Es ist da! 70 Millimeter – Das Retro-Film-Magazin Nr. 1

Es ist vollbracht und liegt nun nach meinem kleinen Urlaub bei mit Zuhause. Die erste reguläre Ausgabe des „70 Millimeter“-Magazins. Eine Zeitschrift, die sich ganz auf die Filmgeschichte zwischen den Jahren 1966 und 1975 (dem Jahr in dem mit „Der weiße Hai“ das Blockbuster-Kino moderner Prägung seinen Anfang nahm) konzentriert. Und zugleich das erste Heft überhaupt, welches ich als Chefredakteur verantworte.

Der Weg zu dieser Ausgabe war nicht immer einfach, manchmal sogar schmerzhaft – aber das Resultat hat sich in meinen Augen vollauf gelohnt. Ich bin superstolz auf „das Baby“ und danke unserem Herausgeber Jörg Mathieu und „35 Millimeter“-Chefredakteur Clemens Williges für die Unterstützung und manchem guten Rat.

Ich mache mich jetzt gedanklich schon mal an die Nr.2 und empfehle derweil die Artikel von Bernward Knappik über den Biker-Film, Matthias Merkelbach über Gene Hackmans Neo-Noirs, Tonio Klein über die Frage der Selbstjustiz in „Dirty Harry“, Christoph Seelinger über das Kino des Senegals, Roman Widera über die „Sasori“-Serie, Lars Johansen über das Jahr 1968 im Italo-Western, Clemens Williges über den wunderbaren Film „Viy“ und Christian Keßlers Kolumne „Christians Pizza-Stüberl“. Ich selbst habe mir erlaubt etwas über den frühen Klaus Lemke beizusteuern.

Ich hoffe sehr, den Leserinnen und Lesern gefällt die Nr.1 ebenso sehr wie mir und freue mich auch gespannt auf Feedback.

Heft #1 kann man HIER für € 4,80 zzgl. Versand beziehen.

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Das Bloggen der Anderen (18-10-21)

Bevor ich Ende der Woche wieder in den Urlaub verschwinde, wollte ich diese kleine Rubrik zumindest für heute wieder mit Leben füllen. Und da die bloggenden Kolleginnen und Kollegen derzeit auch eher still sind, ist das auch schnell gemacht.

– Auf kino-zeit.de hat Maria Wiesner einen Zweiteiler über die Kulturschaffenden der Weimarer Republik verfasst, die in den 30er Jahren nach Hollywood geflüchtet sind. Für Filminteressierte, die da nicht so tief im Thema sind sehr interessant und gut geschrieben. Teil 1 gibt es hier, Teil 2 dort.

– Bluntwolf erinnert auf Nischenkino an Mario Bavas großartigen „Planet der Vampire“ (von dem ich mir so langsam mal eine Blu-ray wünsche).

– Den 1959 entstandenen „Terror is a Man“ kenne ich zwar noch nicht, bin nach Heikos Besprechung auf Allesglotzer aber durchaus neugierig darauf geworden. Dr.-Moreau-Geschichten gehen bei mir ja immer und Filme von den Philippinen sowieso.

– An „Ex-Drummer“ habe ich mich bisher heute nicht so recht ran getraut. Dass dies ein Versäumnis ist, ist mir durchaus bewusst. Nicht erst nach der Kritik auf Filmsucht.org.

– Wo ich mich durchaus ran trauen würde ist „Willy’s Wonderland“ mit Nicolas Cage. Nicht nur weil ich den Nic ins Herz geschlossen habe, sondern weil der Film auch extrem polarisiert. Die Review von Volker Schönenberger auf Die Nacht der lebenden Texte ist eine der ganz wenigen positiven Reaktionen auf den Film. Und klingt nach etwas, was mir durchaus Freude bereiten könnte. Ich bin gespannt.

– Als ich den Trailer von „Malignant“ im Kino gesehen habe, habe ich gedacht „Mann, mann, mann… das ist nix“. Mittlerweile habe ich von einigen vertrauenswürdigen Quellen gehört, dass mein erster Eindruck hier wohl viel zu negativ war. Auch was funxton über James Wans Werk schreibt, klingt durchaus interessant.

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„Argoman – Der phantastische Supermann“ von Ostalgica erschienen

Spannend, wenn man einmal mitbekommt, wie lange es von der Planung bis zur endgültigen Veröffentlichung eines Titels dauert. Bei „Argoman – Der phantastische Supermann“ von Ostalgica hat es aus diversen Gründen, die der Verlag nicht zu verantworten hatte, wirklich eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Jetzt ist das Ding aber da, und ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat. Besonders das Cover und Artwork, welches wie ich hörte nicht nur zufällig an „Captain Berlin“ erinnert (leider findet sich nirgendwo der Name des genialen Künstlers), ist toll geworden.

Ich durfte diesmal das Booklet beisteuern (in das sich zu meiner großen Überraschung noch ein kürzerer zweiter Text eines anderen Autoren geschmuggelt hat, der seltsamerweise exakt dasselbe Thema beackert wie ich) und mit dem wunderbaren Lars Johansen den Audiokommentar einsprechen. Lars hat auch ein schönes Videofeature beigesteuert. Daneben gibt es die nur in der US-Fassung enthaltene Pre-Credits-Sequence und das verlängerte Ende.

Das war eine sehr schöne und lohnende Arbeit, in deren Verlauf ich sehr tief in die mir vorher unbekannte Welt der italienischen Superhelden eingetaucht bin. Gerne wieder!

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 43 erhältlich

Ich bin mal wieder sehr spät dran, um auf die (noch) aktuelle Ausgabe der 35 Millimeter hinzuweisen. In der Nummer 43 geht es im Titelthema diesmal um „Das Tier im Film“. Da habe ich mich mal etwas zurückgehalten und den großartigen Kollegen den Vortritt gelassen. Und da ist eine sehr runde und spannende Sache draus geworden.

Ich durfte dieses Mal wieder etwas zur Kolumne „Operation: Europloitation“ beitragen. Und dies habe ich genutzt, um den letzten Jess-Franco-Film aus den Jahren vor 1965 vorzustellen, den ich bisher weder in meinem großen Franco-Artikel in der Nummer oder eben in dieser Kolumne eingehend behandelt habe. Es handelt sich um den sehr raren „El llanero“ aka „Le jaguar“ von 1963, der oftmals als Francos „Western“ verkauft wird. Dazu eine Anmerkung: Ja, das im Artikel verwendete Bild hat nichts, aber auch so rein gar nichts mit dem Film zu tun. Ja, habe ich auch angemerkt und alternatives Bildmaterial gesammelt und zur Verfügung gestellt. Ist offensichtlich trotzdem vor dem Druck noch durchgerutscht. Fehler passieren. Und letztendlich kommt es ja auch auf den Inhalt des Textes an.

Hier der komplette Inhalt des Heftes:

 

 

 

 

 

Heft #43 kann man HIER für € 6,00 zzgl. Versand beziehen.

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Bericht vom 28. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 3

Am dritten und letzten Tag erwartete mich eine schöne Überraschung, denn auch an diesem Sonntag hatte ich Gesellschaft. Mein Weird-Xperience-Mitstreiter Stefan entschloss sich spontan direkt nach seinem Urlaub auch Oldenburg einen Besuch abzustatten.

Gemeinsam wollten wir uns zunächst „Pig“ ansehen. Ich hatte dafür schon seit Freitag ein Ticket, was auch gut war, denn die Vorstellung in der Exzerzierhalle war ausverkauft. Da ich wusste, dass neben meinem Platz in der ersten Reihe noch ein Platz am Rand aufgrund der Hygenieregeln frei war, sollten wir es direkt vor Ort versuchen, diesen Platz quasi nachzubuchen. Doch die wirklich sehr nette Dame an der Exzerzierhalle sagte uns, dass das nicht möglich sei, da – obwohl auf den Tickets Sitzplätze angeben waren – es frei Platzwahl gäbe und damit rechnerisch kein Platz mehr frei sei. Und sie riet davon ab, darauf zu spekulieren, ob jemand kurzfristig seine Karte zurückgäbe.

Also machte sich Stefan auf, im cineK noch innerhalb der Ovidio-G.-Assonitis-Retrospektive den grandiosen „Who Saw Her Die?“ (den ich hier schon mal unter seinem deutschen Titel „The Child – Eine Stadt wird zum Albtraum“  besprochen hatte) zu sehen. An dieser Stelle gebe ich mal seine Worte wieder: Der Film war toll, die digitale Projektion sehr gut und ein Extra-Sternchen gab es für die tolle Einführung in den Film.

