Das Bloggen der Anderen (09-12-19)

– Rouven Linnarz hat für film-rezensionen.de ein Interview mit dem philippinischen Meisterregisseur Lav Diaz geführt.

Filmlichtung interessiert „Weihnachten als Hintergrund im Film“ und fordert am Ende seines für seine Verhältnisse eher kurzen Artikels die Leser auf, ihm noch mehr Tipps mitzuteilen. Insbesondere zu der Zeit vor 1980, da er sich da nicht so gut auskennt.

– Robert Wagner stellt auf critic.de den leider viel zu früh gestorbenen japanischen Filmemacher Kenji Mizoguchi, der neben Ozu und Kurosawa zu den großen klassischen Filmemachern des Landes gehört. Ferner schreibt über den Film „Donnybrook”, wobei ich seine Kritikpunkte nachvollziehen kann, aber hier generell eine andere Meinung habe. Wer mag kann ja „Donnybrook“ hier in der Suche eingeben und lesen, was ich nach meinem Kinobesuch in Oldenburg dazu schrieb.

– Rebecca Gustke schreibt auf Daumenkino über den Dokumentarfilm „Autobahn“, den sie auf dem Animations- und Dokumentarfilmfestival in Leipzig sah.

– Auf Eskalierende Träume hat sich André Malberg den „Erwachsenfilm“ „Oriental Baby Sitter“ von Sam “Anthony Spinelli” Weston vorgenommen und tiefgehend analysiert.

„Frankensteins Kung-Fu Monster“ hat mich beim diesjährigen Mondo-Bizarr-Weekender gut unterhalten. Christian war bei der Heimkinosichtung für Schlombies Filmbesprechungen ebenfalls nicht gelangweilt.

– Apropos Mond Bizarr. Eiderdaus… was lief da denn kürzlich in Düsseldorf? Oliver Nödings Erlebnisbericht von „Nessie, das verrückteste Monster der Welt“ auf Remember It For Later lässt einem die Kinnlade runter klappen. Dann lieber schnell zu John Ford, auch wenn dessen „The Fugitive“ „für „zwischendurch“ oder gar als Einstieg ins Ford’sche Schaffen“ von Oliver nicht empfohlen wird.

„A Tale of Two Sisters“ ist einer der unheimlichsten Filme, die ich im Kino gesehen habe und er hat mich nachhaltig beeindruckt. Auch Lucas Gröning ist auf Die Nacht der lebenden Texte der Meinung, dass Kim Jee-woons Film ein Meisterwerk ist. Und nach den verstörten, negativen Einwürfen (u.a. in unserem Lokalblatt „Weser Kurier“) zu Dominik Grafs tollen, neuen „Polizeiruf 110“ sei hier auch Volker Schönenbergers Besprechung von „Die Lüge, die wir Zukunft nennen“ hingewiesen, die so einiges wieder gerade rückt.

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Blu-ray-Rezension: „The Wild Boys“

Fünf reiche, arrogante und gewaltbereite Jungen werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem sie ihre Lehrerin zunächst sexuell misshandelt und dann zu Tode gebracht haben, von ihren Eltern in die Obhut eines mysteriösen Kapitäns (Sam Louwyck) gegeben. Dieser bringt sie auf eine seltsame tropische Insel bringt, wo die fünf „wilden Jungs“ neben bizarrer Vegetation, auch der zur Frau gewordene Herr der Insel (Elina Löwensohn) erwartet.

The Wild Boys” gehört zu den schönsten, wildesten und delirierensten Filmen der letzten Jahre. Ein Mischung aus dem wundervollen Kino eines Guy Maddin, eines George Kuchar, eines Nikos Nikolaidis und Lars von Trier zu “Europa”-Zeiten schaut auch vorbei. Aufgeladen mit sexuellem Symbolismus. Feucht-explosiv, Grenzen der Sexualität verwischend. Eine Film zwischen Traum, Albtraum, Kunst, Exploitation, Underground und klassischem Hollywood. Körniges Schwarzweiß explodiert in grellbunten Technicolorfarben. Regisseur Bertrand Mandico kommt aus der französischen Experimentalfilmszene, wo er zwanzig Jahre lang, nur Kurzfilme realisiert hat. Zusammen mit der der isländischen Filmemacherin Katrin Olafsdotir hat er 2012 ein Manifest verfasst, welches sie „Incoherence Manifesto“ nannten: „Inkohärent zu sein bedeutet, an das Kino zu glauben und einen romantischen Ansatz zu haben. Der inkohärente Film ist unformatiert, frei, verstörend und traumhaft, ist kinogen und episch. Er ist ohne Zynismus, aber voller Ironie.“ Wie man an meiner oben aufgeführten Auflistung an Worten, die den Film trotzdem nicht vollständig greifen können, sieht, hat sich Mandico auch sehr genau an sein Manifest gehalten, denn es beschreibt den Film auf den Punkt genau.

Der Film beruht sehr frei auf einer Vorlage von William S. Burroughs. In dessen Roman“ The Wild Boys: A Book of the Dead“ von 1971 geht es um eine homosexuelle Jugendguerilla, welche in einer apokalyptischen Zukunft gegen einen repressiven Staat kämpft. Burroughs hatte bereits in den 70er Jahren eine Verfilmung seines Buches im Sinn, welches seinem Willen nach ein schwuler Hardcore-Porno werden sollte. Aber daraus wurde nichts. In den 80er Jahren wollte der damals schwer angesagte Videoclip-Regisseur Russell Mulcahy das Werk mit der ebenfalls immens populären Band Duran Duran verfilmen. Doch auch dieses Vorhaben zerschlug sich und der Song „Wild Boys“ (dessen Video immerhin von Mulcahy inszeniert wurde) ist ein letztes Rudiment dieses Projektes.

Bertrand Mandico geht jetzt nicht soweit einen Hardcore-Porno zu inszenieren, aber er wagt sich so weit vor, wie es ihm scheinbar gerade möglich war. Die seltsamen, pelzigen Früchte, die die Jungs essen sehen aus wie Vulven. Zu Beginn ejakulieren die Jungs auf das Gesicht der gefesselten Lehrerin. Penisse werden gezeigt, einer sogar tätowiert. Und auf der Insel erinnern Pflanzen an willige Leiber, explodierende Phallen oder spermatriefende Schwänze. Ganz über die Grenzen des im Arthaus-Kino zeigbaren geht Mandico zwar nicht, aber er lotet die Grenze genüsslich aus. Die Luft vibriert vor Sexualität und Gewalt. Die Trennlinie zwischen den Geschlechtern wird aufgelöst. Darin zahlt auch die Entscheidung der Regie ein, die „wilden Jungs“ komplett mit Frauen zu besetzten. Ein Clou, der wunderbar funktioniert. Mir war davon zuvor nichts bekannt und die Illusion hat perfekt gewirkt. Bis zum Schluss war ich in dem Glauben, hier junge männliche Schauspieler vor mir zu haben. Auch wenn sich zum Ende die fünf talentierte Schauspielerinnen von den wilden Jungs in junge (nicht minder wilde) Frauen verwandelt haben, sind die Veränderungen in ihrem Verhalten subtil, und in ihnen schlummert weiterhin das Gewaltpotential und die latente Bedrohlichkeit, die auch die „Wilden Jungs“ ausgezeichnet haben.

