Das Bloggen der Anderen (14-06-21)

– Die Diagonale in Graz, das Festival des österreichischen Films findet als eines der ersten Filmfestivals wieder als Präsenzveranstaltung statt. Kino-zeit.de stellt zehn Tipps vor, was man sich ansehen sollte.

„Wenn Filme die Wahrnehmung von Songs verändern“ nennt Filmlichtung seinen Beitrag, in dem es explizit auch darum geht, mit den Lesern in Kontakt zu treten und von denen Beispiele für solche „veränderten Wahrnehmungen“ zu erfahren. Ich lege mal vor: „Stuck in the Middle With You“.

– Till Kadritzke schreibt auf critic.de über Filme, die versuchen politische Strukturen ins Bild zu setzen und über die „Forum“-Sonderreihe „Fiktionsbescheinigung“, die vom 9. bis 30. Juni online im Arsenal 3 zu sehen ist. Und ein Text den ich besonders schön fand: Lukas Foersters Ehrenrettung von „Daniel, der Zauberer“. In der Tat bezaubernd.

– Manfred Polak stellt auf Whoknows presents gewohnt informativ und lesenswert den Film „Der merkwürdige Monsieur Victor“ vor. Eine französisch-deutsche Co-Produktion von 1938. https://whoknowspresents.blogspot.com/2021/06/der-merkwurdige-monsieur-victor.html

– Ich mag ja Drehort-Vergleiche sehr gerne. Und ich freue mich immer wieder, wenn Schattenlichter einen veröffentlicht. Gerade jetzt, da es um „Suspiria“ geht, den ich hoffentlich im Herbst direkt in Freiburg sehen kann. Da werde ich dann auch mal meinen ganz eigenen Vergleich anstellen. Zumindest mit dem Walfisch-Haus. Der Rest ist ja in München gedreht. Wo ich dafür hin muss, weiß ich ja jetzt.

– Bluntwolf von Nischenkino hat sich „Hinter den Mauern des Grauens“ angesehen und dabei auch den Audiokommentar lobend erwähnt. Was mich natürlich ganz besonders freut. Dankeschön!

– Ich gebe zu, ich wusste bis vor Tonio Kleins Beitrag auf Die Nacht der lebenden Texte nicht, wer Alexis Smith ist, die da ihren 100. Geburtstag feiert. Nach der Lektüren seiner Vorstellung von „Das Geheimnis der Frau in Weiß“ bin ich aber wie immer bestens informiert worden.

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DVD-Rezension: „o.k.“

Im Bayrischen Wald wird von einer Gruppe Schauspieler auf Bayrisch der reale, sogenannte „Incident on Hill 192“ (auch Grundlage des Films „Die Verdammten des Krieges“ von Brian de Palma), nachgestellt, bei dem im November 1966 ein Trupp US-Soldaten die junge Vietnamesin Phan Thi Mao kidnappte, vergewaltigte und ermordete.

Endlich ist Michael Verhoevens legendärer „Berlinale-Sprenger“ „o.k.“ auf einem Heimkino-Medium erhältlich. Ob es eine VHS-Auswertung gab, entzieht sich meiner Erkenntnis. Eine spontane Internet-Recherche ergab kein Ergebnis. Laut OFDb.de und Booklet lief der Film immerhin 2002 einmal auf VOX. Um 0:15 Uhr. Auf DVD war dieses provokative Antikriegs-Manifest bisher aber nicht zu bekommen. Und ich hätte tatsächlich eher damit gerecht, dass sich Bildstörung oder Subkultur mit seiner Edition Deutsche Vita dem Thema annehmen würde. Letztendlich ist „o.k.“ nun bei der Edition filmmuseum herausgekommen. Sicherlich nicht der schlechteste Ort dafür. Auch wenn man sich hier auch eine Blu-ray gewünscht hätte. Aber die Edition filmmuseum passt auch deshalb hervorragend, da der Film in Bayern spielt und auch auf Bayrisch (wobei, einem auch für norddeutsche Ohren verständlichen Bayrisch) gedreht wurde. Und die Edition wird ja vom Filmmuseum München herausgeben. Zudem haben auch die bisherigen Filme innerhalb der Edition gezeigt, dass hier mit viel Liebe, Akribie und Sachverstand vorgegangen wird.

Seinen legendären Ruf erhielt „o.k“, da der Film tatsächlich die Berlinale 1970 zum vorzeitigen Abbruch gebracht hat. Der damalige Jury-Präsident empfand den deutschen Wettbewerbsfilm als zutiefst anti-amerikanisch und beleidigend, so dass innerhalb der Jury beschlossen wurde, den Film aus dem Wettbewerb zu kegeln. Als das bekannt wurde, war der Skandal da. Die genauen Abläufe der damaligen Ereignisse werden im Begleitmaterial dieser DVD vorbildlich aufgearbeitet. Der Skandal half scheinbar nicht viel. Im Interview erzählt Produzent Rob Houwen, dass der Film gerade mal drei Wochen in deutschen Kinos lief. Eine kleine Anekdote am Rande: Wie ich verstellte, lief „o.k.“ in der Woche meiner Geburt im Bremer Kino „Filmstudio“ an. Wie man auf der zeitgenössischen Kinoanzeige lesen kann, wurde „der Film der die Berlinale sprengte“ (Werbetext) dort – obwohl gerade erst angelaufen mit den Worten „Auf dem Weg zum Film-Hit des Jahres“ beworben. Daraus ist dann scheinbar nichts geworden. Leider.

Denn „o.k.“ ist ein kleines Meisterwerk. Verhoeven war vor allem als Sohn des großen Paul (nein, nicht DER Paul, der deutsche) Verhoeven und als Schauspieler bekannt. Ab 1967 widmete er sich aber auch der Regie. Sein erster Film war die Strindberg-Verfilmung „Paarungen“ beruhend auf dem Theaterstück „Totentanz“, für die Verhoeven auch das Drehbuch schrieb. Es folgten die leichten Schwabing-Komödien „Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter“ und „Der Bettenstudent oder: Was mach’ ich mit den Mädchen?“. All diese Filme wurden von Rob Houwen produziert. Und keiner bereitet einen darauf vor, dass Verhoevens vierter Film ein in schwarz-weiß gedrehter, Brechtsche Verfremdungstechniken anwendender, politischer und kompromissloser, den Krieg anklagender Film werden sollte. Wobei im „Bettelstudent“ der spätere RAF-Terrorist Christof Wackernagel die Hauptrolle spielte. Vielleicht ist dort eine Verbindung zu sehen.

