Bericht vom 28. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 2

Der zweite Tag beim diesjährigen Internationalen Filmfest in Oldenburg brachte eine wunderbare Abwechslung zum Vorjahr. Denn in diesem Jahr musste ich nicht jeden Tag allein die Reise nach Oldenburg antreten. An diesem zweiten Tag war ich nämlich Mitglied einer kleinen, aber feinen Reisegruppe, die sich ebenfalls für einen Tag nach Oldenburg aufmachte. Was hieß, dass ich auch einmal nicht selber fahren musste.

Generell habe ich aber vor allem dieses Zusammensein mit Anderen und die gemeinsamen Gespräche sehr vermisst, und ich freute mich sehr darüber. Auch wenn sich die Wege bald kurz trennen sollten, denn während bei meinen Freunden die Filme „Pig“ (den ich für Sonntag eingeplant hatte) und „Titane“ (zu dem wir wieder zusammenkamen) anstanden, sah mein Programm etwas anderes aus und führte mich einmal mehr ins cineK.

Anchorage – „Anchorage“ war nach dem tollen „Come to Harm“ am Vortag gleich der nächste Höhepunkt. Ein Road-Movie um zwei Brüder, die eine Ladung Drogen (alle in Teddybären versteckt, die sich im Kofferraum ihres Autos stapeln) nach Anchorage in Alaska bringen wollen. Denn wie sie gehört haben, kann man dort dafür das Hundertfache ihres Preises bekommen. Also geht es im alten Wagen von Kalifornien Richtung Norden. Das ist im Prinzip schon die ganze Handlung, aber was Regisseur Scott Monahan und Autor Dakota Loesch – die beide auch die Hauptrollen spielen – daraus machen ist schlichtweg fantastisch.

Die Zuschauer begleiten die beiden Brüder Jacob (Monahan) und John (Loesch) auf ihrer Reise. Beide stammen aus der Unterschicht und leben augenscheinlich in einem leerstehenden Häuserkomplex irgendwo außerhalb der Stadt. Jacob fällt durch seine blau gefärbten Haare und vor allem durch die Goldzähne auf, die seinen Unterkiefer zieren. Sein Bruder John läuft bevorzug in seiner alten Long John Unterwäsche und Mütze auf dem Kopf herum. Aber man schließt man die Beiden trotz ihres zweifelhaften Vorhabens, ihrer prolligen Benehmens und ihrer ständigen Alkohol- und Drogenexzesse schnell ins Herz. Denn zwischen Monahan und Loesch herrscht eine unheimlich stark Chemie, wenn sie sich streiten, rumalbern oder sich kabbeln. Bald schon vergisst man vollkommen, dass hier zwei Schauspieler eine Rolle spielen. Vielmehr hat man das starke Gefühl, mit den beiden Verrückten gemeinsam auf Tour zu sein. So echt, so ungekünstelt wirkt das alles.

Und Monahan und Loesch spielen das einfach perfekt. Insbesondere Dakota Loesch möchte man stundenlang zusehen. Der Mann besitzt eine unglaubliche Ausstrahlung und ein eine so starke Präsenz, dass diese direkt von der Leinwand in den Kinosaal hineinreicht. Doch so unbeschwert die Beiden ihre Reise antreten, bald werden auch dunkle Seiten sichtbar. So genießt es Jacob ein Tick zu sehr, wenn er mit dem Baseballschläger auf zwei Typen losgeht, die scheinbar seinen Bruder bedrohen. Und hinter der fröhlich-sorglosen Fassade Johns lauert etwas brutales, das einem Angst machen kann.

Die Reise führt die beiden auch durch einen zerstörten amerikanischen Traum. Der Highway ist einsam, sie scheinen manchmal die einzigen Menschen auf Erden zu sein. Einmal kommen sie durch eine aufgegebene Armee-Basis. Fahren vorbei an den verlassenen, langsam verfallenden Häusern in dem die Truppenangehörigen mit ihren Familien gelebt haben. Was einen ebenso seltsam surrealen, wie pessimistischen Eindruck hinterlässt. Mit der Zeit wird dieses Gefühl immer stärker, ohne dass man genau fassen kann weshalb. Und dann hält die Geschichte um die beiden Brüder noch in kurzen Abständen zwei Tiefschläge bereit, die dann doch aus dem Nichts kommen und den Zuschauer halb k.o. aus dem Film entlassen. Die aber nicht aufgesetzt wirken, sondern sich durchaus logisch und erbarmungslos konsequent aus der Handlung entwickelt haben. Und die einen noch sehr lange über den Film und seine Figuren nachdenken lässt.

Ein großes Lob gilt auch dem Kameramann Erin Naifeh, der die sicherlich nicht immer einfache Aufgabe hatte, Monahan und Loesch während ihrer Fahrt im engen Auto zu filmen, und der es geschafft hat, immer ganz nach an den Beiden dran zu sein, ohne dabei in einen aufdringlich Pseudo-Doku-Stil zu verfallen. Großes Kino.

Großes Kino war auch der Auftritt von Scott Monahan und Dakota Loesch nach dem Film. Denn beide sprühten nur so vor Energie und Witz. Wie schon im Film hing man den beiden an den Lippen. Und Dakota Loesch zeigte, dass er „im wahren Leben“ zwar eine ganz andere Person als „John“ ist, aber dieselbe mitreißende Persönlichkeit, dasselbe Charisma und dieselbe Präsenz hat. Als Beide am Ende der Q&A noch die Zuschauer zu einem spontanen Reim-Tanz-Spielchen animierten, war eigentlich schon klar, dass die beiden sympathischen Filmemacher den Publikumspreis gewinnen würden. Was sie dann auch – völlig zu – Recht taten. Dass Dakota Loesch auch noch den Preis für den besten Hauptdarsteller mitnahm, hat mich dann auch sehr, sehr gefreut. Toller Film, tolle Typen. Ich bin sehr gespannt, was da noch kommt.

Scott Monahan & Dakota Loesch

Moderator, Scott Monahan & Dakota Loesch

 

Hydrometta – „Hydrometta“ ist ein Film, der so laut seinem Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Christopher Walters gar nicht geplant war. Während der Corona-Krise hatte er sich überlegt, wie er trotz der Einschränkungen etwas drehen könnte. Am Ende entstand dann mehr zum Spaß diese Geschichte um einen Journalisten, der während der Anfänge der Krise aus der Stadt in eine kleine, abgelegene Hütte in einem eigentlich gesperrten Waldgebiet flieht. Dort erlebt er zunächst seltsame Dinge und kommt dann einer Verschwörung auf die Spur, in der es um Wesen aus einer andern Dimension (oder dem Weltall?) geht. Bald schon liefert er sich ein Duell mit einer geheimnisvollen Frau und einem alten Jäger.

Gedreht wurde das alles ganz simpel und kostengünstig auf iPhones. Wie Christopher Walters in der Q&A erzählte, war er mit dem billigen iPhone-Look aber nicht zufrieden und schickte den Film zu einer Special-Effects-Firma nach Bukarest (oder Bulgarien, genau weiß ich es leider nicht mehr), mit der er bereits an anderen Filmen gearbeitet hatte – und der verpasste dem Film dann den Rotoscope-Verfahren-Look, den er nun besitzt. Dieser ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kreiert er natürlich eine ganz besondere, seltsam irreale Stimmung, da man nicht mehr wirklich zwischen Realfilm und Animationsfilm unterscheiden kann. Das cartoon-hafte wirkt auch frisch und seltsam (obgleich man dies durch Filme wie „A Scanner Darkly“ natürlich schon lange kennt). Aber es sind auch Dinge möglich, die real sicherlich eher lächerlich oder billig gewirkt hätten, hier aber eine besondere Intensität und „Realismus“ bekommen.

Andererseits hatte ich hier auch das Gefühl, es ist etwas zu viel des Guten. Häufig verschwammen die Bilder, man konnte keine Details erkennen und im schlechtesten Falle wirkte das Bild einfach wie eine einzige Pampe aus Strichen und Bewegungen. Zudem kommt eine der Stärken des Films, nämlich die unfassbare Landschaft und Natur nicht wirklich zur Geltung, da hier alles nur ein einziger Hintergrundmatsch ist. Und da man auch durch diesen hindurch sieht, welches visuelle Potential die Location hat, ist das einfach schade. Zumal die teilweise etwas wirre Geschichte einen auch nicht immer vom Hocker reißt und der Film trotz seiner recht kurzen Laufzeit von 71 Minuten dadurch manchmal etwas zu lang geraten wirkt.