In der Exerzierhalle war derweilen tatsächlich die „Platzbindung“ aufgehoben. Jeder zweite Platz war durch ein Tuch als gesperrt ausgeflaggt. Selbst Pärchen mussten immer diesen einen Platz zwischen sich frei lassen, was aber nur zu wenigem und ganz vereinzelten Murren führte. Es wurde auch streng darauf geachtet, dass der Abstand eingehalten wurde. Für mich war das ein großer Vorteil, da ich eigentlich einen Platz ganz außen in der ersten Reihe gehabt hätte und mir nun einen Galaplatz aussuchen konnte. Was mich allerdings wunderte: Die ersten drei Reihen waren fast komplett leer blieben – obwohl die Vorstellung doch ausverkauft gewesen sein sollte. Da hat sich entweder jemand bei der Kapazität verrechnet oder so viele Ticketkäufer waren an diesem Sonntagnachmittag nicht erschienen. Seltsam.

Vor „Pig“ gab es noch den Kurzfilm „Wall #4“ des Niederländers Lucas Camps. Eine nette Geschichte zwischen „Purple Rose of Cairo“, „Im Augenblick der Angst“ und „Demoni“. Im Kino kommentieren einige Zuschauer lautstark und „witzig“ den Film auf der Leinwand, was den beiden Figuren auf der Leinwand (zu Recht!) gar nicht gefällt. Fand ich hübsch.

Pig – Ich hatte vorher nicht viel über den Film gehört. Nur, dass Nicolas Cage die Hauptrolle spielt. Einen Einsiedler, dem sein geliebtes Trüffelschwein gestohlen wird, und der sich nun aufmacht es sich zurück zu holen.

Erwartet habe ich einen kompromisslosen Action-Film in Richtung „John Wick“ mit Nicolas Cage in Selbstjustiz-Modus. Vor allem, weil Regisseur Michael Sarnoski in der Einführung zum Film als „der Regisseur von ‚Love of the Dead‚“ vorgestellt wurde. Das klang irgendwie nach einem Indie-Low-Budget-Zombie-Funsplatter-Film, ist aber wie ich jetzt gesehen habe ein 10 Jahre alter Kurzfilm, der – glaubt man den spärlichen Reviews – eine morbide und ruhige Liebesgeschichte erzählt.

Tatsächlich macht „Pig“ zunächst den Eindruck genau in diese angenommene „I Will Find You And I Will Kill You“-Richtung zu gehen. Denn Rob – die Figur die Cage spielt – begibt sich auf der Suche nach seinem Schwein in die Stadt, wo er geheime Verstecke und zwielichtige Typen kennt. Dann gerät er noch in eine Art Underground-Fight-Club. „Okay, jetzt weiß man wo der Hase hinläuft“, denkt man da bei sich. „Habe ich es doch gewusst!“ Doch dann schlägt der Hase einen Haken und „Pig“ läuft eine völlig andere Richtung.

Denn mitnichten ist Rob ein ehemaliger Gangster oder Killer, sondern ging früher einer völlig anderen Profession nach. Welcher möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um nicht zu viel zu spoilern. Eigentlich ist es auch egal, denn im Grunde ist Rob auch nur der Katalysator der Geschichte, in der sein junger Trüffel-Kunde Amir – ein glatter, hipper Geschäftsmann mit Sportwagen und Klassik-Vorliebe – die eigentliche Hauptrolle inne hat. Denn er lebt im Schatten seines dominanten Vaters, der ihm gegenüber keine Liebe mehr entgegenbringen kann. Der nicht an ihn glaubt und seit einem schweren Unfall, der seine Frau und damit Amirs Mutter in ein lebenslanges Koma schickte, zu keinen Gefühlen mehr fähig ist. Der sich in seiner Villa vergräbt und hinter seinem Geld und seiner Macht versteckt.

Generell geht es in „Pig“ um nicht verarbeitete Trauer. Der Unfähigkeit nach einem Verlust ins Leben zurückzufinden. Abzuschließen und weiter zu machen. Die unterschiedlichen Arten, wie man mit Verlust umgeht. Aber auch mit dem Verlust der eigenen Träume und Ideale, wie eine großartige Szene in einem fancy Restaurant zeigt, in der Rob den Chefkoch damit konfrontiert, was aus ihm geworden ist und wie sehr er sein früheres Ich betrogen hat. Sich verkauft an etwas, woran er nie glaubte. Das ist ganz großartig gespielt von Cage und David Knell.

Überhaupt Cage. Weit entfernt von seinem Markenzeichen des mega acting. In diesem Film verzieht kaum einmal das Gesicht. Und wenn er wirklich zweimal die tiefen Gefühle Wut und Trauer zeigt, so ist dies ausgesprochen effektiv und wirkt sehr echt. Kein larger than life, sondern real life. Cage ist brillant als Rob, der sich stoisch durch den Film schiebt. Von seiner beeindruckenden Präsenz her erinnert er (auch von den Pfunden, die er hier – neben langen Rauschebart und Haaren – mit sich herumträgt) an den späten Depardieu, der auch wie ein wanderndes Bergmassiv durch seine reine Physis die Leinwand ausfüllt und einfach nur da sein muss, um den Film zu tragen. Die Nebenrollen sind ebenfalls exzellent besetzt. Von Alex Wolff als Amir, der als Stereotype beginnt, um sich dann zum emotionalen Mittelpunkt des Filmes zu entwickeln, über eben David Knell in seiner kleinen Rolle, hin zu Adam Arkin als Amirs Vater.

Regisseur Michael Sarnoski weiß in seinem Langfilmdebüt genau, was er da tut und widersteht der Versuchung, den Film zu einem typischen „ein Mann holt sich sein Eigentum zurück“-Film werden zu lassen. Ganz ruhig und mit viel Wärme erzählt er seine Geschichte. Unaufgeregt, aber mitreißend. Das Einzige was man aussetzten könnte ist, dass Cage vom Anfang bis zum Ende mit blutverschmiertem Gesicht und Bart herumläuft, obwohl sich die Geschichte über mehrere Tage zieht und er mehr als einmal die Gelegenheit hätte, sich endlich mal das Gesicht zu waschen.

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Spannend auch, dass sich der Film (wie ein Freund ganz richtig bemerkte) bei seinem Finale an einem sehr populären Pixar-Film orientiert. Welcher das ist, sei hier aus oben genannten Gründen nicht verraten. „Pig“ ist eine große und sehr gelungene Überraschung. Ein sehr gefühlvoller Film, der einen noch lange beschäftigt, und der alles richtig macht.

Anmoderation „Pig“

Nach „Pig“ ging es rüber ins cineK, wo ich wieder mit Stefan zusammentraf, der wie gesagt sehr begeistert von „Who Saw Her Die“ war. Wir konnten uns bei einem schönen Bier über die gerade gesehen Filme austauschen, dann ging es gemeinsam ins Kino.

Alien On Stage – „Alien On Stage“ ist ein recht konventioneller Dokumentarfilm. Gedreht von zwei Debüt-Regisseurinnen. Lucy Harvey war vorher bei anderen Produktionen für die Kostüme zuständig. Danielle Kummer hat immer mal mit der Kamera gearbeitet.

Dass Beide noch keine große Erfahrung haben und vorher noch keinen Dokumentarfilm gedreht hatten, merkt man etwas. Es fehlt bei „Alien On Stage“ etwas die Konzentration und der rote Faden. Und es fällt sehr auf, dass hier die Ereignisse nicht chronologisch gefilmt wurden, diese Chronologie aber behauptet wird. Auch fehlt es etwas an einer ausgefeilten Dramatik. Dies mag daran liegen, dass es die in der Realität auch nicht gab. Alles läuft schon sehr glatt ab und der einzige Reibungspunkt ist die (verständliche) Nervosität der Protagonisten. Sonst gibt es keine Konflikte oder größere Missgeschicke.

Natürlich soll hier die Realität nicht für ein paar Lacher oder etwas Thrill verbogen werden. Aber man hätte „Alien On Stage“ sicherlich auch emotional packender und interessanter erzählen können. Stattdessen wird all dem eine Pseudo-“Alien“-Mission mit im Weltall fliegenden Bussen aufgepfropft, die lustig gemeint und liebevoll gemacht ist, aber nicht ganz zum Film passt. Aber dies nur am Rande, denn Spaß macht der Film schon. Und das liegt an seinen wundervollen und liebenswerten Figuren und ihrer schier unglaublichen Geschichte.

