Das Bloggen der Anderen (30-08-21)

So, die Ferien und die Blogger-lose Zeit sind vorbei. Es geht wieder los.

Filmlichtung hat sich „Cats“ angeschaut und kann immer noch nicht recht fassen, was er da gesehen hat. Ferner gibt es auch mal gute Nachrichten in diesen Zeiten: „Das große Kinosterben bleibt aus!“ 

– Und da man gute Nachrichten gerne auch mehrmals von sich geben kann: Zum Thema Entwicklung der Kinos in der Pandemie kann man auch noch einmal einiges bei out takes nachlesen.

– Christian Genzel stellt auf Wilsons Dachboden das Buch „The Amazing Worlds of Mr. B.I.G.“ vor und erzählt dabei so einiges über Herrn Gordon, den er auch kürzlich interviewen konnte (ja, ich war selber verdutzt – und erfreut – dass sich der hochbetagte Bert I. Gordon noch unter dem Lebenden befindet).

Going to the movies hat sowohl den neuen „Candyman” (keine große Begeisterung) als auch den alten „Candyman“ (zur recht große Begeisterung) angeschaut.

– Sci-Fi aus Deutschland. Von Tim „Hell“ Fehlbaum. Und im Wattenmeer spielend! Als bekennender Nordseefan könnte das ein Pflichttermin für mich werden. Die Besprechung von „Tides“ durch Andreas Eckenfels auf Die Nacht der lebenden Texte klingt bei aller Kritik an der Story nun auch nicht so schlecht.

Kurze Gedanken zu einigen älteren (und einen aktuellen) Filmen gibt es vom Filmemacher Christoph Hochhäusler auf Parallel Films.

– Manfred Polak beschäftigt sich auf Whoknows Presents eindringlich mit Theo Angelopoulos‘ ersten Spielfilm „Rekonstruktion“ aus dem Jahre 1970.

– Gerade habe ich mir meine Aufzeichnung der „Langen Nacht mit Billy Wilder“ vom Deutschlandfunk angehört und wieder Lust auf Wilder-Filme bekommen. Da trifft es sich gut, dass Sebastian auf Nischenkino sein Meisterwerk „Eins, Zwei, Drei“ vorstellt. Bluntwolf schreibt über „Mitternachtsmörder“. Ein Film von Georges Franju, der mir bisher völlig unbekannt war und der – wie ich erfreulicherweise lese – gerade in Deutschland auf DVD erschein.

Schattenlichter nimmt sich Sergio Martinos „Milano trema: la polizia vuole giustizia“ aka „Violent Professionals“ vor. Ich weiß gar nicht, ob ich den Film überhaupt schon kenne. Wenn nicht, muss der natürlich noch irgendwann her.

– Heiko von Allesglotzer mag „Willy’s Wonderland“ gar nicht. Damit ist er nicht allein. Da ich den guten alten Nic Cage sehr mag, werde ich aber vielleicht trotzdem einen vorsichtigen Blick riskieren – auch wenn mich alle (sicherlich zu Recht) warnen.

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Sommerpause und andere Aktivitäten

Wie der eine oder andere mitbekommen hat, war es auf der Seite in den letzten Wochen sehr still. Der recht simple Grund: Ich hatte so viel um die Ohren (beruflich, privat und mit anderen Filmaktivitäten), dass ich irgendwo Zeit einsparen musste – und da traf es meinen Blog. Auch in den nächsten Wochen wird es nicht besser, denn ich fahre nun erst einmal in den wohlverdienten (und benötigten) Urlaub.

Bevor ich mich aber auf die Reise mache, hier der Beweis, dass es nicht Faulheit war, die mich davon abhielten hier schreibend tätig zu sein.

An diesen Veröffentlichungen aus diesem Jahr war ich beteiligt. Es fehlt noch „Tödliche Strahlen“ (The Invisible Ray), der jetzt gerade erschienen ist, und bei dem ich zusammen mit den geschätzten Kollegen Lars Johansen und Clemens Williges den Audiokommentar eingesprochen habe.

Dazu kommen noch die regelmäßigen Sendungen, die ich mit meinem Kollegen und Freund Stefan Mibs als Ersatz für die Pandemie-bedingt ausgefallenen Weird-Xperience-Vorstellungen im Cinema Ostertor auf YouTube stelle. Hier haben wir es in 2021 auf immerhin fünf Sendungen gebracht.

Nur zu hören gibt es den 35-Millimeter-Podcast der Zeitschrift „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, bei dem ich die ersten beiden Folgen moderieren durfte. Zu finden auf Spotify oder YouTube.

Zu Gast waren Stefan und ich beim Flax-Podcast aus Bremen und haben etwas aus der Schule geplaudert.

Bereits fertig – aber noch nicht veröffentlicht – sind drei Booklets für eine kommende Italo-Western-Reihe und zwei Beiträge für ein Buch über Science-Fiction-Filme. Außerdem erscheint im September „Argoman – Der phantastische Supermann“, zu dem ich das Booklet beisteuern durfte und mit Lars Johansen den Audiokommentar eingesprochen habe.

Nach dem Urlaub geht es dann erst einmal mit der „70 Millimeter“ weiter, dem Schwestermagazin der „35 Millimeter“, welches sich mit den Filmjahren 1966 bis 1975 beschäftigt. Dieses Magazin verantworte ich ab der Nummer 1 (kommt im Herbst) auch als Chefredakteur. Auch eine völlig neue, manchmal noch sehr aufregende Rolle für mich.

Ab 03. Oktober geht es mit Weird Xperience weiter. Dann endlich wieder im Kino! Und im Oktober dürfen Stefan und ich in Freiburg in einen Film einführen, worauf wir uns auch schon wahnsinnig freuen. Und dann hoffe ich natürlich, dass noch weitere spannende Projekte ins Haus trudeln. Mal abwarten. Wie man sieht: Es war trotz Pandemie ein recht ereignisreiches Jahr bisher. Und ich verspreche, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, werde ich mich auch mal wieder so langsam um meinen Blog kümmern.

Bis dahin, bleibt gesund und schaut viele gute Filme!

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Blu-ray-Rezension: „The Opium Connection“

Giuseppe ‚Joe‘ Coppola (Ben Gazarra) ist ein New Yorker Nachtclub-Besitzer, der das große Geschäft machen will. Er fliegt in die Türkei, um dort an 500 Kilogramm Rohopium zu kommen, und diese mit der Hilfe der türkischen und sizilianischen Mafia in die USA zu schmuggeln. Der Plan gelingt, doch als Coppola versucht den New Yorker Gangsterboss Sally (Steffen Zacharias) übers Ohr zu hauen, eskaliert die Situation…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Der Auftakt zu „The Opium Connection“ lässt einen zunächst den Kiefer runter klappen und erinnert an Andrea Bianchis zwei Jahre später entstandene Sleaze-Granate „Die Rache des Paten“. Nur ist das hier von Ferdinando Baldi einfach besser inszeniert worden, schmerzvoller und vor allem geprägt von Gesichtern wie aus einem Passolini-Film. Danach erlebt man Hauptdarsteller Ben Gazarra begleitet von der mitreißenden Musik des Brüder-Duos Guido und Maurizio De Angelis durch die Gassen Istanbuls treibt. Immer dicht dran: Eine wilde und nah am Mann folgende Kamera. Ein atemlos machender Auftakt, der die Erwartungen an den Film in nur 10 Minuten ins Unermessliche steigert. Das kann „The Opium Connection“ dann nicht einhalten. Trotzdem hat Baldi einen guten Film gemacht. Nur einen anderen, als man zunächst denkt. Denn obwohl Baldi immer wieder kurze, drastische Szenen der Gewalt einstreut, so ist die Inszenierung eher ruhig, und gerade in der ersten Hälfte fast schon dokumentarisch. Da wird der Weg des Opiums von der Ernte bis zum außer Landes bringen sehr akribisch und scheinbar an Originalschauplätzen mit echten Mohnbauern beschrieben. Da wirken plötzliche Action-Einsprengsel wie der Angriff feindlicher Banditen dann schon sehr an den Haaren herbeigezogen und fehl am Platz.