Aber vielleicht ist diese Kritik auch etwas zu harsch, denn eigentlich ist das ganze Projekt ja auch nur als Zeitvertreib und Fingerübung gedacht gewesen. Und nett ist „Hydrometta“ anzuschauen und man sieht ihm an, dass alle Beteiligten mit Elan und Freude bei der Sache waren. Nur hat es zwischen „Hydrometta“ und mir an diesem Tag einfach nicht gefunkt. Was ich im Nachhinein schade finde, denn das Herz hat der Film sicherlich am rechten Fleck.

Christopher Walters

Christopher Walters & Moderator

Nach zwei Filmen im cineK traf ich wieder mit meiner kleinen „Reisegruppe“ zusammen, die sich die Zeit zwischen ihren beiden Filmen in einem Restaurant vertrieben hatte. Gemeinsam ging es rüber zum Casablanca, um den Cannes-Gewinner zu sehen.

Titane – Was kann man zu „Titane“ schreiben? Muss man überhaupt etwas dazu schreiben? Kann man sich nicht einfach in seine seltsam brutal-zärtliche Welt begeben und sich dann darin treiben lassen? Den Film einfach nur erfühlen, statt ihn intellektuell zu verarbeiten? Tatsache ist, auch nach einer Woche tauchen immer noch Bilder und Situationen aus „Titane“ in meinem Unterbewusstsein auf. Der Film mag mich nicht loslassen. Warum das so ist, vermag ich mit Worten kaum zu erklären. Vielleicht war ich einfach zu tief drin in der Welt von „Titane“. Vielleicht hat mich diese Welt nachhaltig verstört. Mir Fragen gestellt, auf die ich keine leichten Antworten weiß. Am Ende war ich verstört, verwirrt, angeekelt, beglückt, verängstigt und gefühlsselig.

So widersprüchlich wie diese Gefühle ist auch der ganze Film. Ein Freund und Mitseher fasste „Titane“ wie folgt in zwei Sätze zusammen: „Eine erotische Tänzerin und Serienkillerin mit Titanplatte im Kopf hat Sex mit einem Auto und wird schwanger. Auf ihrer Flucht gibt sie sich als Sohn eines alternden Feuerwehrmannes aus.“ Das trifft es genau und erzählt doch nur ein Bruchteil dessen, was „Titane“ ist. Angefangen von der ersten Szene, in der eine störrisches, missgelauntes Kind ihren Vater im Auto nervt – um damit einen fatalen Unfall zu provozieren bis hin zur letzten Szenen, die eine unmögliche Geburt zeigt und in einem Bild endet, welches mich stark an „Rosemarys Baby“ erinnert hat, gleichzeitig beängstigend, zärtlich und auch wunderschön ist. Dazwischen: Extrem brutale Morde, Szenen in denen selbst ich mir kurz die Augen zuhalten musste (Stichwort: Nase), Musik, Tanz, sehr laute und sehr leise Momente. Märchenhafte Elemente, fast dokumentarische, sehr reale Elemente. Angst vor dem Alter. Angst vor Nähe. Dinge die man nicht versteht, Dinge die man nur allzu gut versteht.

Dabei unfassbar gute Schauspieler. Die bisher unbekannte Agathe Rousselle ist gnadenlos intensiv als Titane. Vincent Lindon schafft es, dass man seinen alten Feuerwehmann Vincent ebenso ins Herz zu schließen kann, wie ihm gegenüber auch permanent misstrauisch zu bleiben. Was ist das für eine seltsame, bedingungslose und besitzergreifende Liebe gegenüber seinem „Sohn“. Inzest und unterdrückte Homosexualität liegen da ebenso in der Luft, wie eine tiefe, ernstgemeinte Vaterliebe und die tiefe Verzweiflung und Traurigkeit um den verlorenen Sohn. Alles gleichzeitig.

Vom Stil hier scheint sich Julia Ducournau (ihr Debüt „Raw“ muss ich endlich sehen) teilweise bei Gaspar Noe, Nicolas Winding Refn und Lars von Trier inspiriert zu haben. Aber eigentlich sind diese Vergleiche unfair, denn sie zieht hier ihr ganz eigenes Ding durch. Wie oben angedeutet: Ein schwieriger und zugleich leichter, ein abstoßender und zugleich anziehender Film. Hässlich und wunderschön. Ein Kunstwerk. Ein Meisterwerk. Eine emotionale Achterbahn. Grandios in Bilder umgesetzt. Und sicher eine Film, wie ich ihn bisher in dieser Form noch nicht gesehen habe.

Nachdem das Licht im Saal wieder anging flossen wir vollgestopft mit Bildern und Gedenken aus dem Kino. Meine hinter mir sitzenden Freunde berichteten von Leuten im Publikum, bei denen „Titane“ starke emotionale Reaktionen ausgelöst hatten. Dann fuhren wir durch die Nacht nach Hause. Ein ausgesprochen schöner Filmfest-Tag ging leider zu schnell zu Ende.

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Bericht vom 28. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 1

Endlich wieder ein richtiges Filmfestival. Was habe ich das vermisst. Zwar war ich auch letztes Jahr auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg zu Gast, doch diese Erfahrung war Pandemie-bedingt eher ernüchternd. Damals schrieb ich: „Ein seltsames Jahr, ein seltsamer Besuch“, denn die 27. Ausgabe zeichnete sich 2020 durch eine völlig Abwesenheit eines Festival-Feelings, sehr wenige Besucher und keinem einzigen Gast aus. Schon damals äußerste ich die Hoffnung, dass es 2021 bei der 28. Ausgabe meines Lieblings-Festivals wieder anders aussehen würde. Und diese Hoffnung sollte sich Gottseidank bestätigen. Zwar fand das Festival wieder unter Corona-Bedingungen statt, aber dies äußerte sich nur darin, dass man eben, wenn man sich im Foyer und Kino bewegt, eine Maske zu tragen hat und sich beim Einlass ins Kino per Luca-App registriert und einen „3G“-Nachweis vorzeigen muss. Also keine größeren Komplikationen und eigentlich in diesen Zeiten selbstverständlich. Dass die Plätze diesmal wieder nummeriert waren und immer ein Platz neben einen freigelassen wurde, fand ich jetzt als sogar als kleinen Vorteil. Das entspannte die Situation vor dem Einlass nämlich merklich und man saß nicht eng an eng.

Was mich aus ganzem Herzen freute war, dass man merkte, dass das Publikum ausgehungert war. Viele der Vorstellungen die ich besuchte, waren – mit den oben genannten Maßnahmen eingeschränkten Kapazitäten – sehr voll. Sogar am Sonntag beim eher obskuren „The Amusement Park“ war das Kino noch gut besucht. Endlich tummelten sich auch wieder mehr Menschen im Foyer, und man merkte wieder diese wunderbare Spannung und Aufregung in der Luft. Dinge, die 2020 noch völlig abwesend waren. Und es waren wieder Gäste da! Filmemacher, die nach dem Film mit breitem Lächeln dem wissbegierigen Publikum Rede und Antwort standen. Man merkte auch ihnen an, wie sehr sie das alles vermisst hatten. Alles war fast wie immer. Nein, eigentlich sogar schöner, denn es herrschte eine so unglaublich positive Stimmung. Es war fast so etwas wie ein Aufbruch in wieder bessere Zeiten. Da passt das unglaublich starke Programm in diesem Jahr auch gut ins Bild.

The Last Victim – Ich machte in diesem Festivaljahr quasi genau dort weiter, wo ich 2020 aufgehört hatte. Damals war mein letzter Film des Festivals John Hyams‘ „Alone“ gewesen, in dem sich eine junge, schlagkräftige Frau in der Wildnis gegen einen skrupellosen, scheinbar unaufhaltsamen Killer zur Wehr setzen muss. Ein ganz ähnliches Szenario erwartete mich jetzt in „The Last Victim“.