Jedes Jahr führen die Angestellten der lokalen Busgesellschaft in Dorset in Südengland ein Amateur-Theater-Stück auf, um etwas Geld zu sammeln. Nachdem ihr „Robin Hood“ im Vorjahr ein Erfolg war, wagen sich die Busfahrer und Busfahrerinnen, Kontrolleure und Büroangestellten nun einen Bühnenadaption von Ridley Scotts „Alien“. Bei der einzigen Aufführung interessiert das in Dorset fast niemanden. Aber ein paar „Alien“-Fans aus London (darunter die beiden Filmemacherinnen) haben Wind von der Sache bekommen, sich auf den Weg nach Dorset gemacht und sind begeistert von dem Amateur-Stück und seinem sympathischen Cast. Also wird per Crowdfunding das renommierte Leicester Square Theatre im Londoner West End für einen einmalige Aufführung von „Alien“ klar gemacht, und die Truppe fährt nach London.

Um es vorweg zu nehmen: Die Aufführung vor einem vollen Haus wird ein voller Erfolg für alle Beteiligten. Wer könnte diese Geschichte nicht lieben? Und die Amateur-Theater-Gruppe ist schlichtweg liebenswert. Hat Spaß an der Sache und kann selber kaum glauben, was da gerade passiert. Ein wenig die Hauptperson ist der Regisseur des Stückes (im wahren Leben ebenfalls Busfahrer), der mit einem wunderbar trockenen Humor glänzt. Aber auch der Einfallsreichtum bei den Bühnenbildern, Kostümen und dem titelgebenden Alien ist beeindruckend und hübsch anzusehen.

Dass fast alle Darsteller und Darstellerinnen die 50 zum Teil weit überschritten haben, so ganz und gar überhaupt nicht wie die Vorbilder aus dem Film aussehen und auch keine brillanten Schauspieler und Schauspielerinnen sind, trägt noch mehr zu der guten Laune und Herzlichkeit dieses Filmes bei. Es macht einfach einen Riesenspaß diesen Leuten zuzusehen, und sich mit ihnen über diese verrückte einmalige Gelegenheit zu freuen. Auch wenn das alles filmisch leider eher einfallslos ist, reißen die verrückten Dorsetter das alles wieder raus. Und wenn man am Ende dann der Aufführung im Leicester Square Theatre beiwohnt, möchte man am liebsten aus dem Sitz aufspringen und lautstarken Applaus spenden.

Den nächsten Film wollten wir auf gar keinen Fall verpassen, denn am 3. Oktober zeigen wir in unserer Weird-Xperience-Reihe George A. Romeros „Zombie“. Und da möchte man natürlich schon dabei sein, wenn es die Gelegenheit gibt, endlich Romeros „verschollenen“ Film „The Amusement Park“ zu sehen. Und die Erwartung war natürlich auch groß.

The Amusement Park – Wikipedia bezeichnet „The Amusement Park“ als „psychological thriller“ was ein ziemlich Blödsinn ist. George A. Romeros Film ist ein „educational film“ (was auf Deutsch „Unterrichtsfilm“ heißt, aber es nicht ganz trifft) über „elderly abuse“. D.h. der Ausgrenzung, Misshandlung und Vernachlässigung älterer Mitmenschen. In Auftrag gegeben und finanziert wurde das Ganze von der „Lutheran Service Society of Western Pennsylvania“. Für Romero war es also eine reine Auftragsarbeit, die er für ein paar Fingerübungen nutzen konnte.

Gedreht an drei Tagen im Jahre 1973 zwischen „Season of the Witch“ und „The Crazies“, wurde der nur 57 minütige Film dann 1975 gezeigt. Wenn man der Trivia trauen kann, war die Lutheran Service Society of Western Pennsylvania überhaupt nicht begeistert, dass Romeros Film stellenweise einem surrealen Horrorfilm glich. Auf jeden Fall landete „The Amusement Park“ im Regal und wurde erst 2017 als 16mm-Kopie wiederentdeckt und restauriert. Nun kann man das verschollen geglaubte Werk sehen und sich selbst ein Bild machen.

Geschrieben von Walton Crook, der scheinbar zu der Zeit mit Laurel, der Produktionsgesellschaft von Romero und Richard P. Rubinstein (die auch „The Amusement Park“ produzierte), zu tun hatte, aber vorher und später nicht weiter auffiel. Das Drehbuch ist von der Marke „Holzhammer“ und Subtilität ist nicht seine Stärke. Ein alter Mann sitzt ziemlich derangiert, verdreckt und verletzt in einem weißen Raum. Ein gut gelaunter Doppelgänger in makelloser Kleider erscheint und will den Raum trotz der Warnung des Anderen, da draußen wäre nichts, verlassen. Als er dies dann trotzdem tut, landet er in einem Freizeitpark. Dort muss er feststellen, dass die älteren Menschen als Störfaktoren angesehen werden, von der Gesellschaft ausgeschlossen, misshandelt und ignoriert werden. Am Ende kommt er ziemlich derangiert, verdreckt und verletzt zurück in den weißen Raum und das Spiel scheint von vorne zu beginnen.

Damit auch der letzte begriffsstutzige Mensch im Kino versteht, was diese Metapher aussagen soll, und wie das alles zu verstehen ist, sind dem Film ein Prolog und ein Epilog vorgeschaltet, in dem der Schauspieler des alten Mannes dem Zuschauer erklärt, worum es in dem Film geht, und dass der Zuschauer selber irgendwann ein alter Mensch sein wird, und dann ebenso von der Gesellschaft geächtet wird, wie der Protagonist des Filmes. Das ist ärgerlich und unnötig. Aber ich vermute mal, Romero war gezwungen das so zu drehen, weil die Lutheran Service Society of Western Pennsylvania den Zuschauern ihres Filmes nicht besonders vertraut hat. Oder wollte, dass ihre Botschaft auch GANZ KLAR ist. So oder so, stören und ja, auch nerven Pro- und Epilog gewaltig.

Ein weiteres Problem des Filmes ist der Hauptdarsteller Lincoln Maazel. Dieser sollte zwar wenig später eine große und wichtige Rolle in Romeros Meisterwerk „Martin“ übernehmen, hier jedoch ist das was er abliefert großes Laientheater. Maazel SPIELT den alten Mann in einer Deutlichkeit, die durchaus zum Pro- und Epilog passt. In jeder Szene scheint er dem Publikum zuzurufen: „Versteht ihr, wie die Figur sich fühlt? Versteht ihr?“. Da der Film nicht viel Dialog hat, wähnte er sich wohl in einem Stummfilm.

Davon abgesehen hat „The Amusement Park“ aber durchaus auch seine Meriten. Romero nutzt die Gelegenheit, um ein wenig zu experimentieren. Mit Michael Gornick, hier für den Sound verantwortlich, und S. William Hinzman (ja, der berühmte erste Zombie aus „Night of the Living Dead“) der hier erstmals an der Kamera tätig war, arbeitete er in denselben Funktionen auch bei „The Crazies“ zusammen. Überhaupt erinnert der Film in manchen Szenen an eine Vorstudie zu dem weitaus berühmteren Film. Das Gefühl der Desorientierung und der Bedrohung durch die Anderen kommt bereits hier gut zur Geltung.

Bedingt durch das Setting, das sichtbar niedrige Budget und die surrealen Einsprengsel erinnert „The Amusement Park“ in seinen besten Momenten aber auch an den Klassiker „Carnival of Souls“. Und der Angriff einer Rockerbande nimmt irgendwie schon „Dawn of the Dead“ vorweg. Betrachtet man „The Amusement Park“ vor diesem Hintergrund, so ist das Ergebnis vielleicht nicht immer überzeugend, aber für den Romero-Fan höchst interessant.

Wenn sich der alte Mann mit einem kleinen Mädchen anfreundet und ihr eine Geschichte vorlesen will, das Mädchen aber von der Mutter fortgezerrt wird und der alte Mann verzweifelt versucht das Märchen weiterzulesen, dann gelingt Romero sogar eine Szene, die einem ans Herz geht. Am Ende halten sich bei „The Amusement Park“ Stärken und Schwächen die Waage.

Damit endete dann für mich das 28. Internationale Filmfest Oldenburg. Dieser Jahrgang gehörte mit Sicherheit zu den stärksten, die ich in meiner langen Zeit als Besucher erleben durfte. Auch vom Drumherum konnte wieder an die Vor-Corona-Zeit angeknüpft werden, und man merkte es allen Beteiligten und dem Publikum an, wie nötig es war, dass es wieder richtig losging.