Mit dem Wechsel nach Sizilien wechselt nicht nur der Ton, sondern es bleiben auch einige interessante Nebendarsteller in der Türkei zurück, ohne dass deren Geschichte zu Ende erzählt ist. Was gerade im Falle der wunderschönen Silvia Monti sehr schade ist, da sie ihrer interessanten, nicht ganz durchschaubaren Figur Claudia (in der deutschen Fassung seltsamerweise Claudine, eine von mehreren Freiheiten, die sich die Synchronisation nimmt. Dazu mehr später) eine Tiefe verleiht, die einen neugierig auf ihre weitere Entwicklung macht. Doch nach einem Drittel der Spielzeit wird sie einfach sprichwörtlich in der Sonne stehen gelassen. Schade um das nicht genutzte Potential. Dafür folgen wir Coppola und seinem treuen Partner Tony (der wie immer souveräne und sehr präsente Luciano Catenacci) zu den Mafia-Hintermännern nach Sizilien. Hier trifft man dann Don Vincenzo (im Original Don Russo) wieder, der bereits in oben erwähnter Eröffnung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Fausto Tozzi leiht dieser Figur sein unverwechselbares Gesicht. Dann gibt es noch Don Vincenzos Boss, Don Calogero, ein fetter, gehbehinderter Machtmensch, der seine Gefährlichkeit hinter einem jovialen Lächeln und seiner scheinbar hilflosen Figur verbirgt. Doch seine eiskalte Skrupellosigkeit kommt spätestens bei einem brutalen Mordanschlag zum Vorschein. Ansonsten wird die Sizilien-Episode genutzt, um viel über die Machenschaften der Mafia, ihre Rolle im Drogenschmuggel und ihre Strukturen zu erklären.

Aber hier gibt es einen Handlungsstrang, der nicht wirklich zum Film und seiner Stimmung passen will. Don Calogero besitzt eine Schwester und eine Schwägerin, die tagsüber um ihre Männer trauern (der eine schon lange tot, der andere nach Amerika abgeschoben), in einer seltsamen Szene beim Kuchenessen sexuelle Erregung spüren und dann nichts anderes im Kopf haben, als mit Coppola ins Bett zu gehen. Was weder der Handlung hilft, noch in den Ablauf des Filmes passt. Der einzige Zweck scheint darin zu bestehen, etwas Sex unterzubringen und Ben Gazarra als unwiderstehlichen Draufgänger zu etablieren. Was nur bedingt funktioniert. Aber immerhin bleiben einem diese beiden Frauenfiguren völlig egal, weshalb es – im Gegensatz zu Silvia Monti – keinen Verlust darstellt, dass sie einfach so wieder aus der Handlung verschwinden. Wie überhaupt Sizilien nur eine weitere Episode ist, um den Weg des Opiums weiter zu verfolgen, und Coppola zu den wahren Hintermännern in den USA zu bringen.

Und dieser letzte Teil bricht dann auch wieder ein wenig mit der zuvor etablierten Erzählung. Das Dokumentarische wird ganz aufgegeben. Auch verhält sich Coppola auf einmal überraschend unprofessionell. Was überrascht, da er zuvor als alles im Griff habender, allen anderen überlegender, cooler Mastermind etabliert wurde. Die Entscheidungen, die Coppola plötzlich trifft, sind einfach naiv und dämlich. Sobald er das amerikanische Festland betritt wird aus dem cleveren Macher ein unerfahrener Emporkömmling, der von seinen Gegnern (zu Recht) nicht wirklich ernst genommen wird. Der hiesige Gangsterchef Sally wird vom gebürtigen Hamburger und Italo-Western-Veteranen Steffen Zacharias locker fast schon am Rande der Karikatur gespielt. Zudem werden Szenen eingestreut, die zeigen, wie das New Yorker Establishment kräftig im Drogengeschäft mitmischt. Was für einen Hauch Sozialkritik sorgt. Ebenfalls erfreulich sind die Auftritte vieler alter Bekannter wie Luciano Rossi als deutscher Chemiker (der sofort die Hacken zusammenknallt, wenn er angesprochen wird), der wieselige Bruno Corazzari oder ungenannt der immer gerne gesehene Romano Puppo als handfest zulangender Helfer Sallys.

Coppola Auseinandersetzung mit der New Yorker Mafia nutzt Baldi, um auf den letzten Metern doch noch einiges an Action aufzufahren. Seien es Schlägereien in finsteren Garagen oder eine große Verfolgungsjagd inklusive Hubschrauber (die einige Jahre später von Alfonso Brescia in seinem „Der große Kampf des Syndikats“ wiederverwendet wurde). Und am Ende gibt es noch einige Twists, die an dieser Stelle aber nicht verraten werden sollen. Was insgesamt auffällt ist Baldis Vorliebe für markante Gesichter und vor allem das versteckte Filmen auf offener Straße. Mehr als einmal lässt er seinen Hauptdarsteller durch die bevölkerten Straßen laufen und an der überraschten Reaktion und den direkten Blick in die Kamera erkennt man deutlich, dass dies keine eingeweihten Statisten waren. Gerade im letzten Bild wird dies ganz offensichtlich.

Obwohl der Film bereits 1972 gedreht wurde, kam er erst 1985 als Videopremiere in die deutschen Videotheken. Dafür ist die deutsche Synchro ganz gelungen. Auch wenn sie sich, wie bereits geschrieben, einige Freiheiten nimmt. Am Deutlichsten da, wo vertuscht werden soll, dass hier ein 13 Jahre alter Film als Neuheit verkauft werden soll. In der Synchronisation wird häufig von Ereignissen gesprochen, die sich vor ein paar Jahren, nämlich 1981 (!), abgespielt haben sollen. Was ja dann aber eigentlich aus Sicht des Filmes 9 Jahre in der Zukunft liegen würde – aus Sicht der späten Veröffentlichung aber tatsächlich vier Jahre in der Vergangenheit. Kann man natürlich machen, aber es wundert einen schon sehr, wenn man 1981 hört und die Kleidung und Frisuren laut nach Anfang 70er schreien.

„The Opium Connection“ ist ein ruhiger, anfangs fast dokumentarisch anmutender Gangsterfilm über die Herstellung und den Schmuggel von Opium aus der Türkei in die Vereinigten Staaten. Dabei zerfällt er in drei recht unterschiedliche Episoden, wobei die letzte den Film noch einmal auf den Kopf stellt. Gute Darsteller, ein toller Soundtrack der De-Angelis-Brüder und eine routinierte Regie des Western-Spezialisten Ferdinando Baldi sorgen für solide Unterhaltung.

„The Opium Connection“ ist die mittlerweile 17. Veröffentlichung der filmArt Polizieschi Edition. Und hier ein Tipp vorweg: Auf gar keinen Fall (wenn es geht) die Handlungszusammenfassung hinten auf dem Cover lesen. Die spoilert nämlich massiv einen Plot-Twist, der erst in den letzten 3 Minuten verraten wird! Die Amaray enthält eine DVD und eine Blu-ray. Wobei man etwas aufpassen muss, welche Scheibe im Player landet. Denn während die DVD prominent in der Amaray platziert ist, steckt die Blu-ray in einer festen Papphülle, die ich auf den ersten Blick für das (nicht vorhandene) Booklet hielt. Das Bild ist okay und hat einen angenehmen Kino-Look. Mehr war wohl aus dem Material nicht mehr rauszuholen. Als Extras sind die gekürzte italienische Fassung in restaurierter und unrestaurierter Form, sowie der englische Vorspann dabei. Die ungekürzte deutsche Fassung hat lediglich deutschen Ton, die gekürzte italienische kann man auch auf italienisch schauen, muss dort allerdings auf Untertitel verzichten.

