier beschrieben Aktivitäten kein großes Wunder ist. Mit diesem hier werden es 2024 gerade mal 16 Artikel gewesen sein. Das versuche ich 2025 dann aber wieder zu übertreffen. Versprochen!

Nun zu den Filmen. Mit 202 bei der IMDb bewerteten Filmen sind es offiziell weniger als letztes Jahr. Da ich allerdings wie oben geschrieben in einer Sichtungskommission des Bremer Filmfests sitze, habe ich dort auch unzählige Kurzfilme und einige Langfilme gesehen, die ich nicht bewertet/gezählt habe – da sie dort (noch) nicht zu finden sind. Im Kino war ich auch dieses Jahr seltener als gewollt, dafür des Öfteren mal mit dem Sohn (und manchmal auch Tochter) – was ich sehr genossen habe. Aber im Großen und Ganzen wäre ich schon gerne sehr viel öfter im Kino gewesen.

Top 10 aktuelle Filme (Produktionsjahre 2023/2024)

 

  1. Skunk (Koen Mortier, 2023)* – Review HIER
  2. Dune: Part Two (Denis Villeneuve, 2024)*
  3. Luka (Jessica Woodworth, 2023)* – Review HIER
  4. Chiennes de vie (Xavier Seron, 2023)* – Review HIER
  5. Olivia & Las Nubes (Tomás Pichardo-Espaillat, 2024)
  6. Alles steht Kopf 2 (Kelsey Mann, 2024)*
  7. Der wilde Roboter (Chris Sanders, 2024)*
  8. Hakki (Hikmet Kerem Özcan, 2024)* – Review HIER
  9. Orion und das Dunkel (Sean Charmatz, 2024)
  10. Tre regole infallibili (Marco Gianfreda, 2024)* – Review HIER

* im Kino gesehen

Top 10 ältere Filme (nur Erstsichtungen)

 

  1. Die Passion der Jeanne d’Arc (Carl Theodor Dreyer, 1928)*
  2. Mr. Long (Sabu, 2017)
  3. Supernova (Bartosz Kruhlik, 2019)
  4. Ex Drummer (Koen Mortier, 2007)*
  5. The Lobster: Eine unkonventionelle Liebesgeschichte (Yorgos Lanthimos, 2015)
  6. Anchoress (Chris Newby, 1993)
  7. Il demonio (Brunello Rondi, 1963)
  8. Rapiña (Carlos Enrique Taboada, 1975)
  9. Mein Nachbar Totoro (Hayao Miyazaki, 1988)
  10. Celia (Ann Turner, 1989)

* im Kino gesehen

Ich wünsche allen meinen Leser*innen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt gesund! Wir lesen/sehen uns wieder in 2025!

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Die aktuellen Ausgaben der Retro-Filmmagazine 70MM und 35MM

Mit etwas Verspätung (für die 70MM) und noch gerade rechtzeitig (für die 35MM), möchte ich die aktuellen Ausgaben der beiden Retro-Filmmagazine vorstellen.

Beginnen möchte ich mit der „70 Millimeter“ für de ich diesmal als Chefredakteur außer der Gesamtverantwortung, dem Editorial und einigen Rezensionen keine Texte beigesteuert habe.

Aber das macht ja nichts, wenn man so großartige Autoren an der Hand hat, wie ich es hier hatte. Mir gefällt das Heft. Ich habe es genossen, die tollen Texte zusammenzusammeln. Ein bunter Mix, bei dem sowohl René Clément und Tom Gries, als auch José Ramón Larraz und Joe D’Amato ihren Platz haben.

Die „35 Millimeter“ kommt zu ihrem 10. Jahrestag gleich als extra dicke Ausgabe mit 100 Seiten daher. Die Titelstory dreht sich um das Filmstudio „United Artists“. Hier habe ich vier Seiten über die schicksalsträchtige Symbiose zwischen Buster Keaton und seinem Förderer, später auch Schwager und letztendlich für den tragischen Wechsel zu MGM verantwortlichen Joseph Schenk geschrieben. Schlechte Nachricht: Wie mir ein Vögelchen zwitscherte ist dieses Jubiläumsheft bereits restlos ausverkauft.

