Hier wie angekündigt eine Zusammenfassung der auf dem Filmfest gesehen Filme.
Brian and Maggie – Der neue Film von Stephen Frears ist eigentlich ein TV-Zweiteiler. Hier zu Ehren von Frears als Zusammenschnitt im Theater Bremen im großen Haus gezeigt. Es geht um ein Interview, welches Maggie Thatcher mit dem Moderator Brian Walden führte, und welches letztendlich zu ihrem Rücktritt führte.
Ich bin da nicht so tief im Thema, was den Thatcherismus angeht. Ich weiß aus vielen britischen Filmen, dass das schrecklich gewesen sein muss, aber genau bin ich da nicht drin. Deshalb ließ ich eine politische Bewertung mal raus. Auch kannte ich Brian Walden nicht und von dem Interview hörte ich das erste Mal. Somit war es für mich eine klassische Geschichte einer zarten Freundschaft, die im Verrat endete. Und einer Frau, die eine Vision hat und sich gegen alle Widerstände durchsetzen muss. Eben, weil sie eine Frau in einer komplett Männerdominierten Gesellschaft ist (im TV-Studio gibt es auch keine Frauen in echten Leitungsfunktionen).
Das funktionierte für mich gut. Walden und Thatcher kommen aus ganz unterschiedlichen Lagern, aber sie verstehen sich, sehen im anderen eine verwandte Seele. Man öffnet sich dem anderen, wobei das nicht zu einer verkappten Liebesgeschichte ausartet, sondern es wirklich um Respekt und Sympathie geht. Das ist auch von Steven Coogan und Harriet Walter wunderbar gespielt. Am Ende geht es dann etwas schnell. Was genau zum „Verrat“ Waldens führte, wird nicht ganz klar. Die finale Konfrontation wiederum ist brillant und ohne Effekthascherei inszeniert. Ja, vielleicht kommen Maggie und ihre Politik hier zu gut weg. Blende ich das aus (was mir aufgrund mangelnden Wissens auch gut gelingt), bleibt immer noch ein gelungener Film.
Horror Story – Entgegen des Titels, erwarten einen in diesem polnischen Film keine Geister (wobei es in zwei Szenen durchaus fantastisch vonstattengehen könnte), sondern ein recht realer Horror: Die Jobsuche nach dem Uni-Abschluss.
Tomek hat gerade einen ausgezeichneten Abschluss in „Banken und Finanzen“ gemacht. Doch noch steht er ohne Job und ohne Wohnung da. Zudem hat sich seine Freundin von ihm getrennt und die Eltern machen Stress. Er landet erst einmal in einer vollkommen runtergekommen und baufälligen Pension voller skurriler Mieter.
Das geht erst so Richtung „Der Mieter“ „Rosemary’s Baby“ und ähnlichem. Doch die Mitbewohner sind gar nicht so schlimm. Und eigentlich sind die zwar komplett verrückt, aber auch sehr lebendig. Anders als die Welt da draußen, wo Tomek immer verzweifelter einen Job sucht. Die ist kalt und menschenverachtend. Da dies eine Komödie ist, gerät der arme Tomek sowohl in seiner Wohnung als auch bei den Vorstellungsgesprächen in die unmöglichsten Situationen, bis er völlig verzweifelt ein Ende machen will. Wie es weiter geht, verrate ich nicht.
Ich mochte den Film sehr. Es ist der erste Langfilm des Regisseurs Adrian Apanel, der auf einem seiner Kurzfilme beruht – den er in derselben Kulisse mit teilweise denselben Schauspielern und mit demselben Kameramann dreht. Und aus dem er viele Szenen wiederverwendet, wenn auch mit einem anderen Dreh als bei dem tatsächlich eher horrorlastigen Kurzfilm. Ich fand die Schauspieler, allen voran Hauptdarsteller einfach großartig und die Figuren höchst amüsant (und sehr polnisch). Bildsprache, Ton (wichtig!) und Musik waren auch hervorragend. Ich habe den Film 2,5x gesehen und es war jedes Mal ein großes Vergnügen.
My Killer Buddy – Italienisches Drama. Ein Junge (so um die 10) bekommt mit, wie sein Vater regelmäßig die Mutter verprügelt. Also kommt er auf die Idee, einen Killer anzuheuern, der das Problem „Vater“ beseitigt. Leider (oder Gottseidank) gerät er dabei an den Falschen. Secco ist kein Killer, sondern ein ziemlich erfolgloser Kleinkrimineller, der sein Leben nicht so richtig auf die Reihe kommt. Da der Vater eine gutgehende Firma besitzt und der Junge weiß, wo das Bargeld versteckt ist, wittert Secco die Chance auf den großen Clou.
Dass die beiden sich anfreunden und Secco so etwas wie ein Ersatzvater wird, kann man sich denken. Aber das Ganze ist derartig unsentimental und vom Neurealismus geprägt (alles ist grau, regnerisch, ungemütlich und abgerissen), dass keinerlei Süßlichkeit aufkommt. Da sind nur zwei Seelen, die sich irgendwie finden und brauchen. Und die sich auch nur langsam annähern. Dabei lernen wir mehr über den anfangs tumb wirkenden Seeco und schließen ihn ebenso ins Herz, wie den Jungen.