„o.k.“ beginnt damit, dass sich die Schauspieler einfinden, in sich kurz vorstellen und ihre Kostüme raus suchen. Manche Sachen werden wiederholt, weil sie am Anfang nicht geklappt haben. So wird der Zuschauer durch die dokumentarische Herangehensweise einerseits in den Film hineingeholt, andererseits distanziert er sich vom Geschehen. Und dadurch kommt es zu einem interessanten Effekt. Einerseits ist völlig klar, dass hier nichts „echt“ ist. Die Schauspieler sprechen direkt mit dem Publikum, es wird hinter die Kulissen geblickt, Kamera und Techniker sind im Bild. Der Bayrische Wald sieht eben aus wie der Bayrische Wald – nicht im Geringsten wie Vietnam. Eva Mattes spielt zwar die Vietnamesin Phan Ti Mao, bleibt aber durch und durch Deutsch. Und die Soldaten haben zwar amerikanische Namen, sprechen aber eben Bayrisch. Auf der anderen Seite wirkt das Ganze aber gerade auch dadurch, dass dem Zuschauer dies bewusst ist und man weniger „lebensechte“ Figuren vor sich hat, als vielmehr Schauspieler, die sich in ihre Rollen hineingefunden haben, und diese nun leben, eben doch sehr wahrhaftig. Was man hier sieht, scheint sich tatsächlich in diesem Moment zwischen den Schauspielern zu entwickeln. Vieles wirkt improvisiert, obwohl es dies wahrscheinlich gar nicht ist. Ein wenig hat man das Gefühl, als würde man einem Reality-TV-Format zuschauen, das irgendwann aus dem Ruder läuft.

Für mich persönlich weckt „o.k.“ viele Erinnerungen an die eigene Bundeswehrzeit. 1993 hatte man mich tatsächlich noch zum 12-monatigen Grundwehrdienst eingezogen. Mir war es so ein wenig ergangen, wie Herrn Lehmann in Sven Regeners „Neue Vahr Süd“. Zwar hatte ich nicht vergessen zu verweigern, war aber wirklich bis zum letzten Moment der festen Überzeugung, dass ich nach meinen nicht gerade optimalen Ergebnissen bei der Musterung und meinem damaligen Alter eh nicht genommen und irgendwie davonkommen würde. Das glaubte ich tatsächlich bis zu dem Moment, als ich dann ganz wahrhaftig auf einmal vor einigen uniformierten Herren stand, die mich zwangen mich anständig in eine Reihe mit anderen Unglücklichen zu stellen. Versuche während der Grunddienstzeit doch noch ausgemustert zu werden schlugen ebenfalls fehl, sodass ich mich irgendwann in mein Schicksal ergab und hoffte, die 12 Monate gingen schnell herum. Besonders der Grunddienst kam mir jetzt beim Betrachten von „o.k“ wieder in den Sinn. Diese Zwangsgemeinschaft, wo der Schwächste im Glied kein leichtes Leben hat. Diese prollige Männergesellschaft, wo sich über möglichst geschmacklose Witzchen mit sexuellen Anspielungen definiert wird. Dieser bekloppte Aktionismus, wo tatsächlich – wie im Film – befohlen wird, sich zu tarnen. Nur weil den Oberen augenscheinlich sonst nichts einfiel, um die gelangweilten Wehrpflichtigen auf Trab zu halten. Und die sinnlose Befehle, nur um zu zeigen, dass die mit etwas mehr Streifen auf der Schulter diejenigen sind, die das eben können. Und alle anderen müssen auf ein – ihr! – Wort hin springen. Dieses Dahinleben in einer hermetisch abgeschirmten Blase, wo es nur die „Kameraden“ und sonst nichts gab. Wo man tatsächlich in der Woche in einer völligen Parallelwelt, die nichts mit dem wahren Leben zu tun hat, vegetiert – und es am Wochenende in der Zivilwelt dann perverser Weise auch nur noch ein Thema für einen gibt. Wo sich Werte und Prioritäten völlig verschieben.

Dies soll keine Entschuldigung für die grausame, grauenvolle Tat der Soldaten in „o.k.“ sein. Doch gerade in der ersten Hälfte konnte ich dieses pubertär-machohafte Gehabe doch wiedererkennen. Ebenso wie die ständig vorhandene, latente Aggressivität, die einen da umgibt und die einen irgendwann selber durchdringt. Kaum zu glauben, dass die Schauspieler tatsächlich alle „ungedient“ sind, wie sie am Anfang sagen. Allzu gut fangen sie die Atmosphäre „beim Bund“ ein. Nein, man muss nicht nach Vietnam sehen, um zu verstehen, wie diese seltsame Gesellschaft genannt Militär tickt. Und man soll nicht glauben, dass solche Übergriffe nur dort möglich sind. Deshalb zielt der Vorwurf des „Antiamerikanismus“, der gegen „o.k.“ auf der Berlinale erhoben wurde, auch vollkommen daneben. „o.k.“ zeigt, was militärische Strukturen und Ausnahmesituationen aus den Menschen machen. Aber auch, was in jedem einzelnen an Aggressivität, Mitleidlosigkeit gegenüber Schwächeren und Gewaltpotential schlummert. Das macht „o.k.“ zu einem wichtigen und auch schmerzhaften Film.

Verstärkt wird dies nicht nur von der hervorragenden Leistungen der damals noch unbekannten Schauspielern in den Hauptrollen (von denen neben Verhoeven nur Friedrich von Thun, Hartmut Becker und natürlich Eva Mattes Karriere machten), sondern auch von der herausragenden Kameraarbeit von Igor Luther. Diese umkreist zunächst fast verspielt die Protagonisten, doch später – gerade in den Szenen mit Eva Mattes – zieht sie immer enge ihre Kreise und lässt ein klaustrophobisches Gefühl in einem aufsteigen. Neben den Genannten haben auch Gustl Bayrhammer (ganz weit weg von den gemütlichen Ur-Bayern wie Meister Eder, für die er später berühmt wurde – allerdings die Abgründe dieser sonst mit ihm verbundenen Figuren spürbarmachend) und der große Rolf Zacher (in einer viel zu kleinen Rolle) starke Auftritte. „o.k.“ ist ein Film, den man gesehen haben sollte. Ein überraschend experimentelles, intensives Stück von Michael Verhoeven, welches es verdient hat, mehr zu sein als der „Berlinale-Sprenger“. Und ein Beweis dafür, dass ein frisches, intellektuell anspruchsvolles, aber gleichzeitig auch packendes und mitreißendes Kino in Deutschland möglich war (und auch noch immer ist, aber das ist eine andere Diskussion). Schön, dass man „o.k.“ endlich wieder sehen kann.