Dieser als Neo-Western angekündigte Action-Thriller beginnt mit einem unfassbar brutalen und blutigen Massaker in einem Diner. Dass die dafür verantwortlichen Kleinstadtgangster (angeführt von dem sehr intensiv spielenden Ralph Ineson, bekannt u.a. aus dem tollen „The Vvitch“) die Leichen in einem abgelegenen Naturschutzgebiet verschwinden lassen wollen, ist großes Pech für ein Paar, welches eben diesem einen Besuch abstattet. Während der Mann eine Kugel in den Kopf bekommt, muss die Frau um ihr Leben kämpfen. Zwischendurch kann man noch den immer wieder gern gesehenen Ron Perlman und seinem weiblichen Deputy (Newcomerin Camille Legg, die ihre Sache sehr gut macht) dabei beobachten, wie sie versuchen, die Sache mit den Morden aufzuklären. Natürlich laufen am Ende alle Fäden zusammen, und die Geschichte hält mehr als eine Überraschung bereit.

Das ist alles spannend und vor allem ohne Längen umgesetzt. Das Rad wird nicht unbedingt neu erfunden, aber Naveen A. Chathapuram weiß bei seinem Regie-Debüt was er da tut und was er will. Zudem hat er den Luxus, auf eine sehr gute Besetzung zurückgreifen zu können. Ali Larter gibt eine überzeugende Heldin ab und Leuten wie Kyle Schmid und vor allem Dakota Daulby sieht man gerne zu. Zwar gibt es einige Regieentscheidungen, bei denen man merkt, dass Chathapuram seinem Film eine besondere Note geben wollte, aber das ist verzeihlich. Hier sei zum Beispiel das Voice-Over durch Ralph Ineson (der zugegebener Weise eine wirklich großartige Stimme hat) genannt. Auch einige surrealistische Momente und das angehängte Ende wären nicht unbedingt nötig gewesen, stören aber auch nicht. „The Last Victim“ ist einfach gute und spannende Unterhaltung.

Regisseur Naveen A. Chathapuram war anwesend und nannte als Vorbilder „Hell Or High Water“ und „No Country For Old Man“. An die kommt er nicht unbedingt voran, aber in Schussweite ist er durchaus.

Naveen A. Chathapuram

Come To Harm – Dieses isländische Drama mit leichtem Gangster-Einschlag hat mir vor allem eins gezeigt: Man soll nicht nach Äußerlichkeiten gehen! Beschämt muss ich zugeben, dass ich extrem skeptisch war, ob ich mit meiner Filmwahl nicht ziemlich danebengelegen habe, als die Macher des Films vor dem Start der Vorführung mit einer ziemlichen Entourage in den Kinosaal kamen. Keiner der Anwesenden schien mir über 20 zu sein. Und die Aufmachung des Co-Regisseurs Anton Kristensen erinnerte mich so sehr an Vincent Vega aus „Pulp Fiction“, dass mir fürchterliches schwante. Eingedenk dessen, was die ganz junge Generation an Low-Budget-Filmeachern hier in Deutschland oftmals hinlegt – schrecklich „augenzwinkernde“ Tarantino-Verschnitte, die gerne cooler als das Original wären – erwartete ich eine „coole“ Gangster-Geschichte im bekannten Tarantino/Rodriguez/Ritchie-Style. Hierfür möchte ich ganz offiziell um Entschuldigung bitten. Denn der wirklich großartige und aufwühlende „Come to Harm“ könnte nicht weiter weg von diesem Kosmos sein. Um die Pointe vorwegzunehmen. „Come to Harm“ ist einer der besten Filme, die ich in meiner nun schon über 10-jährigen Zeit beim Filmfest Oldenburg dort gesehen habe.

Und er bewegt mich, jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, noch immer. Und umso peinlicher sind mir meine Vorurteile, ob der augenscheinlichen Jugend der Macher. Co-Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Ásgeir Sigurðsson ist für mich nach diesem Film eines der größten Talente des europäischen Films. Und sein Partner und Kameramann Anton Kristensen findet für „Come to Harm“ die perfekten Bilder. Immer nah dran am Geschehen und den Figuren, aber ohne auf irgendwelche Wackelexzesse zu verfallen. Auch wenn die Figuren mal nicht komplett im Bildausschnitt zu sehen sind, ist das alles sehr durchdacht und unterstützt die Dramatik der Szene, statt zu irritieren.

Worum geht es in diesem kleinen Meisterwerk? Es geht Óliver, der sich so gut es geht durchs Leben schlägt und versucht auch bei Tiefschlägen nicht ganz den Mut zu verlieren. Zudem liebt er seinen 11-jährigen Bruder Hrafn, um den er sich rührend kümmert. Denn von seiner Mutter, die eine Drogenvergangenheit hat, hält er nicht viel. Der Vater ist schon vor längerer Zeit verstorben. Wir folgen Óliver durch seinen Alltag. Er jobbt in einer Autowerkstatt, wo er niedere Arbeiten verrichtet – und trotzdem wegen Sparmaßnahmen entlassen wird. Man begleitet ihn auf eine Party, wo er zaghaft mit einem Mädchen anbändelt. Dann kommt ein Anruf und Ólivers Leben fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Seine Mutter ist wieder rückfällig geworden und hat, um ihre Schulden bei einem Dealer zu bezahlen, Hrafn einer Gangsterbande überlassen. Voller Wut und Verzweiflung macht sich Óliver daran, Hrafn zurückzubekommen.

Und wer nun erwartet, ein blutiges Rachedrama zu sehen, der hat sich getäuscht. Óliver ist kein cooler Killer oder einer, der da aufräumt. Óliver hat keine Ahnung was er tun soll. Seine Aktionen sind spontan und unüberlegt. Ganz aus dem Schmerz und der Verzweiflung geboren. Und jeder Schritt, den er fortan unternimmt, führt ihn näher an den eigenen Abgrund. Tiefer hinein in die Katastrophe. Und wie Ásgeir Sigurðsson diese tiefe Verzweiflung, leidvolle Angst und Hilflosigkeit spielt ist wirklich phänomenal. Nie hat man das Gefühl, da spielt einer, sondern dass man einer echten Person zusieht, der klar ist, dass das alles nicht mehr gut ausgehen kann, und dass gerade alles, was noch gut und lebenswert war, den Bach runtergeht. Und das drückt einen selber ganz tief hinein in den Sitz und lässt ohne große Action das Herz schneller schlagen.

Kurz bekommt man es mit der Angst zu tun, wenn der Film nach dem logischen Ende noch weitergeht. Angst davor, dass die beiden Regisseure jetzt diesen so starken Film noch mit einem angeklatschten Happy End kaputt machen könnten. Aber das tun sie nicht. Der Epilog ist folgerichtig und entlässt den Zuschauer nicht mit einem falschen Gefühl von „alles ist gut“, sondern mit der Figur des jungen Hrafn, und der bangen Frage, wie es mit ihm weitergeht, und der Hoffnung, dass die Antwort dann vielleicht doch „es wird schon werden“ lauten könnte.

Anton Kristensen & Ásgeir Sigurðsson

Moderator, Anton Kristensen, Ásgeir Sigurðsson, Rest der „Come to Harm“-Crew

Foxhole – Der Film „Foxhole“ hatte es nach dem grandiosen „Come to Harm“ natürlich schwer. Zudem war er nur eine Notlösung, da der von mir eigentlich präferierte „Mad God“ (auf den ich mich sehr gefreut hatte) bereits ausverkauft war.

„Foxhole“ ist ein Kriegsfilm, allerdings ohne große Schlachten und Actionszenen. Er erzählt in drei Episoden von einer Gruppe Soldaten, die scheinbar durch die Jahrzehnte immer wieder neu reinkarnieren. Denn sie werden nicht nur immer von denselben Schauspielern verkörpert, sondern besitzen auch die immer dieselben Namen und Charakterzüge.

Die erste Episode spielt in einem Schützengraben der Nordstaaten während des amerikanischen Bürgerkriegs. Hierhin flüchtet sich schwer verwundet der farbige Nordstaaten-Soldat Jackson. Die Soldaten, die hier in Erwartung eines Angriffs der Südstaaten die Stellung halten, beginnen nun darüber zu diskutieren, ob Jackson in ein Lazarett hinter der Front gebracht werden soll, oder ob sich dies nicht lohnen würde und es für alle besser sei, ihn an Ort und Stelle sterben zu lassen. Die zweite Episode ist in stilisierten schwarz-weiß gehalten und spielt während des 1. Weltkriegs. Wieder in einem Schützengraben. In diesen flüchtet sich diesmal ein deutscher Soldat. Was unter den amerikanischen Soldaten, die hier Stacheldraht verlegen sollen, die Frage aufwirft, was man mit dem Feind macht? Während eine Gruppe (geführt vom Kommandanten des Trupps) den Deutschen exekutieren will, argumentiert eine andere, von dem alten Soldaten Wilson angeführte, Gruppe dafür, ihn am Leben zu lassen und als Kriegsgefangenen mit zur Truppe zu nehmen. Die dritte Episode führt uns in den Irak, wo eine Gruppe amerikanischer Soldaten in einem Humvee unterwegs ist und auf eine Mine fährt. Während draußen Scharfschützen darauf warten, dass die Gruppe den Wagen verlässt, wartet man drinnen auf Rettung durch die US-Armee – aber diese Hoffnung schwindet bald.