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Das Bloggen der Anderen (21-06-21)

– Bianca Jasmina Rauch stellt auf Filmlöwin die beiden Filme „Paris Caligrammes“ – ein Selbstporträt der Filmemacherin – Ulrike Ottinger“ – und „In the Mirror of Maya Deren“ von Martina Kudláček. Beide liefen auf der diesjährigen Diagonale in Graz.

– Joachim Kurz erinnert auf kino-zeit.de an den iranische Filmemacher Abbas Kiarostami.

„Deathdream“ hat mich bereits vor einigen Jahrzehnten als schraddelige VHS-Kopie nachhaltig beeindruckt und gehört noch heute zu meinen liebsten US-Independent-Horrorfilmen. Bluntwolf bespricht das Werk auf Nischenkino. Ebenso Cirio H. Santiagos „Ein Mann wird zum Killer“, der hier noch (!) ungesehen herumsteht.

„Octopussy“ gehört für mich noch nie ganz oben in die Liste meiner liebsten Bond-Filme. Aber über die Jahre habe ich mit dem Film meinen Frieden gemacht und sehe heute viele Dinge ähnlich wie Tonio Klein in seiner Besprechung für Die Nacht der lebenden Texte. Inklusive kleines Louis-Jourdan-Porträt, was ich sehr schön finde.

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Blu-ray-Rezension: “Die Tiger von Kwantung“

Während der Mandschu-Dynastie. Zwei Männer versuchen, die Schüler der legendären 10 Tiger von Kwantung zu töten. Als es ihnen gelingt, den ersten Schüler heimtückisch zu meucheln, ziehen sich die übrigens Schüler zurück und sammeln ihre Kräfte- Dabei erzählen sie sich, wie das damals so war, als sich die 10 Tiger gegen die Tyrannei der Mandschus verschworen haben.

Die Tiger von Kwantung“ ist ein höchst seltsamer Film. Im Grunde genommen ein großes Epos mit den um 1980 herum berühmtesten und meistbeschäftigten Stars der Shaw Brothers (bis auf David Chiang und Kuan Tai Chen ist irgendwie jeder dabei), welches auch gleich zwei Generationen umspannt. Aber dann doch auch wieder nur eine kleine Produktion, denn mal merkt das eher geringe Budget, und auch dass der Film nur im Studio gedreht wurde. Das letzteres so stark auffällt, wird auch durch die scharfen Bilder begünstigt. Denn mehr als einmal sieht man deutlich die Nieten im „blauen Himmel“. Durch die Vielzahl an Figuren (die legendären zehn Tiger aus der Vergangenheit und dann noch ihre Schüler aus der „Gegenwart“ plus Schurken aus beiden Zeitlinien) kann sich keine tiefgehende, komplexe Geschichte ergeben.

Auch eine Entwicklung der Charaktere findet nicht statt. Im Großen und Ganzen besteht der für seine Ambitionen überraschend kurze Film aus zahlreichen Auftritten und Abgängen der Figuren, immer unterstützt durch einen kurzen Kampf. Dadurch kommt zwar keine Langeweile auf, doch ein wirklich emotionales Involvieren eben auch nicht. So verkommt der epische Hauch der Geschichte dann doch eher zur Nummernrevue. Was nun aber negativer klingt als es ist, denn die Nummern machen durchaus Spaß. Wenn Ti Lung mal wieder zeigen kann, warum er einer der größten Stars der Shaw Brothers ist, Philip Kwok durch die Luft wirbelt oder sich Alexander Sheng Fu ungestüm in jeden Kampf wirft.

Es fühlt sich auch so an, als ob „Die Tiger von Kwantung“ eigentlich ursprünglich mal zwei Filme gewesen wäre. Oder vielmehr, als wenn der Teil mit den alten Meistern irgendwann hätte abgebrochen werden müssen und dann später die Szenen mit den Schülern gedreht wurden, um das Fragment auf Spielfilmlänge zu bringen. Die Szenen mit den alten Meistern wirken weitaus klassischer. Kostüme und Kulissen sind ganz altbewährter „Shaw Brothers“-Look. Auch die Kämpfe wirken eleganter und mehr „old school“. Demgegenüber sind die Szenen mit den Schülern weitaus rauer und die Kämpfe sehr viel brutaler. Während die Meister die traditionellen Helden sind, die edel und gut agieren, kann man das von den Schülern nicht gerade behaupten. Da wird sich beispielsweise hemmungslos betrunken und verumgealbert. Gut, eine ähnliche Szene gibt es auch mit Philip Kwok und einem weiteren Meister. Doch diese wird eher komödiantisch aufgelöst. Die Schüler wirken einfach nur prollig.

Besonders verstörend ist eine Szene, in der zwei der Schüler mit einem Bösewicht abrechnen, indem sie vorgeben, wiederum Schüler der Schüler zu sein. Zwar wird der Bösewicht vorher als eiskalter, berechnender Killer eingeführt, aber die ganze Szene ist recht humorig gefilmt. Sodass es wie ein Schock wirkt, wenn die „Guten“ am Ende dem völlig hilf- und wehrlosen Bösen unter Gelächter ein Messer in den Bauch rammen. Auch die Kleidung der Schüler wirkt seltsam modern (und sehr 1980). In ihren taillierten weißen Anzügen mit Netzhemd hätten sie auch so aus einer Disco kommen können. Dass einer auch noch Elvis-artige Koteletten zur Schau stellt, ist auch eher ein Relikt der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und passt nicht unbedingt in das Jahrhundert, indem „Die Tiger von Kwantung“ spielt.

Da bekannt ist, dass Regisseur Chang Che häufig nur die allgemeine Leitung seiner Filme übernahm und seinen Assistenten viel Spielraum gab, ist es durchaus denkbar, dass für diese beiden so unterschiedlichen Teile jeweils einer seiner beiden Assistenten Yu-Wen Chen und Sheng Chiang (der auch mitspielt) verantwortlich war. Für die Theorie, dass es sich beim „Meister“-Teil um einen nicht vollendeten Film handelt, oder zumindest dieser Teil weit vor dem zweiten gedreht wurde, würde auch sprechen, dass die Meister nicht mehr zum großen Finale auftauchen (was Sinn gemacht hätte). Nur zwei werden kurz und ohne großartige Erklärung ins Bild gestellt. Überhaupt das große Finale. Es darf soweit gespoilert werden, dass dies in seinen letzten Minuten einem den Kiefer herunterklappen lässt. Was dort an Brutalität geboten wird, muss man mit den eigenen Augen sehen. Hier herrscht wirklich ein ganz anderer Ton vor, als im „Meister“-Teil.