Wie gewohnt bei den DVD-Veröffentlichungen der Edition filmmuseum, sind die Extras eine wunderbare Ergänzung zum Film. Gerade bei „o.k.“ fallen sie auch recht üppig aus. Das Booklet besteht aus einem sehr lesenswerten und interessanten Essay von Stefan Drößler, in dem er auch viele zeitgenössische Quellen und Statements einarbeitet. Der 13-seitige Text (inklusive Bilder und Abbildungen) bietet einen ausführlichen und höchst spannenden Überblick über die Ereignisse auf der Berlinale 1970, der damaligen Rezeption des Filmes und den weiteren Problemen, mit denen sich Houwer konfrontiert sah und die beinahe in seinem Bankrott gemündet hätten. Eben dazu findet sich auf der DVD auch ein 34-minütiges Interview mit Verhoeven und Houwer, in dem sie sich dann die Dreharbeiten und vor allem natürlich die Berlinale-Geschichte lebhaft erinnern. Hier spürt man auch, wie diese Erfahrungen scheinbar einen Keil in ihre Freundschaft getrieben haben. Ebenfalls auf der DVD befindet sich Verhoevens Kurzfilm „Tische“ (10 Minuten), der das Thema Vietnam bereits ein Jahr vor „o.k.“ aufgenommen hat. Hierzu sollte man aber vorher den im Booklet befindlichen Text von Michel Verhoeven zu diesem Kurzfilm lesen, da er ohne das Vorwissen um die damaligen Geschehnisse bei der Friedenskonferenz von Paris nicht mehr ganz nachvollziehbar ist. Ein Trailer für „o.k.“ und zwei Zusammenfassungen von Drößlers Text ins Englische und Französische im Booklet runden die Extras ab. Bild und Ton der DVD sind soweit gut. Allerdings scheint es ein kleines Problem beim Transfer gegeben zu haben. Bei einigen Kamerabewegungen erscheint kurz ein waagerechtes Streifenmuster. Dies passiert aber nur sehr selten und wurde von mir nicht als störend empfunden.

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Das Bloggen der Anderen (07-06-21)

– Der Vorverkauf für die diesjährige Sommer-Berlinale (9.-20.6.) beginnt und critic.de empfiehlt Filme aus dem Wettbewerb und den Nebensektionen. Ferner schreibt Robert Wagner darüber, weshalb Peter Stricklands neuer Film „Das blutrote Kleid“ seine hohen Erwartungen nicht erfüllt.

– Auf der Berlinale werden auch Kinderfilme gezeigt. Rochus Wolff berichtet auf dem Kinderfilmblog von der Kinder- und Jugendfilmsektion Generation der Berlinale 2021 und stellt die Filme „Beans“ und „Nelly Rapp – Monsteragentin“ vor.

– Sebastian von Nischenkino möchte seinen Lesern den südkoreanischen Film „Sea Fog“ als kleinen Geheimtipp ans Herz legen. Bluntwolf hingegen hat sich Giorgio Ferronis hübschen Gruseler „Die Mühle der versteinerten Frauen“ angesehen.

– Bleiben wir in Italien. Auf Schattenlichter schlägt Maurizio Merli in Umberto Lenzis „Camorra – Ein Bulle räumt auf“ um sich.

– Nun zu einem echten Klassiker und wunderschönen Film: Lucas Gröning widmet Ingmar Bergmans „Wilden Erdbeeren“ auf Die Nacht der lebenden Texte einen wunderbar langen und informativen Text.

– Und noch ein Klassiker und noch einmal eine längere Auseinandersetzung damit. Filmlichter zeigt sich fasziniert von Tatis großartigen, irgendwie seltsamen „Playtime“.

– Wie so eine Erinnerung aus der Videothek, die aber nie den Weg in den heimischen Player gefunden hat: „Der Leichenwagen“. Lohnt es den mal nachzuholen? Heiko von Allesglotzer hat darauf eine Antwort.

– Irgendwie habe ich das Gefühl, in den letzten Wochen mit Ankündigungen zu „Willy’s Wonderland“ überschüttet worden zu sein. Als bekennender Nic-Cage-Freund war ich neugierig, aber wusste gar nicht, was das sein sollte. Das kann ich jetzt bei Schlombies Filmbesprechungen nachlesen, der allerdings nicht gerade begeistert von dem Werk ist.

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Blu-ray-Rezension: „Dracula jagt Frankenstein“

Eine außerirdischen Macht versucht mithilfe des Wissenschaftlers Dr. Warnoff (Michael Rennie), die Erde zu erobern und die Menschheit auszulöschen. Der geniale Plan: Dr. Warnoff erweckt mehrere Monstern zum Leben: Die Mumie, den Vampir, einen Werwolf (Paul Naschy! Wer sonst?) und ein künstlich erschaffenes Monster (das zwar offiziell nicht Frankensteins Monster ist, aber genau so aussieht). Irgendwie soll das dann dazu führen, dass die Menschen durch ihren eigenen Aberglauben ausgerottet werden. Und eigentlich will Dr. Warnoffs auch noch tausende weitere Monster zu erschaffen, um den Außerirdischen eine menschenfreien Planeten bieten zu können. Oder so ähnlich. Es geht zumindest hoch her, und am Ende kloppen sich der Werwolf und Frankensteins Monster.

Was für ein hanebüchener Unsinn. Das dürfte sich wahrscheinlich jeder denken, der „Dracula jagt Frankenstein“ gesehen hat. Und wer möchte diesem Urteil widersprechen? Die Frage ist, ob dieses Statement mit Zornesfalten auf der Stirn oder einem Lächeln im Gesicht getätigt wird. Dieser Rezensent trug eindeutig letzteres zur Schau. Nein, ein guter Film ist „Dracula jagt Frankenstein“ nicht geworden. Die Geschichte ist haarsträubend, irgendeine Form von Logik kann man mit der Lupe suchen und wird dennoch nicht fündig. Handlungsfäden werden aufgenommen, doch schon nach wenigen Zentimetern verheddert sich das Drehbuch darin und produziert einen Gordischen Knoten, den nur die Sonne im Herzen und die Liebe zu solch einem Blödsinn zerschlagen kann. Da hilft es dann, wenn man als Kind Fan der berühmten Gruselserie-Hörspielreihe des großen H.G. Francis war. Auch dort hatte man das Gefühl, dass aus Platzgründen (die Hörspiele waren nie länger als 40 Minuten) die eine oder andere Info oder wichtige Szene unter den Tisch fiel. Trotzdem hat man die Dinger geliebt. Ähnlich ist es hier, nur das in diesem Falle wohl das Budget und die chaotischen Dreharbeiten der Grund dafür waren, dass am Ende ein Spektakel rauskam, welches einen permanent den Kopf schütteln lässt.

Nun wäre es billig, diese Rezension damit zu füllen, was an dem Film alles nicht stimmt. Wo Chancen vergeben wurden. Weshalb man ob der vorne und hinten kaum Sinn machenden Handlung und Handlungssprüngen immer wieder daran zweifelt, ob man nicht zwischendrin mehrfach eingenickt ist und deshalb wichtige Informationen verpasst hat. Man könnte sich lang und breit über die „Witzische“ Synchronisation im milden „Brandisch“ erregen, die das Ganze noch einmal nachdrücklich ad absurdum führt. Es gäbe so viel, auf das man verbal (sicher zu Recht) eindreschen könnte. Aber was soll das? Einem Film wie „Dracula jagt Frankenstein“ sollte man vielleicht nicht mit den heiligen Ernst und Anspruch entgegentreten, hier einen legitimen Nachfolger der legendären Universal-Horrorfilme der 30er Jahre vor sich zu haben. Eher einem Traum, in dem die klassischen Universal-Monster nach einer durchzechten Nacht plötzlich auftauchen, kurz bevor das Bett sich anfängt zu drehen. Selbstverständlich könnte man jetzt noch den Möglichkeiten nachweinen, die diese wilde Konstellation eigentlich geboten hätte. Wahrscheinlich war vom Drehbuchautor Paul Naschy ursprünglich eine viel größere Produktion mit noch mehr Monster-Geprügel und einer eher epischen Hommage an die goldene Zeit des Horrorfilms geplant. Allein: Die Umstände waren nicht danach und so muss (und kann) man heute mit dem leben, was da 1969 unter abenteuerlichen Umständen gedreht wurde.

