Der coole Drogenschmuggler Fabio (Testi) wird am Flughafen erwischt und von einer getarnten Interpol-Einheit unter der Führung des Briten Mike Hamilton (David Hemmings) inhaftiert. Im Gefängnis trifft Fabio auf den drogensüchtigen Gilo (Wolfango Soldati), der dort sitzt, weil er vor einer Schule versucht hat zu dealen. Fabio gelingt es gemeinsam mit Gilo zu fliehen, und Kontakt mit den Männern hinter den Drogengeschäften aufzunehmen.
Nach seinen beiden Meisterwerken „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ und „Tote Zeugen singen nicht“, sowie seinem eher durchschnittlichen „Der Tag der Cobra“ ist „Dealer Connection – Die Straße des Heroins“ nun schon der vierte Filme von Enzo G. Castellari, der in der Polizieschi Edition von filmArt erscheint. Und dieser reiht sich irgendwo zwischen den beiden erstgenannten und dem letzterem ein. Kein Meisterwerk, aber weit davon entfernt nur „solides Handwerk“ (wie ich hier über „Der Tag der Cobra“ schrieb) zu sein. Statt Franco Nero sehen wir diesmal Fabio Testi (mit dem Castellari im Jahr zuvor „Racket“ gedreht hat) in der Hauptrolle.
Testi passt auch gut in die Rolle des angeblichen Drogenschmugglers/Undercover-Cop Fabio (hier war man mit der Namensfindung eher pragmatisch). Er hat etwas leicht überhebliches und trotz seinen verdammt guten Aussehens auch dezent schmieriges an sich. Und wer immer auch für das Kostüm zuständig war und den großen, athletischen Testi in viel zu enge Jeans gesteckt hat, ihm Cowboystiefel verpasst hat, die eine Nummer zu groß scheinen, und neben einer Jeansjacke mit der seltsamen und schlecht gestickter Aufschrift „Matt“ (wer immer das auch sein soll) noch ein hübsch zerschlissenes Capi auf den Kopf gesteckt hat, der meinte es nicht gut mit ihm. Denn dadurch sieht er weniger wie ein Drogenschmuggler, als vielmehr eine Karikatur auf die Gay-Culture der 70er aus und reizt heutzutage mehr zu schmunzeln. Natürlich nimmt man ihm als Zuschauer von Anfang an nicht ab, dass er einen skrupellosen Drogenschmuggler spielt, der – wie er im Film behauptet – selber an der Nadel hängt. Man riecht den Cop quasi einige Meilen gegen den Wind. Aber das macht nichts, denn „Dealer Connection“ ist kein Film, der von raffinierten Wendungen lebt. Vielmehr bemüht er sich – ähnlich wie „Opium Connection“ – zunächst um ein semi-dokumentarischen Stil, der aufzeigt, wie die Drogenrouten in Europa verlaufen. Wird Testi allerdings geschnappt, dann ist es damit schnell vorbei. Wobei sich Castellari und seine Drehbuchautoren tatsächlich bemühen, ein abschreckendes Bild des Drogensumpfes im Italien der 70er Jahre zu zeichnen. Dass dabei manch ein Charakter zum übertriebenen Zerrbild gerät, wie beispielsweise Sergio Ruggeri, der einen übergewichtigen, in Leder gewandeten Dealer spielt, nimmt man scheinbar gerne in Kauf.
„Dealer Connection“ führt seine Botschaft, dass Drogen das abgrundtief böse sind und den Menschen zum verabscheuungswürdigen Bodensatz der Menschheit machen, manchmal etwas allzu plakativ vor sich her. Da leckt ein Drogenopfer in Ekstase die dreckige Kloschüssel ab, auf die eine Prise Koks gefallen ist. Der Aushilfs-Dealer und Junkie Gilo lauert skrupellos vor einer Schule Schulkindern auf, um diesen seinen Stoff anzudrehen. Worauf ihn der gerechte Zorn des Volkes trifft. Später nässt er sich ein, als er von seinen Drogen abgeschnitten wird. Der Weg der Drogen (so der Originaltitel des Filmes) führt ohne Wenn und Aber in den Abgrund. Flankiert von abartigen Dealer, die das Böse in Person sind. Hier wird die Welt eben recht simpel in Schwarz und Weiß aufgeteilt.