Dementsprechend lag eine durchweg positive Stimmung und auch so eine Art Aufbruch in bessere Zeiten in der Luft. Dafür nimmt man 3G-Regeln, Maskenpflicht und Sicherheitsabstand doch gerne in Kauf. Auch wenn ich hoffe, dass sich jenes im nächsten Jahr dann endgültig erledigt haben wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Nein, es war eine tolle Zeit mit großartigen Filmen. Wenn ich etwas zu meckern habe, dann nur die diesjährige Pressebetreuung. Hier wurde nicht auf Emails reagiert, die Akkreditierungsbestätigung kam extrem spät, und die Pressemitteilungen waren zum Ende hin nicht mehr existent. Die Gewinner der Preise erfuhr man nicht wie üblich per Email am Sonntag, sondern wenn man Glück hatte Tage später zufällig via Facebook. Auch gab es in diesem Jahr ohne weitere Erklärung für die Presse keine Möglichkeit mehr, die Filme auch digital zu sichten. ABER… das sind Dinge von denen der „normale Zuschauer“ nichts mitbekommt, und für den war es ein perfekt organisiertes, durchgeführtes und kuratiertes Festival. Und genau darauf kommt es an!

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Bericht vom 28. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 2

Der zweite Tag beim diesjährigen Internationalen Filmfest in Oldenburg brachte eine wunderbare Abwechslung zum Vorjahr. Denn in diesem Jahr musste ich nicht jeden Tag allein die Reise nach Oldenburg antreten. An diesem zweiten Tag war ich nämlich Mitglied einer kleinen, aber feinen Reisegruppe, die sich ebenfalls für einen Tag nach Oldenburg aufmachte. Was hieß, dass ich auch einmal nicht selber fahren musste.

Generell habe ich aber vor allem dieses Zusammensein mit Anderen und die gemeinsamen Gespräche sehr vermisst, und ich freute mich sehr darüber. Auch wenn sich die Wege bald kurz trennen sollten, denn während bei meinen Freunden die Filme „Pig“ (den ich für Sonntag eingeplant hatte) und „Titane“ (zu dem wir wieder zusammenkamen) anstanden, sah mein Programm etwas anderes aus und führte mich einmal mehr ins cineK.

Anchorage – „Anchorage“ war nach dem tollen „Come to Harm“ am Vortag gleich der nächste Höhepunkt. Ein Road-Movie um zwei Brüder, die eine Ladung Drogen (alle in Teddybären versteckt, die sich im Kofferraum ihres Autos stapeln) nach Anchorage in Alaska bringen wollen. Denn wie sie gehört haben, kann man dort dafür das Hundertfache ihres Preises bekommen. Also geht es im alten Wagen von Kalifornien Richtung Norden. Das ist im Prinzip schon die ganze Handlung, aber was Regisseur Scott Monahan und Autor Dakota Loesch – die beide auch die Hauptrollen spielen – daraus machen ist schlichtweg fantastisch.

Die Zuschauer begleiten die beiden Brüder Jacob (Monahan) und John (Loesch) auf ihrer Reise. Beide stammen aus der Unterschicht und leben augenscheinlich in einem leerstehenden Häuserkomplex irgendwo außerhalb der Stadt. Jacob fällt durch seine blau gefärbten Haare und vor allem durch die Goldzähne auf, die seinen Unterkiefer zieren. Sein Bruder John läuft bevorzug in seiner alten Long John Unterwäsche und Mütze auf dem Kopf herum. Aber man schließt man die Beiden trotz ihres zweifelhaften Vorhabens, ihrer prolligen Benehmens und ihrer ständigen Alkohol- und Drogenexzesse schnell ins Herz. Denn zwischen Monahan und Loesch herrscht eine unheimlich stark Chemie, wenn sie sich streiten, rumalbern oder sich kabbeln. Bald schon vergisst man vollkommen, dass hier zwei Schauspieler eine Rolle spielen. Vielmehr hat man das starke Gefühl, mit den beiden Verrückten gemeinsam auf Tour zu sein. So echt, so ungekünstelt wirkt das alles.

Und Monahan und Loesch spielen das einfach perfekt. Insbesondere Dakota Loesch möchte man stundenlang zusehen. Der Mann besitzt eine unglaubliche Ausstrahlung und ein eine so starke Präsenz, dass diese direkt von der Leinwand in den Kinosaal hineinreicht. Doch so unbeschwert die Beiden ihre Reise antreten, bald werden auch dunkle Seiten sichtbar. So genießt es Jacob ein Tick zu sehr, wenn er mit dem Baseballschläger auf zwei Typen losgeht, die scheinbar seinen Bruder bedrohen. Und hinter der fröhlich-sorglosen Fassade Johns lauert etwas brutales, das einem Angst machen kann.

Die Reise führt die beiden auch durch einen zerstörten amerikanischen Traum. Der Highway ist einsam, sie scheinen manchmal die einzigen Menschen auf Erden zu sein. Einmal kommen sie durch eine aufgegebene Armee-Basis. Fahren vorbei an den verlassenen, langsam verfallenden Häusern in dem die Truppenangehörigen mit ihren Familien gelebt haben. Was einen ebenso seltsam surrealen, wie pessimistischen Eindruck hinterlässt. Mit der Zeit wird dieses Gefühl immer stärker, ohne dass man genau fassen kann weshalb. Und dann hält die Geschichte um die beiden Brüder noch in kurzen Abständen zwei Tiefschläge bereit, die dann doch aus dem Nichts kommen und den Zuschauer halb k.o. aus dem Film entlassen. Die aber nicht aufgesetzt wirken, sondern sich durchaus logisch und erbarmungslos konsequent aus der Handlung entwickelt haben. Und die einen noch sehr lange über den Film und seine Figuren nachdenken lässt.

Ein großes Lob gilt auch dem Kameramann Erin Naifeh, der die sicherlich nicht immer einfache Aufgabe hatte, Monahan und Loesch während ihrer Fahrt im engen Auto zu filmen, und der es geschafft hat, immer ganz nach an den Beiden dran zu sein, ohne dabei in einen aufdringlich Pseudo-Doku-Stil zu verfallen. Großes Kino.

Großes Kino war auch der Auftritt von Scott Monahan und Dakota Loesch nach dem Film. Denn beide sprühten nur so vor Energie und Witz. Wie schon im Film hing man den beiden an den Lippen. Und Dakota Loesch zeigte, dass er „im wahren Leben“ zwar eine ganz andere Person als „John“ ist, aber dieselbe mitreißende Persönlichkeit, dasselbe Charisma und dieselbe Präsenz hat. Als Beide am Ende der Q&A noch die Zuschauer zu einem spontanen Reim-Tanz-Spielchen animierten, war eigentlich schon klar, dass die beiden sympathischen Filmemacher den Publikumspreis gewinnen würden. Was sie dann auch – völlig zu – Recht taten. Dass Dakota Loesch auch noch den Preis für den besten Hauptdarsteller mitnahm, hat mich dann auch sehr, sehr gefreut. Toller Film, tolle Typen. Ich bin sehr gespannt, was da noch kommt.

Scott Monahan & Dakota Loesch

Moderator, Scott Monahan & Dakota Loesch

 

Hydrometta – „Hydrometta“ ist ein Film, der so laut seinem Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Christopher Walters gar nicht geplant war. Während der Corona-Krise hatte er sich überlegt, wie er trotz der Einschränkungen etwas drehen könnte. Am Ende entstand dann mehr zum Spaß diese Geschichte um einen Journalisten, der während der Anfänge der Krise aus der Stadt in eine kleine, abgelegene Hütte in einem eigentlich gesperrten Waldgebiet flieht. Dort erlebt er zunächst seltsame Dinge und kommt dann einer Verschwörung auf die Spur, in der es um Wesen aus einer andern Dimension (oder dem Weltall?) geht. Bald schon liefert er sich ein Duell mit einer geheimnisvollen Frau und einem alten Jäger.