Man sieht „Foxhole“ an, dass dem sympathischen Regisseur Jack Fessenden nicht viel Budget zur Verfügung stand. Im abschließenden Q&A erzählte er abenteuerliche Geschichten, wie er den Film trotz großer räumlichen und finanziellen Restriktionen zustande gebracht hat. Man muss Fessenden zugutehalten, dass er es geschafft hat, jeder Episode ihren ganz eigenen Look zu geben. Die Weltkrieg-I-Episode sieht wirklich gut aus, aber das Highlight des Filmes ist die Irak-Episode, wo er ein Maximum aus dem beengten Platz im Humvee rausholt und einige Bilder schafft, bei dem die Klaustrophobie spürbar wird.

Das Problem des Filmes ist allerdings, dass er sehr dialoglastig ist. Und diese Diskussionen zwischen den Figuren vielleicht interessant, aber nicht besonders spannend sind. Denn man findet keine richtige Bindung zu den Charakteren. Was vielleicht auch der Kürze der ersten beiden Episoden geschuldet ist, die keinen Hintergrund für das Personal erlaubt, sodass sie letztendlich nur Stereotype bleiben, und weniger vielschichtige Personen. Dies ändert sich etwas in der Irak-Episode, die deutlich länger ist und es dem Zuschauer erlaubt, seine Protagonisten etwas besser kennenzulernen. Die sparsame Action und die unmittelbare Gefahr durch den Feind draußen helfen dabei, mehr Interesse für die handelnden Personen aufzubringen, und mit ihnen mitzufiebern. Auch tut es dieser Episode gut, dass Thesenhaftige der beiden vorangegangen Abschnitte hier weitgehend fehlt und sich ganz auf die konkrete Situation konzentriert wird. Insgesamt ein Film, der durchaus seine Stärken hat, aber auch Potential verschenkt, weil er es nicht schafft, das Interesse des Zuschauers an seinen Figuren konstant hoch zu halten.

Jack Fessenden

Danach hätte mich noch der Animationsfilm „The Spine of Night“ interessiert, der um 0:01 Uhr in der bisher immer sehr gut kuratierten Midnite-Xpress-Reihe lief. Doch dem Alter geschuldet, hatte ich keine große Lust mehr, mich dann später um kurz vor 2 Uhr Nachts noch auf die Autobahn Richtung Bremen zu begeben. Zudem habe ich gemerkt, dass vier Filme am Stück nicht mehr so meins sind und nur im Notfall durchgezogen werden sollten. Also endete mein erster Tag auf dem 28. Internationalen Filmfest Oldenburg an dieser Stelle.

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Das Bloggen der Anderen (13-09-21)

– In der letzten Woche verstarb Kinolegende Jean-Paul Belmondo. Ich habe es leider nicht selber hinbekommen einen Nachruf zu schreiben, und verweise hier gerne auf den ausführlichen Nachruf von Der Kinogänger.

– Auch Filmlichtung gedenkt dem großen Belmondo, sowie dem – mir leider unbekannten – Michael K. Williams.

– Patrick Kokoszynski stellt auf critic.de Jerome Hiler und drei weiteren Filmemacher und -macherinnen vorn, denen auf dem neuen Experimentalfilmfestival in Frankfurt eine Werkschau gewidmet wird.

„Der Überfall auf den Postzug“ ist ein brasilianischer Kriminalfilm aus dem Jahre 1962, den Tom Schünemann auf filmsucht.org vorstellt. Schön, einmal auf die brasilianische Filmgeschichte jenseits von Coffein Joe aufmerksam gemacht zu werden. Danke!

– An der Ostalgica-Veröffentlichung von „Phantom des Schreckens“ war ich mit einem Videofeature beteiligt. Deshalb freue ich mich, dass Film und Veröffentlichung von Bluntwolf auf Nischenkino recht positiv besprochen werden.

– Eine sehr schöne und wie ich finde äußerst treffende Besprechung von „Leichen unter brennender Sonne“ hat Heiko auf Allesglotzer online gestellt.

– Vor einigen Jahren gewann „Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln“ den Publikumspreis beim Internationalen Filmfest in Oldenburg (geht übrigens am Mittwoch wieder los!). Leider habe ich den Film damals nicht gesehen und auch danach ist er mir nicht wieder über den Weg gelaufen. Was ich schon immer sehr schade fand und nach Volker Schönenbergers schöner Besprechung auf Die Nacht der lebenden Texte noch viel bedauerlicher.

„Systemsprenger“ hat Christian von Schlombies Filmbesprechungen sehr stark beeindruckt.

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Das Bloggen der Anderen (06-09-21)

– Leider hat es bei mir auch 2021 urlaubstechnisch nicht gepasst, sonst wäre ich sehr gerne zum Terza Visione 2021 in Karlsruhe gefahren. Aber Tilman Schumacher von critic.de war da und berichtet.

– Christian Genzel schreibt auf Wilsons Dachboden über das Festival „Theater im Kino“. Eine vierwöchige Reihe mit dem Untertitel: „Ein Streifzug durch den Filmkosmos Max Reinhardts sowie der Familie seiner Ehefrau Helene Thimig“, welche in diesem Sommer Salzburger Festspiele begleitete.

– Christian Neffe erinnert auf kino-zeit.de an einen der ganz großen Hollywoods: Frank Capra.

– Regisseurin Patty Jenkins hat Filme auf Streaming-Portalen – okay das ist jetzt etwas aus dem Zusammenhang gerissen, aber irgendwie kommt es hin – „Fake Movies“ genannt. Darüber macht sich Filmlichtung so seine Gedanken.

– Rouven Linnarz interviewt auf film-rezensionen.de australischen Regisseur, Filmeditor, Kameramann, Drehbuchautor und Produzenten Dave Jackson.

– Vor Ewigkeiten mal gesehen und gar keine Erinnerungen mehr dran: „In den Krallen des Unsichtbaren“ vom berüchtigten Pierre Chevalier. Bluntwolf von Nischenkino hat ihn frisch geguckt und ich glaube, weiß auch nicht so recht, was davon zu halten ist. Begeistert war er zumindest nicht. Mit dem (wirklich schwachen wie ich finde) „Sumuru – die Tochter des Satans“ hatte er dann ähnliches „Glück“.

– Heiko von Allesglotzer stellt „The Candy Catchers“ vor, von dem ich schon viel positives gehört habe und der immer in die „Last House on the Left“ Ecke gestellt wird. Wahrscheinlich auch wegen des sehr ähnlichen Plakats. Für Heiko ist der Film jedenfalls „ein entdeckenswerter Tipp“.

– Mal kein Kino, sondern Fernsehen. Aber wenn Dominik Graf involviert ist, wird aus TV ja schnell mal Kino. Volker Schönenberger auf Die Nacht der lebenden Texte über den aktuellen „Polizeiruf 110“: „Bis Mitternacht“.

– Noch einmal ein paar positive Zeilen über den deutschen Genrefilm „Tides“ von Tim Fehlbaum. Diese Woche von “Filmkritiker“ auf Filme Welt.

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28. Internationales Filmfest Oldenburg: Ovidio G. Assonitis kommt und erhält eine Retrospektive

Oha, welche eine Überraschung! In der diesjährigen Retrospektive des Internationalen Filmfest Oldenburg (15. – 19.September) wird ein Regisseur/Produzent geehrt, welchen sicherlich niemand auf dem Zettel hatte: Ovidio G. Assonitis! Selbst in „meiner Blase“ kein Filmemacher, an den man als allererstes Denken würde, wenn es darum geht, welchen Protagonisten des europäischen Genrekinos man ins Rampenlicht stellen würde. Aber das Internationale Filmfest Oldenburg ist eben immer für eine spannende Überraschung gut.