Eigentlich ein kleines Meisterwerk, das Gianluca Santoni da inszeniert hat. Aber ich bin mir wegen des Endes noch nicht sicher. Es gibt eine Szene, die hat eine solche Kraft – da habe ich im Kino fast aufgeschrien. Wenn der Film da zu Ende gewesen wäre, hätte mich das komplett zerstört. Aber dann geht der Film noch weiter und bietet tatsächlich so etwas wie ein Happy End an. Wofür ich einerseits wahnsinnig dankbar war – andererseits dem Film auch seine Kraft nimmt. Da bin ich zwiegespalten, wie ich das finde. Ich sage mal so, ohne das Ende würde ich wahrscheinlich heute noch verstört und traurig sein. Andererseits…
Invention – Aus dem Programmheft: „„In the aftermath of a conspiracy-minded father’s unexpected death, his daughter receives his patent for an experimental healing device. Featuring archive from actress Callie Hernandez’s actual late father, INVENTION explores the process of grieving a complicated parent, and the filmmaking itself becomes a part of the process.“
Entstanden ist der Film als Zusammenarbeit zwischen der Dokumentarfilmerin Courtney Stephens und der Schauspielerin Callie Hernandez, die sich durch gemeinsame Freunde getroffen hatten und in diesem Film gemeinsam den Verlust ihrer Väter verarbeiteten, die beide auf ihre Art und Weise sehr spezielle Charaktere waren. Dazu steuerte Callie Hernandez auch echte VHS-Material bei, welches ihren Vater (der als eine Art Wunderheiler unterwegs war) u.a. bei Auftritten in einem TV-Shopping-Kanal zeigen.
Ich fand den Film ganz wunderbar. Bilder, Schnitt, Material und Ton erzeugen einen ganz spezifischen, uniquen Sound. Gleichzeitig funktioniert er auf mehreren Bedeutungsebenen. Trauer, einen Menschen zu spät und durch Erzählungen kennenlernen, unterschiedliche Lebensentwürfe.
Und durch die Geschichte um die Erfindungen und Conspiracy Theories ist es auch unterhaltsam und ein wenig seltsam. Getragen wird der Film vor allem durch seine großartigen Schauspieler.
Beim Wiedersehen habe ich festgestellt, dass ich einiges anders am Kopf hatte. Zum Beispiel erinnerte ich, dass diese Verschwörungstheorien einen größeren Raum einnehmen würden. Dem ist gar nicht so. Ich mochte den Film aber aber auch beim wiederholten Sehen wieder sehr. Diese Mischung aus Realität und Fiktion, die auch mal die vierte Wand durchlässig werden lässt.
„Invention“ ist ein sehr, sehr ruhiger Film über Trauerarbeit und das Kennenlernen eines Menschen über die Erinnerungen anderer. Der Film bekam beim Filmfest Bremen den Preis für „Best innovative storytelling“, was mich sehr gefreut hat.
Somnium – Eine angehende Schauspielerin vom Lande bekommt in der Stadt der Engel kein Bein auf den Boden. Da kommt das Angebot in einer Schlafklinik zu arbeiten gerade recht, denn hier muss sie nachts lediglich auf die Schlafenden aufpassen. Aber die Klink hat ein spezielles Programm, mit dem die Wünsche und Sehnsüchte der Patienten nach der Therapie in die Tat umgesetzt werden. Irgendetwas stimmt da nicht. Auch in Leben der Protagonistin geht einiges durcheinander. Da ist der Freund, von dem sie sich getrennt hat, der in ihrem Leben aber immer noch eine große Rolle spielt. Der frustrierende Stress, endlich eine Rolle zu bekommen. Und dann das Ding, welches da scheinbar in den Schatten lebt.
Racheal Cains Langfilm-Debüt ist gut gefilmt und ähnelt von der Stimmung her an „The Neon Demon“ oder einen Cronenberg-Film. Ist aber etwas ganz Eigenes. Hauptdarstellerin Chloë Levine ist toll und für Horrorfilme wie gemacht. Alles baut sich langsam und dann immer spannender auf. Man fiebert mit und fragt sich, was soll das alles. Was steckt dahinter? Was ist real, was Albtraum? Und wenn man so effektiv eine Erwartung aufbaut, dann kann die Auflösung eigentlich nur enttäuschen. Am Ende wird einem dann eine Binsenweisheit mit auf den Weg aus dem Kino gegeben. Das ist dann doch etwas wenig. Aber bis dahin ist „Somnium“ durchaus eine Empfehlung.