Gedreht wurde das alles ganz simpel und kostengünstig auf iPhones. Wie Christopher Walters in der Q&A erzählte, war er mit dem billigen iPhone-Look aber nicht zufrieden und schickte den Film zu einer Special-Effects-Firma nach Bukarest (oder Bulgarien, genau weiß ich es leider nicht mehr), mit der er bereits an anderen Filmen gearbeitet hatte – und der verpasste dem Film dann den Rotoscope-Verfahren-Look, den er nun besitzt. Dieser ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kreiert er natürlich eine ganz besondere, seltsam irreale Stimmung, da man nicht mehr wirklich zwischen Realfilm und Animationsfilm unterscheiden kann. Das cartoon-hafte wirkt auch frisch und seltsam (obgleich man dies durch Filme wie „A Scanner Darkly“ natürlich schon lange kennt). Aber es sind auch Dinge möglich, die real sicherlich eher lächerlich oder billig gewirkt hätten, hier aber eine besondere Intensität und „Realismus“ bekommen.

Andererseits hatte ich hier auch das Gefühl, es ist etwas zu viel des Guten. Häufig verschwammen die Bilder, man konnte keine Details erkennen und im schlechtesten Falle wirkte das Bild einfach wie eine einzige Pampe aus Strichen und Bewegungen. Zudem kommt eine der Stärken des Films, nämlich die unfassbare Landschaft und Natur nicht wirklich zur Geltung, da hier alles nur ein einziger Hintergrundmatsch ist. Und da man auch durch diesen hindurch sieht, welches visuelle Potential die Location hat, ist das einfach schade. Zumal die teilweise etwas wirre Geschichte einen auch nicht immer vom Hocker reißt und der Film trotz seiner recht kurzen Laufzeit von 71 Minuten dadurch manchmal etwas zu lang geraten wirkt.

Aber vielleicht ist diese Kritik auch etwas zu harsch, denn eigentlich ist das ganze Projekt ja auch nur als Zeitvertreib und Fingerübung gedacht gewesen. Und nett ist „Hydrometta“ anzuschauen und man sieht ihm an, dass alle Beteiligten mit Elan und Freude bei der Sache waren. Nur hat es zwischen „Hydrometta“ und mir an diesem Tag einfach nicht gefunkt. Was ich im Nachhinein schade finde, denn das Herz hat der Film sicherlich am rechten Fleck.

Christopher Walters

Christopher Walters & Moderator

Nach zwei Filmen im cineK traf ich wieder mit meiner kleinen „Reisegruppe“ zusammen, die sich die Zeit zwischen ihren beiden Filmen in einem Restaurant vertrieben hatte. Gemeinsam ging es rüber zum Casablanca, um den Cannes-Gewinner zu sehen.

Titane – Was kann man zu „Titane“ schreiben? Muss man überhaupt etwas dazu schreiben? Kann man sich nicht einfach in seine seltsam brutal-zärtliche Welt begeben und sich dann darin treiben lassen? Den Film einfach nur erfühlen, statt ihn intellektuell zu verarbeiten? Tatsache ist, auch nach einer Woche tauchen immer noch Bilder und Situationen aus „Titane“ in meinem Unterbewusstsein auf. Der Film mag mich nicht loslassen. Warum das so ist, vermag ich mit Worten kaum zu erklären. Vielleicht war ich einfach zu tief drin in der Welt von „Titane“. Vielleicht hat mich diese Welt nachhaltig verstört. Mir Fragen gestellt, auf die ich keine leichten Antworten weiß. Am Ende war ich verstört, verwirrt, angeekelt, beglückt, verängstigt und gefühlsselig.

So widersprüchlich wie diese Gefühle ist auch der ganze Film. Ein Freund und Mitseher fasste „Titane“ wie folgt in zwei Sätze zusammen: „Eine erotische Tänzerin und Serienkillerin mit Titanplatte im Kopf hat Sex mit einem Auto und wird schwanger. Auf ihrer Flucht gibt sie sich als Sohn eines alternden Feuerwehrmannes aus.“ Das trifft es genau und erzählt doch nur ein Bruchteil dessen, was „Titane“ ist. Angefangen von der ersten Szene, in der eine störrisches, missgelauntes Kind ihren Vater im Auto nervt – um damit einen fatalen Unfall zu provozieren bis hin zur letzten Szenen, die eine unmögliche Geburt zeigt und in einem Bild endet, welches mich stark an „Rosemarys Baby“ erinnert hat, gleichzeitig beängstigend, zärtlich und auch wunderschön ist. Dazwischen: Extrem brutale Morde, Szenen in denen selbst ich mir kurz die Augen zuhalten musste (Stichwort: Nase), Musik, Tanz, sehr laute und sehr leise Momente. Märchenhafte Elemente, fast dokumentarische, sehr reale Elemente. Angst vor dem Alter. Angst vor Nähe. Dinge die man nicht versteht, Dinge die man nur allzu gut versteht.

Dabei unfassbar gute Schauspieler. Die bisher unbekannte Agathe Rousselle ist gnadenlos intensiv als Titane. Vincent Lindon schafft es, dass man seinen alten Feuerwehmann Vincent ebenso ins Herz zu schließen kann, wie ihm gegenüber auch permanent misstrauisch zu bleiben. Was ist das für eine seltsame, bedingungslose und besitzergreifende Liebe gegenüber seinem „Sohn“. Inzest und unterdrückte Homosexualität liegen da ebenso in der Luft, wie eine tiefe, ernstgemeinte Vaterliebe und die tiefe Verzweiflung und Traurigkeit um den verlorenen Sohn. Alles gleichzeitig.

Vom Stil hier scheint sich Julia Ducournau (ihr Debüt „Raw“ muss ich endlich sehen) teilweise bei Gaspar Noe, Nicolas Winding Refn und Lars von Trier inspiriert zu haben. Aber eigentlich sind diese Vergleiche unfair, denn sie zieht hier ihr ganz eigenes Ding durch. Wie oben angedeutet: Ein schwieriger und zugleich leichter, ein abstoßender und zugleich anziehender Film. Hässlich und wunderschön. Ein Kunstwerk. Ein Meisterwerk. Eine emotionale Achterbahn. Grandios in Bilder umgesetzt. Und sicher eine Film, wie ich ihn bisher in dieser Form noch nicht gesehen habe.

Nachdem das Licht im Saal wieder anging flossen wir vollgestopft mit Bildern und Gedenken aus dem Kino. Meine hinter mir sitzenden Freunde berichteten von Leuten im Publikum, bei denen „Titane“ starke emotionale Reaktionen ausgelöst hatten. Dann fuhren wir durch die Nacht nach Hause. Ein ausgesprochen schöner Filmfest-Tag ging leider zu schnell zu Ende.

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Bericht vom 28. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 1

Endlich wieder ein richtiges Filmfestival. Was habe ich das vermisst. Zwar war ich auch letztes Jahr auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg zu Gast, doch diese Erfahrung war Pandemie-bedingt eher ernüchternd. Damals schrieb ich: „Ein seltsames Jahr, ein seltsamer Besuch“, denn die 27. Ausgabe zeichnete sich 2020 durch eine völlig Abwesenheit eines Festival-Feelings, sehr wenige Besucher und keinem einzigen Gast aus. Schon damals äußerste ich die Hoffnung, dass es 2021 bei der 28. Ausgabe meines Lieblings-Festivals wieder anders aussehen würde. Und diese Hoffnung sollte sich Gottseidank bestätigen. Zwar fand das Festival wieder unter Corona-Bedingungen statt, aber dies äußerte sich nur darin, dass man eben, wenn man sich im Foyer und Kino bewegt, eine Maske zu tragen hat und sich beim Einlass ins Kino per Luca-App registriert und einen „3G“-Nachweis vorzeigen muss. Also keine größeren Komplikationen und eigentlich in diesen Zeiten selbstverständlich. Dass die Plätze diesmal wieder nummeriert waren und immer ein Platz neben einen freigelassen wurde, fand ich jetzt als sogar als kleinen Vorteil. Das entspannte die Situation vor dem Einlass nämlich merklich und man saß nicht eng an eng.

Was mich aus ganzem Herzen freute war, dass man merkte, dass das Publikum ausgehungert war. Viele der Vorstellungen die ich besuchte, waren – mit den oben genannten Maßnahmen eingeschränkten Kapazitäten – sehr voll. Sogar am Sonntag beim eher obskuren „The Amusement Park“ war das Kino noch gut besucht. Endlich tummelten sich auch wieder mehr Menschen im Foyer, und man merkte wieder diese wunderbare Spannung und Aufregung in der Luft. Dinge, die 2020 noch völlig abwesend waren. Und es waren wieder Gäste da! Filmemacher, die nach dem Film mit breitem Lächeln dem wissbegierigen Publikum Rede und Antwort standen. Man merkte auch ihnen an, wie sehr sie das alles vermisst hatten. Alles war fast wie immer. Nein, eigentlich sogar schöner, denn es herrschte eine so unglaublich positive Stimmung. Es war fast so etwas wie ein Aufbruch in wieder bessere Zeiten. Da passt das unglaublich starke Programm in diesem Jahr auch gut ins Bild.