Neben Ti Lung sticht besonders Alexander Fu Sheng aus dem vielköpfigen Ensemble hervor. Auch wenn er hier ungewohnt teigig und aufgequollen wirkt. Was möglicherweise auf Medikamente zurückzuführen ist. Denn kurz vor „Die Tiger von Kwantung“ kam es zu dramatischen Unfällen an den Sets der Filme „Die grausame Rache der Shaolin“ und „Die Rache des Karateka“. Im ersteren fiel er Kopf zuerst aus 2,5 Metern in ein Tongefäß. Was zu einer schweren Gehirnerschütterung, inneren Blutungen und in der Folge Schwindelanfällen, Sprach- und Sehproblemen führte. Beim zweiten Unfall zerschmetterte er sein rechtes Bein, was zu zahlreichen Operationen führte und ihn für sechs Monate außer Gefecht setzte. In verschiedenen Quellen wird angeben, nach diesen Unfällen wäre er erst 1981 mit „The Treasure Hunters“ auf die Leinwand zurückgekehrt. Vielleicht spielen die Unfälle aber auch eine Rolle in der Produktion von „Die Tiger von Kwantung“. Aber das ist Spekulation. Keine Spekulation ist, dass Alexander Fu Sheng hervorragend in die Rolle des Aufbrausenden und „Erst-machen-dann-denken“-Typens passt und ein wunderbarer Komödiant mit tollem Timing war. Hier erinnert er – nicht nur dadurch, dass beide auch eine durchaus starke Ähnlichkeit haben – an den nur 6 Monate älteren Jackie Chan. Wobei Fu Sheng dessen Erfolgsrezept Comedy und Martial Arts miteinander zu verbinden, schon Mitte der 70er perfektioniert hatte. Leider kam Fu Sheng bei einem tragischen Autounfall 1983 ums Leben. Es wäre interessant gewesen, ob er eine ähnliche Karriere wie Jackie Chan eingeschlagen hätte. Gerade in Filmen wie „Die Tiger von Kwantung“ sieht man das große Potential und das Charisma, das ihm sicherlich geholfen hätte, um auch in US-amerikanischen Action-Filmen zu glänzen.

Mit „Die Tiger von Kwantung“ ist nun endlich nach 3,5 Jahren Wartezeit die 10. Folge der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ erschienen. Am Erscheinungsbild hat sich nicht viel geändert. Wie die vorherigen Ausgaben, kommt die Scheibe in einem goldenen Amaray in DVD-Größe daher und enthält ein 12-seitiges Booklet mit deutschen Aushangfotos. Was sich geändert hat ist der Umfang der Veröffentlichung. Wurden bei Nummer 1-9 noch immer eine DVD mit dazu gepackt, so befindet sich diesmal nur die Blu-ray in der Hülle. Das Bild ist wie gewohnt gut, der Ton klar und gut verständlich. Es liegt die ungeschnittene, 91-minütige Fassung vor. Die Fehlstellen der deutschen Kinofassung wurden im Originalton mit Untertiteln eingefügt. Wen das stört, der kann sich als Bonus auch die deutsche Kinoschnittfassung (82 Minuten) in HD ansehen. Neben dem Trailer und einer Bildergalerie findet man unter dem Punkt Programmhinweis noch der Trailer für „Ti Lung – Die tödliche Kobra“, von dem ich erst annahm, dieser Film würde dann möglicherweise die Nummer 11 der Reihe kommen. Wie ich jetzt gemerkt habe, ist er von filmArt aber bereits im Oktober letzten Jahres außerhalb der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ veröffentlicht worden und gänzlich an mir vorbeigegangen ist.

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Das Bloggen der Anderen (14-06-21)

– Die Diagonale in Graz, das Festival des österreichischen Films findet als eines der ersten Filmfestivals wieder als Präsenzveranstaltung statt. Kino-zeit.de stellt zehn Tipps vor, was man sich ansehen sollte.

„Wenn Filme die Wahrnehmung von Songs verändern“ nennt Filmlichtung seinen Beitrag, in dem es explizit auch darum geht, mit den Lesern in Kontakt zu treten und von denen Beispiele für solche „veränderten Wahrnehmungen“ zu erfahren. Ich lege mal vor: „Stuck in the Middle With You“.

– Till Kadritzke schreibt auf critic.de über Filme, die versuchen politische Strukturen ins Bild zu setzen und über die „Forum“-Sonderreihe „Fiktionsbescheinigung“, die vom 9. bis 30. Juni online im Arsenal 3 zu sehen ist. Und ein Text den ich besonders schön fand: Lukas Foersters Ehrenrettung von „Daniel, der Zauberer“. In der Tat bezaubernd.

– Manfred Polak stellt auf Whoknows presents gewohnt informativ und lesenswert den Film „Der merkwürdige Monsieur Victor“ vor. Eine französisch-deutsche Co-Produktion von 1938. https://whoknowspresents.blogspot.com/2021/06/der-merkwurdige-monsieur-victor.html

– Ich mag ja Drehort-Vergleiche sehr gerne. Und ich freue mich immer wieder, wenn Schattenlichter einen veröffentlicht. Gerade jetzt, da es um „Suspiria“ geht, den ich hoffentlich im Herbst direkt in Freiburg sehen kann. Da werde ich dann auch mal meinen ganz eigenen Vergleich anstellen. Zumindest mit dem Walfisch-Haus. Der Rest ist ja in München gedreht. Wo ich dafür hin muss, weiß ich ja jetzt.

– Bluntwolf von Nischenkino hat sich „Hinter den Mauern des Grauens“ angesehen und dabei auch den Audiokommentar lobend erwähnt. Was mich natürlich ganz besonders freut. Dankeschön!

– Ich gebe zu, ich wusste bis vor Tonio Kleins Beitrag auf Die Nacht der lebenden Texte nicht, wer Alexis Smith ist, die da ihren 100. Geburtstag feiert. Nach der Lektüren seiner Vorstellung von „Das Geheimnis der Frau in Weiß“ bin ich aber wie immer bestens informiert worden.

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DVD-Rezension: „o.k.“

Im Bayrischen Wald wird von einer Gruppe Schauspieler auf Bayrisch der reale, sogenannte „Incident on Hill 192“ (auch Grundlage des Films „Die Verdammten des Krieges“ von Brian de Palma), nachgestellt, bei dem im November 1966 ein Trupp US-Soldaten die junge Vietnamesin Phan Thi Mao kidnappte, vergewaltigte und ermordete.

Endlich ist Michael Verhoevens legendärer „Berlinale-Sprenger“ „o.k.“ auf einem Heimkino-Medium erhältlich. Ob es eine VHS-Auswertung gab, entzieht sich meiner Erkenntnis. Eine spontane Internet-Recherche ergab kein Ergebnis. Laut OFDb.de und Booklet lief der Film immerhin 2002 einmal auf VOX. Um 0:15 Uhr. Auf DVD war dieses provokative Antikriegs-Manifest bisher aber nicht zu bekommen. Und ich hätte tatsächlich eher damit gerecht, dass sich Bildstörung oder Subkultur mit seiner Edition Deutsche Vita dem Thema annehmen würde. Letztendlich ist „o.k.“ nun bei der Edition filmmuseum herausgekommen. Sicherlich nicht der schlechteste Ort dafür. Auch wenn man sich hier auch eine Blu-ray gewünscht hätte. Aber die Edition filmmuseum passt auch deshalb hervorragend, da der Film in Bayern spielt und auch auf Bayrisch (wobei, einem auch für norddeutsche Ohren verständlichen Bayrisch) gedreht wurde. Und die Edition wird ja vom Filmmuseum München herausgeben. Zudem haben auch die bisherigen Filme innerhalb der Edition gezeigt, dass hier mit viel Liebe, Akribie und Sachverstand vorgegangen wird.