Insgesamt wirkt der Film teilweise etwas zerfahren. Der bereits angesprochene semi-dokumentarische Stil wird schnell fallen gelassen. Die Guten sind eine Interpol-Undercover-Organisation mit britischem Anführer, welche sich als Firma tarnt. Wieso und weshalb bleibt im Dunkeln. Auch, warum Interpol quasi als Geheimpolizei mit einem inoffiziellen Gefängnis mitten in Italien agieren kann und in wie weit sie mit den italienischen Behörden zusammenarbeiten, bleibt im Dunkeln. Dann konzentriert man sich auf das Paar Gilo und seiner Freundin Vera (Sherry Buchanan aus „Zombies unter Kannibalen“), welches eine seltsame Beziehung pflegt. Vera prostituiert sich für Gilo indem sie mit einer schönen, reichen Frau (eine viel zu kleine Rolle für Patrizia „Malabimba“ Webley) schläft, während er vor der Tür warten muss. Daraufhin greift sich Gilo die Bezahlung, um sich Drogen zu kaufen, was für Vera scheinbar okay ist. Dann wird dieser Handlungsstrang auch eingestellt und der Film nimmt eine neue Wendung.
Denn die letzte halbe Stunde ist eine einzige Verfolgungsjagd, bei der sich Katz und Maus ständig ändern. Dabei verwundert ein wenig die große Zurückhaltung Castellaris, was sein Markenzeichen der Zerdehnung der Actionszenen und die Stilisierung der Gewalt angeht. Das ist alles doch sehr straight inszeniert. Schnell und direkt, aber eben ganz ohne die wuchtigen und emotional aufwühlenden Slow-Motion-Shoot-Outs und Action-Pieces, wie man sie z.B. aus „Ein Bürger setzt sich zu Wehr“ kennt. Vielleicht wollte sich Castellari einfach mal von einer anderen Seite zeigen und etwas Neues ausprobieren. Vielleicht war er nach dem massiven Einsatz dieses Stilmittels in den vorangegangenen Filmen auch diesem müde geworden. Immerhin baut er hier und dort in seine Actionszenen einige nette Spielereien ein, die dem Film sehr gut tun.
Zwei Höhepunkte, die den Film definitiv sehenswert machen sind David Hemmings und die Musikgruppe Goblin. Hemmings hat sichtlich Freude an der Rolle, die ihn auch körperlich einiges abverlangt, da er in den die Actionszenen stark involviert wird. Nur zwei Jahre nach „Deep Red“ sieht Hemmings sehr viel älter und auch schwerer aus. Ist aber in bester Spiellaune und absolut fit. Die Musik von Goblin (ein der wenigen Arbeiten, die nicht für Argento entstanden) ist düster und geht sofort ins Ohr. Vielleicht liegt es daran, dass man ihre Musik vor allem mit Psychothrillern und Horrorfilmen assoziiert, dass sie hier recht bedrohlich wirkt. Auf jeden Fall wertet sie den Film noch einmal kräftig auf. Zudem macht es große Freude viele bekannte Gesichter des italienischen Actionsfilms wiederzusehen, die vor allem in Castellaris Filmen immer wieder auftauchen, wie Romano Puppo oder Massimo Vanni. Mysteriös ist der Schauspieler Joshua Sinclair, der laut IMDb und Wiki 1953 in den USA geboren wurde, einige Drehbücher (u.a. für Fassbinder „Lilli Marleen“, so für David Hemmings recht verunglückte Regiearbeit „Schöner Gigolo, armer Gigolo“) schrieb. Hier soll er – wie öfters bei Castellari – als „Johnny Loffredo“ den Gianni gespielt haben. Es gibt aber auch Quellen, die den Schauspieler einfach nur als „Gianluigi Loffredo“ führen. Ob es trotzdem dieselbe Person ist? Die IMDb führt „Gianluigi“ auch als Alternativnamen. Bleibt die Frage, weshalb sich ein Amerikaner zum Italiener macht. In der Regel war es in Cinecittà ja immer andersherum.
Die Polizieschi Edition Nummer 19 von filmArt weiß wieder einmal durch ein sehr gutes Bild zu gefallen, welches weder weichzeichnet noch tot filtert. Vorbildlich! Der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und Englisch vor. Alle drei Spuren können sich hören lassen. Deutsche Untertitel erlauben es auch der italienischen Fassung zu lauschen. An Extras ist nicht viel dabei. Trailer, Bildergalerie, der italienische Vor- und Abspann (der auf der Disc enthaltene ist sonst der englische). Ein Video mit Filmauschnitten und der Filmmusik und ein Booklet mit dem deutschen Fotoaushang runden diese Veröffentlichung ab.