In wichtigen Nebenrollen sind ferner Sam Louwyck und Mandicos Muse Elina Löwensohn zu sehen. Löwensohn kooperierte mit Mandico bereits in einigen Kurzfilmen. Hier spielt sie den geheimnisvollen Herrscher der Insel, welcher bereits die volle Transformation zur Frau durchgemacht hat und so etwas wie der Zeremonienmeister der Verwandlung darstellt. Löwensohns leicht androgyn wirkendes Wesen lässt ihren Séverin oder Séverine auf der Rasierklinge zwischen männlicher und weiblicher Sexualität balancieren. Dabei erinnert sie (auch von der Kleidung her) an Marlon Brando in „DNA – Die Insel des Dr. Moreau“ – auch die Geschichte eines Wissenschaftlers, der auf einer abgelegenen Insel Menschen transformiert – und in Frankenheimers Version der Geschichte ähnlich exzentrisch und außerweltlich daher kommt. Sicherlich kein Zufall. Sam Louwycks Leistung darf auch nicht unterschlagen werden. Als autoritäres Raubein, irgendwo zwischen Captain Ahab und Gny. Sgt. Hartman. Welches sich immer inneren aber wünscht, sich in seine weibliche Seite verwandeln zu können, dies aber zu seinem großen Schmerz nicht schafft. Nur eine einzige Brust wächst ihm, aber der Penis bleibt. Louwyck wandelt souverän zwischen eiserner Härte und übersteigertes Maskulinum und zarter Verletztheit und tiefer Sehnsucht nach Liebe. Womit er letztendlich die interessanteste, da ambivalenteste Figur in diesem Film ist. Neben der mit einem ähnlich charakteristischen Gesicht gesegneten Anaël Snoek, die am Ende vielleicht die Rolle des Captains einnimmt.

Bestimmt das Geschlecht den Charakter. Oder der Charakter das Geschlecht? Wohlweislich lässt Mandico diese Frage offen. Kommentiert nicht. Zeigt nur und lässt den Zuschauer mit seinen Gedanken und der Interpretation der Geschichte allein. Lässt ihn zurück in diesem dunklen Fiebertraum, aus dem man dann irgendwann wieder erwacht. Noch ganz benommen von der pulsierenden, treibenden Musik Pierre Desprats, welche sich kongenial über diesen magischen Film legt. Grandios auch die Auswahl begleitender Musikstücke, die von Nora Orlandis wundervollen „Der Killer von Wien“-Soundtrack, über Tchaikovskys „Danse de la Fée Dragée“ bis hin zu Nina Hagens „Naturträne“ reicht. Am Ende erklingt im Abspann das atemberaubende Lied „Wild Girl“, welches von Pierre Desprats komponiert und von Elina Löwensohn gesungen wird. Leider scheint der Soundtrack nirgendwo veröffentlicht worden zu sein. Er wäre eine Pflichtanschaffung.

Bildstörung setzt mit seiner Drop-Out Nr. 35 den Weg fort, den das Label mit den letzten Veröffentlichungen eingeschlagen hat. Bild und Ton ist wie immer vorbildlich. Die französischen Tonspur (einen deutsche Synchronisation gibt es nicht) liegt in wunderbar klarem DTS-HD Master Audio 5.1 vor. Das Bild weist eine Vielzahl der Effekte auf, wobei man in den klaren schwarz-weiß-Szenen deutlich sehen kann, wie brillant es ist. Mandico nutzt das Format 1,66:1, sodass nicht nur links und rechts, sondern auch oben und unten schwarze Balken zu sehen sind, was einen leicht klaustrophobischen Effekt hervorruft. Da das Bild darüber hinaus wie bei alten 8 oder 16mm Aufnahmen an den Ecken leicht abgerundet ist, wird die Illusion erzeugt, einen alten Film aus den 10er oder 20er Jahren zu sehen. Das Bonusmaterial besteht in erster Linie aus vier hochinteressanten Kurzfilmen des Regisseurs, die zwischen 8 und 31 Minuten lang sind und alle zusammen mit seiner Hauptdarstellerin/Muse Elina Löwensohn realisiert wurden. Diese Elina Löwensohn hat auch ein „Behind the Scenes“ gedreht, welches eigentlich ein eigenständiger Kurzfilm von 11 Minuten ist. Dieser besteht aus Aufnahmen der Insel und Bildern von den Dreharbeiten, sowie Löwensohns lyrischen Kommentar und wird untermalt von „Wild Girl“. Zu den Extras gehören dann noch 17 Minuten stumme „Deleted Scenes“, die mit Musik unterlegt sind. Und natürlich das 16-seitige Booklet mit einem Text des Filmwissenschaftlers Olaf Möller und einem Interview mit Bertrand Mandico.

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Das Bloggen der Anderen (02-12-19)

– Der deutsche Heimatfilm der 50er Jahre lebt weiter! Wo? Im deutschen Kinderfilm der 10er Jahre. So die sehr gut argumentierte und nachzuvollziehende These von Rochus Wolff auf kino-zeit.de.

Auge und Umkreis (VII): Eine meiner Lieblingskolumnen vom großartigen Rainer Knepperges , die regelmäßig auf new filmkritik erscheint hat eine neue Folge. Ein Hochgenuss.

– Fast schon weniger Filmbesprechung, sondern eher kleine Abhandlung: Ein merklich überwältigter Oliver Nöding schreibt auf Remember It For Later über Michael Ciminos „Heaven’s Gate“.

Filmlichtung macht sich ausführliche Gedanken zu dem in den 2000ern so schnell populär gewordenen, teilweise extrem populär, teilweise ebenso extrem gefloppten „Cinematic Universen“.

– So wie ich (daher letzte Woche auch eine Pause), war auch Daumenkino auf den Braunschweig International Filmfest. Miriam Eck schreibt über „Bacurau“ und „Kopfplatzen“.

– Am Ende kommt Lukas Foerster wieder zurück zum Anfang und beschließt seine „Konfetti“-Kolumnen auf Dirty Laundry mit einer Betrachtung des Filmes „Strange Days“ und… Konfetti.

„Dear Dead Delilah“ von 1972 sagte mir bisher gar nichts. Der Drehbuchautor und Regisseur John Farris umso mehr. Hatte ich doch in den 90ern ein paar seiner Bücher gelesen. André Malberg stellt auf Eskalierende Träume den seltsamen Film, den er mit „Gewiss bleibt jedoch: Nur selten stößt man auf Kunstwerke, die die Stränge grundverschiedener Erscheinungsformen intelligenter miteinander in Gleichklang bringen“ beschreibt.

– Es wird Zeit, dass ich „Horror Express“ mal in einer guten Fassung und nicht nur von der grottigen GB-DVD von annodazumal sehe. Schattenlichter macht darauf Lust.

Umberto Lenzis „Labyrinth des Schreckens“ ist vielleicht kein guter, aber ein schwer unterhaltsamer Film. Bluntwolf sieht das auf Nischenkino ebenso. Auf allen Ebenen schwer begeistert ist er aber von „Leichen unter brennender Sonne“ von Helene Cattet und Brunao Forzani.