Seinen legendären Ruf erhielt „o.k“, da der Film tatsächlich die Berlinale 1970 zum vorzeitigen Abbruch gebracht hat. Der damalige Jury-Präsident empfand den deutschen Wettbewerbsfilm als zutiefst anti-amerikanisch und beleidigend, so dass innerhalb der Jury beschlossen wurde, den Film aus dem Wettbewerb zu kegeln. Als das bekannt wurde, war der Skandal da. Die genauen Abläufe der damaligen Ereignisse werden im Begleitmaterial dieser DVD vorbildlich aufgearbeitet. Der Skandal half scheinbar nicht viel. Im Interview erzählt Produzent Rob Houwen, dass der Film gerade mal drei Wochen in deutschen Kinos lief. Eine kleine Anekdote am Rande: Wie ich verstellte, lief „o.k.“ in der Woche meiner Geburt im Bremer Kino „Filmstudio“ an. Wie man auf der zeitgenössischen Kinoanzeige lesen kann, wurde „der Film der die Berlinale sprengte“ (Werbetext) dort – obwohl gerade erst angelaufen mit den Worten „Auf dem Weg zum Film-Hit des Jahres“ beworben. Daraus ist dann scheinbar nichts geworden. Leider.

Denn „o.k.“ ist ein kleines Meisterwerk. Verhoeven war vor allem als Sohn des großen Paul (nein, nicht DER Paul, der deutsche) Verhoeven und als Schauspieler bekannt. Ab 1967 widmete er sich aber auch der Regie. Sein erster Film war die Strindberg-Verfilmung „Paarungen“ beruhend auf dem Theaterstück „Totentanz“, für die Verhoeven auch das Drehbuch schrieb. Es folgten die leichten Schwabing-Komödien „Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter“ und „Der Bettenstudent oder: Was mach’ ich mit den Mädchen?“. All diese Filme wurden von Rob Houwen produziert. Und keiner bereitet einen darauf vor, dass Verhoevens vierter Film ein in schwarz-weiß gedrehter, Brechtsche Verfremdungstechniken anwendender, politischer und kompromissloser, den Krieg anklagender Film werden sollte. Wobei im „Bettelstudent“ der spätere RAF-Terrorist Christof Wackernagel die Hauptrolle spielte. Vielleicht ist dort eine Verbindung zu sehen.

„o.k.“ beginnt damit, dass sich die Schauspieler einfinden, in sich kurz vorstellen und ihre Kostüme raus suchen. Manche Sachen werden wiederholt, weil sie am Anfang nicht geklappt haben. So wird der Zuschauer durch die dokumentarische Herangehensweise einerseits in den Film hineingeholt, andererseits distanziert er sich vom Geschehen. Und dadurch kommt es zu einem interessanten Effekt. Einerseits ist völlig klar, dass hier nichts „echt“ ist. Die Schauspieler sprechen direkt mit dem Publikum, es wird hinter die Kulissen geblickt, Kamera und Techniker sind im Bild. Der Bayrische Wald sieht eben aus wie der Bayrische Wald – nicht im Geringsten wie Vietnam. Eva Mattes spielt zwar die Vietnamesin Phan Ti Mao, bleibt aber durch und durch Deutsch. Und die Soldaten haben zwar amerikanische Namen, sprechen aber eben Bayrisch. Auf der anderen Seite wirkt das Ganze aber gerade auch dadurch, dass dem Zuschauer dies bewusst ist und man weniger „lebensechte“ Figuren vor sich hat, als vielmehr Schauspieler, die sich in ihre Rollen hineingefunden haben, und diese nun leben, eben doch sehr wahrhaftig. Was man hier sieht, scheint sich tatsächlich in diesem Moment zwischen den Schauspielern zu entwickeln. Vieles wirkt improvisiert, obwohl es dies wahrscheinlich gar nicht ist. Ein wenig hat man das Gefühl, als würde man einem Reality-TV-Format zuschauen, das irgendwann aus dem Ruder läuft.

Für mich persönlich weckt „o.k.“ viele Erinnerungen an die eigene Bundeswehrzeit. 1993 hatte man mich tatsächlich noch zum 12-monatigen Grundwehrdienst eingezogen. Mir war es so ein wenig ergangen, wie Herrn Lehmann in Sven Regeners „Neue Vahr Süd“. Zwar hatte ich nicht vergessen zu verweigern, war aber wirklich bis zum letzten Moment der festen Überzeugung, dass ich nach meinen nicht gerade optimalen Ergebnissen bei der Musterung und meinem damaligen Alter eh nicht genommen und irgendwie davonkommen würde. Das glaubte ich tatsächlich bis zu dem Moment, als ich dann ganz wahrhaftig auf einmal vor einigen uniformierten Herren stand, die mich zwangen mich anständig in eine Reihe mit anderen Unglücklichen zu stellen. Versuche während der Grunddienstzeit doch noch ausgemustert zu werden schlugen ebenfalls fehl, sodass ich mich irgendwann in mein Schicksal ergab und hoffte, die 12 Monate gingen schnell herum. Besonders der Grunddienst kam mir jetzt beim Betrachten von „o.k“ wieder in den Sinn. Diese Zwangsgemeinschaft, wo der Schwächste im Glied kein leichtes Leben hat. Diese prollige Männergesellschaft, wo sich über möglichst geschmacklose Witzchen mit sexuellen Anspielungen definiert wird. Dieser bekloppte Aktionismus, wo tatsächlich – wie im Film – befohlen wird, sich zu tarnen. Nur weil den Oberen augenscheinlich sonst nichts einfiel, um die gelangweilten Wehrpflichtigen auf Trab zu halten. Und die sinnlose Befehle, nur um zu zeigen, dass die mit etwas mehr Streifen auf der Schulter diejenigen sind, die das eben können. Und alle anderen müssen auf ein – ihr! – Wort hin springen. Dieses Dahinleben in einer hermetisch abgeschirmten Blase, wo es nur die „Kameraden“ und sonst nichts gab. Wo man tatsächlich in der Woche in einer völligen Parallelwelt, die nichts mit dem wahren Leben zu tun hat, vegetiert – und es am Wochenende in der Zivilwelt dann perverser Weise auch nur noch ein Thema für einen gibt. Wo sich Werte und Prioritäten völlig verschieben.

Dies soll keine Entschuldigung für die grausame, grauenvolle Tat der Soldaten in „o.k.“ sein. Doch gerade in der ersten Hälfte konnte ich dieses pubertär-machohafte Gehabe doch wiedererkennen. Ebenso wie die ständig vorhandene, latente Aggressivität, die einen da umgibt und die einen irgendwann selber durchdringt. Kaum zu glauben, dass die Schauspieler tatsächlich alle „ungedient“ sind, wie sie am Anfang sagen. Allzu gut fangen sie die Atmosphäre „beim Bund“ ein. Nein, man muss nicht nach Vietnam sehen, um zu verstehen, wie diese seltsame Gesellschaft genannt Militär tickt. Und man soll nicht glauben, dass solche Übergriffe nur dort möglich sind. Deshalb zielt der Vorwurf des „Antiamerikanismus“, der gegen „o.k.“ auf der Berlinale erhoben wurde, auch vollkommen daneben. „o.k.“ zeigt, was militärische Strukturen und Ausnahmesituationen aus den Menschen machen. Aber auch, was in jedem einzelnen an Aggressivität, Mitleidlosigkeit gegenüber Schwächeren und Gewaltpotential schlummert. Das macht „o.k.“ zu einem wichtigen und auch schmerzhaften Film.