Die 70 Millimeter #7 gibt es HIER noch für 4,80 zzgl. Versand.

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Bericht vom 31. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 3

Mein dritter und ganz allgemein auch der letzte Tag auf dem 31. Internationalen Filmfest Oldenburg begann recht chaotisch. Dabei hatte doch alles entspannt angefangen. Überpünktlich parkte ich meinen Wagen vor dem Theaterhof, wo laut Ticket mein erster Film des Tages um 14:30 Uhr starten sollte. Da es mittlerweile Sonntag war, konnte ich auch kostenlos parken und die exorbitant angestiegenen Parkgebühren in Oldenburg sparen. Im Kino verlief auch alles gut, ich befand mich in der überraschend langen Schlange vor dem Einlass weit vorne – doch als ich durch die Einlasskontrolle ging, winkte mich der nette Herr dort zurück und meinte, ich sei im falschen Kino. Der Film „Three Infallible Rules“sei getauscht worden und liefe im cineK. Meine etwas dümmlichen Einwurf „Aber hier steht doch Theaterhof“ hätte ich mir auch sparen können. So nahm ich die Beine in die Hand und lief mit noch weiteren „Opfern“ der Konfusion rüber ins cineK, wo der Film eigentlich in dem Moment hätte starten sollen.

Außer Atem erreichten wir das cineK ohne genau zu wissen wohin. Die Leute hinter dem Tresen konnten uns zwar ins Studio lotsen, wussten aber auch nicht so recht, was los war. Dort angekommen lief noch nichts. Es wurde uns gesagt, man würde noch auf die Leute aus dem Theaterhof warten, die vielleicht noch im falschen Kino saßen. Ein Herr neben mir berichtete, dass ihm ähnliches am Vortag im Casablanca widerfahren, und er von dort zurück ins cineK geschickt worden sei. Was für ihn als fahrradfahrenden Oldenburger gerade so möglich gewesen sei. Ein zugfahrender Bekannter von außerhalb sei dann einfach sitzen geblieben. So schlichen die Minuten dahin. Während wir also alle warteten, wurde im Publikum jemand gesucht, der für den italienischen Regisseur Marco Gianfreda dolmetschen könnte – denn der verstand nur sehr rudimentär Englisch. Eine freundliche Dame erklärt sich dazu bereit und es wurde weiter gewartet. Dann sprach der sympathische Regisseur Marco Gianfreda einige einleitende Worte, die von der Dame aus dem Publikum übersetzt wurden.

Endlich startete der Film. Leider nicht seiner, sondern „Three“ von Nayla Al Khaja, der am Abend noch einmal im Studio laufen sollte. Und diese nicht einmal, sondern insgesamt drei Mal (wie passend), was zu einigem Gelächter führte. Aber auch viel Zeit kostete. Das Warten hatte sich allerdings sehr gelohnt.

Three Infallible Rules – Der 14-jährige Bruno hat zwei Probleme. Zum einen Luca, den verhassten neuen Freund seiner Mutter Claudia, zum anderen seine Klassenkameradin Flavia, in die er verliebt ist. Als Bruno zufällig sieht, wie Luca auf offener Straße eine fremde Frau küsst, nutzt er dieses Wissen, um Luca zu erpressen. Dieser soll ihn einerseits als coolen Typen dastehen lassen und zum anderen mit Tipps versorgen, wie man bei Frauen landet und generell – wie ist das mit dem Verliebtsein? Derweil hat Claudia ihre eigenen Probleme, denn in Sachen Verliebtsein tut sie sich ebenso schwer wie ihr Sohn.