The Spin – Irische Komödie von Michael Head um zwei Freunde, die gemeinsam einen extrem unerfolgreichen Plattenladen führen und mit der Miete drei Monate im Rückstand sind. Was dazu führt, dass ihre Vermieterin die Beiden am liebsten raussetzen und das Gebäude in ein Hotel umwandeln will. Doch da entdeckt einer der Beiden auf Ebay eine Plattenkiste für 30 Euro mit Platten drin, die teilweise 40.000 Euro wert sind. Problem: Selbstabholer und die Liste stehen am anderen Ende der Insel. Also machen sich unsere beiden Freunde mit einem altersschwachen Auto auf den langen Weg.
Und das ist dann natürlich ein typisches Roadmovie mit sympathischen Außenseitern. Und so etwas funktioniert immer nur, wenn man die beiden Protagonisten ins Herz schließt. Und das tut man hier auch. Es werden einige kleine Abenteuer erlebt, skurrile Leute kennengelernt – und am Ende gibt es dann eine nette Moral. Nichts Besonderes, aber ein schöner kleiner, lustiger Film, dem man gerne folgt und der einfach ein gutes Gefühl verbreitet. Das muss auch mal sein.
Jenseits von Schuld – Eine Dokumentation von Katharina Köster und Katrin Nemec rund über die Eltern des Serienmörders Niels Högel, genannt „Der Todes-Pfleger“. Die Geschichte ging durch die Presse. Niels H. hat mindestens 83 Menschen auf dem Gewissen. Wie geht es seinen Eltern damit. Was für Menschen sind das. Wie gehen sie damit um.
Ziemlich harter Stoff. Insbesondere, weil die Eltern – vor allem der Vater, den ich sehr ins Herz geschlossen habe – einfach sausympathisch und wirklich gute Menschen sind. Die auch auf der Suche nach Antworten sind und welche die Taten des Sohnes zerbrochen haben. Die mit den Konsequenzen täglich konfrontiert werden, und versuchen irgendwie weiterzuleben und noch immer für ihren Sohn da zu sein.
Dem Täter wird hier keine Bühne geben. Er kommt hier lediglich in Kindheitsbildern und ferne Stimme am Telefon vor. Und das ist auch gut so. Ich könnte jetzt noch viel, viel mehr schreiben – verweise aber auf eine mögliche TV-Ausstrahlung im ZDF am Ende des Jahres. Ich sprach danach noch recht lange mit der Regisseurin und erfuhr einiges von der Produktion, die tatsächlich über sechs Jahre dauerte. Ein sehr guter, wichtiger Film.
Nach dem Film und der spannenden Q&A blieb noch Zeit, um sich in kleiner Runde mit der sehr sympathischen Regisseurin zu unterhalten und noch einige Hintergründe zum Film zu erfahren.

Co-Regisseurin Katharina Köster (links)
Another German Tank Story – In einem Kuhdorf (wobei ich glaube, da gab es nicht einmal Kühe) im Osten will eine Hollywood-Produktion einen Kriegsfilm drehen. Davon sieht man nicht viel, aber die Filmcrew bringt Leben ins Dorf und eben jenes der Dorfbewohner durcheinander.
Erzählt werden kleine Geschichte. Manchmal absurd, manchmal tragisch, manchmal lustig – und immer mit sehr viel Herz und Understatement. Man gewinnt die „Dörfler“ sehr schnell lieb. Und was ich dem Film sehr zugute halte: Er macht sich nicht über sie lustig. Sondern beobachtet sie nur genau und mit viel, viel Liebe. Der Humor kommt aus absurden Situationen und wirkt nie verkrampft oder gewollt.
Da gibt es die Bürgermeisterin (toll, Meike Droste aus „Mord mit Aussicht„), die an ihrem eigenen Wahl-Slogan „Pauli packt es an“ verzweifelt und irgendwann einen Panzer im Hof stehen hat. Da ist ihr Sohn, dem sie einen Job als Fahrer bei der Filmcrew besorgt hat – ohne zu wissen, dass er durch die Führerscheinprüfung gefallen ist – weshalb er dann nie schneller als 10kmh fährt. Da ist der Freund des Sohnes, der eine kleine Rolle in dem Hollywood-Film bekommt und sich das erste Mal wertgeschätzt fühlt – weshalb er die Wehrmachtsuniform, die er behalten durfte, auch nicht mehr auszieht. Und da ist Rosi, die Rentnerin, die ihre ganz eigene Abreise plant.
All diesen Figuren sieht man gerne zu, wie sie sich irgendwie durch die Tristesse des öden und abgehängten Dorflebens lavieren. Für mich hätte der liebenswerte Film so noch drei Stunden so weitergehen können. Am Ende (und Gottseidank am Ende, sonst wäre es dramaturgisch aufdringlich gewesen), wird dann noch verraten, warum da alles „Telemann“ heißt, und man entdeckt die kleinen Wunder, auf die alle warten und die es auch gibt, wenn man genau hinschaut.
Ein wunderschöner, unaufgeregter Film, der zurecht mit dem Preis als bester Langfilm in der Sparte „Comedy/Satire“ ausgezeichnet wurde. Von einem unfassbar jungen Team um den Regisseur Jannis Alexander Kiefer, deren gemeinsamer Abschlussfilm dies war.