Verstärkt wird dies nicht nur von der hervorragenden Leistungen der damals noch unbekannten Schauspielern in den Hauptrollen (von denen neben Verhoeven nur Friedrich von Thun, Hartmut Becker und natürlich Eva Mattes Karriere machten), sondern auch von der herausragenden Kameraarbeit von Igor Luther. Diese umkreist zunächst fast verspielt die Protagonisten, doch später – gerade in den Szenen mit Eva Mattes – zieht sie immer enge ihre Kreise und lässt ein klaustrophobisches Gefühl in einem aufsteigen. Neben den Genannten haben auch Gustl Bayrhammer (ganz weit weg von den gemütlichen Ur-Bayern wie Meister Eder, für die er später berühmt wurde – allerdings die Abgründe dieser sonst mit ihm verbundenen Figuren spürbarmachend) und der große Rolf Zacher (in einer viel zu kleinen Rolle) starke Auftritte. „o.k.“ ist ein Film, den man gesehen haben sollte. Ein überraschend experimentelles, intensives Stück von Michael Verhoeven, welches es verdient hat, mehr zu sein als der „Berlinale-Sprenger“. Und ein Beweis dafür, dass ein frisches, intellektuell anspruchsvolles, aber gleichzeitig auch packendes und mitreißendes Kino in Deutschland möglich war (und auch noch immer ist, aber das ist eine andere Diskussion). Schön, dass man „o.k.“ endlich wieder sehen kann.

Wie gewohnt bei den DVD-Veröffentlichungen der Edition filmmuseum, sind die Extras eine wunderbare Ergänzung zum Film. Gerade bei „o.k.“ fallen sie auch recht üppig aus. Das Booklet besteht aus einem sehr lesenswerten und interessanten Essay von Stefan Drößler, in dem er auch viele zeitgenössische Quellen und Statements einarbeitet. Der 13-seitige Text (inklusive Bilder und Abbildungen) bietet einen ausführlichen und höchst spannenden Überblick über die Ereignisse auf der Berlinale 1970, der damaligen Rezeption des Filmes und den weiteren Problemen, mit denen sich Houwer konfrontiert sah und die beinahe in seinem Bankrott gemündet hätten. Eben dazu findet sich auf der DVD auch ein 34-minütiges Interview mit Verhoeven und Houwer, in dem sie sich dann die Dreharbeiten und vor allem natürlich die Berlinale-Geschichte lebhaft erinnern. Hier spürt man auch, wie diese Erfahrungen scheinbar einen Keil in ihre Freundschaft getrieben haben. Ebenfalls auf der DVD befindet sich Verhoevens Kurzfilm „Tische“ (10 Minuten), der das Thema Vietnam bereits ein Jahr vor „o.k.“ aufgenommen hat. Hierzu sollte man aber vorher den im Booklet befindlichen Text von Michel Verhoeven zu diesem Kurzfilm lesen, da er ohne das Vorwissen um die damaligen Geschehnisse bei der Friedenskonferenz von Paris nicht mehr ganz nachvollziehbar ist. Ein Trailer für „o.k.“ und zwei Zusammenfassungen von Drößlers Text ins Englische und Französische im Booklet runden die Extras ab. Bild und Ton der DVD sind soweit gut. Allerdings scheint es ein kleines Problem beim Transfer gegeben zu haben. Bei einigen Kamerabewegungen erscheint kurz ein waagerechtes Streifenmuster. Dies passiert aber nur sehr selten und wurde von mir nicht als störend empfunden.

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Das Bloggen der Anderen (07-06-21)

– Der Vorverkauf für die diesjährige Sommer-Berlinale (9.-20.6.) beginnt und critic.de empfiehlt Filme aus dem Wettbewerb und den Nebensektionen. Ferner schreibt Robert Wagner darüber, weshalb Peter Stricklands neuer Film „Das blutrote Kleid“ seine hohen Erwartungen nicht erfüllt.

– Auf der Berlinale werden auch Kinderfilme gezeigt. Rochus Wolff berichtet auf dem Kinderfilmblog von der Kinder- und Jugendfilmsektion Generation der Berlinale 2021 und stellt die Filme „Beans“ und „Nelly Rapp – Monsteragentin“ vor.

– Sebastian von Nischenkino möchte seinen Lesern den südkoreanischen Film „Sea Fog“ als kleinen Geheimtipp ans Herz legen. Bluntwolf hingegen hat sich Giorgio Ferronis hübschen Gruseler „Die Mühle der versteinerten Frauen“ angesehen.

– Bleiben wir in Italien. Auf Schattenlichter schlägt Maurizio Merli in Umberto Lenzis „Camorra – Ein Bulle räumt auf“ um sich.

– Nun zu einem echten Klassiker und wunderschönen Film: Lucas Gröning widmet Ingmar Bergmans „Wilden Erdbeeren“ auf Die Nacht der lebenden Texte einen wunderbar langen und informativen Text.

– Und noch ein Klassiker und noch einmal eine längere Auseinandersetzung damit. Filmlichter zeigt sich fasziniert von Tatis großartigen, irgendwie seltsamen „Playtime“.

– Wie so eine Erinnerung aus der Videothek, die aber nie den Weg in den heimischen Player gefunden hat: „Der Leichenwagen“. Lohnt es den mal nachzuholen? Heiko von Allesglotzer hat darauf eine Antwort.

– Irgendwie habe ich das Gefühl, in den letzten Wochen mit Ankündigungen zu „Willy’s Wonderland“ überschüttet worden zu sein. Als bekennender Nic-Cage-Freund war ich neugierig, aber wusste gar nicht, was das sein sollte. Das kann ich jetzt bei Schlombies Filmbesprechungen nachlesen, der allerdings nicht gerade begeistert von dem Werk ist.

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Blu-ray-Rezension: „Dracula jagt Frankenstein“

Eine außerirdischen Macht versucht mithilfe des Wissenschaftlers Dr. Warnoff (Michael Rennie), die Erde zu erobern und die Menschheit auszulöschen. Der geniale Plan: Dr. Warnoff erweckt mehrere Monstern zum Leben: Die Mumie, den Vampir, einen Werwolf (Paul Naschy! Wer sonst?) und ein künstlich erschaffenes Monster (das zwar offiziell nicht Frankensteins Monster ist, aber genau so aussieht). Irgendwie soll das dann dazu führen, dass die Menschen durch ihren eigenen Aberglauben ausgerottet werden. Und eigentlich will Dr. Warnoffs auch noch tausende weitere Monster zu erschaffen, um den Außerirdischen eine menschenfreien Planeten bieten zu können. Oder so ähnlich. Es geht zumindest hoch her, und am Ende kloppen sich der Werwolf und Frankensteins Monster.

Was für ein hanebüchener Unsinn. Das dürfte sich wahrscheinlich jeder denken, der „Dracula jagt Frankenstein“ gesehen hat. Und wer möchte diesem Urteil widersprechen? Die Frage ist, ob dieses Statement mit Zornesfalten auf der Stirn oder einem Lächeln im Gesicht getätigt wird. Dieser Rezensent trug eindeutig letzteres zur Schau. Nein, ein guter Film ist „Dracula jagt Frankenstein“ nicht geworden. Die Geschichte ist haarsträubend, irgendeine Form von Logik kann man mit der Lupe suchen und wird dennoch nicht fündig. Handlungsfäden werden aufgenommen, doch schon nach wenigen Zentimetern verheddert sich das Drehbuch darin und produziert einen Gordischen Knoten, den nur die Sonne im Herzen und die Liebe zu solch einem Blödsinn zerschlagen kann. Da hilft es dann, wenn man als Kind Fan der berühmten Gruselserie-Hörspielreihe des großen H.G. Francis war. Auch dort hatte man das Gefühl, dass aus Platzgründen (die Hörspiele waren nie länger als 40 Minuten) die eine oder andere Info oder wichtige Szene unter den Tisch fiel. Trotzdem hat man die Dinger geliebt. Ähnlich ist es hier, nur das in diesem Falle wohl das Budget und die chaotischen Dreharbeiten der Grund dafür waren, dass am Ende ein Spektakel rauskam, welches einen permanent den Kopf schütteln lässt.