Manchmal passt einfach alles. Nach der eher schweren Kost der Vortage habe ich solch einen Film wie „Three Infallible Rules“ scheinbar einfach gebraucht. Von Anfang an gelang es mir, mich einfach hineinfallen zu lassen. Fühlte mich wohl in diesem sommerlichen Italien, mochte die Figuren und die kleine große Geschichte, die von der Liebe und denen damit einhergehenden Problemen erzählt, ohne sentimental oder schwülstig zu werden. Bruno, der am Anfang den Eindruck eines kleinen Biestes und der seiner Mutter das Leben schwer machte, entpuppt sich bald als zwar komplizierte, aber auch verlorene Person. Jemand, der einfach auf der Suche nach Liebe ist und dessen Hormone und Synapsen von der Pubertät kräftig umhergewirbelt werden. Wie sein Mutter Claudia, die ihren eigenen Gefühlen auch nicht so recht vertraut und voller Zweifel ist. Die ihrem Glück misstrauisch gegenübersteht und voller Selbstzweifel steckt. Mutter und Sohn spiegeln sich ineinander, ohne dass sie es merken würden. Auch der wahnsinnig gutaussehende Luca ist vor Selbstzweifeln nicht gefeit, hat aber gelernt damit umzugehen und versucht dies an Bruno weiterzugeben. Zu diesem entwickelt er nicht unbedingt väterliche, wohl aber freundschaftliche Gefühle. In Bruno sieht er vielleicht auch ein Stück seines jüngeren Ichs, welches in der Welt noch nicht wirklich zurecht kam.

Dazwischen gibt es auch heitere Momente aus Brunos Schulleben, die zeigen, dass er mit den Irrungen und Wirrungen der Pubertät nicht allein ist. Nicht nur aufgrund dieser Szenen, könnte man sich die Geschichte von „Three Infallible Rules“ auch als eine Commedia sexy all‘italiana aus den 70ern vorstellen. Die ja zwischen dem ganzen Klamauk auch immer wieder ernste Figuren und „echte“ Liebesprobleme in ihren Geschichten hatten. Auch wenn „Three Infallible Rules“ das frivole und die Nacktheit der 70er abgeht. Ein sehr schöner, sehr entspannter Debüt-Film, bei dem Regiedebütant Marco Gianfreda dann auch das perfekte Ende für seine Geschichte findet. Einfach schön.

Während der Abspann lief, warf ich einen Blick auf die Uhr und musste erschrocken feststellen, dass mir um nächsten Film nur noch 5 Minuten bleiben. Durch das Chaos am Anfang war einfach viel zu viel Zeit verloren gegangen, und ich musste ja auch noch das Kino wechseln. Das tat mir sehr leid, denn ich hätte wahnsinnig gerne der Q&A mit Marco Gianfreda gelauscht und hatte auch einige Fragen, die ich eigentlich stellen wollte. Aber das ging jetzt nicht mehr und deshalb beschloss ich, mich entgegen meiner Gewohnheit rasch aus dem Kino zu stehlen. Was gar nicht so einfach war, da am Ende meiner Reihe Marco Gianfreda saß. Das war mir dann doch sehr peinlich. Als ich mich an ihm vorbei drängelte, konnte ich ihm nur rasch auf Englisch meine Begeisterung zu seinem Film und eine flüchtige Entschuldigung, dass mein nächster Film nun beginnen würde, zuwerfen. Ob er das in der Hektik verstanden hat? Ich hoffe es mal.

Also rasch rüber in den Theaterhof und kurz nachdem ich in den Saal bin, ging auch schon das Licht aus und der Film auf den ich mich im Vorfeld am Meisten gefreut hatte begann.

The Second Act – Quentin Dupieux folge ich schon seit seinem Debüt „Rubber“, welches wir auch in der Frühzeit von Weird Xperience im Kino gezeigt haben. Endgültig verliebt habe ich mich in seine Filme mit „Wrong“, den ich passenderweise erstmals auf dem 19. Internationalen Filmfest Oldenburg sah. Bis auf die Resteverwertung „Wrong Cops“ mag ich alle Filme von Dupieux. Auch wenn ich leider – auch aufgrund ihrer größtenteils mangelnden Verfügbarkeit in Deutschland – seine letzten fünf Filme allesamt verpasst habe. Der Mann ist eben sehr produktiv und veröffentlicht mittlerweile zwei Filme pro Jahr. Daher freute ich mich sehr darüber, dass ich nun 12 Jahre später, wieder einen Dupieux -Film in Oldenburg zu sehen bekam. Über die Handlung von „The Second Act“ sollte man möglichst wenig im Vorfeld verraten. Deshalb begnüge ich mich hier mit einigen oberflächlichen Andeutungen. Es geht um Kino. Es geht ums Filmemachen. Und es geht um die feine Linie zwischen Realität und Fiktion. Darin ähnelt Dupieux einen Jean-Luc Godard, bei dem zumindest die Beschäftigung mit dem Kino und dem Filmemachen ja auch immer ein entscheidendes Thema war. Doch Dupieux nähert sich dem spielerischer, leichter und vor allem auf eine sehr humorvolle Art und Weise. Seine müheloses Springen von einer Metaebene auf die nächste; die Logik, die oftmals einem Traum zu entspringen scheint; die wahnwitzigen Absurditäten, sie alle machen auch „The Second Act“ zu einem höchst vergnüglichen Film, der aber nie nur an der Oberfläche bleibt, sondern durchaus auch existenzialistische und philosophische Fragen einschmuggelt.