Von Assonitis kenne ich den (leider schwachen) „Tentacles“, den ich hier mal besprochen habe. Aber auch den tollen „Beyond the Door“ aka „Vom Satan gezeugt“ (wie der Zufall es so will, werde ich im November bei einer Internet-Radio-Sendung über genau diesen Film zu hören sein). Und der von ihm produzierte „Who Saw Her Die?“ aka „The Child – Eine Stadt wird zum Albtraum“ ist ein kleines Meisterwerk, wie ich hier mal ausführte.

Und das Schönste: Ovidio G. Assonitis wird auch als Gast in Oldenburg zugegen sein! Das fühlt sich fast schon wieder an, wie in der Prä-Pandemie-Zeit. Ich habe jedenfalls schon mächtig Bock auf das Festival und werde hier die nächsten Tage auch noch weitere Highlights aus dem Programm vorstellen.

 

Filmfest Oldenburg ehrt Ovidio G. Assonitis mit einer Retrospektive

Mit dem in Alexandria geboren Produzenten und Regisseur Ovidio G. Assonitis ehrt das diesjährige Filmfest einen authentischen und unabhängigen Geist, dessen Filme Fans und Cineasten als »Guilty Pleasure« feiern und viele Filmemacher inspiriert haben.

Die reinste Form eines unabhängigen Filmemachers kann vielleicht nur aus dem Verständnis des unauflöslichen Zusammenhangs zwischen filmischer Umsetzung und finanziellem Aufwand entstehen. In diesem Sinne ist Ovidio G. Assonitis seit über 50 Jahren einer der wenigen wirklich eigenständigen und unabhängigen Filmemacher geblieben.

»I am a real 100% Independent Filmmaker. Everything started from my desk and ended at my desk«, ist seine erfrischende Sicht auf eine Kunstform, die sich zwischen künstlerischem Ausdruck und finanziellen Bedürfnissen immer mehr in eine Industrie verwandelt hat. Ohne die Fähigkeit, seine Visionen auch in ein finanzierbares Konzept einzubinden, gibt es keine Unabhängigkeit.

In Ägypten geboren, in Griechenland aufgewachsen und in Italien lebend – ein Bürger des Mittelmeerraums – so bezeichnet sich der Filmemacher selbst. Ovidio G. Assonitis erste Verbindung zum italienischen Kino und der Filmbranche an sich entstand durch seinen Vater, Romeo Assonitis. Mitte der 1960er Jahre begann Assonitis aus einem kleinen Büro heraus, nur mit einer Sekretärin, seinen eigenen Vertrieb von Filmen der Genres Western, Thriller, Horror und Action. Bis 1976 verlieh er mehr als 1000 kommerziell erfolgreiche Filme vor allem im südostasiatischen Raum. Einer seiner wichtigsten, früheren Partner war ein Cousin des thailändischen Königs, Seine Königliche Hoheit Prinz Anusorn. Gegen Ende der 1960er Jahre begann Assonitis seine ersten Independent Filme zu produzieren.

In seiner erfolgreichsten Zeit in den 1970ern wurde er oft geringschätzig »King of the Rip Offs« genannt. Aber darin zeigt sich auch sein großes Talent für kommerzielles Gespür gepaart mit der filmischen Sensibilität, die seine mit so viel geringerem Budget als ihre Blockbuster Vorbilder umgesetzten Werke wie »Tentacles« (1977) oder »Beyond the Door« (1974) auszeichnen und manchmal sogar zu einer Bedrohung für Hollywood machten.

Man möchte einen Vergleich zur Kunst ziehen und Assonitis Filme als eine Art gespiegelten Pointillismus bezeichnen. Ja weiter entfernt man auf sie schaut, desto weniger verraten sie von seiner kunstvollen Erzählweise. Geht man ganz nah heran entdeckt man Szenen und Sequenzen, die eine einzigartige Schönheit und visuelle Kraft ausstrahlen. Mit solchen Momenten hat er zahlreiche Fans begeistert und namhafte amerikanische Genrefilmer inspiriert, zu denen Joe Dante und sicher auch Quentin Tarantino zählen.

Seine Berührungen mit der Blockbusterindustrie Hollywoods sind legendär. Mit »Beyond the Door«, diesem eigenwilligen und dann doch ganz eigenen Mix aus »The Exorcist« und »Rosemaries Baby«, gelang ihm ein so großer kommerzieller Erfolg, dass Warner ihn, aus Angst er könne ihnen bei einem Sequel zuvorkommen, auf Verletzung von visuellem Copyright verklagte. Ein aussichtsloses Unterfangen, das Assonitis Film nur erfolgreicher machte und damit endete, dass Warner ihm einen Deal offerierte seine nächsten vier Filme auszuwerten. Ein Sieg Davids gegen Goliath.

Einer dieser Filme wurde dann »Piranha 2 – The Spawning«, der das Debüt von James Cameron markiert und dessen Produktionsgeschichte ebenso legendär ist, wie die danach folgende Karriere Camerons. Assonitis feuerte den jungen Regisseur nach zwei Wochen Dreh und übernahm selbst die Regie, als Cameron den Drehplan und das Budget schon weit überschritten hatte. Etliche Stories und Legenden ranken sich um die Entstehung dieses Films.

Die atmosphärischen Unterwasseraufnahmen bei »Tentacles«, seinem von »Jaws« inspiriertem Epos um einen mutierten Riesenkraken, der an der kalifornischen Küste sein Unwesen treibt, setzte der italienische Kameramann Roberto D’Ettorre Piazzoli um. Assonitis arbeitete mit ihm auch bei fünf anderen Filmen zusammen. Für »Beyond the Door« und »Out of Control« war Piazzoli unter dem Pseudonym Robert Barrett sein Ko-Regisseur. Auch bei der Umsetzung der Musikscores legte Assonitis größten Wert auf langfristige Partnerschaften und arbeitete mit einigen der besten italienischen Filmkomponisten zusammen. Stelvio Cipriani etwa schuf für »Tentacles« und »Piranha 2« legendäre Soundtracks. Später arbeitete er, wie auch ein anderer Komponist Assonitis, Franco Miccalizzi, für Quentin Tarantino, der seine Vorliebe für das italienische Genrekino in der Wahl seiner Scores zum Ausdruck brachte.

Nach seinem letzten Film im Jahr 2003 »Red Riding Hood« ist der heute 78-jährige weit von seinem Ruhestand entfernt. Seither widmet Assonitis sich der Entwicklung neuer Kino- und Serienproduktionen und arbeitet an Remakes seiner Kultfilme. Zu alledem ist er seit 2003 erneut im Distributionsgeschäft für Südostasien und Malaysien.

Ovidio G. Assonitis wird vom 15. bis zum 19. September 2021 in Oldenburg zu Gast sein.

Die Filme der Retrospektive

Im Rahmen der Retrospektive werden in Oldenburg die folgenden Filme zu sehen sein:

»Who Saw Her Die« (ITA 72, Regie: Aldo Lado / Produzent: Ovidio G. Assonitis)

»Beyond the Door« (ITA/USA 74, Regie: Ovidio G. Assonitis, Robert Barrett)

»Tentacles« (ITA 77, Regie: Ovidio G. Assonitis)

»The Visitor« (ITA 79, Regie: Giulio Paradisi / Produzent: Ovidio G. Assonitis)

»Madhouse« (ITA 81, Regie: Ovidio G. Assonitis)

»Piranha 2 – The Spawning« (USA 81, Regie: James Cameron / Produzent: Ovidio G. Assonitis).

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Das Bloggen der Anderen (30-08-21)

So, die Ferien und die Blogger-lose Zeit sind vorbei. Es geht wieder los.

Filmlichtung hat sich „Cats“ angeschaut und kann immer noch nicht recht fassen, was er da gesehen hat. Ferner gibt es auch mal gute Nachrichten in diesen Zeiten: „Das große Kinosterben bleibt aus!“ 

– Und da man gute Nachrichten gerne auch mehrmals von sich geben kann: Zum Thema Entwicklung der Kinos in der Pandemie kann man auch noch einmal einiges bei out takes nachlesen.

– Christian Genzel stellt auf Wilsons Dachboden das Buch „The Amazing Worlds of Mr. B.I.G.“ vor und erzählt dabei so einiges über Herrn Gordon, den er auch kürzlich interviewen konnte (ja, ich war selber verdutzt – und erfreut – dass sich der hochbetagte Bert I. Gordon noch unter dem Lebenden befindet).