Nun wäre es billig, diese Rezension damit zu füllen, was an dem Film alles nicht stimmt. Wo Chancen vergeben wurden. Weshalb man ob der vorne und hinten kaum Sinn machenden Handlung und Handlungssprüngen immer wieder daran zweifelt, ob man nicht zwischendrin mehrfach eingenickt ist und deshalb wichtige Informationen verpasst hat. Man könnte sich lang und breit über die „Witzische“ Synchronisation im milden „Brandisch“ erregen, die das Ganze noch einmal nachdrücklich ad absurdum führt. Es gäbe so viel, auf das man verbal (sicher zu Recht) eindreschen könnte. Aber was soll das? Einem Film wie „Dracula jagt Frankenstein“ sollte man vielleicht nicht mit den heiligen Ernst und Anspruch entgegentreten, hier einen legitimen Nachfolger der legendären Universal-Horrorfilme der 30er Jahre vor sich zu haben. Eher einem Traum, in dem die klassischen Universal-Monster nach einer durchzechten Nacht plötzlich auftauchen, kurz bevor das Bett sich anfängt zu drehen. Selbstverständlich könnte man jetzt noch den Möglichkeiten nachweinen, die diese wilde Konstellation eigentlich geboten hätte. Wahrscheinlich war vom Drehbuchautor Paul Naschy ursprünglich eine viel größere Produktion mit noch mehr Monster-Geprügel und einer eher epischen Hommage an die goldene Zeit des Horrorfilms geplant. Allein: Die Umstände waren nicht danach und so muss (und kann) man heute mit dem leben, was da 1969 unter abenteuerlichen Umständen gedreht wurde.

Denn wie David Renske in seinem Booklet ausführt, stand der Film mehr als einmal vor dem Abbruch und sein Produzent vor dem Bankrott. Insgesamt wurden drei Regisseure verschlissen und Naschys Drehbuch regelmäßig zusammengestrichen, um mit dem immer schmaler werdenden Budget hinzukommen. Tatsächlich hat man bei „Dracula jagt Frankenstein“ ständig das Gefühl, als hätten drei-vier Leute ohne voneinander zu wissen, das Drehbuch verfasst. Und dann wären irgendwann mal alle Seiten runter gefallen und man hat irgendwie versucht, diese dann wieder in eine einigermaßen sinnvolle Reihenfolge zu bekommen. Dass Hauptdarsteller Michael Rennie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits schwer krank war, macht das Ganze natürlich nicht besser. Bewundernswert aber, mit welcher Professionalität er das Ganze durchzieht. Gleiches gilt für Karin Dor, die ebenfalls eine souverän-seriöse Schauspiel-Leistung einbringt. Das verwundert an diesem Film vielleicht tatsächlich am Meisten. Keiner der Darsteller überzieht seine Rolle so sehr, dass sie zur reinen Persiflage verkommt. Alle sind mit Herzblut (insbesondere Naschy bei seinem dritten Einsatz als Werwolf Waldemar Daninsky) oder zumindest mit einem anständigen Sinn für Professionalität dabei. Dass hier so vieles unfassbar lächerlich und parodistisch erscheint, liegt in der Tat an der flapsigen Berliner Synchronisation. Da wird dann in Bester „Die 2“-Manier noch viel monologisiert, wenn die Münder schon geschlossen sind oder sich die Sprecher im Off befinden. Was aber in gewisser Weise – und wenn man ein Faible dafür hat – auch ein wenig den Reiz des Filmes mit ausmacht.

„Dracula jagt Frankenstein“ kann man sich gut als Party-Kracher in einem vollbesetzten Kino mit dem richtigen Publikum vorstellen. Und man kann ihm auch nicht absprechen, zweitweise schön stimmige Bilder zu finden. Regisseur Tulio Demicheli war schließlich schon ein Routinier mit langer Erfahrung, als er den Film übernahm. Und Hugo Fregonese, der auch am Film beteiligt war und wohl einen Großteil abdreht hatte bevor Demicheli übernahm, kam aus Hollywood und hatte in Deutschland bereits „Die Todestrahlen des Dr. Mabuse“ und „Old Shatterhand“ gedreht. Unterstützung hatten sie durch den tollen Kameramann Godofredo Pacheco, der nicht nur für die sehr stimmungsvollen frühen Horrorfilme und Film Noirs des jungen Jess Franco verantwortlich war, sondern im selben Jahr wie „Dracula jagt Frankenstein“ auch ohne Nennung an dem fantastischen „Das Versteck“ beteiligt war. Dieses geballte Talent hinter (und teilweise vor) der Kamera, sorgt dafür, dass der Film zumindest Ansatzweise vor der – um einmal das schlimme Wort zu benutzen – Trash-Grube gerettet wird, in die ihn die zweifelhafte Produktion, das fehlende Geld und die deutsche Synchro immer wieder hineinstoßen wollen. Nein, ein guter Film wird auch so nicht aus „Dracula jagt Frankenstein“. Aber ein unterhaltsamer Mumpitz, der wahlweise zu guter oder schlechter Laune führt. Das bleibt dann dem Betrachter überlassen.

Die filmArt-Blu-ray überzeugt mit einem knackigen, sehr schön bunten Bild, welches allerdings einige Probleme mit größeren schwarzen Flächen hat, bei denen es leider zu Klötzchen und Stufenbildung kommt. Doch das stört den Filmgenuss weniger und ist wie gesagt, nur bei größeren schwarzen Flächen ein Problem. Sehr charmant ist das Intro von Jörg Buttgereit zum Film, in dem man nicht nur jederzeit die Liebe zu diesem Film spürt, sondern das auch noch durch drei kurze, thematisch perfekt passende alte Super-8-Filme des „Nekromantik“-Regisseurs ergänzt wird. Das macht richtig viel Spaß. Wie ich bereits eingangs schrieb, bin ich sehr positiv von David Renskes Text im 16-seitigen und mit schönen Bildern bestückten Booklet angetan. Ich verhehle nicht, dass ich mit seinen früheren Booklet-Texten manchmal so meine Probleme hatte, aber dieses hier hat mir tatsächlich von vorne bis hinten sehr gut gefallen. Super geschrieben, tolle aufgebaut und strukturiert, viele interessante Infos. So muss das sein. Neben der deutschen Schnitt-Fassung gibt es noch eine spanische. Wobei diese auf die Sekunde gleich lang ist und scheinbar bis auf einen spanischen Vorspann keine Unterschiede aufweist. Zu den weiteren Extras zählen noch weitere – US-amerikanische – Vorspänne in schlechterer Qualität, sowie der deutsche und der französische Trailer und eine Bildgalerie. Bei der Tonspur kann man zwischen Deutsch, Spanisch und Englisch – jeweils in DTS-HD Master Audio 2.0 Mono – wählen.

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Blu-ray-Rezension: „Höllenhunde bellen zum Gebet“

Als ein amerikanischer Gangster von der Mafia in Neapel erschossen wird, schickt der amerikanische Mob den Profikiller Peter Marciani (Yul Brynner), um den Mörder zu bestrafen. Marciani hat seinen Job eigentlich an den Nagel gehängt. Doch als ihm gesteckt wird, dass der Schuldige in Neapel auch hinter dem Mord an seinem jüngeren Bruder steckt, macht sich Marciani doch noch einmal auf den Weg. In Neapel angekommen, wirft sich ihm der junge Ganove Angelo (Massimo Ranieri) an den Hals, der hofft, durch Marciani an das Geld zu kommen, welches er durch den Mord an dem Amerikaner verloren hat. Schnell werden auch die italienische Mafia und die Polizei auf Marciani aufmerksam und ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt…

Antonio Margheriti gehört zu den Konstanten im italienischen Genre-Kino der 60er, 70er und 80er Jahre. In dieser Zeit hat er sich im Science-Fiction-Film, dem Horrorkino, dem Italo-Western, dem Kriegs- und Söldnerfilm, dem Abenteuerfilm und natürlich auch im Poliziotteschi ausgetobt. Dabei gelang ihm das Kunststück keinen einzigen Film abzuliefern, für den er sich hätte schämen müssen. Seine Filme sind immer mindestens solide, oft gut und manchmal außerordentlich. Wie beispielsweise seine Gothic-Horror-Gruseler aus den 60ern oder der von diesen beatmete Western „Satan der Rache“, in dem Klaus Kinski so etwas wie den „Guten“ spielen darf. Mit Kinski drehte er auch Anfang der 80er einige Söldnerfilme, die der VHS-Generation, die Mitte der 80er die Videotheken stürmte, bis heute ans Herz gewachsen sind.

