Blu-ray-Rezension: “Der Tag der Cobra”

tag_der_cobraLarry Stanziani (Franco Nero) saß drei Jahre im Knast. Früher räumte er unter dem Spitznamen „die Cobra“ für das FBI in der Unterwelt von San Francisco auf, denn er war das beste Pferd im Stall seines Vorgesetzten Goldsmith (William Berger). Doch dann wurde er aufgrund einer Intrige selber wegen Drogenhandels verhaftet. Nun hat er ein kleines Detektivbüro und kümmert sich um belanglose Fälle. Eines Tages bietet ihm Goldsmith an, einen Job zu übernehmen, der ihn rehabilitiert. Stanziani soll nach Genua reisen und dort den Boss des Drogenhandels, Kandinsky, in Gewahrsam nehmen. Stanziani nimmt an und macht sich in Genua auf die Suche nach Kandinsky. Dabei gerät er in ein Netz aus Verschwörungen und Lügen…

1980 war das Genre des Poliziesco bereits so gut wie tot. Komödien um den Superbullen Tony Marroni bestimmten das Bild und die Zeiten, in denen Maurizio Merli die Straßen (un)sicher machte, waren vorbei. Enzo G. Castellari war im Bereich des Poliziesco nicht ganz so fleißig, wie seine Kollegen Lenzi und Massi, dafür waren seinen Beiträge sofort Klassiker des Genres. Mit Franco Nero drehte er „Straße in Jenseits“ und vor allem „Ein Bürger setzt sich zur Wehr„. Mit Fabio Testi in der Hauptrolle realisierte er „Dealer Connection“ und „Racket„. 1980 fanden Castellari und sein Lieblingsschauspieler Franco Nero wieder zusammen, um mit „Der Tag der Cobra“ noch einmal einen harten Poliziesco zu machen. Doch die 70er waren vorbei, die Zeit hatte sich geändert. Das wird einem unmittelbar klar, wenn die ersten Bilder zu sehen sind, welche in San Francisco und nicht im sonnigen Rom oder Mailand aufgenommen wurden. Zwar verlagert sich die Handlung bald nach Genua, aber der Film versucht trotzdem einen möglichst amerikanischen Look zu präsentieren. Dies gilt insbesondere für Franco Nero als Larry Stanziani, der mit seinem versiften Trenchcoat, dem komischen Hut und dem ständigen Kaugummi im Mund (welches ihn wohl, trotz italienischer Wurzeln, als bestens assimilierten Amerikaner ausweisen soll) irgendwie an Mike Hammer erinnert. Dazu passt auch sein verdrecktes Detektivbüro in San Francisco, welches zwar hübsch schmierig aussieht, aber auch einen Tick zu dick aufgetragen.

Der amerikanische Look überträgt sich auch auf die Action-Sequenzen. Hier hält sich Castellari auffällig zurück. Zelebrierten seine früheren Filme die Zeitlupen-Shoot-Outs und das Peckinpahsche Todesballet bis zum Exzess, so dominieren hier schnelle Faustkämpfe, die zwar schnell und hart, aber visuell eher unspektakulär umgesetzt werden. Zwei Ausnahmen erinnern daran, was für ein hervorragender und vor allem einfallsreicher Action-Spezialist Castellari ist. Zunächst ein Kampf zwischen Stanziani und einem Transvestiten, der sich überraschenderweise als durchtrainierte Kampfmaschine erweist, und die zu flottem Disco-Beat choreographiert wurde. Leider endet diese sehenswerte Sequenz recht unspektakulär. Und dann natürlich das große Finale, welches zwar auch unter der Erwartung des großen Spektakels bleibt (man vergleiche es nur einmal mit dem Wahnsinn, den Castellari kurze Zeit später mit den beiden „Riffs„-Filmen folgen lassen sollte), aber trotzdem ein paar hübsche Geschmacklosigkeiten einstreut, die man so schon gar nicht mehr erwartet hatte.

Zeitweise hat man fast das Gefühl, die ganze Figur des Larry Stanziani wäre als Parodie angelegt. Ständig führt er einen kessen Spruch auf den Lippen und neben seiner Kaugummi-Obsession, wird ihm noch eine Flummi in die Hand geben, mit dem er ständig herumspielt.  Um das Ganze noch mehr mit Stereotypen anzureichern, erhält er dann noch eine tragische Hintergrundgeschichte um Verrat und Gefängnisaufenthalt. Auch ein verlorener Sohn wird mit ins Skript genommen, wobei es sehr durchsichtig ist, dass diese Sub-Plot lediglich dazu dient, Stanzianis späteren Rachefeldzug zu legitimieren, und vielleicht auch Franco Neros leiblichen Sohn, Carlo Gabriel Sparanero, einmal vor die Kamera zu holen. Dieser macht seine Sache weder besonders schlecht und noch besonders gut. Es sollte dann auch sein letzter Auftritt vor der Kamera bleiben. Dem Filmgeschäft blieb er aber treu und ist heute als Regisseur aktiv. Trotzdem hätte man sich die Geschichte um Stanzianis Sohn, die auch nie wirklich ausformuliert wird, sparen können. Sie bringt den Film jedes Mal zum Halt und passt auch nicht wirklich zu Neros Figur, die als einsamer, zynischer Wolf eingeführt wurde. Allerdings nutzt Castellari gerade diese Sequenzen für einige nette filmische Spielereien.