Hier erinnert Dupieux dann auch an Woody Allen – der einerseits mit Godard zusammengearbeitet hat, andererseits sich in seinen Filmen auch häufig einmal mit dem Filmemachen als solches beschäftigt hat. So schließt sich der Kreis. Und vielleicht kann man, gerade nach „The Second Act“, Dupieux als das uneheliche Kind von Goddard, Allen, Bunuel und ganz viel Monty Python bezeichnen. Seine Schauspieler*nnen scheinen sich bei Dupieux auch wohl zu fühlen. So konnte er für „The Second Act“ die beiden Schwergewichte Léa Seydoux und Vincent Lindon verpflichten, die mit sichtbarer Spielfreude bei der Sache sind. Aber es macht auch Spaß Louis Garrel, Raphaël Quenard und vor allem Manuel Guillot zuzusehen. Nach knapp 80 Minuten ist der paradoxerweise sowohl langsame als auch gleichzeitig rasante Film vorbei und man verlässt mit einem Lächeln, aber auch nachdenklich den Kinosaal.

Im cineK Studio sah ich dann den für mich letzten Film des diesjährigen Festivals.

Mi Bestia – Bogota 1996. Es liegt etwas in der Luft. Ein Mondfinsternis hat sich angekündigt. Alle warten auf die Nacht in der der Mond sich zunächst rot verfärben wird. Eine Nacht in der der Antichrist wiedergeboren werden soll. Die den Anfang vom Ende darstellt. Gleichzeitig verschwinden in der ganzen Stadt junge Mädchen. Die 13jährige Mila spürt auch die Veränderung. Die Männer schauen sie anders an als zuvor. Alles wirkt bedrohlich. Ihre Gefühle spielen verrückt, und sie interessiert sich für den coolen älteren Jungen in der Schule. Hat diese Veränderung etwas mit dem roten Mond und der Apokalypse zu tun? Und was sind das für Mädchen da im Park? Die verschwunden Kinder?

Der Film war mir beim Abholen meiner Tickets am Freitag als sehr empfehlenswert angepriesen worden. Entsprechend groß war meine Erwartung. Regisseurin Camila Beltrán wählt eine interessante Technik, um dieses Gefühl der Unsicherheit, der Verwirrung, des nicht ganz richtig da zu sein und der seltsamen Veränderung auch der Umwelt zu verdeutlichen. Die Bilder wirken wie eine nicht ganz gelungene digitale Konvertierung eines Videofilms. Es scheinen Zwischenbilder zu fehlen und das Ganze einen Hauch, den man mehr fühlt als sieht, zu langsam zu sein. Das erzeugt im Betrachter eine seltsames Gefühl, genau wie in der Protagonistin. Irgendwas ist nicht ganz richtig, aber man kann nicht fassen, was es genau ist. Auch auf der Audioebene ist eine Menge los, was dieses Gefühl verstärkt. So befindet man sich ganz im Kopf von Mila. Die Erzählung ist unzuverlässig, die Aufmerksamkeit wird auf Dinge gelenkt, die vielleicht wichtig, vielleicht unwichtig sind. Alles macht den Eindruck neu und vielleicht nicht ganz wirklich zu sein. Die wackelige Hand-Kamera ist häufig ganz dicht an Mila und an Details ihrer Umwelt dran, so dass man auch hier ordentlich durchgeschüttelt wird. Das unzuverlässig Erzählen führt dann aber auch dazu, dass die Handlung, die sich das Gewand eines Horrorfilms übergestülpt hat, nicht wirklich trauen kann. Wer einen gradlinigen Horrorfilm, der die Pubertät und die Wandlung des Mädchens zur Frau in einen Metapher packt (wie zum Beispiel „Ginger Snaps„, „When Animals Dream„, „Carrie„, „Blue My Mind„, vielleicht auch „Der Exorzist“ und viele andere) erwartet, oder tatsächlich einen Film ala „El Dia de la Bestia“ über die Geburt des Antichristen, der wird entweder gelangweilt oder enttäuscht sein. Für alle Anderen ist der Film eine manchmal anstrengende, interessante Erfahrung, auf die man sich allerdings einlassen muss.