Denn wie David Renske in seinem Booklet ausführt, stand der Film mehr als einmal vor dem Abbruch und sein Produzent vor dem Bankrott. Insgesamt wurden drei Regisseure verschlissen und Naschys Drehbuch regelmäßig zusammengestrichen, um mit dem immer schmaler werdenden Budget hinzukommen. Tatsächlich hat man bei „Dracula jagt Frankenstein“ ständig das Gefühl, als hätten drei-vier Leute ohne voneinander zu wissen, das Drehbuch verfasst. Und dann wären irgendwann mal alle Seiten runter gefallen und man hat irgendwie versucht, diese dann wieder in eine einigermaßen sinnvolle Reihenfolge zu bekommen. Dass Hauptdarsteller Michael Rennie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits schwer krank war, macht das Ganze natürlich nicht besser. Bewundernswert aber, mit welcher Professionalität er das Ganze durchzieht. Gleiches gilt für Karin Dor, die ebenfalls eine souverän-seriöse Schauspiel-Leistung einbringt. Das verwundert an diesem Film vielleicht tatsächlich am Meisten. Keiner der Darsteller überzieht seine Rolle so sehr, dass sie zur reinen Persiflage verkommt. Alle sind mit Herzblut (insbesondere Naschy bei seinem dritten Einsatz als Werwolf Waldemar Daninsky) oder zumindest mit einem anständigen Sinn für Professionalität dabei. Dass hier so vieles unfassbar lächerlich und parodistisch erscheint, liegt in der Tat an der flapsigen Berliner Synchronisation. Da wird dann in Bester „Die 2“-Manier noch viel monologisiert, wenn die Münder schon geschlossen sind oder sich die Sprecher im Off befinden. Was aber in gewisser Weise – und wenn man ein Faible dafür hat – auch ein wenig den Reiz des Filmes mit ausmacht.

„Dracula jagt Frankenstein“ kann man sich gut als Party-Kracher in einem vollbesetzten Kino mit dem richtigen Publikum vorstellen. Und man kann ihm auch nicht absprechen, zweitweise schön stimmige Bilder zu finden. Regisseur Tulio Demicheli war schließlich schon ein Routinier mit langer Erfahrung, als er den Film übernahm. Und Hugo Fregonese, der auch am Film beteiligt war und wohl einen Großteil abdreht hatte bevor Demicheli übernahm, kam aus Hollywood und hatte in Deutschland bereits „Die Todestrahlen des Dr. Mabuse“ und „Old Shatterhand“ gedreht. Unterstützung hatten sie durch den tollen Kameramann Godofredo Pacheco, der nicht nur für die sehr stimmungsvollen frühen Horrorfilme und Film Noirs des jungen Jess Franco verantwortlich war, sondern im selben Jahr wie „Dracula jagt Frankenstein“ auch ohne Nennung an dem fantastischen „Das Versteck“ beteiligt war. Dieses geballte Talent hinter (und teilweise vor) der Kamera, sorgt dafür, dass der Film zumindest Ansatzweise vor der – um einmal das schlimme Wort zu benutzen – Trash-Grube gerettet wird, in die ihn die zweifelhafte Produktion, das fehlende Geld und die deutsche Synchro immer wieder hineinstoßen wollen. Nein, ein guter Film wird auch so nicht aus „Dracula jagt Frankenstein“. Aber ein unterhaltsamer Mumpitz, der wahlweise zu guter oder schlechter Laune führt. Das bleibt dann dem Betrachter überlassen.

Die filmArt-Blu-ray überzeugt mit einem knackigen, sehr schön bunten Bild, welches allerdings einige Probleme mit größeren schwarzen Flächen hat, bei denen es leider zu Klötzchen und Stufenbildung kommt. Doch das stört den Filmgenuss weniger und ist wie gesagt, nur bei größeren schwarzen Flächen ein Problem. Sehr charmant ist das Intro von Jörg Buttgereit zum Film, in dem man nicht nur jederzeit die Liebe zu diesem Film spürt, sondern das auch noch durch drei kurze, thematisch perfekt passende alte Super-8-Filme des „Nekromantik“-Regisseurs ergänzt wird. Das macht richtig viel Spaß. Wie ich bereits eingangs schrieb, bin ich sehr positiv von David Renskes Text im 16-seitigen und mit schönen Bildern bestückten Booklet angetan. Ich verhehle nicht, dass ich mit seinen früheren Booklet-Texten manchmal so meine Probleme hatte, aber dieses hier hat mir tatsächlich von vorne bis hinten sehr gut gefallen. Super geschrieben, tolle aufgebaut und strukturiert, viele interessante Infos. So muss das sein. Neben der deutschen Schnitt-Fassung gibt es noch eine spanische. Wobei diese auf die Sekunde gleich lang ist und scheinbar bis auf einen spanischen Vorspann keine Unterschiede aufweist. Zu den weiteren Extras zählen noch weitere – US-amerikanische – Vorspänne in schlechterer Qualität, sowie der deutsche und der französische Trailer und eine Bildgalerie. Bei der Tonspur kann man zwischen Deutsch, Spanisch und Englisch – jeweils in DTS-HD Master Audio 2.0 Mono – wählen.

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Blu-ray-Rezension: „Höllenhunde bellen zum Gebet“

Als ein amerikanischer Gangster von der Mafia in Neapel erschossen wird, schickt der amerikanische Mob den Profikiller Peter Marciani (Yul Brynner), um den Mörder zu bestrafen. Marciani hat seinen Job eigentlich an den Nagel gehängt. Doch als ihm gesteckt wird, dass der Schuldige in Neapel auch hinter dem Mord an seinem jüngeren Bruder steckt, macht sich Marciani doch noch einmal auf den Weg. In Neapel angekommen, wirft sich ihm der junge Ganove Angelo (Massimo Ranieri) an den Hals, der hofft, durch Marciani an das Geld zu kommen, welches er durch den Mord an dem Amerikaner verloren hat. Schnell werden auch die italienische Mafia und die Polizei auf Marciani aufmerksam und ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt…

Antonio Margheriti gehört zu den Konstanten im italienischen Genre-Kino der 60er, 70er und 80er Jahre. In dieser Zeit hat er sich im Science-Fiction-Film, dem Horrorkino, dem Italo-Western, dem Kriegs- und Söldnerfilm, dem Abenteuerfilm und natürlich auch im Poliziotteschi ausgetobt. Dabei gelang ihm das Kunststück keinen einzigen Film abzuliefern, für den er sich hätte schämen müssen. Seine Filme sind immer mindestens solide, oft gut und manchmal außerordentlich. Wie beispielsweise seine Gothic-Horror-Gruseler aus den 60ern oder der von diesen beatmete Western „Satan der Rache“, in dem Klaus Kinski so etwas wie den „Guten“ spielen darf. Mit Kinski drehte er auch Anfang der 80er einige Söldnerfilme, die der VHS-Generation, die Mitte der 80er die Videotheken stürmte, bis heute ans Herz gewachsen sind.