– Auf Die Nacht der lebenden Toten ist eine sehr gute und punktgenaue Kritik zum John-Wayne-Vehikel „McLintock!“ von Lars Johansen erschienen.

Schlombies Filmbesprechungen vergleicht „Die Mörderpuppe“ mit dem neuen Remake „Child’s Play“. Sehr zum Vorteil vom Original-Chucky.

– Totalschaden schreibt auf Splattertrash über „Die letzten Glühwürmchen“ und beim lesen über den Film habe ich schon wieder Wasser in den Augen.

Allesglotzer hat sich „Das Gehirn“ vorgenommen. Ein „dem B-Film der 50er nacheiferndes Werk“.

– Zu guter Letzt. Thomas Groh hat auf seinen Logbuch einen Tipp: Das Archiv der altehrwürdigen Schweizer Filmzeitschrift Filmbulletin ist fortan bei e-Periodica als PDF zugänglich.

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Das Bloggen der Anderen (18-11-19)

– Anlässlich des 80. Geburtstages von Rudolf Thome blickt Tilman Schumacher auf critic.de ausführlich zurück auf sechs Jahrzehnte filmischen Schaffens. Michael Kienzl berichtet von der Duisburger Filmwoche 2019.

– Eine weitere Folge der Filmgeschichte(n) auf kino-zeit.de. Christian Neffe über die heimliche Liebe zwischen Ben Hur und Messala. Und Katrin Doerksen beschäftigt sich eingehend mit der unrühmlichen Geschichte des Komitee für unamerikanische Umtriebe und deren unheilvolle Auswirkung auf Hollywood auseinander.

Filmlichtung lässt jüngere Vergangenheit Revue passieren: Die 2010er und das Aufkommen (und Siegeszug?) der 3D Technologie.

– Patrick Holzapfel hat auf Jugend ohne Film „Vitalina Varela“ von Pedro Costa ein langes Essay gewidmet.

– Oliver Armknecht interviewt auf film-rezensionen.de den im Iran geborenen Regisseur Hossein Pourseifi zu seinem Film „Morgen sind wir frei“. Und er entdeckt bizarres bei der seltsamen Jelinek-Verfilmung (na ja) „Die Kinder der Toten“.

– Guido Rohm schreibt auf Hard Sensations ein paar Gedanken über Claire Denis‘ „High Life“ auf.

– Zweimal „Das Haus der Angst“. Das Urteil ist aber recht einstimmig „filmischen Gräueltaten“ macht Bluntwolf auf Nischenkino aus, „etwas bis ziemlich (je nach Wohlmeinung) schwachbrüstig“ findet ihn funxton.

– Ein Film mit dem ich viele schöne Erinnerungen verbinde: „An American Werwolf in London“. Könnte ich eigentlich auch mal wieder gucken. Gerade auch nach Schattenlichters aktueller Besprechung.

– Was ist eigentlich aus Ronny „The Bride With White Hair“ Yu geworden? Muss ich mal nachforschen. Schlombies Filmbesprechungen erinnern an Yus US-Film „Freddy Vs. Jason“.

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 35 erhältlich

Bald erscheint schon die Nummer 36, da fällt mir ein, dass ich noch gar nicht darauf hingewiesen habe, dass die Nummer 35 des „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ schon seit einigen Wochen am Start ist. Schwerpunktthema ist diesmal Mexiko und die Kollegen haben viele interessante Artikel dazu zusammengestellt. Aber auch die regelmäßigen Kolumnen sind wieder ausgesprochen lesenswert.

Ich habe mich diesmal mit den immens populären mexikanischen Helden in Strumpfhosen beschäftigt und bin dem Erfolg des sogenannten Luchador-Films auf den Grund gegangen. Wem der Begriff nichts sagt: Das sind die maskierten Wrestler (oder Catcher, wie es früher hieß), die in den 60er und 70er Jahren in unzähligen Filmen gegen Gangster, Zombies, Vampire, Mumien und vielerlei anderer Feinde antraten.

Was es sonst noch alles zu lesen gibt, sieht man hier:

Heft #35 kann man HIER für € 4,50 zzgl. Versand beziehen.

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Blu-ray-Rezension: „Graf Zaroff – Genie des Bösen“

Der junge amerikanische Großwildjäger Rainsford (Joel McCrae) findet sich nach einem Schiffsbruch auf einer geheimnisvollen Insel wieder. Zuflucht findet er in einer alten Festung, in welcher der russische Graf Zaroff (Leslie Banks) sein Refugium hat. Überrascht muss Rainsford feststellen, dass er nicht Zaroffs einziger Gast ist. Die schöne Eve (Fay Wray) und ihr alkoholkranker Bruder Martin (Robert Amstrong) sind ebenfalls nach einem Schiffbruch hier gestrandet. Zaroff selber entpuppt sich als fanatischer Jäger, der – wie er selbst sagt – sich auf das gefährlichste Tier der Welt spezialisiert hat. Bald schon dämmert Rainsford, was oder vielmehr wer damit gemeint ist…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Es ist schon eine etwas undankbare Aufgabe, wenn man über einen Film schreibt, den jeder Filmliebhaber kennt (oder zumindest kennen sollte). Was soll man schreiben, was nicht schon bekannt ist? Dass „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ aka „The Most Dangerous Game“ quasi ein “Abfallprodukt” der weitaus größeren Produktion “King Kong” ist, mit der er sich nicht nur die Dschungel-Kulissen, sondern auch Darsteller, Produzenten und Hauptregisseur teilt. Dass die Dreharbeiten zeitgleich – sozusagen nach Feierabend – zu “King Kong” stattfanden? Oder dass der Film unzählige andere Filme inspirierte, die ihn mehr oder weniger offen kopierten, In beinahe jedem Jahrzehnt gab es „Menschenjagd-Filme“, in denen dekadente Jäger ihr menschliches Wild jagten. In den 90ern waren Van Damme in John Woos „Harte Ziele“ oder Ice-T in „Surviving the Game“ die bedauernswerten, aber ziemlich wehrhaften Opfer einer solchen Treibjagd. In den 80ern gab es den australischen „Turkey Shot“. In den 70ern „Open Season“ In den 2000ern wurden in Japan Schüler aufeinander losgelassen, die sich gegenseitig jagen mussten („Battle Royale“) und wahrscheinlich ließ sich auch Robert Sheckly von „The Most Dangerous Game“ zu seinen Kurzgeschichten „The Seventh Victim“ und „The Prize of Peril“ inspirieren, auf denen wiederum die Filme „Das 10te Opfer“, „Kopfjagd – Preis der Angst“ oder das legendäre „Das Millionenspiel“ entstanden. Selbst Jess Franco verfilmte 1974 mit „La Comtesse perverse“ seine Version der Geschichte und nannte die Antagonistin dann auch „Gräfin Zaroff“. Diese Liste könnte noch lange fortgeführt werden. „The Most Dangerous Game“ war die Blaupause und hält sich auch heute noch besser oder zumindest genauso gut, wie seine Nachfolger.