The Last Victim – Ich machte in diesem Festivaljahr quasi genau dort weiter, wo ich 2020 aufgehört hatte. Damals war mein letzter Film des Festivals John Hyams‘ „Alone“ gewesen, in dem sich eine junge, schlagkräftige Frau in der Wildnis gegen einen skrupellosen, scheinbar unaufhaltsamen Killer zur Wehr setzen muss. Ein ganz ähnliches Szenario erwartete mich jetzt in „The Last Victim“.

Dieser als Neo-Western angekündigte Action-Thriller beginnt mit einem unfassbar brutalen und blutigen Massaker in einem Diner. Dass die dafür verantwortlichen Kleinstadtgangster (angeführt von dem sehr intensiv spielenden Ralph Ineson, bekannt u.a. aus dem tollen „The Vvitch“) die Leichen in einem abgelegenen Naturschutzgebiet verschwinden lassen wollen, ist großes Pech für ein Paar, welches eben diesem einen Besuch abstattet. Während der Mann eine Kugel in den Kopf bekommt, muss die Frau um ihr Leben kämpfen. Zwischendurch kann man noch den immer wieder gern gesehenen Ron Perlman und seinem weiblichen Deputy (Newcomerin Camille Legg, die ihre Sache sehr gut macht) dabei beobachten, wie sie versuchen, die Sache mit den Morden aufzuklären. Natürlich laufen am Ende alle Fäden zusammen, und die Geschichte hält mehr als eine Überraschung bereit.

Das ist alles spannend und vor allem ohne Längen umgesetzt. Das Rad wird nicht unbedingt neu erfunden, aber Naveen A. Chathapuram weiß bei seinem Regie-Debüt was er da tut und was er will. Zudem hat er den Luxus, auf eine sehr gute Besetzung zurückgreifen zu können. Ali Larter gibt eine überzeugende Heldin ab und Leuten wie Kyle Schmid und vor allem Dakota Daulby sieht man gerne zu. Zwar gibt es einige Regieentscheidungen, bei denen man merkt, dass Chathapuram seinem Film eine besondere Note geben wollte, aber das ist verzeihlich. Hier sei zum Beispiel das Voice-Over durch Ralph Ineson (der zugegebener Weise eine wirklich großartige Stimme hat) genannt. Auch einige surrealistische Momente und das angehängte Ende wären nicht unbedingt nötig gewesen, stören aber auch nicht. „The Last Victim“ ist einfach gute und spannende Unterhaltung.

Regisseur Naveen A. Chathapuram war anwesend und nannte als Vorbilder „Hell Or High Water“ und „No Country For Old Man“. An die kommt er nicht unbedingt voran, aber in Schussweite ist er durchaus.

Naveen A. Chathapuram

Come To Harm – Dieses isländische Drama mit leichtem Gangster-Einschlag hat mir vor allem eins gezeigt: Man soll nicht nach Äußerlichkeiten gehen! Beschämt muss ich zugeben, dass ich extrem skeptisch war, ob ich mit meiner Filmwahl nicht ziemlich danebengelegen habe, als die Macher des Films vor dem Start der Vorführung mit einer ziemlichen Entourage in den Kinosaal kamen. Keiner der Anwesenden schien mir über 20 zu sein. Und die Aufmachung des Co-Regisseurs Anton Kristensen erinnerte mich so sehr an Vincent Vega aus „Pulp Fiction“, dass mir fürchterliches schwante. Eingedenk dessen, was die ganz junge Generation an Low-Budget-Filmeachern hier in Deutschland oftmals hinlegt – schrecklich „augenzwinkernde“ Tarantino-Verschnitte, die gerne cooler als das Original wären – erwartete ich eine „coole“ Gangster-Geschichte im bekannten Tarantino/Rodriguez/Ritchie-Style. Hierfür möchte ich ganz offiziell um Entschuldigung bitten. Denn der wirklich großartige und aufwühlende „Come to Harm“ könnte nicht weiter weg von diesem Kosmos sein. Um die Pointe vorwegzunehmen. „Come to Harm“ ist einer der besten Filme, die ich in meiner nun schon über 10-jährigen Zeit beim Filmfest Oldenburg dort gesehen habe.

Und er bewegt mich, jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, noch immer. Und umso peinlicher sind mir meine Vorurteile, ob der augenscheinlichen Jugend der Macher. Co-Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Ásgeir Sigurðsson ist für mich nach diesem Film eines der größten Talente des europäischen Films. Und sein Partner und Kameramann Anton Kristensen findet für „Come to Harm“ die perfekten Bilder. Immer nah dran am Geschehen und den Figuren, aber ohne auf irgendwelche Wackelexzesse zu verfallen. Auch wenn die Figuren mal nicht komplett im Bildausschnitt zu sehen sind, ist das alles sehr durchdacht und unterstützt die Dramatik der Szene, statt zu irritieren.

Worum geht es in diesem kleinen Meisterwerk? Es geht Óliver, der sich so gut es geht durchs Leben schlägt und versucht auch bei Tiefschlägen nicht ganz den Mut zu verlieren. Zudem liebt er seinen 11-jährigen Bruder Hrafn, um den er sich rührend kümmert. Denn von seiner Mutter, die eine Drogenvergangenheit hat, hält er nicht viel. Der Vater ist schon vor längerer Zeit verstorben. Wir folgen Óliver durch seinen Alltag. Er jobbt in einer Autowerkstatt, wo er niedere Arbeiten verrichtet – und trotzdem wegen Sparmaßnahmen entlassen wird. Man begleitet ihn auf eine Party, wo er zaghaft mit einem Mädchen anbändelt. Dann kommt ein Anruf und Ólivers Leben fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Seine Mutter ist wieder rückfällig geworden und hat, um ihre Schulden bei einem Dealer zu bezahlen, Hrafn einer Gangsterbande überlassen. Voller Wut und Verzweiflung macht sich Óliver daran, Hrafn zurückzubekommen.

Und wer nun erwartet, ein blutiges Rachedrama zu sehen, der hat sich getäuscht. Óliver ist kein cooler Killer oder einer, der da aufräumt. Óliver hat keine Ahnung was er tun soll. Seine Aktionen sind spontan und unüberlegt. Ganz aus dem Schmerz und der Verzweiflung geboren. Und jeder Schritt, den er fortan unternimmt, führt ihn näher an den eigenen Abgrund. Tiefer hinein in die Katastrophe. Und wie Ásgeir Sigurðsson diese tiefe Verzweiflung, leidvolle Angst und Hilflosigkeit spielt ist wirklich phänomenal. Nie hat man das Gefühl, da spielt einer, sondern dass man einer echten Person zusieht, der klar ist, dass das alles nicht mehr gut ausgehen kann, und dass gerade alles, was noch gut und lebenswert war, den Bach runtergeht. Und das drückt einen selber ganz tief hinein in den Sitz und lässt ohne große Action das Herz schneller schlagen.

Kurz bekommt man es mit der Angst zu tun, wenn der Film nach dem logischen Ende noch weitergeht. Angst davor, dass die beiden Regisseure jetzt diesen so starken Film noch mit einem angeklatschten Happy End kaputt machen könnten. Aber das tun sie nicht. Der Epilog ist folgerichtig und entlässt den Zuschauer nicht mit einem falschen Gefühl von „alles ist gut“, sondern mit der Figur des jungen Hrafn, und der bangen Frage, wie es mit ihm weitergeht, und der Hoffnung, dass die Antwort dann vielleicht doch „es wird schon werden“ lauten könnte.

Anton Kristensen & Ásgeir Sigurðsson

Moderator, Anton Kristensen, Ásgeir Sigurðsson, Rest der „Come to Harm“-Crew

Foxhole – Der Film „Foxhole“ hatte es nach dem grandiosen „Come to Harm“ natürlich schwer. Zudem war er nur eine Notlösung, da der von mir eigentlich präferierte „Mad God“ (auf den ich mich sehr gefreut hatte) bereits ausverkauft war.

„Foxhole“ ist ein Kriegsfilm, allerdings ohne große Schlachten und Actionszenen. Er erzählt in drei Episoden von einer Gruppe Soldaten, die scheinbar durch die Jahrzehnte immer wieder neu reinkarnieren. Denn sie werden nicht nur immer von denselben Schauspielern verkörpert, sondern besitzen auch die immer dieselben Namen und Charakterzüge.