Going to the movies hat sowohl den neuen „Candyman” (keine große Begeisterung) als auch den alten „Candyman“ (zur recht große Begeisterung) angeschaut.

– Sci-Fi aus Deutschland. Von Tim „Hell“ Fehlbaum. Und im Wattenmeer spielend! Als bekennender Nordseefan könnte das ein Pflichttermin für mich werden. Die Besprechung von „Tides“ durch Andreas Eckenfels auf Die Nacht der lebenden Texte klingt bei aller Kritik an der Story nun auch nicht so schlecht.

Kurze Gedanken zu einigen älteren (und einen aktuellen) Filmen gibt es vom Filmemacher Christoph Hochhäusler auf Parallel Films.

– Manfred Polak beschäftigt sich auf Whoknows Presents eindringlich mit Theo Angelopoulos‘ ersten Spielfilm „Rekonstruktion“ aus dem Jahre 1970.

– Gerade habe ich mir meine Aufzeichnung der „Langen Nacht mit Billy Wilder“ vom Deutschlandfunk angehört und wieder Lust auf Wilder-Filme bekommen. Da trifft es sich gut, dass Sebastian auf Nischenkino sein Meisterwerk „Eins, Zwei, Drei“ vorstellt. Bluntwolf schreibt über „Mitternachtsmörder“. Ein Film von Georges Franju, der mir bisher völlig unbekannt war und der – wie ich erfreulicherweise lese – gerade in Deutschland auf DVD erschein.

Schattenlichter nimmt sich Sergio Martinos „Milano trema: la polizia vuole giustizia“ aka „Violent Professionals“ vor. Ich weiß gar nicht, ob ich den Film überhaupt schon kenne. Wenn nicht, muss der natürlich noch irgendwann her.

– Heiko von Allesglotzer mag „Willy’s Wonderland“ gar nicht. Damit ist er nicht allein. Da ich den guten alten Nic Cage sehr mag, werde ich aber vielleicht trotzdem einen vorsichtigen Blick riskieren – auch wenn mich alle (sicherlich zu Recht) warnen.

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Sommerpause und andere Aktivitäten

Wie der eine oder andere mitbekommen hat, war es auf der Seite in den letzten Wochen sehr still. Der recht simple Grund: Ich hatte so viel um die Ohren (beruflich, privat und mit anderen Filmaktivitäten), dass ich irgendwo Zeit einsparen musste – und da traf es meinen Blog. Auch in den nächsten Wochen wird es nicht besser, denn ich fahre nun erst einmal in den wohlverdienten (und benötigten) Urlaub.

Bevor ich mich aber auf die Reise mache, hier der Beweis, dass es nicht Faulheit war, die mich davon abhielten hier schreibend tätig zu sein.

An diesen Veröffentlichungen aus diesem Jahr war ich beteiligt. Es fehlt noch „Tödliche Strahlen“ (The Invisible Ray), der jetzt gerade erschienen ist, und bei dem ich zusammen mit den geschätzten Kollegen Lars Johansen und Clemens Williges den Audiokommentar eingesprochen habe.

Dazu kommen noch die regelmäßigen Sendungen, die ich mit meinem Kollegen und Freund Stefan Mibs als Ersatz für die Pandemie-bedingt ausgefallenen Weird-Xperience-Vorstellungen im Cinema Ostertor auf YouTube stelle. Hier haben wir es in 2021 auf immerhin fünf Sendungen gebracht.

Nur zu hören gibt es den 35-Millimeter-Podcast der Zeitschrift „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, bei dem ich die ersten beiden Folgen moderieren durfte. Zu finden auf Spotify oder YouTube.

Zu Gast waren Stefan und ich beim Flax-Podcast aus Bremen und haben etwas aus der Schule geplaudert.

Bereits fertig – aber noch nicht veröffentlicht – sind drei Booklets für eine kommende Italo-Western-Reihe und zwei Beiträge für ein Buch über Science-Fiction-Filme. Außerdem erscheint im September „Argoman – Der phantastische Supermann“, zu dem ich das Booklet beisteuern durfte und mit Lars Johansen den Audiokommentar eingesprochen habe.

Nach dem Urlaub geht es dann erst einmal mit der „70 Millimeter“ weiter, dem Schwestermagazin der „35 Millimeter“, welches sich mit den Filmjahren 1966 bis 1975 beschäftigt. Dieses Magazin verantworte ich ab der Nummer 1 (kommt im Herbst) auch als Chefredakteur. Auch eine völlig neue, manchmal noch sehr aufregende Rolle für mich.

Ab 03. Oktober geht es mit Weird Xperience weiter. Dann endlich wieder im Kino! Und im Oktober dürfen Stefan und ich in Freiburg in einen Film einführen, worauf wir uns auch schon wahnsinnig freuen. Und dann hoffe ich natürlich, dass noch weitere spannende Projekte ins Haus trudeln. Mal abwarten. Wie man sieht: Es war trotz Pandemie ein recht ereignisreiches Jahr bisher. Und ich verspreche, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, werde ich mich auch mal wieder so langsam um meinen Blog kümmern.

Bis dahin, bleibt gesund und schaut viele gute Filme!

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Blu-ray-Rezension: „The Opium Connection“

Giuseppe ‚Joe‘ Coppola (Ben Gazarra) ist ein New Yorker Nachtclub-Besitzer, der das große Geschäft machen will. Er fliegt in die Türkei, um dort an 500 Kilogramm Rohopium zu kommen, und diese mit der Hilfe der türkischen und sizilianischen Mafia in die USA zu schmuggeln. Der Plan gelingt, doch als Coppola versucht den New Yorker Gangsterboss Sally (Steffen Zacharias) übers Ohr zu hauen, eskaliert die Situation…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Der Auftakt zu „The Opium Connection“ lässt einen zunächst den Kiefer runter klappen und erinnert an Andrea Bianchis zwei Jahre später entstandene Sleaze-Granate „Die Rache des Paten“. Nur ist das hier von Ferdinando Baldi einfach besser inszeniert worden, schmerzvoller und vor allem geprägt von Gesichtern wie aus einem Passolini-Film. Danach erlebt man Hauptdarsteller Ben Gazarra begleitet von der mitreißenden Musik des Brüder-Duos Guido und Maurizio De Angelis durch die Gassen Istanbuls treibt. Immer dicht dran: Eine wilde und nah am Mann folgende Kamera. Ein atemlos machender Auftakt, der die Erwartungen an den Film in nur 10 Minuten ins Unermessliche steigert. Das kann „The Opium Connection“ dann nicht einhalten. Trotzdem hat Baldi einen guten Film gemacht. Nur einen anderen, als man zunächst denkt. Denn obwohl Baldi immer wieder kurze, drastische Szenen der Gewalt einstreut, so ist die Inszenierung eher ruhig, und gerade in der ersten Hälfte fast schon dokumentarisch. Da wird der Weg des Opiums von der Ernte bis zum außer Landes bringen sehr akribisch und scheinbar an Originalschauplätzen mit echten Mohnbauern beschrieben. Da wirken plötzliche Action-Einsprengsel wie der Angriff feindlicher Banditen dann schon sehr an den Haaren herbeigezogen und fehl am Platz.

Mit dem Wechsel nach Sizilien wechselt nicht nur der Ton, sondern es bleiben auch einige interessante Nebendarsteller in der Türkei zurück, ohne dass deren Geschichte zu Ende erzählt ist. Was gerade im Falle der wunderschönen Silvia Monti sehr schade ist, da sie ihrer interessanten, nicht ganz durchschaubaren Figur Claudia (in der deutschen Fassung seltsamerweise Claudine, eine von mehreren Freiheiten, die sich die Synchronisation nimmt. Dazu mehr später) eine Tiefe verleiht, die einen neugierig auf ihre weitere Entwicklung macht. Doch nach einem Drittel der Spielzeit wird sie einfach sprichwörtlich in der Sonne stehen gelassen. Schade um das nicht genutzte Potential. Dafür folgen wir Coppola und seinem treuen Partner Tony (der wie immer souveräne und sehr präsente Luciano Catenacci) zu den Mafia-Hintermännern nach Sizilien. Hier trifft man dann Don Vincenzo (im Original Don Russo) wieder, der bereits in oben erwähnter Eröffnung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Fausto Tozzi leiht dieser Figur sein unverwechselbares Gesicht. Dann gibt es noch Don Vincenzos Boss, Don Calogero, ein fetter, gehbehinderter Machtmensch, der seine Gefährlichkeit hinter einem jovialen Lächeln und seiner scheinbar hilflosen Figur verbirgt. Doch seine eiskalte Skrupellosigkeit kommt spätestens bei einem brutalen Mordanschlag zum Vorschein. Ansonsten wird die Sizilien-Episode genutzt, um viel über die Machenschaften der Mafia, ihre Rolle im Drogenschmuggel und ihre Strukturen zu erklären.