Dass „The Most Dangerous Game“ auch 2019 noch so frisch wirkt, liegt einerseits an seiner angenehmen Kürze, die sich gar nicht erst die Zeit nimmt, um sich mit irgendetwas anderem als der schlanken Handlung auseinanderzusetzen. Dementsprechend ist auch das Tempo, welches „The Most Dangerous Game“ an den Tag legt. Eine kurze Exposition, dann das Zusammentreffen aller wichtigen Figuren in Zaroffs unheimlichen Schloss – und schon geht die Treibjagd los, die dann auch flott und mit viel Gespür für Timing umgesetzt wird. Es folgt ein schnelle Finale und ehe der Zuschauer Zeit zum Luftholen hat, ist der Film schon vorbei. Mit einer Länge von gerade mal 63 Minuten ist „The Most Dangerous Game“ ein typischer B-Film. Ursprünglich lief er mal 10 Minuten länger, doch allzu grausame Szenen in Zaroffs Trophäenraum ließen der Legende nach die Testzuschauer reihenweise den Kinosaal verlassen, was zu Kürzungen führte. Trotzdem ist der Film für seine Entstehungszeit recht gewagt, da der berüchtigte Hays-Code damals noch nicht verpflichtend war. Mit dem „großen Bruder“ “King Kong“ hat er neben den oben aufgeführten Überschneidungen vor allem auch die einzigartige Atmosphäre gemeinsam, welche die Dschungelszenen in diesem wie jenem Film auszeichnet und unvergesslich macht. Eine permanent düster-bedrohliche Stimmung, die aus dem Dschungel ein gefährliches Albtraumland macht, in dem alles passieren kann. Und welche beide Filme ziemlich klar im Horrorgenre verankert.

Der noch sehr junge Joel McCrae ist die ideale Verkörperung des aufrechten Amerikaners. Auch wenn er durchaus ein Seelenverwandter Zaroffs ist und sich diesem sicherlich ohne mit der Wimper zu zucken angeschlossen hätte, ginge es darum das letzte lebende Exemplar einer aussterbenden Spezies jagen. Nur die Jagd nach Menschen geht ihm ein wenig zu weit und übersteigt seinen moralischen Horizont. Davon abgesehen brüstet er sich ebenso arrogant mit seinen „Abschüssen“ und Fähigkeiten zum kaltblütigen Töten, wie es auch Zaroff tut. Zaroff erkennt in ihm also zurecht eine verwandte Seele. Der britische Bühnenschauspieler Leslie Banks personifiziert diesen Zaroff perfekt als Mann zwischen Wahnsinn und maßloser Eitelkeit. Zwar ist seine deutsche Synchronstimme sehr gut, doch nur in der Originalfassung kann Banks vollkommen glänzen. Sein arroganter, selbstverliebter und dabei auch leicht tuckiger Ton, der im Original mit einem weit weniger dicken russischen Akzent gesprochen wird, gibt perfekt auch die homoerotische Spannung zwischen ihm und McCrae wieder. Da bedarf es gar nicht der berühmten Szene in der McCrae in eine Art Lederkorsett gesperrt, um zu verstehen, dass Zaroff in ihm mehr als nur einen Kollegen sieht. Banks überaus interessantes Gesicht, welches durch eine halbseitige Lähmung einen unverwechselbaren, bedrohlichen Eindruck bekommt, ist da nur noch die zusätzliche Sahne auf der Torte. Demgegenüber verkommt die schöne Fay Wray fast zur nett anzuschauen Beigabe. Aber nur fast. Gekrönt wird dieses kleine Meisterwerk durch die kongeniale Musik Max Steiners, die wie der Film selber, großen Einfluss auf das Genrekino hatte.

Ein unverzichtbares Meisterwerk, dessen Glanz bis in unsere heutige Zeit strahlt und unzählige Nachfolger inspiriert hat. Die Handlung beschränkt sich auf das Nötigste und rauscht in schlanken 62 Minuten durch, lässt aber trotzdem Freiräume für Interpretation und baut gerade in den beeindruckenden Dschungel-Sets eine unheimlich-morbide Atmosphäre auf.

Die Blu-ray von Wicked Vision präsentiert den Film in der bestmöglichen Qualität. Zwar kommt es hier und dort zu altersbedingten Schäden und kurzen Laufstreifen, aber besser wird man diesen fast 90jährigen Film vermutlich nicht zu sehen bekommen. Zudem machen diese „Mängel“ auch gar nichts aus, denn das Bild ist größtenteils recht scharf. Auch der Ton weiß zu überzeugen. Die deutsche Synchro aus den 70ern ist gut mit vertrauten Sprechern, wobei ich allein aufgrund von Leslie Banks einmaliger Diktion immer die Originaltonspur (welche selbstverständlich mit an Bord ist) vorziehen würde. Bei den Extras bin ich etwas zwiegespalten: Rolf Giesen spricht das Intro, ist bei beiden Audiokommentaren dabei (einmal solo und einmal mit Kai Naumann), darf ein fünfminütiges Videoessay über die Remakes (bei dem er vieles auslässt) und schlussendlich noch ein sechsminütiges über den Film selber einsprechen. Das ist ziemlich viel Rolf Giesen, und ich glaube unterschiedliche Blickwinkel wären hier nicht nur abwechslungsreicher, sondern auch spannender gewesen. Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass ich bei vielen seiner Einschätzungen und Kommentaren auch nicht einer Meinung mit ihm bin. Vor allem liegt mir noch immer sein berüchtigter Cronenberg/Himmler-Vergleich im Magen, den er in einem schrecklichen Pamphlet gegen den modernen Horrorfilm 1990 in seinem ansonsten empfehlenswerten Buch „Sagenhafte Welten. Der phantastische Film“ vom Stapel ließ. Dies hat aber nichts mit „The Most Dangerous Game“ zu tun, den er gewohnt kenntnisreich kommentiert, auch wenn sich hier und dort kleine Fehler einschleichen (nein, Steiners Score war nicht der erste durchgängige). Dass es dabei immer wieder zu Wiederholungen kommt, liegt auch in der Natur der Sache. Dass Giesen seine altväterlichen Vorurteile leider bis heute nicht abgelegt hat, merkt man spätestens, wenn er augenzwinkernd (?) feststellt, dass die Jugend von Heute durch die ganzen Killerspiele am PC irgendwann selbst zu kleinen Zaroffs werden. Da schüttelt es einen dann doch wieder – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen „Gamer-Debatte“ im Zuge des Verbrechens von Halle. Ein absoluter Lichtblick ist dahingegen das wundervolle Booklet von Clemens G. Williges (sein Text liegt dabei sowohl auf Deutsch als auch in einer englischsprachigen Übersetzung vor). Hier mag ich voreingenommen sein, da ich Clemens als Chefredakteur (und quasi meinem Chef) der 35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin kenne. Doch ich muss gestehen, dass mich das Booklet trotzdem sehr angenehm überrascht hat. Meiner Meinung nach, ist das Beste, was Clemens bisher geschrieben hat. Hut ab! Sehr informativ, gut verständlich und gegliedert, und vor allem sehr kurzweilig ohne dabei irgendwelche müde Witzchen zu bemühen, wie man es gerade bei Booklets oftmals vorfindet. Große Klasse. Wie überhaupt die ganze liebevolle Veröffentlichung.

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Das Bloggen der Anderen (11-11-19)

– Und voraussichtlich zum letzten Mal Berichte vom DOK Leipzig. Kurzkritiken von Studierenden der Uni Hildesheim zu Dokumentarfilmen aus dem Iran, Venezuala, Österreich und dem Havelland gibt es auf critic.de. Und Anne Küper teilt Beobachtungen zum Symposium „Wem gehört die Wahrheit?“ mit.