Das war es dann für mich mit dem 31. Internationalen Filmfest Oldenburg.

Schön war es wieder. Einiges, was ich letztes Jahr noch ein wenig monierte, hat sich verbessert, chaotisch ist es manchmal immer noch. Aber das gehört wohl dazu und ist wahrscheinlich auch die Ausnahme. Als jemand, der selber Film-Events mit veranstaltet hat, weiß ich, dass so einiges schiefgehen kann – auch wenn man noch so gut plant. Das Einzige, was dann auf jeden Fall funktionieren muss, ist die Kommunikation. Dass das hier nicht so recht geklappt hat, wird wahrscheinlich an der Unerfahrenheit/Unbefangenheit des jungen Personals liegen. Was noch auffiel: Es wurde wieder voller. Wie ich im Nachgang erfuhr, war es beim Vorverkauf eher ruhig gewesen, aber dafür war es dann an der Abendkasse sehr gut gelaufen. Ein Trend, unter dem auch die Konzertveranstalter bekanntermaßen sehr zu leiden haben. Siehe das Hellseatic-Festival in Bremen. Mir war aber auch aufgefallen, dass sich scheinbar oftmals größere Gruppen sich zum gemeinsamen Kinobesuch verabredet hatten. Wahrscheinlich, so meine Vermutung, um anschließend gemeinsam bei einem oder mehreren Getränken über das Gesehene zu sprechen. Das ist etwas, was ich auch bei mir selber merke. Ich bin ja zumeist alleine in Oldenburg unterwegs, und das ist auch kein Problem. Aber wenn sich dann mal eine Begleitung findet und man die Möglichkeit hat, sich zusammen auszutauschen oder gemeinsam die Wartezeit zwischen den Filmen zu überbrücken, dann macht das Ganze noch einmal sehr viel mehr Spaß und Freude. Vielleicht gelingt es mir ja im nächsten Jahr, mal wieder meinen Bekanntenkreis zu aktivieren, um zum dann 32. Internationalen Filmfest Oldenburg zu kommen. Bei mir steht es auf jeden Fall wieder auf dem Plan, und ich freue mich schon jetzt drauf. Bis dahin meine Dank an die Verantwortlichen und Macher*innen hinter den Kulissen und an Festivalleiter Torsten Neumann für seinen unermüdlichen Einsatz und die nette Kommunikation.

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Bericht vom 31. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 2

Meine zweiter Tag auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg begann ganz entspannt im cineK. Ich war so angereist, dass ich weder lange auf den für mich ersten Film warten, noch kurz vor Knapp Schweiß auf der Stirn haben musste, dass ich es noch rechtzeitig schaffe. So ließ ich mich gemütlich im Foyer des cineK nieder, platzierte meinen Rucksack und besorgte mir erst einmal einen Kaffee. Als ich wieder zu meinem Tisch zurück kehrte, war dieser plötzlich besetzt. Nicht von irgendjemanden, sondern vom Ehrengast des Festivals Dominik Graf! Das war dann ein absoluter „StarStruck“-Moment für mich. Dominik Graf war in den 80ern einer der ersten Namen, die ich mir gemerkt habe, wenn im TV-Krimi der Abspann lief. Da war mir schnell klar, dass wenn mir etwas besonders gut gefiel, die Regie sehr häufig von eben jenem Herrn Graf war. Später im DVD-Zeitalter sammelte ich dann alles zusammen, was ich von ihm in die Finger bekam. Entdeckte großartige Filme wie „Der Felsen“ oder „Die Freunde von Freunden“, aber auch Kracher wie „Der Skorpion“ oder „Eine Stadt wird erpresst“. Kurz: Ich bin Fan. Auch von seinen Essay-Filmen. Und dieser Mann fragte mich, ob es okay sei, wenn er und seine Begleitung sich an meinen Tisch setzen würden. „Ja, klar“ war das Einzige, was ich raus brachte. Da ich was so etwas angeht tatsächlich extrem schüchtern bin und mich niemanden aufdrängen möchten, blieben diese beiden Worte auch die einzigen, die ich mit ihm wechselte. Als stummes Mäuschen hörte ich noch gespannt zu, was er seiner Begleitung vom Filmfest über Filmfinanzierung berichtete, dann übernahm besagte Begleitung komplett das Gespräch, und kurz darauf ging es für mich auch schon ins cineK Studio.