Aber hier gibt es einen Handlungsstrang, der nicht wirklich zum Film und seiner Stimmung passen will. Don Calogero besitzt eine Schwester und eine Schwägerin, die tagsüber um ihre Männer trauern (der eine schon lange tot, der andere nach Amerika abgeschoben), in einer seltsamen Szene beim Kuchenessen sexuelle Erregung spüren und dann nichts anderes im Kopf haben, als mit Coppola ins Bett zu gehen. Was weder der Handlung hilft, noch in den Ablauf des Filmes passt. Der einzige Zweck scheint darin zu bestehen, etwas Sex unterzubringen und Ben Gazarra als unwiderstehlichen Draufgänger zu etablieren. Was nur bedingt funktioniert. Aber immerhin bleiben einem diese beiden Frauenfiguren völlig egal, weshalb es – im Gegensatz zu Silvia Monti – keinen Verlust darstellt, dass sie einfach so wieder aus der Handlung verschwinden. Wie überhaupt Sizilien nur eine weitere Episode ist, um den Weg des Opiums weiter zu verfolgen, und Coppola zu den wahren Hintermännern in den USA zu bringen.

Und dieser letzte Teil bricht dann auch wieder ein wenig mit der zuvor etablierten Erzählung. Das Dokumentarische wird ganz aufgegeben. Auch verhält sich Coppola auf einmal überraschend unprofessionell. Was überrascht, da er zuvor als alles im Griff habender, allen anderen überlegender, cooler Mastermind etabliert wurde. Die Entscheidungen, die Coppola plötzlich trifft, sind einfach naiv und dämlich. Sobald er das amerikanische Festland betritt wird aus dem cleveren Macher ein unerfahrener Emporkömmling, der von seinen Gegnern (zu Recht) nicht wirklich ernst genommen wird. Der hiesige Gangsterchef Sally wird vom gebürtigen Hamburger und Italo-Western-Veteranen Steffen Zacharias locker fast schon am Rande der Karikatur gespielt. Zudem werden Szenen eingestreut, die zeigen, wie das New Yorker Establishment kräftig im Drogengeschäft mitmischt. Was für einen Hauch Sozialkritik sorgt. Ebenfalls erfreulich sind die Auftritte vieler alter Bekannter wie Luciano Rossi als deutscher Chemiker (der sofort die Hacken zusammenknallt, wenn er angesprochen wird), der wieselige Bruno Corazzari oder ungenannt der immer gerne gesehene Romano Puppo als handfest zulangender Helfer Sallys.

Coppola Auseinandersetzung mit der New Yorker Mafia nutzt Baldi, um auf den letzten Metern doch noch einiges an Action aufzufahren. Seien es Schlägereien in finsteren Garagen oder eine große Verfolgungsjagd inklusive Hubschrauber (die einige Jahre später von Alfonso Brescia in seinem „Der große Kampf des Syndikats“ wiederverwendet wurde). Und am Ende gibt es noch einige Twists, die an dieser Stelle aber nicht verraten werden sollen. Was insgesamt auffällt ist Baldis Vorliebe für markante Gesichter und vor allem das versteckte Filmen auf offener Straße. Mehr als einmal lässt er seinen Hauptdarsteller durch die bevölkerten Straßen laufen und an der überraschten Reaktion und den direkten Blick in die Kamera erkennt man deutlich, dass dies keine eingeweihten Statisten waren. Gerade im letzten Bild wird dies ganz offensichtlich.

Obwohl der Film bereits 1972 gedreht wurde, kam er erst 1985 als Videopremiere in die deutschen Videotheken. Dafür ist die deutsche Synchro ganz gelungen. Auch wenn sie sich, wie bereits geschrieben, einige Freiheiten nimmt. Am Deutlichsten da, wo vertuscht werden soll, dass hier ein 13 Jahre alter Film als Neuheit verkauft werden soll. In der Synchronisation wird häufig von Ereignissen gesprochen, die sich vor ein paar Jahren, nämlich 1981 (!), abgespielt haben sollen. Was ja dann aber eigentlich aus Sicht des Filmes 9 Jahre in der Zukunft liegen würde – aus Sicht der späten Veröffentlichung aber tatsächlich vier Jahre in der Vergangenheit. Kann man natürlich machen, aber es wundert einen schon sehr, wenn man 1981 hört und die Kleidung und Frisuren laut nach Anfang 70er schreien.

„The Opium Connection“ ist ein ruhiger, anfangs fast dokumentarisch anmutender Gangsterfilm über die Herstellung und den Schmuggel von Opium aus der Türkei in die Vereinigten Staaten. Dabei zerfällt er in drei recht unterschiedliche Episoden, wobei die letzte den Film noch einmal auf den Kopf stellt. Gute Darsteller, ein toller Soundtrack der De-Angelis-Brüder und eine routinierte Regie des Western-Spezialisten Ferdinando Baldi sorgen für solide Unterhaltung.

„The Opium Connection“ ist die mittlerweile 17. Veröffentlichung der filmArt Polizieschi Edition. Und hier ein Tipp vorweg: Auf gar keinen Fall (wenn es geht) die Handlungszusammenfassung hinten auf dem Cover lesen. Die spoilert nämlich massiv einen Plot-Twist, der erst in den letzten 3 Minuten verraten wird! Die Amaray enthält eine DVD und eine Blu-ray. Wobei man etwas aufpassen muss, welche Scheibe im Player landet. Denn während die DVD prominent in der Amaray platziert ist, steckt die Blu-ray in einer festen Papphülle, die ich auf den ersten Blick für das (nicht vorhandene) Booklet hielt. Das Bild ist okay und hat einen angenehmen Kino-Look. Mehr war wohl aus dem Material nicht mehr rauszuholen. Als Extras sind die gekürzte italienische Fassung in restaurierter und unrestaurierter Form, sowie der englische Vorspann dabei. Die ungekürzte deutsche Fassung hat lediglich deutschen Ton, die gekürzte italienische kann man auch auf italienisch schauen, muss dort allerdings auf Untertitel verzichten.

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Das Bloggen der Anderen (21-06-21)

– Bianca Jasmina Rauch stellt auf Filmlöwin die beiden Filme „Paris Caligrammes“ – ein Selbstporträt der Filmemacherin – Ulrike Ottinger“ – und „In the Mirror of Maya Deren“ von Martina Kudláček. Beide liefen auf der diesjährigen Diagonale in Graz.

– Joachim Kurz erinnert auf kino-zeit.de an den iranische Filmemacher Abbas Kiarostami.

„Deathdream“ hat mich bereits vor einigen Jahrzehnten als schraddelige VHS-Kopie nachhaltig beeindruckt und gehört noch heute zu meinen liebsten US-Independent-Horrorfilmen. Bluntwolf bespricht das Werk auf Nischenkino. Ebenso Cirio H. Santiagos „Ein Mann wird zum Killer“, der hier noch (!) ungesehen herumsteht.

„Octopussy“ gehört für mich noch nie ganz oben in die Liste meiner liebsten Bond-Filme. Aber über die Jahre habe ich mit dem Film meinen Frieden gemacht und sehe heute viele Dinge ähnlich wie Tonio Klein in seiner Besprechung für Die Nacht der lebenden Texte. Inklusive kleines Louis-Jourdan-Porträt, was ich sehr schön finde.

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Blu-ray-Rezension: “Die Tiger von Kwantung“

Während der Mandschu-Dynastie. Zwei Männer versuchen, die Schüler der legendären 10 Tiger von Kwantung zu töten. Als es ihnen gelingt, den ersten Schüler heimtückisch zu meucheln, ziehen sich die übrigens Schüler zurück und sammeln ihre Kräfte- Dabei erzählen sie sich, wie das damals so war, als sich die 10 Tiger gegen die Tyrannei der Mandschus verschworen haben.