Die erste Episode spielt in einem Schützengraben der Nordstaaten während des amerikanischen Bürgerkriegs. Hierhin flüchtet sich schwer verwundet der farbige Nordstaaten-Soldat Jackson. Die Soldaten, die hier in Erwartung eines Angriffs der Südstaaten die Stellung halten, beginnen nun darüber zu diskutieren, ob Jackson in ein Lazarett hinter der Front gebracht werden soll, oder ob sich dies nicht lohnen würde und es für alle besser sei, ihn an Ort und Stelle sterben zu lassen. Die zweite Episode ist in stilisierten schwarz-weiß gehalten und spielt während des 1. Weltkriegs. Wieder in einem Schützengraben. In diesen flüchtet sich diesmal ein deutscher Soldat. Was unter den amerikanischen Soldaten, die hier Stacheldraht verlegen sollen, die Frage aufwirft, was man mit dem Feind macht? Während eine Gruppe (geführt vom Kommandanten des Trupps) den Deutschen exekutieren will, argumentiert eine andere, von dem alten Soldaten Wilson angeführte, Gruppe dafür, ihn am Leben zu lassen und als Kriegsgefangenen mit zur Truppe zu nehmen. Die dritte Episode führt uns in den Irak, wo eine Gruppe amerikanischer Soldaten in einem Humvee unterwegs ist und auf eine Mine fährt. Während draußen Scharfschützen darauf warten, dass die Gruppe den Wagen verlässt, wartet man drinnen auf Rettung durch die US-Armee – aber diese Hoffnung schwindet bald.

Man sieht „Foxhole“ an, dass dem sympathischen Regisseur Jack Fessenden nicht viel Budget zur Verfügung stand. Im abschließenden Q&A erzählte er abenteuerliche Geschichten, wie er den Film trotz großer räumlichen und finanziellen Restriktionen zustande gebracht hat. Man muss Fessenden zugutehalten, dass er es geschafft hat, jeder Episode ihren ganz eigenen Look zu geben. Die Weltkrieg-I-Episode sieht wirklich gut aus, aber das Highlight des Filmes ist die Irak-Episode, wo er ein Maximum aus dem beengten Platz im Humvee rausholt und einige Bilder schafft, bei dem die Klaustrophobie spürbar wird.

Das Problem des Filmes ist allerdings, dass er sehr dialoglastig ist. Und diese Diskussionen zwischen den Figuren vielleicht interessant, aber nicht besonders spannend sind. Denn man findet keine richtige Bindung zu den Charakteren. Was vielleicht auch der Kürze der ersten beiden Episoden geschuldet ist, die keinen Hintergrund für das Personal erlaubt, sodass sie letztendlich nur Stereotype bleiben, und weniger vielschichtige Personen. Dies ändert sich etwas in der Irak-Episode, die deutlich länger ist und es dem Zuschauer erlaubt, seine Protagonisten etwas besser kennenzulernen. Die sparsame Action und die unmittelbare Gefahr durch den Feind draußen helfen dabei, mehr Interesse für die handelnden Personen aufzubringen, und mit ihnen mitzufiebern. Auch tut es dieser Episode gut, dass Thesenhaftige der beiden vorangegangen Abschnitte hier weitgehend fehlt und sich ganz auf die konkrete Situation konzentriert wird. Insgesamt ein Film, der durchaus seine Stärken hat, aber auch Potential verschenkt, weil er es nicht schafft, das Interesse des Zuschauers an seinen Figuren konstant hoch zu halten.

Jack Fessenden

Danach hätte mich noch der Animationsfilm „The Spine of Night“ interessiert, der um 0:01 Uhr in der bisher immer sehr gut kuratierten Midnite-Xpress-Reihe lief. Doch dem Alter geschuldet, hatte ich keine große Lust mehr, mich dann später um kurz vor 2 Uhr Nachts noch auf die Autobahn Richtung Bremen zu begeben. Zudem habe ich gemerkt, dass vier Filme am Stück nicht mehr so meins sind und nur im Notfall durchgezogen werden sollten. Also endete mein erster Tag auf dem 28. Internationalen Filmfest Oldenburg an dieser Stelle.

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Das Bloggen der Anderen (13-09-21)

– In der letzten Woche verstarb Kinolegende Jean-Paul Belmondo. Ich habe es leider nicht selber hinbekommen einen Nachruf zu schreiben, und verweise hier gerne auf den ausführlichen Nachruf von Der Kinogänger.

– Auch Filmlichtung gedenkt dem großen Belmondo, sowie dem – mir leider unbekannten – Michael K. Williams.

– Patrick Kokoszynski stellt auf critic.de Jerome Hiler und drei weiteren Filmemacher und -macherinnen vorn, denen auf dem neuen Experimentalfilmfestival in Frankfurt eine Werkschau gewidmet wird.

„Der Überfall auf den Postzug“ ist ein brasilianischer Kriminalfilm aus dem Jahre 1962, den Tom Schünemann auf filmsucht.org vorstellt. Schön, einmal auf die brasilianische Filmgeschichte jenseits von Coffein Joe aufmerksam gemacht zu werden. Danke!

– An der Ostalgica-Veröffentlichung von „Phantom des Schreckens“ war ich mit einem Videofeature beteiligt. Deshalb freue ich mich, dass Film und Veröffentlichung von Bluntwolf auf Nischenkino recht positiv besprochen werden.

– Eine sehr schöne und wie ich finde äußerst treffende Besprechung von „Leichen unter brennender Sonne“ hat Heiko auf Allesglotzer online gestellt.

– Vor einigen Jahren gewann „Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln“ den Publikumspreis beim Internationalen Filmfest in Oldenburg (geht übrigens am Mittwoch wieder los!). Leider habe ich den Film damals nicht gesehen und auch danach ist er mir nicht wieder über den Weg gelaufen. Was ich schon immer sehr schade fand und nach Volker Schönenbergers schöner Besprechung auf Die Nacht der lebenden Texte noch viel bedauerlicher.

„Systemsprenger“ hat Christian von Schlombies Filmbesprechungen sehr stark beeindruckt.

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Das Bloggen der Anderen (06-09-21)

– Leider hat es bei mir auch 2021 urlaubstechnisch nicht gepasst, sonst wäre ich sehr gerne zum Terza Visione 2021 in Karlsruhe gefahren. Aber Tilman Schumacher von critic.de war da und berichtet.

– Christian Genzel schreibt auf Wilsons Dachboden über das Festival „Theater im Kino“. Eine vierwöchige Reihe mit dem Untertitel: „Ein Streifzug durch den Filmkosmos Max Reinhardts sowie der Familie seiner Ehefrau Helene Thimig“, welche in diesem Sommer Salzburger Festspiele begleitete.

– Christian Neffe erinnert auf kino-zeit.de an einen der ganz großen Hollywoods: Frank Capra.

– Regisseurin Patty Jenkins hat Filme auf Streaming-Portalen – okay das ist jetzt etwas aus dem Zusammenhang gerissen, aber irgendwie kommt es hin – „Fake Movies“ genannt. Darüber macht sich Filmlichtung so seine Gedanken.

– Rouven Linnarz interviewt auf film-rezensionen.de australischen Regisseur, Filmeditor, Kameramann, Drehbuchautor und Produzenten Dave Jackson.

– Vor Ewigkeiten mal gesehen und gar keine Erinnerungen mehr dran: „In den Krallen des Unsichtbaren“ vom berüchtigten Pierre Chevalier. Bluntwolf von Nischenkino hat ihn frisch geguckt und ich glaube, weiß auch nicht so recht, was davon zu halten ist. Begeistert war er zumindest nicht. Mit dem (wirklich schwachen wie ich finde) „Sumuru – die Tochter des Satans“ hatte er dann ähnliches „Glück“.

– Heiko von Allesglotzer stellt „The Candy Catchers“ vor, von dem ich schon viel positives gehört habe und der immer in die „Last House on the Left“ Ecke gestellt wird. Wahrscheinlich auch wegen des sehr ähnlichen Plakats. Für Heiko ist der Film jedenfalls „ein entdeckenswerter Tipp“.

– Mal kein Kino, sondern Fernsehen. Aber wenn Dominik Graf involviert ist, wird aus TV ja schnell mal Kino. Volker Schönenberger auf Die Nacht der lebenden Texte über den aktuellen „Polizeiruf 110“: „Bis Mitternacht“.