Hakki – Der türkische Film „Hakki“ handelt von einem älteren Familienvater, der seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht damit verdient, dass er Touristen kleine Andenken verkauft. Eines Tages findet er beim Freilegen der Wurzel eines alten Baumes in seinem Garten eine antike Statue. Der Ausweg in ein besseres Leben? Mithilfe eines Kollegen macht er sich auf die Suche nach einem Händler. Dieser kann nur lachen über die Summe, die sich die Beiden erhoffen und speist sie mit sehr viel weniger ab. Enttäuscht überlegt sich Hakki, dass auf seinem Grundstück vielleicht noch weitere Schätze verborgen sein könnten, und er macht sich heimlich auf die Suche. Diese wird immer obsessiver und Hakki wird immer paranoider. Als sich herausstellt, dass der Händler ihn übers Ohr gehauen hat und seine Statue in Wirklichkeit mehrere Millionen Euro wert war, wird die Suche zu einer krankhaften Obsession, an die Hakki langsam Freunde, Familie und schließlich auch alles andere verliert. Der Film funktioniert so gut, weil er sich Zeit nimmt, dem Publikum Hakki vorzustellen. Ein ganz normaler, freundlicher Mann, der liebenswert daherkommt, der aber auch jeden Tag um sein kleines Einkommen kämpfen muss. Gesegnet ist er mit einer liebenden Ehefrau, einer tollen Tochter und einem Sohn, der woanders studiert und der sich von Zuhause – sehr zu Hakkis Bedauern – bereits abgenabelt hat. Erst langsam, dann immer drastischer verliert sich Hakki in seinem Wahn, dass das Leben für ihn eine Art „Belohnung“ reserviert hätte. Dass das große Glück nur noch ein paar Spatenstiche entfernt wäre. Und auch, dass ihm alle sein „versprochen Glück“ wegnehmen wollen. Die Spirale dreht sich immer schneller, Hakki baut große Stollen unter seinem Grundstück und am Ende bleibt einem einen dicker Kloß im Hals. Eine gute Ergänzung zum thematisch ähnlichen Film „$$$“, den ich am Vortag sah und in dem es um die Sucht nach Pferdewetten ging. Auch wenn „Hakki“ in seiner Konsequenz noch düsterer war.

Die anschließende Q&A mit Regisseur Hikmet Kerem Özcan war wieder einmal sehr interessant, wenngleich auch leider aufgrund seines harten Akzents nicht immer leicht zu verstehen. Aber trotzdem toll, dass er da war und sich den Fragen des Publikums stellte.