– Und auch auf kino-zeit.de ist die DOK weiterhin Thema. Kais Harrabi schreibt über die Retrospektive beim Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig, in der es darum ging wie BRD und DDR sich auch im Dokumentarfilm immer wieder aneinander abgearbeitet haben. Ein wenig Klatsch zwischendurch: Katrin Doerksen über Michael Ende vs Bernd Eichinger bei „Die unendliche Geschichte“. Und noch einmal Katrin Doerksen, diesmal mit einer Klick-Strecke über die einflussreichsten Filmkritiker und -kritikerinnen aller Zeiten.

– Oliver Armknecht hat auf film-rezensionen.de Roland Emmerich zu seinem neusten Film und den Bayrischen Filmpreis für sein Lebenswerk befragt.

– Schöne Idee: Die Top 5 des Kinojahres 1979 mit Kommentar durch Filmlichtung.

– Die verborgene Komödie nach 2000: In der Reihe „Hidden Smiles“ spüren Jugend ohne Film dem utopischen Potenzial des Lachens in diesem Jahrtausend nach. Rainer Kienböck stellt die Filme der Reihe vor.

– Guido Rohm probiert auf Hard Sensations eine Annäherung an „Mandy“ (auch wenn ich mit seiner Beschreibung vom Schauspieler Cage nicht konform gehe).

– Sven Safarow schreibt auf Eskalierende Träume über die große Nutzlosigkeit und die Natur der Dinge in „The Mechanic“ von 1972.

– Mehr Mel Gibson in Action-Altersrollen fordert Oliver Nöding nach der Sichtung von „Get the Gringo“ und „Blood Father“ auf Remember It For Later. Außerdem habe ich mir jetzt „A Walk Among Tombstones“ ins Notizbüchlein geschrieben, den ich immer für einen formelhaften Actioner hielt. Scheinbar weit gefehlt.

„Tanz der Dämonen“ lachte mich immer in der Videothek an. Aber dabei ist es auch geblieben. Kein großer Verlust, wenn ich Heiko von Allesglotzer Glauben schenken kann.

Die seltsamen Filme des Herrn Nolte nimmt sich Bertrand Mandicos „The Wild Boys“ vor, über den ich hier demnächst auch einige Zeilen verlieren werde.

– Nach dem grandiosen Meisterwerk „Parasite“ kann man ruhig noch einmal an Bong Joon-hos große internationale Produktion „Snowpiercer“ erinneren. So, wie es totalschaden auf Splattertrash tut.

– Viele Filme mit Kurzkritik gibt es bei Kozure Okami.

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Blu-ray-Rezension: „Dark Waters“

Die junge Engländerin Elizabeth (Louise Salter) reist in die Ukraine, um ein auf einer entlegenen Insel befindliches Nonnenkloster zu besuchen. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie nämlich herausgefunden, dass er dieses Kloster jahrelang mit größeren Geldsummen bedacht hat. Elizabeth will nun herausfinden, was hinter dieser Sache steckt. Im Kloster angekommen, muss sie erfahren, dass ihre bereits vorgefahrene Freundin Theresa (Anna Rose Phipps) verschwunden ist. Von Visionen und Erinnerungen geplagt, freundet sich Elizabeth mit der jungen Nonne Sarah (Venera Simmons) an, die ebenfalls versucht der Rätseln des Klosters auf den Grund zu gehen, Dabei scheint es, dass die anderen Nonnen unter der Führung ihrer blinden Mutter Oberin (Mariya Kapnist) einem geheimnisvollen Kult angehören…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Als ich Mariano Bainos „Dark Waters“ irgendwann Mitte der 90er das erste Mal sah, ging ich fest davon aus, dass er Teil einer neuen Generation von Genre-Regisseuren werden würde, die das Genre in den nächsten Jahren prägen sollten. So, wie es 20 Jahre zuvor Carpenter, Romero, Craven, Hooper und Cronenberg taten. Den kurz zuvor hatte mich damals auch Anthony Wallers zwei Jahre später entstandener „Mute Witness“ begeistert, Soavi hatte zwei Jahre zuvor „The Sect“ gedreht und sollte ein Jahr später den wundervollen „Dellamorte Dellamore“ folgen lassen. Mit „Thesis“ startete 1996 eine Welle spanischer Genrefilmen in deren Fahrwasser man sich auch gut Produktionen der obenen genannten Regisseure hätte vorstellen können. Leider wurde daraus nichts. Wallner drehte noch eine mit Computereffekten überladene „American Werewolf“-Fortsetzung, danach folgten im Abstand von 9 Jahren noch zwei Filme und seit 2009 kam dann aber nichts mehr, Soavi wechselte zum italienischen Fernsehen, Baino drehte nach „Dark Waters“ keinen einzigen Film mehr. Lediglich die Spanier sorgen bis heute dafür, dass immer wieder außerordentlich von der iberischen Halbinsel zu uns schwappt, auch wenn dies eher ein permanenter, mal mehr mal weniger Starker Strom und keine Welle ist.

Schade, denn „Dark Waters“ offenbart auch heute noch alle Qualitäten, die ausreichen sollten, um Kultstatus zu erlangen. Auch erweist sich Baino als talentierter Handwerker, der seine großen Vorbilder (ganz klar Argento) gut studiert und verstanden hat. Doch vielleicht kam „Dark Waters“ damals einfach zur falschen Zeit. Das Horrorgenre war nach seinem letzten Höhepunkt Mitte der 80er tot. Gefragt waren Thriller im „Schweigen der Lämmer“-Fahrwasser. Die italienische Genre-Produktion lag in den letzten Zügen, die Großmeister konnten nicht mehr an ihre früheren taten anknüpfen, was Argento im selben Jahr als „Dark Waters“ entstand in die USA trieb, wo ihm allerdings auch kein Erfolg gegönnt war. Der große, klassische Horrorfilm – ihn gab es kaum noch irgendwo und war auch nicht mehr sonderlich gefragt. Und in diesen Zeitgeist hinein, produzierte Baino diese Mischung aus Okkult-Schocker, Nunploitation und Lovecraftschen Schreckens. Die dann ohne kommerziellen Erfolg blieb und in der Versenkung verschwand. Eine deutsche Veröffentlichung gab es bisher nicht, und ich selber sah den Film damals auf einer Import-VHS aus England. Bis auf ein paar Genre-Spezis erinnerte sich keiner mehr an diesen Film. Doch langsam und stetig gewann er über die Jahre an Reputation und Fans. Trotzdem blieb er ein Geheimtipp. Laut OFDb gab es bisher aber nur in den USA eine DVD-Veröffentlichung.