Höllenhunde bellen zum Gebet“ ist nur einer von zwei Poliziotteschi, die Margheriti drehte (nimmt man die manchmal auch als solche bezeichneten Werke „Virtual Weapon“ und „Ein Turbo räumt den Highway auf“ mal raus, da sie sowieso eher anderen Genres zuzuordnen sind). Der andere war „Gretchko“, den er zwei Jahre später realisierte. Beide Filme weisen signifikante Gemeinsamkeiten auf. Beide spielen im Gangster-Milieu, handeln von alten Spezialisten, die noch einmal auf eine Sache angesetzt werden (hier der Killer, dort der Safeknacker) und in beiden Filmen ist ein ikonischer US-Star in der Hauptrolle zu sehen. In „Gretchko“ ist es Lee Van Cleef, für „Höllenhunde bellen zum Gebet“ konnte der große Yul Brynner verpflichtet werden, der hier auch gleichzeitig in seiner letzten Filmrolle überhaupt zu sehen ist.

Und man sieht Brynner sein Alter von 56 Jahren auch an. Eigentlich wirkt er im Gesicht sogar noch ein Tickchen älter. Das wilde Leben eines Hollywood-Stars fordert eben seinen Tribut. Trotzdem ist er noch verdammt gut in Schuss, was er hier immer wieder gern zur Schau stellen kann, denn Margheriti gönnt seinem berühmten Star bei dessen Schwanengesang zahlreiche Sexszenen mit der wunderschönen Barbara Bouchet, die Brynner dann oberkörperfrei absolviert. Angeblich kam die wunderbare Barbara mit Brynner nicht gut zurecht, da sie ihn arrogant und überheblich fand. Was man dem Film aber nicht ansieht. Überhaupt die Bouchet. Leider ist sie hier auf die Rolle des Hinguckers (eine Striptease-Nummer lässt einem die Brillengläser beschlagen) und Liebchens reduziert. Was sehr schade ist, da sie sehr viel mehr konnte als man ihr hier zugestand. Im Grunde hat ihre Figur Anni nichts zur Handlung beizutragen, außer Brynners Peter Marciani ein paar schöne Tage und ein Alibi zu verschaffen.

Neben Brynners enormer Präsenz verblasst der zweite Co-Star Massimo Ranieri, der wie eine Mischung aus August Diehl und Daniel Brühl aussieht. Wobei seine Rolle auch darunter leidet, dass sie von Drehbuch etwas im Stich gelassen wird. Seine Beteiligung an der Geschichte wirkt sehr konstruiert. Er kommt nämlich auf die Idee sich an den Killer Marciani ranzuschmeißen, um von dem die Hälfte des Geldes zu bekommen, welches ihm die Polizei abgenommen hat. Der Grund: Das Geld hatte jener amerikanische Gangster gerade in der Hand, als er von den Leuten Gallos erschossen wurde und den Marciani nun rächen soll. Puh, darauf muss man erst einmal kommen. Da Ranieris Angelo so unglücklich eingeführt wird und dann auch gleich seine Freundin auffordert mit Marciani zu schlafen, fällt es schwer Sympathien für ihn zu entwickeln. Aus der Dreiecks-Geschichte Anni-Angelo-Marciani wird auch nichts gemacht. Und so hängt die Figur des Angelos irgendwo in der Luft, und seine Motivation sich auf das gefährliche Spiel mit Marciani einzulassen, bleibt auch schwammig. Was ein Problem ist, wenn Angelo der Anker der Geschichte sein soll. Dafür bietet der wie immer zuverlässige Martin Balsam eine weiterer seine grandiosen Harter-Bulle-mit-Herz-Rollen. Balsam zusehen ist immer ein großes Vergnügen, denn spielt immer unaufgeregt, unglaublich souverän und mit einer sehr starken Eindruck hinterlassend. Ein großartiger, vielleicht etwas unterschätzter Schauspieler, der jeden Film aufwertet.

Bei einem Titel wie „Höllenhunde bellen zum Gebet“ erwartet man Non-Stop-Action, Explosionen und Schießereien. Im Original heißt der Film allerdings „Mit Wut in den Augen“, was sich wahrscheinlich auf Marcianis Problem bezieht, dass er immer mal wieder unter von einem seelischen Trauma ausgelösten Sehstörungen leidet. Denn Marciani sieht häufig mal blutrote Flecken im Sichtfeld und dies erst seit sein geliebter jüngerer Bruder vor seinen Augen erschossen wurde. Mehr als ein Gimmick ist dieses Manko aber auch nicht, denn für die Handlung hat Marcianis Schwäche keinerlei Konsequenzen. Oder die „Wut in den Augen“ ist einfach nur eine Anspielung auf Yul Brynners legendärer, stahlharter Blick, den er hier oft und gerne um sich wirft.

Zwar setzt Margheriti auch auf Action, diese spielt aber keine so große Rolle, wie man denken sollte. Vielmehr verlegt sich Margheriti darauf, das Verhältnis zwischen Angelo und Marciani zu beleuchten. Scheinbar glaubt Marciani in Angelo eine jüngere Version seiner selbst zu erkennen, oder aber einen Wiedergänger seines ermordeten, jüngeren Bruders. Anders ist es auch nicht zu erklären, weshalb er sich der Nervensäge annimmt und zu keiner Sekunde an dessen Loyalität zweifelt. Solch ein Vater-Sohn-Verhältnis kennt man aus diversen Western, wobei hier wahrscheinlich der Profikiller-Film „Kalter Hauch“ Pate stand, indem Charles Bronson und Jan-Michael Vincent ein ähnliches, wenn auch sehr viel vielschichtigeres, Verhältnis pflegten. Die Actionszenen sind demgegenüber eher kurz, prägnant und nicht die eigentlichen Höhepunkte des Films. Untermalt werden sie von einem phantastischen Score der Brüder DeAngelis, der einem wieder einmal lange im Ohr bleibt, und der den Actionszenen zusammen mit der elegant-flüssigen Kameraführung Sergio D’Offizis eine ganz wunderbare Dynamik verleiht.

Der Film erscheint als Nummer 16 der „Filmart Polizieschi Edition“ und liegt ausschließlich auf Blu-ray vor. Das Bild ist gut. Hier wurde nichts totgefiltert, was zu in einem schönen Kinobild resultiert. Beim Ton kann man zwischen einer gefilterten und einer ungefilterten deutschen Tonspur, sowie der englischen Tonspur (alles in DTS-HD Master Audio 1.0) auswählen. Zusätzlich steht man vor der Wahl sich die mit 98 Minuten ungekürzte Fassung, die auf 93 Minuten gehkürzte englische Schnittfassung (in HD) oder die mit 91 Minuten noch einmal kürzere italienische Schnittfassung (nur in SD, dafür mit zusätzlicher Option einer italienischen Tonspur) anzusehen. Das 8-seitige Booklet stammt von Christian Keßler, der Margheriti allgemein und die „Höllenhunde“ im Besonderen schreibt.

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