Das Bali – Das (fast) vergessene Bahnhofskino von Bremen

Als ich von diesem Fund lass, musste ich gleich hin und diesen vergessenen Aushangkasten für die Nachwelt festhalten. Am 10. Januar berichtete der Weser Kurier unter der Überschrift „Zeitzeugnis der Bremer Filmgeschichte am Friedenstunnel entdeckt“ darüber, dass nachdem eine Werbetafel abmontiert worden war, darunter ein vergessener, alter Aushangkasten des Bali Kinos zum Vorschein gekommen war, welcher dort seit 1971 hing.

Was mich wundert: Der Kasten hängt nicht wirklich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, sondern ist davon 650m entfernt.

Das Bali (kurz für „Bahnlichtspiele“) fasziniert mich schon seit vielen Jahren. Gerade durch meine Liebe zum sogenannten „Bahnhofskino“, welches jene Art von Filmen bezeichnet, welche in eben (vor allem in den 70ern) diesen Kinos liefen. In den 70ern waren das Italo-Western, Kung-Fu-Filme, Action- oder (später vor allem) Erotikfilme.

Das Bali-Kino war das erste Kino in Bremen mit einem durchgängigen Programm. Für 1,60 Mark waren im rechten Außenflügel des Bahnhofsgebäudes durchgängig Filme zu sehen. Bali steht für Bahnlichtspiele. Diese Art von Kino gab es nicht nur in Bremen, sondern in unzähligen Bahnhöfen Deutschlands.

In ihrer ursprünglichen Funktion boten sie schon in den 1950er-Jahren Zugreisenden die Möglichkeit, ihre Wartezeit auf den Zuganschluss durch Unterhaltung zu verkürzen. Nicht nur Filme waren zu sehen, auch Nachrichten liefen über die Leinwände. Ein anderer Name für diese Branche war, je nach Betreiber, Aktualitätenkino (Aki) oder Aktualitätenlichtspiele.

Quelle: Weser Kurier

Da ich an das Kino überhaupt keine Erinnerung habe, und es mir trotz intensiver Suche bislang nicht gelungen ist vernünftiges Bildmaterial mit dem alten Bali zu finden, hat sich das Kino bei mir fast schon zur Obsession entwickelt. Immerhin weiß ich mittlerweile, wo es einst im Hauptbahnhof war und habe tatsächlich ein einziges Foto vom August 1963 gefunden, wo es drauf zu erkennen ist.

Was da im August ’63 gespielt wurde, habe ich allerdings nicht herausgefunden. Damals hatte das Bali scheinbar sein Programm nicht im Weser Kurier inseriert. Das sollte erst später erfolgen. Die frühste Anzeige habe ich am 14.1.196 gefunden:

14.1.1966

 

 

 

 

Eine Woche später wurde das Aussehen der Anzeige dann angepasst und blieb dann auch die nächsten Jahre so.

21.1.1966

28.1.1966

 

 

 

 

Hier einige Beispiele aus den späten 60ern,

8.4.1966

6.1.1967

3.5.1968

 

 

 

 

 

 

 

 

In den frühen 70ern und in dem Jahr, als der Aushangkasten aufgehangen wurde, sah das Programm so aus:

20.7.1970 (von der Veranstaltungsseite des Weser Kuriers)

29.1.1971

23.7.1971

 

 

 

 

 

 

 

 

Mitte der 70er Jahre verschwinden die Anzeigen plötzlich und tauchen erst zum Ende des Jahrzehnts wieder auf.

19.8.1977

 

 

 

 

 

 

Hier die Inserate aus den den letzten drei Lebensjahren des Bali (fast auf den Tag genau 43, 42 und 41 Jahre alt), bevor es 1984 die Pforten schloss.

29.1.1982

28.1.1983

27.1.1984

Wenn man so in die Zeit zurück reist, finde ich es spannend, dass gerade in den frühen Jahren auch Kinderprogramme und sogenannte „Kunstfilme“, wie Bunuels „Belle de Jour“, oder Blockbuster wie „Love Story“ dort liefen – und nicht die billigen Genreproduktionen, für die man das Bahnhofskino heute vor allem kennt. Auch, dass das Genre „Horror“ hier (zumindest in Bremen und in den Stichproben, die ich mir angesehen habe) keine oder nur eine kleine Rolle spielte, finde ich bemerkenswert. Da das Programm täglich wechselte, fanden sich die anzeigen nicht nur Freitags auf der Kinoseite des Weser Kuriers, sondern in der Woche dann auch unter „Veranstaltungen“.

Mich faszinieren auch, dass das Kino – laut Zeitungsartikel – 368 Plätze gehabt haben soll. Zum Vergleich: Der große Saal der Schauburg hat 258 Plätze, die Gondel gar nur 180. Ich kann mir dort, wo früher das Kino gewesen sein muss, beim besten Willen nicht vorstellen, wie das ausgesehen hat und wo dort so ein riesiges Ding hingepasst hat.

Hier einige aktuelle Fotos des Ortes, wo früher das Bali war.

 

Ich muss mal gucken, wo man noch Spuren alter Kinos findet. Ich erinnere mich, dass in Findorff beim ehemaligen Admiralkino noch Aushangkästen hingen. Ich glaube aber, die sind mittlerweile weg.

Wer Erinnerungen an das Bali hat oder gar noch Fotos – Ich wäre sehr daran interessiert, um das Puzzle weiter zusammenzusetzen. Wie gesagt, das Thema verfolgt mich schon seit Jahren.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Das Bali – Das (fast) vergessene Bahnhofskino von Bremen

  1. Anonym sagt:

    In der Doku „Cinema perverso – die wunderbare und kaputte Welt der bahnhofkinos“ geht es genau um das Thema. Auch das Bremer Bali taucht in einigen Archiven auf, unter anderem als es geschlossen wurde

  2. Marco Koch sagt:

    Hallo, die Doku kenne ich, und habe sie mir mal von Arte aufgenommen. Die ist wirklich sehr hübsch geworden. Bezüglich der Archive: Stimmt, ich könnte mal beim Weser Kurier schauen, ob und wenn ja wie über die Schließung berichtet wurde. Zugang habe ich. Guter Tipp!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.