Baino gelingt es die Schwächen, die der Film offenkundig hat, in Stärken umzuwandeln. Da kein Geld zur Verfügung stand, wurde irgendwo in der Ukraine gedreht, wo man einige Einheimische als Nebendarsteller verpflichtete. Dies trägt aber zu der seltsamen, unwirklichen Stimmung bei, die in „Dark Waters“ vorherrscht. Alles wirkt fremd, aber echt. Wenn sich Elizabeth auf ihre Reise macht, hat man tatsächlich das Gefühl, sie würde nicht nur zu einem einsamen Ort am Ende der Welt, sondern auch in der Zeit reisen. Die zerknitterten Gesichter der Nebendarsteller erzählen Geschichten, über die eigentliche Geschichte hinaus. Auch dass das Drehbuch an einigen Stellen nicht viel Sinn macht, trägt zu einer traumgleichen Atmosphäre bei. Katapultiert den Film in eine unheimliche „Nicht-Welt“, jenseits unserer Rationalität.Die Britin Louise Salter spielt in ihrer Rolle als Elizabeth eine wenig gegen ihre Mitspieler an. Sie wirkt wie jemand, der frisch von der Schauspielschule kommt und sich jetzt beweisen will. Was durchaus auch möglich ist, war „Dark Water“ doch Salters erster Film, dem allerdings nicht mehr sehr viel folgen sollte. Immerhin scheint sie ab und zu in unregelmäßigen Abständen kleine Rollen in TV-Serien zu übernehmen. Dass sich Louise Salters Spiel nicht wirklich in das Ensemble – welches scheinbar aus Laien besteht, haben doch einige Akteure nur diesen einzigen IMDb-Eintrag, passt aber sehr gut zu ihrer Rolle als Eindringling von außen, der nicht in diese Welt gehört und eine Fremde bleibt.

Baino hat seine Vorbilder gut studiert. Im typischen 90er-Jahre-sepia-goldenen Ton zitiert er Filme wie „Hexensabbat“, diverse Nonnen-Gruseler ala „The Other Hell“, die geheimnisvollen, prophetischen Malereien, wie sie bei Argento und Fulci vorkommen, Surreale Kreuzungsszenen wie in den italienischen „Exorzist“-Rip-Offs. Vermischt wird dies mit vielen Lovecraft-Einflüssen. Am Ende gibt es dann auch ein kosmisches Grauen, welches vielleicht etwas enttäuschend ausfällt (möglicherweise hätte es Baino besser bei einer bloßen Andeutung gelassen). Wie oben bereits geschrieben ist „Dark Waters“ kein Film, der sich durch eine besonders clevere und logische Handlung auszeichnet, sondern einer, der sich ganz auf die von ihm kreierte Atmosphäre verlässt. Dem unheimliche, kraftvolle Bilder wichtiger sind, als der ausgefeilte Dialog. Und hier spielt Baino seine ganze Stärke aus. Unvergessen zum Beispiel die kreuzunheimliche (und für den Film eigentlich komplett irrelevante) Szene, in der Elizabeth aus dem Bus heraus einige Kapuzenmänner mit brennenden Fackeln neben dem Fahrzeug und in einem Feld laufen sieht. Man mag sich gar nicht ausmalen, was da von Baino vielleicht noch gekommen wäre, hätte er die Chance erhalten weitere Langfilme zu drehen. So bleibt einem nur, den entgangene Chancen nachzutrauern und sich an seinem einzigen Spielfilm „Dark Waters“ zu erfreuen.

Vielleicht nicht der ganz große vergessene Klassiker, aber ein starker Beitrag aus der Spätzeit des italienischen Genre-Kinos, der unter anderen Umständen vielleicht eine Renaissance hätte einläuten können. Eine lohnende Wiederentdeckung.

Wicked Vision Media hat „Dark Waters“ eine Rundum-glücklich-Edition spendiert, die sich sehen lassen kann. Die Blu-ray glänzt mit einem nahezu perfekten Bild, welches sehr scharf, detailreich und mit sattem Schwarz daherkommt – und gleichzeitig dem Werk seinen „Film-look“ lässt. Also überhaupt nicht aufpoliert und seelenlos wirkt. Besser geht es eigentlich nicht. Auch der Ton ist sowohl im englischen Original (welches ich aufgrund der verschiedenen, authentischen Akzente der Akteure bevorzuge) und der neu erstellten deutschen Synchronisation ebenfalls sehr voll und stimmig. Was die Extras angeht, so hat Wicked Vision hier den ganz großen Sack aufgemacht und den Käufer – offensichtlich in enger Zusammenarbeit mit Regisseur Mariano Baino mit einem wahren Füllhorn an Boni beschenkt. Die Blu-ray beginnt dann auch gleich mit einer kurzen Einführung des Regisseurs. Dann befindet sich auf der Scheibe noch fünf spannende Featurettes. In vier davon beleuchtet Baino sein Leben, seine Einflüsse und die schwierigen Dreharbeiten. Dies zusammen läuft ganze 45 Minuten. Zusätzlich gibt es noch ein recht interessantes Video-Essay mit Pelle Felsch, der den Film filmhistorisch einordnet und analysiert. In vier weiteren Promo-Features spricht dann wieder Baino über seinen Film. Trailer und Bildgalerien runden das Bild ab. Nicht zu vergessen, der Audiokommentar, den Baino mit dem italienischen Filmproduzenten Michele De Angelis eingesprochen hat und bei dem man deutsche Untertitel zuschalten kann. Derartig erschlagen hätte ich fast die zweite DVD in diesem Mediabook übersehen, da ich glaubte, man hätte den Inhalt der Blu-ray auf zwei DVDs aufgeteilt. Doch die Extras der Blu-ray befinden sich auch komplett auf der ersten DVD, während die zweite weiteres Bonusmaterial enthält. Hier findet man ein weiteres, langes Making-Of namens „Deep Into the Dark Waters“, welches stolze 48 Minuten dauert, sowie zwei weitere, kürzere Einblicke in die Entstehung des Filmes, Blooper und Deleted Scenes. Damit aber noch immer nicht genug! Weiterhin gibt es drei (!) Kurzfilme Bainos zu bewundern, die zwischen 13 und 20 Minuten laufen. Zum längsten, „Caruncula“, gibt es ein Intro des Regisseurs, zum Kürzesten „Never Ever After“ ein Making-Of (!!), welches einen Tick länger als der Film selber ist (!!!). Und wer dann immer noch nicht genug bekommen kann, der kann sich dann noch ein von Baino gedrehtes Musikvideo ansehen. Bildgalerien zu zwei der Kurzfilme gibt es auch, sowie ein zweiminütiges Vorwort von Baino. Ufff… soviel Dienst am Kunden ist selten und daher ein dickes Dankeschön an Wicked Vision und Mariano Baino, dass dieses fette Paket so liebevoll geschnürt wurde. Habe ich noch etwas vergessen? Ja, das 48-seitige deutsch-englische Booklet. Hier schreibt zunächst David Renske in dem für ihn typischen, blumig-hippen Stil, der nicht wirklich so meine Sache ist, über den Film. Dann folgt eine Kurzgeschichte, die quasi das Prequel zum Film darstellt. Der Autor wird nicht explizit genannt, ich vermute mal es war auch Renske. Kann man mal machen, ich persönlich fand es etwas überflüssig. Schön dann die Einordnung des Filmes in die Zeit der Entstehung, die Michele de Angelis (siehe Audiokommentar) vornimmt. Und zu guter letzte gibt es noch Nachdrucke der Storyboards und Konzeptzeichnungen. Wer da noch meckert, dem ist nicht mehr zu helfen, Eine perfekte Veröffentlichung, die von der hohen Qualität her sogar den Jungs von Bildstörung die Stirn bietet.