Höllenhunde bellen zum Gebet“ ist nur einer von zwei Poliziotteschi, die Margheriti drehte (nimmt man die manchmal auch als solche bezeichneten Werke „Virtual Weapon“ und „Ein Turbo räumt den Highway auf“ mal raus, da sie sowieso eher anderen Genres zuzuordnen sind). Der andere war „Gretchko“, den er zwei Jahre später realisierte. Beide Filme weisen signifikante Gemeinsamkeiten auf. Beide spielen im Gangster-Milieu, handeln von alten Spezialisten, die noch einmal auf eine Sache angesetzt werden (hier der Killer, dort der Safeknacker) und in beiden Filmen ist ein ikonischer US-Star in der Hauptrolle zu sehen. In „Gretchko“ ist es Lee Van Cleef, für „Höllenhunde bellen zum Gebet“ konnte der große Yul Brynner verpflichtet werden, der hier auch gleichzeitig in seiner letzten Filmrolle überhaupt zu sehen ist.

Und man sieht Brynner sein Alter von 56 Jahren auch an. Eigentlich wirkt er im Gesicht sogar noch ein Tickchen älter. Das wilde Leben eines Hollywood-Stars fordert eben seinen Tribut. Trotzdem ist er noch verdammt gut in Schuss, was er hier immer wieder gern zur Schau stellen kann, denn Margheriti gönnt seinem berühmten Star bei dessen Schwanengesang zahlreiche Sexszenen mit der wunderschönen Barbara Bouchet, die Brynner dann oberkörperfrei absolviert. Angeblich kam die wunderbare Barbara mit Brynner nicht gut zurecht, da sie ihn arrogant und überheblich fand. Was man dem Film aber nicht ansieht. Überhaupt die Bouchet. Leider ist sie hier auf die Rolle des Hinguckers (eine Striptease-Nummer lässt einem die Brillengläser beschlagen) und Liebchens reduziert. Was sehr schade ist, da sie sehr viel mehr konnte als man ihr hier zugestand. Im Grunde hat ihre Figur Anni nichts zur Handlung beizutragen, außer Brynners Peter Marciani ein paar schöne Tage und ein Alibi zu verschaffen.

Neben Brynners enormer Präsenz verblasst der zweite Co-Star Massimo Ranieri, der wie eine Mischung aus August Diehl und Daniel Brühl aussieht. Wobei seine Rolle auch darunter leidet, dass sie von Drehbuch etwas im Stich gelassen wird. Seine Beteiligung an der Geschichte wirkt sehr konstruiert. Er kommt nämlich auf die Idee sich an den Killer Marciani ranzuschmeißen, um von dem die Hälfte des Geldes zu bekommen, welches ihm die Polizei abgenommen hat. Der Grund: Das Geld hatte jener amerikanische Gangster gerade in der Hand, als er von den Leuten Gallos erschossen wurde und den Marciani nun rächen soll. Puh, darauf muss man erst einmal kommen. Da Ranieris Angelo so unglücklich eingeführt wird und dann auch gleich seine Freundin auffordert mit Marciani zu schlafen, fällt es schwer Sympathien für ihn zu entwickeln. Aus der Dreiecks-Geschichte Anni-Angelo-Marciani wird auch nichts gemacht. Und so hängt die Figur des Angelos irgendwo in der Luft, und seine Motivation sich auf das gefährliche Spiel mit Marciani einzulassen, bleibt auch schwammig. Was ein Problem ist, wenn Angelo der Anker der Geschichte sein soll. Dafür bietet der wie immer zuverlässige Martin Balsam eine weiterer seine grandiosen Harter-Bulle-mit-Herz-Rollen. Balsam zusehen ist immer ein großes Vergnügen, denn spielt immer unaufgeregt, unglaublich souverän und mit einer sehr starken Eindruck hinterlassend. Ein großartiger, vielleicht etwas unterschätzter Schauspieler, der jeden Film aufwertet.

Bei einem Titel wie „Höllenhunde bellen zum Gebet“ erwartet man Non-Stop-Action, Explosionen und Schießereien. Im Original heißt der Film allerdings „Mit Wut in den Augen“, was sich wahrscheinlich auf Marcianis Problem bezieht, dass er immer mal wieder unter von einem seelischen Trauma ausgelösten Sehstörungen leidet. Denn Marciani sieht häufig mal blutrote Flecken im Sichtfeld und dies erst seit sein geliebter jüngerer Bruder vor seinen Augen erschossen wurde. Mehr als ein Gimmick ist dieses Manko aber auch nicht, denn für die Handlung hat Marcianis Schwäche keinerlei Konsequenzen. Oder die „Wut in den Augen“ ist einfach nur eine Anspielung auf Yul Brynners legendärer, stahlharter Blick, den er hier oft und gerne um sich wirft.

Zwar setzt Margheriti auch auf Action, diese spielt aber keine so große Rolle, wie man denken sollte. Vielmehr verlegt sich Margheriti darauf, das Verhältnis zwischen Angelo und Marciani zu beleuchten. Scheinbar glaubt Marciani in Angelo eine jüngere Version seiner selbst zu erkennen, oder aber einen Wiedergänger seines ermordeten, jüngeren Bruders. Anders ist es auch nicht zu erklären, weshalb er sich der Nervensäge annimmt und zu keiner Sekunde an dessen Loyalität zweifelt. Solch ein Vater-Sohn-Verhältnis kennt man aus diversen Western, wobei hier wahrscheinlich der Profikiller-Film „Kalter Hauch“ Pate stand, indem Charles Bronson und Jan-Michael Vincent ein ähnliches, wenn auch sehr viel vielschichtigeres, Verhältnis pflegten. Die Actionszenen sind demgegenüber eher kurz, prägnant und nicht die eigentlichen Höhepunkte des Films. Untermalt werden sie von einem phantastischen Score der Brüder DeAngelis, der einem wieder einmal lange im Ohr bleibt, und der den Actionszenen zusammen mit der elegant-flüssigen Kameraführung Sergio D’Offizis eine ganz wunderbare Dynamik verleiht.

Der Film erscheint als Nummer 16 der „Filmart Polizieschi Edition“ und liegt ausschließlich auf Blu-ray vor. Das Bild ist gut. Hier wurde nichts totgefiltert, was zu in einem schönen Kinobild resultiert. Beim Ton kann man zwischen einer gefilterten und einer ungefilterten deutschen Tonspur, sowie der englischen Tonspur (alles in DTS-HD Master Audio 1.0) auswählen. Zusätzlich steht man vor der Wahl sich die mit 98 Minuten ungekürzte Fassung, die auf 93 Minuten gehkürzte englische Schnittfassung (in HD) oder die mit 91 Minuten noch einmal kürzere italienische Schnittfassung (nur in SD, dafür mit zusätzlicher Option einer italienischen Tonspur) anzusehen. Das 8-seitige Booklet stammt von Christian Keßler, der Margheriti allgemein und die „Höllenhunde“ im Besonderen schreibt.