Nach einer kleinen Essenspause, sollte es mit „Swing Bout“ im cineK Studio weitergehen. Da ich dort einer der Ersten war, konnte ich mich auf meinem Lieblingsplatz niederlassen. Dann füllte sich der Saal rasch und plötzlich hörte ich hinter mir zwei Personen, die sich wunderten, weshalb ein Dritter denn hier im Kino sitzen würde, er wolle doch „Swing Bout“ schauen. Da wurde ich hellhörig. Der Saal sei gewechselt worden. Aber nichts genaues wusste niemand. Also packte ich schnell meine sieben Sachen und hastete Richtung Ausgang, wo ich nachfragte, was denn jetzt hier los sei. Jaja, die Kinosäle seien spontan gewechselt worden. Auf meine Nachfrage, warum einem das niemand erzählen würde, kam die lapidare Antwort: Na, mache ich doch gleich. Kein Vorwurf hier, dass an die Nachfrage angepasst flexibel die Kinosäle gewechselt wurden, zumal die ja direkt gegenüber in der selben Etage sind. Nur die Kommunikation hätte ruhig schon beim Einlass erfolgen können. Also ins kleine cineK Muvi, welches direkt gegenüber ist und dort auch noch einen recht guten Platz ergattert. Kurz darauf erschienen dann auch Sinead O’Riordan, Produzentin und Darstellerin, und Chrissie Cronin, die in der Rolle der Gegenspielerin der Hauptfigur zu sehen war. Beide warnten schon davor, dass der Film nicht untertitelt sei und daher der irische Slang nur schwer zu verstehen. Beim Q&A des ersten Screenings hätte das Publikum gemeint, es hätte gerade mal so 50% verstanden, der Story aber trotzdem folgen können.

Swing Bout – Als Swing Bout bezeichnet man Boxkämpfer, die nur dann zum Einsatz kommen, wenn z.B. durch ein frühes KO die Hauptkämpfe zu früh enden und die gebuchte Sendezeit noch gefüllt werden muss. D.h. die Kämpfer (oder hier Kämpferinnen) bereiten sich den ganzen Abend auf einen Kampf vor, der vielleicht gar nicht stattfindet. Und natürlich setzen sie all ihre Hoffnung darauf, sich zeigen zu dürfen und von den großen Promotern entdeckt zu werden. In diesem Spannungsfeld spielt der Film. Er folgt der jungen Boxerin Tony, die diese Chance erhält, doch bevor es in den Ring geht, erfährt sie, dass es hinter den Kulissen einen Deal gibt, und sie in ihrem Kampf zu Boden gehen soll. In den Umkleideräumen unten in den Katakomben prallen die Konkurrentinnen aufeinander, ist die Anspannung zum Greifen nah. Da ist die coole, großmäulige Vicki, die sich mit ihrer arrogant-aggressiven Art eine verängstigte Seele schützt. Die Manager und Trainer, die sich um ihre Schützlinge kümmern oder diese manipulieren wollen. Hätte sich Regisseur Maurice O’Carroll darauf konzentriert, es hätte ein ganz großer Film werden können. Denn das, was O’Carroll bei „Swing Bout“ richtig macht, das macht er auch richtig gut. Das Sounddesign, die beinahe körperlich spürbare Spannung unten in den Katakomben. Die Schauspielerinnen, die die Boxerinnen spielen. Die kleinen und großen Konflikte untereinander. Die Charakterzeichungen der Boxerinnen und vor allem die tolle Hauptdarstellerin Ciara Berkeley. Das ist alles ganz hervorragend. Leider stellt sich O’Carroll selber ein Bein, da er unbedingt noch eine Crime-Handlung um den kriminellen Box-Promoter Micko und dessen bulligen Bruder Jack einbauen muss. Beide wirken wie aus einem anderen Film. Frank Prendergast legt seinen Micko eher cartoonhaft an, Ben Condron als Jack verdient sich den Tom-Sizemore-Gedächtnispreis. Das ist alles höchst unterhaltsam und gerade Prendergast sieht man gerne zu, aber es fühlt sich eben an wie ein ganz anderer Film, der nicht mit der intensiv-realistischen Geschichte der Swing-Bout-Boxerin Tony zusammengeht. Der möchte man eigentlich viel lieber weiter folgen, statt immer wieder durch Episoden abgelenkt zu werden, die man eigentlich bei einem Tarantino-Epigonen erwarten würde. Trotzdem ist „Swing Bout“ definitiv einen Blick wert.