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Das Bloggen der Anderen (04-11-19)

– Auf Schattenlichter gibt es einen umfänglichen Rückblick auf „Terrore a Norimberga“, dem Festival des italienischen Horrorfilms im KommKino Nürnberg. Leider ist mir die Reise nach Nürnberg etwas zu weit, insbesondere in den eh schon Festivalintensiven Tagen, aber mein Weird-Xperience-Kollege Stefan war da und kann die positiven Eindrücke bestätigen.

– Zwei weitere Festivals werden auf critic.de behandelt. Lukas Foerster berichtet vom Antalya Film Festival 2019 und diverse critic.de-Autoren vom DOK Leipzig.

– Andreas Köhnemann erinnert sich auf kino-zeit.de an seine „beautiful traumas“.

– Rouven Linnarz führt auf film-rezensionen.de ein Interview mit dem britischen Dokumentarfilm-Regisseur Nick Broomfield. Und Oliver Armknecht fühlt André Øvredal auf den Zahn, dem Regisseur von Horrorfilm „Scary Stories to Tell in the Dark“ und „The Autopsy of Jane Doe“.

Was wäre wenn, fragt sich Lukas Foerster auf Dirty Laundry angesichts einer unbekannten Statistin in „Nachts, wenn der Schleier fällt“ von 1958.

– Leena M. Peters hat den deutschen Kinderfilm „Invisible Sue“ gesehen und beleuchtet diesen auf Filmlöwin vom feministischen Standpunkt aus.

Ein neuer Film von Quentin Dupieux ist für mich immer ein Grund aufzuhorchen und mich gespannt zu freuen. Bisher wurde ich nur einmal, von „The Wrong Cops“, leicht enttäuscht, fand ihn aber immer noch „geht so“. Den Rest liebe ich (wobei ich sein – nun scheinbar vorletzten – Film noch nicht gesehen habe). Die Besprechung von „Die Wache“ durch Peter Gutting auf Cinestastic lässt das Herz schon mal schneller klopfen.

– Manchmal wunderte ich mich, wie viel Hass und Beleidigungen im Netz zwischen Leuten ausgetauscht werden, die eigentlich auf der selben Seite stehen sollten – nur weil der eine einen Film runter macht, den der nächste gerne mochte. Warum ticken die Leute da so aus? Haben die sonst kein Leben? Natürlich tut es weh, wenn jemand dessen Meinung man respektiert, einen Film scharf kritisiert, der einem selber tief berührt hat… aber hey. Ein Beispiel: Oliver Nöding schreibt auf Remember It For Later über „Arrival“: „ARRIVAL ist halt irgendwie auch ziemlich öde und leblos, er erstickt fast vor Ergriffenheit vor der eigenen angenommenen Bedeutung (so wie seine Figuren vor den Aliens) und verlässt sich viel zu sehr darauf, dass das Herzschmerz-Ende für die vorangegangene Tristesse und Freudlosigkeit entschädigen werde. Zugegeben, der Zirkelschluss ist als Konstrukt wunderschön, aber so wie Villeneuve ihn in Szene setzt, als großen, in Gedanken an all die schluchzend in sich zusammensackenden Zuschauer geradezu triumphal intonierten Tusch, ruft er in mir leider nur Ablehnung hervor.“ Als jemand der zu diesen schluchzend in sich zusammensackenden Zuschauer gehörte und den der Film tatsächlich emotional sehr gepackt hat, schneiden diese Worte natürlich erst einmal ins Herz. Aber andere Menschen, andere Meinungen, und diese hier ist sehr gut begründet und eben KEIN dahingerotztes „Scheissfilm“, wie man es im Netz oftmals liest. Darauf sollte, nein, muss man sich auch einlassen können. Deshalb hier erst recht der Link zur Review. Zudem empfiehlt Oliver zwei Filme, die ich noch nicht gesehen habe. Was im Falle von „Hexen hexen“ natürlich eine Sünde ist, von „Joe“ hab eich schon öfter gehört, dass es sich hier um einen kleinen Geheimtipp handelt.

– Halloween ist zwar vorbei, ich möchte aber trotzdem auf drei Besprechungen auf Die Nacht der lebenden Texte hinweisen, da ich Romeros „Zombie 2“ sehr mag, Lucio Fulcis „Geisterstadt der Zombies“ liebe, und mich „Island of Lost Souls“ kürzlich aus den Socken gehauen hat.

– Bluntwolf schreibt auf Nischenkino über die, in meinen Augen, gelungenste Ed-Gain-Verfilmung ( „Psycho“ klammere ich hier mal ausdrücklich aus): „Deranged“.

– Und zum Abschluss noch etwas deutsches aus den 50er Jahren: „Heute heiratet man Mann“ von Kurt Hoffmann. Vorgestellt von Werner Sudendorf auf new filmkritik.

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Blu-ray-Rezension: „Bewaffnet & Gefährlich“

Mario, genannt Blondie (Stefano Patrizi), Giovanni genannt Joe (Benjamin Lev) und Luigi (Max Delys) stammen aus den gehobeneren Kreisen Mailands. Als sie eines Tages die Idee haben, eine Tankstelle zu überfallen, geht Luigis Freundin Lea (Eleonora Giorgi) zur Polizei, um ihren Luigi vor Dummheiten zu retten. Der diensthabende Kommissar (Tomas Milian) geht von einem Routinefall aus, da Lea ihm verrät, dass die Jungs nur Spielzeugpistolen dabei hätten. Wie sicher herausstellt, ein tödlicher Irrtum. Vor der Tankstelle kommt es zu einem Blutbad. Ohne große Gewissensbisse machen sich die drei Freunde auf die Flucht und legen alle noch vorhandenen Skrupel ab. Eine Spur nackter Gewalt zieht sich durch Mailand…

Eine Unterart des italienischen Polizeifilms ist jene, in der Kriminelle Amok laufen. Man denke nur an Tomas Milian im unfassbaren „Der Berserker“, Helmut Berger als „Der Tollwütige“ oder Joe Dallesandro in „Die grausamen Drei“. Aber auch Jugendliche ohne Liebe und Perspektive sind immer wieder die Antagonisten in diesen Filmen. Im meisterhaften „San Babila, 20 Uhr: Ein sinnloses Verbrechen“ von Carlo Lizzani oder diesem spannenden Thriller hier.

Bewaffnet & Gefährlich“ trifft auf die drei jugendlichen Männer zu, die hier – scheinbar aus Langeweile – zunächst eine Tankstelle überfallen. Und eigentlich ist schon alles geregelt, um den drei Tunichtgut die Leviten zu lesen. Die Polizei ist alarmiert und drückt sich undercover vor dem Zielobjekt herum. Der Tankwart ist instruiert – da können die drei Flegel ruhig kommen. Leider fehlt der Polizei eine wichtige Information: Statt der durch die Informantin angekündigten Spielzeugpistolen, haben die drei echte Schießeisen am Start und machen davon auch Gebrauch. Die Folge ist ein Blutbad, wie es unnötiger nicht sein kann.