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Das Bloggen der Anderen (31-05-21)

– Lange, sehr lange musste man drauf warten, deshalb stelle ich es hier gleich mal an den Anfang. Der Kinogänger informiert über die kommenden Kinostarts. Jawohl: Kinostarts. Hach, dass ich das Wort mal wieder lesen kann.

– Til Schumacher stellt auf critic.de zwei Filme des texanischen Independent-Regisseurs Eagle Pennell vor, die man derzeit auf MUBI streamen kann. Und Zviad Gamsachurdia gibt interessante Einblicke in den „straight cut“ von „Irreversible“.

– Was passiert, wenn der ausgewiesener Freund (und Experte!) des klassischen Hollywoodkinos Tonio Klein auf Dario Argentos Meisterwerk (meine Einschätzung) „Suspiria“ losgelassen wird? Es kommt zu einer spannenden, gut argumentierten Abrechnung mit dem vielgeliebten Film, welche ich in den allermeisten Punkten nicht teile, aber mit Interesse und Gewinn gelesen habe. Zumindest ist es mal eine ganz andere Perspektive, die dem Leser möglicherweise auch noch einmal aus der ganz entgegengesetzten Richtung vor Augen führt, was man an „Suspiria“ so liebt und verehrt. Nachzulesen auf Die Nacht der lebenden Texte. Ich für meinen Teil freue mich darauf, „Suspiria“ im Oktober bereits das zweite Mal innerhalb von einem Jahr von 35mm auf der großen Leinwand genießen zu dürfen.

– Ich schätze den Drehbuchautoren Taylor Sheridan sehr und war von seiner Regie-Arbeit „Wind River“ schwer begeistert. Schwerer als Filmlichtung, aber auch dort wird der Film (zu Recht) sehr gelobt. Wenn ihn noch nicht kennt, dem empfehle ich diese ausgewogenen Review.

– Fast schon in eigener Sache: Bluntwolf von Nischenkino bespricht den schönen, englischen Horrorthriller „Der rote Schatten“, für den ich am Videoessay mitarbeiten durfte. Was netterweise auch positiv erwähnt wird. Zudem stellt er Stelvio Massis ersten Polizeifilm „Die gnadenlose Jagd“ mit Tomas Milian vor, der bei mir tatsächlich noch ein weißer Flecken auf meiner Filmlandkarte ist.

Funxton hat sich zwei Filme von Fabrice du Welz angesehen. Beide kamen 2014 fast gleichzeitig heraus. „Alléluia“ hat es funxton sehr angetan, „Colt 45“ fällt demgegenüber leicht ab. Weshalb? Das könnt ihr auf „In meinem Herzen haben viele Filme Platz 3.0“ lesen. x

„Boss Level“ ist ein aktueller Film, von dem ich bisher noch gar nichts gehört habe. Trotz Mel Gibson in der Rolle des Schurken. Was Schlombie auf Schlombies Filmbesprechungen aber begeistert schreibt, macht mich sehr neugierig.

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DVD-Rezension: „Opium“

Schon lange habe ich mich nicht mehr mit dem Deutschen Stummfilm beschäftigt. Was  für ein Versäumnis dies ist, habe ich jetzt erst wieder bemerkt, als ich die 116. Veröffentlichung der empfehlenswerten Reihe Edition filmmuseum des Filmmuseums München sah. Robert Reinerts „Opium“ nennt sich selbst einen Monumentalfilm. Für einen deutschen Film des Jahres 1919 stimmt dies sicherlich. Reinert nimmt seine Zuschauer mit nach China und Indien, um vor den Gefahren des Opiums zu warnen. Gerade in den Indien-Szenen wartet er mit unzähligen Statisten auf, wobei man nicht eine Sekunde der Illusion erliegt, dies alles könnte tatsächlich in Indien gedreht worden sein. Dafür sind die Komparsen und Darsteller allzu deutlich als Deutsche in exotischen Gewändern zu erkennen. Aber das macht gar nichts, denn die Kostüme sind liebevoll und detailreich geschneidert und für die passende Exotik wurden Elefanten und sogar Löwen aufgefahren. Letztere befinden sich in einer Szene auch gefährlich nahe an den Hauptdarstellern. Dass die Löwen dabei recht müde und desinteressiert schauen (und im indischen Dschungel eher gar nicht zu finden sind), mag dem damaligen Publikum wahrscheinlich gar nicht aufgefallen sein. Damals dürften diese Aufnahmen sensationell gewirkt haben.

Wie überhaupt alles an „Opium“ sensationell ist. Dies beginnt schon mit der Geschichte, die sich erst langsam, dann immer mehr und immer schneller in einen Wirbelwind an tragischen Verwicklungen, Missverständnissen, Schuldgefühlen, Rache und Tod verwandelt. Die finsteren Pläne des von Rachedurst getriebenen Chinesen Nung-Tschang, von Werner Krauß in typischer, extrem expressiven Manier gespielt, lassen die Pläne und das Weltbild des guten Professors Gesellius wie eine Dominostrecke einstürzen. Immer wieder taucht Nung-Tschang auf, um den Flüsterer im Dunkeln zu spielen, den Figuren heimlich die falschen Gedanken einhauchend. Dabei scheint Nung-Tschang beinahe schon übernatürliche Kräfte zu entwickeln. Nicht nur befindet er sich manchmal nur Millimeter von einem der Protagonisten entfernt, ohne dass ihn irgendjemand bemerkt, nicht nur scheint er über ein unendlichen Vermögen zu verfügen, welches ihn ständig wie aus dem Nichts auf verschiedenen Kontinenten auftauchen lässt, nein, in einer Szenen verbiegt er auch mühelos die Gitter einen Gefängniszelle. Nung-Tschang ist also nicht unbedingt als Mensch aus Fleisch und Blut gezeichnet. Vielmehr stellt er die Gefahr dar, die angeblich von exotischen Völkern droht. Die Exotik, welche den braven Europäer mit ihren verführerischen Giften lockt und am Ende zerstört.