Die Tiger von Kwantung“ ist ein höchst seltsamer Film. Im Grunde genommen ein großes Epos mit den um 1980 herum berühmtesten und meistbeschäftigten Stars der Shaw Brothers (bis auf David Chiang und Kuan Tai Chen ist irgendwie jeder dabei), welches auch gleich zwei Generationen umspannt. Aber dann doch auch wieder nur eine kleine Produktion, denn mal merkt das eher geringe Budget, und auch dass der Film nur im Studio gedreht wurde. Das letzteres so stark auffällt, wird auch durch die scharfen Bilder begünstigt. Denn mehr als einmal sieht man deutlich die Nieten im „blauen Himmel“. Durch die Vielzahl an Figuren (die legendären zehn Tiger aus der Vergangenheit und dann noch ihre Schüler aus der „Gegenwart“ plus Schurken aus beiden Zeitlinien) kann sich keine tiefgehende, komplexe Geschichte ergeben.

Auch eine Entwicklung der Charaktere findet nicht statt. Im Großen und Ganzen besteht der für seine Ambitionen überraschend kurze Film aus zahlreichen Auftritten und Abgängen der Figuren, immer unterstützt durch einen kurzen Kampf. Dadurch kommt zwar keine Langeweile auf, doch ein wirklich emotionales Involvieren eben auch nicht. So verkommt der epische Hauch der Geschichte dann doch eher zur Nummernrevue. Was nun aber negativer klingt als es ist, denn die Nummern machen durchaus Spaß. Wenn Ti Lung mal wieder zeigen kann, warum er einer der größten Stars der Shaw Brothers ist, Philip Kwok durch die Luft wirbelt oder sich Alexander Sheng Fu ungestüm in jeden Kampf wirft.

Es fühlt sich auch so an, als ob „Die Tiger von Kwantung“ eigentlich ursprünglich mal zwei Filme gewesen wäre. Oder vielmehr, als wenn der Teil mit den alten Meistern irgendwann hätte abgebrochen werden müssen und dann später die Szenen mit den Schülern gedreht wurden, um das Fragment auf Spielfilmlänge zu bringen. Die Szenen mit den alten Meistern wirken weitaus klassischer. Kostüme und Kulissen sind ganz altbewährter „Shaw Brothers“-Look. Auch die Kämpfe wirken eleganter und mehr „old school“. Demgegenüber sind die Szenen mit den Schülern weitaus rauer und die Kämpfe sehr viel brutaler. Während die Meister die traditionellen Helden sind, die edel und gut agieren, kann man das von den Schülern nicht gerade behaupten. Da wird sich beispielsweise hemmungslos betrunken und verumgealbert. Gut, eine ähnliche Szene gibt es auch mit Philip Kwok und einem weiteren Meister. Doch diese wird eher komödiantisch aufgelöst. Die Schüler wirken einfach nur prollig.

Besonders verstörend ist eine Szene, in der zwei der Schüler mit einem Bösewicht abrechnen, indem sie vorgeben, wiederum Schüler der Schüler zu sein. Zwar wird der Bösewicht vorher als eiskalter, berechnender Killer eingeführt, aber die ganze Szene ist recht humorig gefilmt. Sodass es wie ein Schock wirkt, wenn die „Guten“ am Ende dem völlig hilf- und wehrlosen Bösen unter Gelächter ein Messer in den Bauch rammen. Auch die Kleidung der Schüler wirkt seltsam modern (und sehr 1980). In ihren taillierten weißen Anzügen mit Netzhemd hätten sie auch so aus einer Disco kommen können. Dass einer auch noch Elvis-artige Koteletten zur Schau stellt, ist auch eher ein Relikt der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und passt nicht unbedingt in das Jahrhundert, indem „Die Tiger von Kwantung“ spielt.

Da bekannt ist, dass Regisseur Chang Che häufig nur die allgemeine Leitung seiner Filme übernahm und seinen Assistenten viel Spielraum gab, ist es durchaus denkbar, dass für diese beiden so unterschiedlichen Teile jeweils einer seiner beiden Assistenten Yu-Wen Chen und Sheng Chiang (der auch mitspielt) verantwortlich war. Für die Theorie, dass es sich beim „Meister“-Teil um einen nicht vollendeten Film handelt, oder zumindest dieser Teil weit vor dem zweiten gedreht wurde, würde auch sprechen, dass die Meister nicht mehr zum großen Finale auftauchen (was Sinn gemacht hätte). Nur zwei werden kurz und ohne großartige Erklärung ins Bild gestellt. Überhaupt das große Finale. Es darf soweit gespoilert werden, dass dies in seinen letzten Minuten einem den Kiefer herunterklappen lässt. Was dort an Brutalität geboten wird, muss man mit den eigenen Augen sehen. Hier herrscht wirklich ein ganz anderer Ton vor, als im „Meister“-Teil.

Neben Ti Lung sticht besonders Alexander Fu Sheng aus dem vielköpfigen Ensemble hervor. Auch wenn er hier ungewohnt teigig und aufgequollen wirkt. Was möglicherweise auf Medikamente zurückzuführen ist. Denn kurz vor „Die Tiger von Kwantung“ kam es zu dramatischen Unfällen an den Sets der Filme „Die grausame Rache der Shaolin“ und „Die Rache des Karateka“. Im ersteren fiel er Kopf zuerst aus 2,5 Metern in ein Tongefäß. Was zu einer schweren Gehirnerschütterung, inneren Blutungen und in der Folge Schwindelanfällen, Sprach- und Sehproblemen führte. Beim zweiten Unfall zerschmetterte er sein rechtes Bein, was zu zahlreichen Operationen führte und ihn für sechs Monate außer Gefecht setzte. In verschiedenen Quellen wird angeben, nach diesen Unfällen wäre er erst 1981 mit „The Treasure Hunters“ auf die Leinwand zurückgekehrt. Vielleicht spielen die Unfälle aber auch eine Rolle in der Produktion von „Die Tiger von Kwantung“. Aber das ist Spekulation. Keine Spekulation ist, dass Alexander Fu Sheng hervorragend in die Rolle des Aufbrausenden und „Erst-machen-dann-denken“-Typens passt und ein wunderbarer Komödiant mit tollem Timing war. Hier erinnert er – nicht nur dadurch, dass beide auch eine durchaus starke Ähnlichkeit haben – an den nur 6 Monate älteren Jackie Chan. Wobei Fu Sheng dessen Erfolgsrezept Comedy und Martial Arts miteinander zu verbinden, schon Mitte der 70er perfektioniert hatte. Leider kam Fu Sheng bei einem tragischen Autounfall 1983 ums Leben. Es wäre interessant gewesen, ob er eine ähnliche Karriere wie Jackie Chan eingeschlagen hätte. Gerade in Filmen wie „Die Tiger von Kwantung“ sieht man das große Potential und das Charisma, das ihm sicherlich geholfen hätte, um auch in US-amerikanischen Action-Filmen zu glänzen.

Mit „Die Tiger von Kwantung“ ist nun endlich nach 3,5 Jahren Wartezeit die 10. Folge der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ erschienen. Am Erscheinungsbild hat sich nicht viel geändert. Wie die vorherigen Ausgaben, kommt die Scheibe in einem goldenen Amaray in DVD-Größe daher und enthält ein 12-seitiges Booklet mit deutschen Aushangfotos. Was sich geändert hat ist der Umfang der Veröffentlichung. Wurden bei Nummer 1-9 noch immer eine DVD mit dazu gepackt, so befindet sich diesmal nur die Blu-ray in der Hülle. Das Bild ist wie gewohnt gut, der Ton klar und gut verständlich. Es liegt die ungeschnittene, 91-minütige Fassung vor. Die Fehlstellen der deutschen Kinofassung wurden im Originalton mit Untertiteln eingefügt. Wen das stört, der kann sich als Bonus auch die deutsche Kinoschnittfassung (82 Minuten) in HD ansehen. Neben dem Trailer und einer Bildergalerie findet man unter dem Punkt Programmhinweis noch der Trailer für „Ti Lung – Die tödliche Kobra“, von dem ich erst annahm, dieser Film würde dann möglicherweise die Nummer 11 der Reihe kommen. Wie ich jetzt gemerkt habe, ist er von filmArt aber bereits im Oktober letzten Jahres außerhalb der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ veröffentlicht worden und gänzlich an mir vorbeigegangen ist.

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