Was sind die Motive der drei Jungs? Darauf gibt der Film keine Antwort. Alle drei kommen aus gutem Hause. Geld oder das Milieu kann es also nicht sein. Sind es die Eltern, die ihre Kinder eher als lästig-notwendige Anhängsel sehen, sie alleine lassen und nicht die richtige Liebe angedeihen lassen können? Der (namenlose) Kommissar scheint dies zu glauben und zieht in einer eindringlichen diese zur Rechenschaft. Dies ist aber das einzige Mal, dass der Film offensiv irgendwelche Erklärungsansätze bietet. Der Rest läuft eher subtil ab. Wenn bei einem Überfall ein Bekannter der Drei aus einer befreundeten Gang dem schönen Mario gegenüber andeutet, dieser könne sich mehr für Jungs als für Mädchen interessieren, beantwortet dieser dessen anzügliche Geste mit einer Salve Blei in den Bauch, woraufhin endgültig alles aus dem Ruder läuft. Steckt also Marios verdrängte und von ihm selber als Makel empfundene Sexualität hinter seinen zunehmende skrupelloseren und eiskalten Gewaltausbrüchen? Das kann durchaus sein, doch warum machen Luigi und Giovanni da mit?

Zwischen Mario und Luigi scheint eine sexuell konnotierte Spannung zu herrschen. Mario ist sicherlich an Luigi interessiert. Luigi bewundert Mario sucht dessen Zuneigung und lässt sich und seine Freundin von Mario widerstandslos erniedrigen, Hauptsache er verliert nicht Marios Gunst. Luigi ist einerseits der scheinbar einzige Charakter hier, der so etwas wie ein Gewissen hat, aber auch so schwach, dass er Mario hinterher hechelt und bis auf einige halbherzige Einwürfe nichts dagegen unternimmt, seine beiden Freunde von ihrem skrupellosen Tun abzuhalten. Er schwankt zwischen Angst und dem geilen Gefühl, am Drücker zu sein und mit den Verfolgern Katz und Maus zu spielen. Er weiß, dass das alles falsch ist, aber man fragt sich unwillkürlich, ob es sich für ihn auch falsch anfühlt. Zwischen Mario und Luigi steht Lea. Mario hat ein Auge auf sie geworfen, wahrscheinlich aber, um über sie quasi als Proxy mit dem eigentlich begehrten Luigi Sex zu haben. Lea wiederum scheint von dem gut aussehenden und willensstarken Mario fasziniert, obwohl sie weiß, dass das nicht richtig ist.

Neben dieser Dreiecksbeziehung gibt es noch Giovnni. Ein nervtötender Charakter, der alles lustig findet und mit hysterischem Gelächter und dummen Sprüchen Frauen vergewaltigt und Leute erschießt. Während man bei Mario und Luigi noch der Hauch einer Motivation für ihr Handeln erahnen kann, ist Giovanni ein kaputter Soziopath. Sein permanentes Gegacker soll für ihn vielleicht eine Distanz zu zwischen ihm und seine Opfer schaffen, welche er dann gar nicht mehr als Menschen wahr nimmt. Für Mario ist er eine leicht zu manipulierende Waffe, die allerdings auch mal so losgehen kann. Benjamin Lev spielt diesen Giovanni beängstigend gut. Möglicherweise konnte sich Lev besonders gut mit einem Charakter wie Giovanno identifizieren. Wie in Extras zum Film erzählt wird, geriet er mit dem Gesetz in Konflikt, verschwand noch während der Dreharbeiten kurzerhand im Gefängnis und tauchte danach scheinbar nicht wieder auf. Zumindest findet man in der IMDb nach seiner Mitwirkung bei „Bewaffnet & Gefährlich“ keinerlei Einträge mehr, obwohl er vorher mit Nebenrollen ganz gut im Geschäft war und sogar mit Fassbinder drehte.

Auch dem schönen, aber milchgesichtigen Stefano Patrizi war leider keine große Karriere vergönnt, auch wenn er Anfang der 80er noch einige Hauptrollen in kleineren Produktionen inne hatte. Schade, denn Mario spielt er bravourös mit einer kühlen Distanziertheit, undurchschaubar und mit der richtigen Nuance Wahnsinn, die hinter der nett anzuschauenden Fassade immer kurz vor dem Ausbruch steht. Demgegenüber hat Max Delys als willensschwacher Luigi natürlich die undankbarste Rolle im Ensemble, bringt diese aber ebenfalls überzeugend rüber. Eleonora Giorgi als ist weit mehr als nur ein hübscher Blickfang, sondern verlieht ihrer eigentlich rein funktionalen Rolle Tiefe und eine Seele.

Tomas Milian agiert als namenloser Kommissar ungewohnt zurückhaltend und zeigt, dass er ein weitaus vielseitigerer Schauspieler war, als seine sonstigen Krawallrollen auf den ersten Blick vermuten lassen. Man spürt das Gewicht, welches auf den schultern des Kommissars lastet. Wie er immer wieder die falschen Entscheidungen trifft und letztendlich auch für die erste blutige Tat die Verantwortung trägt, weil er die Situation gnadenlos unterschätzt hat. Dadurch mutiert er aber nicht – wie es wohl bei Kollege Merli der Fall wäre und es eines der Cover dieses Mediabooks andeutet – zum schießwütigen „Kommissar Eisen“, sondern versucht verzweifelt das Schlimmste zu verhindern und irgendwie die Jugendlichen vor sich selbst zu schützen. Als er merkt, dass er hier schon lange versagt hat, spürt man die Trauer und den Weltschmerz hinter seiner coolen Sonnenbrille.

Die Regie von Regie-Veteran Romolo Guerrieri (Bruder von Marino Girolami und Onkel von Enzo G. Castellari und Ennio Girolami.) ist routiniert und frei von überflüssigen Kabinettstückchen. Auf den Punkt inszeniert und mit keinerlei Längen. Andere hätten aus dem Stoff sicherlich eine spektakuläre Nummernrevue gemacht. Bei Guerrieri bleibt die Handlung aber kompakt und aus einem Guss. Seine down-to-earth Inszenierung tut dem Film gut und lässt die sich zunehmend steigernden Gewaltexzesse wirklich unangenehm und schockierend erscheinen.

Der Film ist jetzt ungeschnitten (in der alten deutschen VHS-Fassung fehlten einige Handlungsszenen) bei Cineploit erschienen und das hübsche Mediabook ist wieder eine feine Veröffentlichung geworden. Das Bild ist sehr gut und der deutsche Ton geht in Ordnung. Man merkt ihm zwar an, dass er wahrscheinlich aus einer VHS-Quelle stammt, aber er ist viel besser als bei „E Tanta Paura – Magnum 45“. Der italienische und englische Ton klingt etwas klarer und heller. Auch auf der Seite der Extras kann man sich freuen. Neben einem höchst informativen und reich bebilderten 26-seitiger Bookelt mit Texten von Michael Cholewa und Eugenio Ercolani, befindet sich auf der Scheibe noch das viertelstündige Featurette „Young, Violent, Dangerous“ in dem Akteure und der Regisseur zu Worte kommen. Nicht zu vergessen, der komplette Soundtrack von Enrico Pieranunzi und Gianfranco Plenizio, der allerdings nicht separat beiliegt, sondern von der Blu-ray aus abgespielt werden kann. Selbstlaufende Galerien mit Werbematerial und Setfotos runden das positive Bild ab.

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