Und Nung-Tschang ist natürlich der Katalysator, der die tragische Geschichte um Prof. Gesellius und seine Vertrauten in Bewegung bringt. Diese beginnt zunächst ganz harmlos, wenn Prof. Geselliusdabei gezeigt wird, wie er in China das Opium studiert. Als er dazu der Opiumhölle des Nung-Tschang einen Besuch abstattet, ahnt er noch nicht, dass es mit seinem Leben von dort an wie auf einer Rutschbahn bergab geht. Zwar gelingt es ihm, die arme Tochter des.. zu retten, die von ihrem Vater in der Lasterhöhle eingesperrt wird, doch damit zieht er sich den Hass des ohnehin auf Europäer denkbar schlecht zu sprechenden Nung-Tschang zu. Dieser Hass hat einen Grund, denn einst verführte ein Europäer seine Frau und machte ihr ein Kind. Die Frau hat Nung-Tschang getötet, den Europäer von einer besonders zerstörerischen Opiumvariante abhängig gemacht. Und damit geht der bunte Reigen los, der einem Trivialroman oder einer mexikanischen Telenovela entsprungen sein konnte. Der besagte Europäer ist ein alter Freund von Gesellius, Professor Armstrong Sr., dessen Sohn Armstrong Jr. (gespielt vom großen Conrad Veidt, hier noch am Beginn einer Karriere und mit einer beinahe schon unheimlichen Ähnlichkeit mit dem jungen Udo Kier) der Lieblingsschüler und Ersatzsohn für Gesellius. Leider hat der Sohn ein Verhältnis mit der Ehefrau des Professors. Als dieser dahinter kommt, stürzt er sich verzweifelt in einem Opiumrausch. Währenddessen nimmt sich Armstrong Jr. vor lauter Schande und Selbstvorwürfen das Leben. Woraufhin der Professor glaubt, ihn im Opiumrausch ermordet zu haben und vor Gram die Flucht nach Indien und in die Droge Opium antritt. Verfolgt von Nung-Tschang.

Wie man aus dieser kurzen Zusammenfassung der ersten Akte dieses Filmes erkennen kann: Es ist eine Menge los und zum Ende hin steigern sich die Wendungen und Abenteuer immer mehr. Da spielt die Droge Opium eher die Rolle eines Mittels zum Zweck. Um die Augen vor der Wirklichkeit und der eingebildeten Schuld zu verschließen, wendet sich Prof. Gesellius – zunächst noch ein engagierter Kämpfer die Sucht – immer exzessiver dem Opium zu, was zu einigen höchst interessanten Szenen führt, die die Opiumträume illustrieren sollen und die in für 1919 gehöriges Maß an Nacktheit mitbringen. Da hüpfen Pangötter wild durch die Gegend und halbnackte, auch brustfreie Damen rekeln sich am Ufer eines wilden Sees. Andere Szenen sind durch Manipulation des Filmmaterials zu Bildern direkt aus dem Drogenrausch geworden. Nicht nur hier erweist sich Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Robert Reinert als ausgesprochen einfallsreich. Unterstützt wird er von seinem Stamm-Kameramann Helmar Lerski dessen Kameraführung teilweise sehr modern erscheint, wenn er seine Kamera mitten ins Geschehen platziert und auch mal gerne nah an die handelnden Personen heranfährt.

Die Schauspielerei kann leider nicht modern nennen. In dieser frühen Phase des Films ist es noch extrem theaterhaft. Wobei gerade Eduard von Winterstein als Gesellius und auch Sybill Morel als Sis/Magdalena verhältnismäßig zurückhaltend und damit für heute Sehgewohnheiten realistischer agieren. Wobei sie ebenfalls von der expressiven Stummfilm-Darstellung natürlich nicht ausgenommen sind. Ein ganz anderes Kaliber sind demgegenüber die Herren Krauß und Veidt, hier noch ein Jahr vor ihrem gemeinsamen Jahrhundertfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Was die beiden hier abbrennen ist schon großes Kino. Völlig jenseitig agiert allerdings Friedrich Kühne als Professor Armstrong Sr., dessen unfassbaren Grimassen und theatralischen Groß-Gesten eigentlich schon damals am Rande der Persiflage balanciert sein dürfte. Ach was, schon lange in den Brunnen gefallen sind. Doch dies soll den Film in keinster Weise schmälern. Opium“ ist wirklich großes, unterhaltsames Kino, welches – wie auch zeitgenössische Kritiker es dem Spektakel beschienen haben – mühelos mit den großen, internationalen Filmen dieser Zeit mithalten kann.

Da ist es gleich doppelt schade, dass die unzensierte Premierenfassung nicht überlebt hat. Die heute vorliegende Version, die aus mehreren teilweise recht unterschiedlichen Kopien rekonstruiert und restauriert wurde, hat gegenüber dem Original fast eine halbe Stunde verloren. Angesichts dessen, dass auch die nun vorliegende 90-minütige „Rumpffassung“ nicht wenige Szenen enthält, die man auch heute noch als „gewagt“ bezeichnen könnte, würde ich zu gerne einmal die vollständige, unzensierte Fassung sehen oder eine Idee davon haben, was verloren gegangen sein könnte. Doch wie eine Texttafel am Anfang dieser schönen Veröffentlichung bemerkt: Alle Zensurkarten sind – ebenso wie die nun fehlenden Szenen – auf immer und ewig verloren. Ein Jammer.

Auch die 116. Veröffentlichung der edition filmmuseum wurde wieder liebevoll und sachkundig kuratiert. Dies beginnt schon bei dem sehr spannende, hervorragend recherchierten Booklettext von Stefan Drößler, der über die faszinierende Person Robert Reinert informiert und gleichzeitig einige Fehlinformationen gerade rückt und mit Gerüchte aufräumt. Ergänzt wird dies durch zeitgenössische Kritiken, sowie einem Beitrag von Harald Mühlbeyer anlässlich der Aufführung der rekonstruierten Fassung auf der Berlinale 2018, sowie einem Text Reinerts selber, der vor seiner Filmkarriere auch schriftstellerisch tätig war. Dieser eindrückliche Text schildert eine Hirnoperation und ihre Folgen aus der Sicht des Patienten, und passt so auch thematisch sehr gut zum Film. Ferner gibt es eine 4-minütige Strecke mit Dokumenten und vor allem Szenenvergleichen der für die Rekonstruktion vorliegenden Fassungen aus dem Filmmuseum Düsseldorf, dem Filmmuseum München und dem Filmarchiv Austria, die zeigen, dass dieselben Szenen in allen Fassungen teilweise drastisch anders aufgelöst und geschnitten sind. Ein weiteres Highlight ist eine leider nur 9-minütige Sammlung von Fragmenten aus Reinerts Film „Sterbende Völker“ von 1922. Der verschollene 2-teilige Film scheint von einem Wikingervolk zu handeln und die überlebenden Filmausschnitte sind wahrlich beeindruckend. Dass man dieses Werk wohl nie zu sehen bekommt, schmerzt ähnlich, wie der Verlust der vollständigen Premierefassung von „Opium“. Die Bildqualität der „Opium“-DVD ist – bedenkt man das Alter des Filmes, den Zustand der Originalelemente und die Tatsache, dass der Film aufgrund des Mediums nur in SD vorliegt– hervorragend. Ebenfalls gefällt die Musikbegleitung von Richard Siedhoff und Mykyta Sierov, die live bei einer Aufführung des Filmes bei den Bonner Stummfilmtagen am 17.8.2018 aufgenommen wurde.

Anmerkung: Robert Reinerts nächster Film, „Nerven“ ist übrigens bereits als Nummer 41 der Edition filmmuseum erschienen.

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Das Bloggen der Anderen (17-05-21)

– Ich weiß, es ist nicht ratsam einzelne Blogs herauszuheben, denn natürlich liegen mir alle Blogs, die ich hier regelmäßig verlinke am Herzen. Trotzdem sei mir verziehen, wenn ich einmal eine Ausnahme mache, denn ich finde, solange es noch Blogs wie Whoknows presents gibt, die so akribisch, mit so viel Mühe, Recherche und Wissen über Filme schreiben, dann ist die Sache noch nicht verloren. In dieser Woche schreibt david über Sam Firstenbergs „Riverbend“. Und es macht wieder Spaß, hier einzutauchen.