– Noch einmal ein paar positive Zeilen über den deutschen Genrefilm „Tides“ von Tim Fehlbaum. Diese Woche von “Filmkritiker“ auf Filme Welt.

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28. Internationales Filmfest Oldenburg: Ovidio G. Assonitis kommt und erhält eine Retrospektive

Oha, welche eine Überraschung! In der diesjährigen Retrospektive des Internationalen Filmfest Oldenburg (15. – 19.September) wird ein Regisseur/Produzent geehrt, welchen sicherlich niemand auf dem Zettel hatte: Ovidio G. Assonitis! Selbst in „meiner Blase“ kein Filmemacher, an den man als allererstes Denken würde, wenn es darum geht, welchen Protagonisten des europäischen Genrekinos man ins Rampenlicht stellen würde. Aber das Internationale Filmfest Oldenburg ist eben immer für eine spannende Überraschung gut.

Von Assonitis kenne ich den (leider schwachen) „Tentacles“, den ich hier mal besprochen habe. Aber auch den tollen „Beyond the Door“ aka „Vom Satan gezeugt“ (wie der Zufall es so will, werde ich im November bei einer Internet-Radio-Sendung über genau diesen Film zu hören sein). Und der von ihm produzierte „Who Saw Her Die?“ aka „The Child – Eine Stadt wird zum Albtraum“ ist ein kleines Meisterwerk, wie ich hier mal ausführte.

Und das Schönste: Ovidio G. Assonitis wird auch als Gast in Oldenburg zugegen sein! Das fühlt sich fast schon wieder an, wie in der Prä-Pandemie-Zeit. Ich habe jedenfalls schon mächtig Bock auf das Festival und werde hier die nächsten Tage auch noch weitere Highlights aus dem Programm vorstellen.

 

Filmfest Oldenburg ehrt Ovidio G. Assonitis mit einer Retrospektive

Mit dem in Alexandria geboren Produzenten und Regisseur Ovidio G. Assonitis ehrt das diesjährige Filmfest einen authentischen und unabhängigen Geist, dessen Filme Fans und Cineasten als »Guilty Pleasure« feiern und viele Filmemacher inspiriert haben.

Die reinste Form eines unabhängigen Filmemachers kann vielleicht nur aus dem Verständnis des unauflöslichen Zusammenhangs zwischen filmischer Umsetzung und finanziellem Aufwand entstehen. In diesem Sinne ist Ovidio G. Assonitis seit über 50 Jahren einer der wenigen wirklich eigenständigen und unabhängigen Filmemacher geblieben.

»I am a real 100% Independent Filmmaker. Everything started from my desk and ended at my desk«, ist seine erfrischende Sicht auf eine Kunstform, die sich zwischen künstlerischem Ausdruck und finanziellen Bedürfnissen immer mehr in eine Industrie verwandelt hat. Ohne die Fähigkeit, seine Visionen auch in ein finanzierbares Konzept einzubinden, gibt es keine Unabhängigkeit.

In Ägypten geboren, in Griechenland aufgewachsen und in Italien lebend – ein Bürger des Mittelmeerraums – so bezeichnet sich der Filmemacher selbst. Ovidio G. Assonitis erste Verbindung zum italienischen Kino und der Filmbranche an sich entstand durch seinen Vater, Romeo Assonitis. Mitte der 1960er Jahre begann Assonitis aus einem kleinen Büro heraus, nur mit einer Sekretärin, seinen eigenen Vertrieb von Filmen der Genres Western, Thriller, Horror und Action. Bis 1976 verlieh er mehr als 1000 kommerziell erfolgreiche Filme vor allem im südostasiatischen Raum. Einer seiner wichtigsten, früheren Partner war ein Cousin des thailändischen Königs, Seine Königliche Hoheit Prinz Anusorn. Gegen Ende der 1960er Jahre begann Assonitis seine ersten Independent Filme zu produzieren.

In seiner erfolgreichsten Zeit in den 1970ern wurde er oft geringschätzig »King of the Rip Offs« genannt. Aber darin zeigt sich auch sein großes Talent für kommerzielles Gespür gepaart mit der filmischen Sensibilität, die seine mit so viel geringerem Budget als ihre Blockbuster Vorbilder umgesetzten Werke wie »Tentacles« (1977) oder »Beyond the Door« (1974) auszeichnen und manchmal sogar zu einer Bedrohung für Hollywood machten.

Man möchte einen Vergleich zur Kunst ziehen und Assonitis Filme als eine Art gespiegelten Pointillismus bezeichnen. Ja weiter entfernt man auf sie schaut, desto weniger verraten sie von seiner kunstvollen Erzählweise. Geht man ganz nah heran entdeckt man Szenen und Sequenzen, die eine einzigartige Schönheit und visuelle Kraft ausstrahlen. Mit solchen Momenten hat er zahlreiche Fans begeistert und namhafte amerikanische Genrefilmer inspiriert, zu denen Joe Dante und sicher auch Quentin Tarantino zählen.

Seine Berührungen mit der Blockbusterindustrie Hollywoods sind legendär. Mit »Beyond the Door«, diesem eigenwilligen und dann doch ganz eigenen Mix aus »The Exorcist« und »Rosemaries Baby«, gelang ihm ein so großer kommerzieller Erfolg, dass Warner ihn, aus Angst er könne ihnen bei einem Sequel zuvorkommen, auf Verletzung von visuellem Copyright verklagte. Ein aussichtsloses Unterfangen, das Assonitis Film nur erfolgreicher machte und damit endete, dass Warner ihm einen Deal offerierte seine nächsten vier Filme auszuwerten. Ein Sieg Davids gegen Goliath.

Einer dieser Filme wurde dann »Piranha 2 – The Spawning«, der das Debüt von James Cameron markiert und dessen Produktionsgeschichte ebenso legendär ist, wie die danach folgende Karriere Camerons. Assonitis feuerte den jungen Regisseur nach zwei Wochen Dreh und übernahm selbst die Regie, als Cameron den Drehplan und das Budget schon weit überschritten hatte. Etliche Stories und Legenden ranken sich um die Entstehung dieses Films.

Die atmosphärischen Unterwasseraufnahmen bei »Tentacles«, seinem von »Jaws« inspiriertem Epos um einen mutierten Riesenkraken, der an der kalifornischen Küste sein Unwesen treibt, setzte der italienische Kameramann Roberto D’Ettorre Piazzoli um. Assonitis arbeitete mit ihm auch bei fünf anderen Filmen zusammen. Für »Beyond the Door« und »Out of Control« war Piazzoli unter dem Pseudonym Robert Barrett sein Ko-Regisseur. Auch bei der Umsetzung der Musikscores legte Assonitis größten Wert auf langfristige Partnerschaften und arbeitete mit einigen der besten italienischen Filmkomponisten zusammen. Stelvio Cipriani etwa schuf für »Tentacles« und »Piranha 2« legendäre Soundtracks. Später arbeitete er, wie auch ein anderer Komponist Assonitis, Franco Miccalizzi, für Quentin Tarantino, der seine Vorliebe für das italienische Genrekino in der Wahl seiner Scores zum Ausdruck brachte.

Nach seinem letzten Film im Jahr 2003 »Red Riding Hood« ist der heute 78-jährige weit von seinem Ruhestand entfernt. Seither widmet Assonitis sich der Entwicklung neuer Kino- und Serienproduktionen und arbeitet an Remakes seiner Kultfilme. Zu alledem ist er seit 2003 erneut im Distributionsgeschäft für Südostasien und Malaysien.

Ovidio G. Assonitis wird vom 15. bis zum 19. September 2021 in Oldenburg zu Gast sein.

Die Filme der Retrospektive

Im Rahmen der Retrospektive werden in Oldenburg die folgenden Filme zu sehen sein:

»Who Saw Her Die« (ITA 72, Regie: Aldo Lado / Produzent: Ovidio G. Assonitis)

»Beyond the Door« (ITA/USA 74, Regie: Ovidio G. Assonitis, Robert Barrett)

»Tentacles« (ITA 77, Regie: Ovidio G. Assonitis)

»The Visitor« (ITA 79, Regie: Giulio Paradisi / Produzent: Ovidio G. Assonitis)

»Madhouse« (ITA 81, Regie: Ovidio G. Assonitis)

»Piranha 2 – The Spawning« (USA 81, Regie: James Cameron / Produzent: Ovidio G. Assonitis).

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