Nach dem Film wartete das Publikum dann auf die Q&A mit O’Riordan und Cronin. Aber nichts geschah. Stattdessen sah man den Desktop des Computers, von dem der Film abgespielt wurde, auf der Leinwand. Irgendwann verließen die ersten Leute den Saal. Bald darauf wurde es auch mit zu bunt, und auch ich ging hinaus. Dort stand eine junge Frau vom Filmfest-Team, die ich fragte, ob denn die beiden Damen noch zur Q&A kommen würde. Oh nein, die kämen nicht mehr. „Meinen sie, ich sollte reingehen und das mal ansagen?“. Angesichts dessen, dass im cineK Muvi noch so einige saßen, erwiderte ich, das sich das für eine gute Idee halten würde und machte mich auf in den Theaterhof.

Three – Ein Horrorfilm aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der von einer Frau, Nayla Al Khaja, gedreht worden war. Das versprach höchst interessant zu werden. „Three“ erzählt im Grunde eine Variante des Klassikers „Der Exorzist“. Nur, dass hier keine katholischen Priester gegen einen Dämon kämpfen, sondern muslimische Mullahs gegen einen Djinn. Daneben gibt es noch einen Jugendpsychiater als Vertreter der westlich aufgeklärten Welt, der nicht an das Übernatürliche glaubt und im entscheidenden Moment den Mullahs im Weg steht. Gespielt wird dieser Dr. Mark Holly von Jefferson Hall, der auch co-produzierte. Große Innovationen sollte man nicht erwarten. Die Geschichte bewegt sich auf altbekannten Gefilden. Nur, dass es hier die Religion des Islam ist, welcher als Retter in der Not auftritt, und nicht die katholische Kirche. Was einen höchst spannenden Perspektivwechsel ergibt und auf einer Metaebene enthüllt, wie reaktionär das Vorbild von Friedkin ist und im Grunde christliche Propaganda verbreitet. Man kann aber auch in „Three“ hineininterpretieren, dass es einen guten (die Mullahs, die den Djinn bekämpfen) und einen bösen (die mysteriösen Geistliche, die irgendwo am Rande der Wüste Zuhause sind und das Böse scheinbar erst in die Welt holen) Islam gibt. Quasi in Abgrenzung zu Islam und Islamismus. Diese Spur wird aber nicht unbedingt konsequent verfolgt. Auch ist zunächst recht offensichtlich, dass der arme Junge, um den es geht, schwer in der Pubertät steckt und das nicht unbedingt etwas mit „Besessenheit“ zu tun hat. Auch wenn die tiefgläubige Schwester seiner Mutter das behauptet und darauf drängt, ein Austreibungsritual an ihm durchzuführen. Dies wird wie gesagt von einer zwielichtigen und etwas unheimlichen Gemeinschaft irgendwo am Rande der Wüste ausgeführt. Und durch eben dieses Ritual fährt erst der Djinn in den Jungen. Auch hier kann man eine Metapher für Radikalisierung hineinlesen. Die Rolle des Arztes Dr. Holly wird von Hall sehr überzeugend gespielt, ist aber etwas beliebig. Er ist der Zweifler, der die Wahrheit nicht sehen will und sich immer wieder auf seine Wissenschaft und Aufgeklärtheit zurückzieht. Der den „wahren“ Glauben nicht akzeptiert und letztendlich wenig hilfreich in der Bewältigung der Probleme ist. Spannender wäre da schon die Figur der konservativ-gläubigen Schwester, die sehr zwiespältig agiert und bei der man häufig das Gefühl hat, sie würde eine sehr viel größere Rolle in der Geschichte um den besessenen Jungen spielen, als sie es im Film dann scheinbar auch tut. Als Horrorfilm ist „Three“ recht generisch und reiht sich eher unauffällig in die Schar der vielen Vorgänger ein. Als Metapher lädt er zum Diskutieren ein, auch wenn die genretypische Schlusspointe dann gegen den Metapheransatz arbeitet und wie ein reines Zugeständnis an altbekannte Horrorfilmklischees wirkt.

Damit endete mein zweiter Tag in Oldenburg. Ich überlegte noch kurz, ob ich mir in cineK noch in der Mitternachtsschiene noch „One-Way Ticket to the Other Side“ anschauen sollte, doch dazu hätte ich noch eine fast eine Stunde warten müssen und angesichts dessen, dass ich langsam müde wurde und noch den Heimweg über die Autobahn nach Bremen vor mir hatte, beschloss ich dann doch vernünftig zu sein.

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