Ein wichtige Rolle in „Der Tag der Cobra“ spielt die Stadt Genua, der Castellari förmlich ein Denkmal errichtet. Er zeigt ihre pittoreske Sonnenseite, ebenso wie die dunklen, heruntergekommenen Viertel. So wie Castellari die Stadt filmt, ist Genua das Spiegelbild der Handlung. Denn jede der vielen Nebenfiguren zeigt zunächst ihre prächtige Fassaden, aber dahinter lauern schon die verfallenen Hinterhöfe und finsteren Gassen. Dass am Ende dann wirklich jeder – mit Ausnahme von Stanzianis väterlichen Freund – irgendwie in die doch recht verworren erzählte Intrige verstrickt ist, versucht der Film nicht großartig zu verschleiern. Tatsächlich ahnt man schon bei seinem ersten Auftritt, wer am Ende hinter all dem steckt. So hält sich die Spannung dann auch im Rahmen. Schade ist es auch, wie die großartige Sybill Danning in ihrer Rolle verschwendet wird. Zwar wird ihr einmal ein starker, ikonischer Auftritt gegönnt, ansonsten bleibt ihre Figur nur Staffage und es gelingt auch nicht, sie als mysteriöse Femme fatale zu inszenieren. Ihre Rolle in der Geschichte ist dafür auch zu durchschaubar. Schade, das Duo Nero/Danning hätte durchaus mehr Potential gehabt, wenn man die Figur der Brenda etwas offensiver in die Handlung und die Action mit einbezogen hätte.

Dass nun die 80er angebrochen sind, hört man auch an der Musik. Paolo Vasile, der ansonsten wenig in Erscheinung getreten ist und nebenbei auch als Production Manager arbeitete, unterlegt den Film mit cool groovenden Synthesizer-Beats, wie sie gerade in USA in Mode gekommen waren, hier aber ein italienisches Flair erhalten. Besonders schön ist der Titelsong mit den hübschen Zeilen „I don’t give a damn‘, I am the cobra“. Das klingt verdächtig nach den De-Angelis-Brüdern, allerdings konnte ich nirgendwo einen Hinweis darauf finden, ob sie hier wirklich die Finger im Spiel hatten. Erfreulich ist auch das Wiedersehen mit vielen beliebten Gesichtern des italienischen Genre-Kinos. Neben dem wie immer wunderbaren Österreicher William Berger und den Amerikaner Mickey Knox, sieht man in kleineren Rollen auch wieder Enzo G. Castellaris Bruder Ennio Girolami und Romano Puppo. Und wer ganz genau hinsieht, erkennt vielleicht auch den späteren Kult-Regisseur Michele Soavi in einer nicht ganz unwichtigen Rolle.

„Der Tag der Cobra“ bleibt zwar meilenweit hinter den Castellari/Nero-Meisterwerken „Straße ins Jenseits“ und „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ zurück, liefert aber immer noch sehr ordentliche Unterhaltung ab. Dabei ist es schade, dass Castellari sich augenscheinlich vor allem von amerikanischen Vorbildern leiten ließ und bei den für ihn zum Markenzeichen gewordenen Action-Szenen spürbar zurückhält. Auch muss man bei der unnötig komplizierten und gleichzeitig doch leicht vorhersagbaren Geschichte Abstriche machen. Und leider wird dieser Schwachpunkt nicht durch den typisch italienischen Irrwitz in der visuellen Gestaltung ausgeglichen. Trotzdem ist „Der Tag der Cobra“ sehr solides Handwerk mit gern gesehenen Gesichtern, einem guten Soundtrack und einigen hübschen Einfällen, die ihn dann doch locker über das Niveau vergleichbarer US-Produktionen drücken.

Erstmals erscheint ein Film in der Polizieschi-Reihe des Hauses filmArt auf Blu-ray. Ungünstigerweise für alle, die noch nicht von DVD auf HD-Technik umgerüstet haben, auch nur auf Blu-ray. Zuvor war „Der Tag der Cobra“ bereits auf suboptimalen DVDs von obskuren Kleinst- und Ramsch-Labeln erhältlich. Hier erstrahlt der Film nun erstmals in vollem Glanz. Grundlage der HD-Abtastung war ganz offensichtlich eine Kinorolle. Hier und dort sieht man einige Filmschäden, was meiner Ansicht nach aber nichts weiter ausmacht. Das Bild hat sehr kräftige Farben und ist in hellen und gut ausgeleuchteten Szenen sehr klar. Nur bei dunkleren Passagen wird es etwas grisselig, was aber am Ausgangsmaterial liegen dürfte. Der deutsche Ton liegt als Lichtton und Magnetton vor. Der Lichtton ist etwas heller, klirrt aber leicht in den Spitzen, während der Magnetton etwas dumpfer klingt. Ferner gibt es noch englischen Ton, allerdings ohne Untertitel. Die Extras sind etwas spärlich. Im Menü läuft der Titel-Song über verfremdete Bilder aus dem deutschen Trailer. Dieser ist auch in ganzer Länge auf der Blu-ray zu finden und amüsiert durch superlative Ankündigungen. Das Booklet besteht aus dem kompletten Aushangsatz des Filmes.

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