– Sebastian stellt auf Nischenkino fünf britische Filme vor, die von Quentin T. und Edgar W. in einem Podcast über britisches Kino lobend erwähnt wurden.

Kinogucker erinnert das unendlich tolle und schmerzlich vermisste Steadycam-Magazin. Ich glaube, ich gehe gleich mal auf Ebay spazieren.

– Manon Cavagna schreibt auf critic.de über „Klang der Verführung“, der den alten Roman Porno wiederbeleben soll. Ob das geglückt ist?

– 1993 kamen gleich zwei Filme heraus, die sich mit dem legendären „Gunfight at the O.K. Coral“ beschäftigten. Als alter Fan des Lancaster/Douglas-Films „Zwei rechnen ab“ habe ich damals natürlich beide gesehen. Heute aber nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Nach Volker Schönenbergers Besprechung von „Tombstone“ auf Die Nacht der lebenden Texte bekomme ich wieder Lust beide aufzufrischen.

„Chopping Mall“ gehört zu den Filmen, von denen ich das Videocover noch bestens aus der Videothek kenne. Die ich aber bis heute nicht gesehen habe. Nach der hübschen Review von Filmlichter werde ich das beizeiten mal ändern und nach 30 Jahren endlich mal zugreifen.

– Eine ebenfalls recht liebevolle Rezension lässt funxton Alfonso Brescias „Der große Kampf des Syndikats“ angedeihen. Da weiß ich aber schon, wo ich den herbekommen. Den der liegt schon seit einer gefühlten Ewigkeit beim Cineploit-Shop in meinem Warenkorb.

– Ob ich mir auch noch „Raw“ zulege, weiß ich nicht so genau. Die Bewertung von Schlombies Filmbesprechungen klingt zwar gut und interessant… aber auch irgendwie verstörend. Ob ich dazu gerade in der Stimmung bin?

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Das Bloggen der Anderen (03-05-21)

Auch in der aktuellen Woche sind die Fundstücke aus der deutschsprachigen Filmblogosphäre eher mager. Egal, dann schreibe ich eben etwas mehr persönliches dazu.

– Rouven Linnarz hat für film-rezensionen.de ein Interview mit dem Regisseur und Schauspieler James Kermack geführt. Wobei die Rezension seines Kollegen Oliver Armknecht im selben Blog zu Kermacks Film „Knuckledust“ nicht ganz so enthusiastisch ausgefallen ist.

Funxton bespricht einen Film, den ich vor drei Jahren auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg gesehen und sehr gemocht habe. Daher würde ich „Under the Shadow“ zwar durchaus noch ein Pünktchen mehr spendieren als funxton, aber seine positive Besprechung spricht schon die richtigen Punkte an. Ach ja, bei mir hat er auch als Horrorfilm gut funktioniert. Bin ein paar Mal im Sitz auf und ab gesprungen.

– Andreas Eckenfels hat für Die Nacht der lebenden Texte den wunderbaren „The Wild Boys“ gesehen und war ebenso beeindruckt, wie ich. Als wir den Film damals in unserer Kinoreihe Weird Xperience gezeigt haben, war ich leider im Urlaub. Und als ich den Film dann später im Heimkino nachgeholt habe, hatte ich Tränen in den Augen, dieses Ereignis im Kino verpasst zu haben. Naja. Im selben Blog schreibt Tonio Klein schreibt vieles Interessantes über den mir bisher unbekannten Delon-Film „Der unheimliche Fremde“.

– Joe D’Amatos „Foltergarten der Sinnlichkeit“ liegt schon seit Ewigkeiten auf meiner Festplatte. Ich weiß gar nicht mehr in welcher Version. Nach Bluntwolfs Review auf Nischenkino muss ich den aber wohl wirklich endlich sichten und bei Gefallen auch gleich die Scheibe zulegen. „Der große Kampf des Syndikats“ über den er ebenfalls schreibt, liegt eh schon im Cineploit-Shop im Warenkorb.

„The Guest“ ist ein Film, der scheinbar die Gemüter spaltet. Zumindest in meiner Internet-Blase. Schlombies Filmbesprechungen ist da eher auf meiner Seite. Welche das ist? Lesen! Seine Besprechung von „Die Glückjäger“ hat mich daran erinnert, dass ich tatsächlich kaum Filme mit Gene Wilder kenne. Das muss ich auch mal ändern.

– Endlich mal ein ein echter Klassiker. Und was für einer. Aus Harold Lloyds „Ausgerechnet Wolkenkratzer“ kennen die Meisten wohl nur das berühmte Standfoto mit der Uhr. Totalschaden auf Splattertrash berichtet aber zu Recht, dass der Rest auch sehr lohnenswert ist. Zudem empfiehlt er den Anime „Paprika“, den ich einst auf dem Japanfilmfest in Hamburg sah, und der mich damals etwas ratlos zurückließ. Vielleicht war ich da noch nicht bereit. Eine Neusichtung ist auf jeden Fall geplant.

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Blu-ray-Rezension: „Sohn der weissen Stute“

„Es war einmal vor langer Zeit, da stand in einem Land so weit von hier, fast schon am Höllentor, eine alte Zerreiche. Sie hatte 77 Wurzeln und 77 Äste. Auf den 77 Wurzeln standen 77 Drachen. Auf den 77 Ästen saßen 77 Raben… Hör lieber zu, mein Sohn“, sprach die Weiße Stute, „auf dass die Drachen dir nicht die Seele stehlen und dir die Raben nicht die Augen aushacken! Es waren einmal ein König und eine Königin, die hatten drei Söhne, alle groß und stark. Sie lebten glücklich und zufrieden, bis sie die Warnungen des Königs missachteten und die Kette des Drachen zerbrachen. Und über uns brach die Hölle herein… (Text: Bildstörung)

Über „Der Sohn der weißen Stute“ zu schreiben ist nicht einfach, denn es fehlen einem oftmals wie Worte, um die Bilder zu beschreiben, die Marcell Jankovics auf die Leinwand zauberte. Zu ungewöhnlich wirkt dies alles. Denn Regisseur und Animator Marcell Jankovics fand hier eine Bildsprache, die irgendwo zwischen Kinderbuchillustration, Heiligenbildern und Pop-Art liegt. Die teilweise abstrakt wirkenden, grellbunten Bilder übermannen einen förmlich, und man weiß nie genau, wohin man sein Augenmerk legen soll – und dann sind sie auch schon wieder verschwunden. Es fällt zunächst schwer sich auf diese neue Sehgewohnheit einzulassen. Die Fülle an Formen, Farben und Details überfordert einen manchmal. Vor allem wenn sie mit ungeheurer Dynamik und Kraft über einen hinwegrollen. Das Auge muss sich schließlich erst einmal an diesen seltsamen Stil gewöhnen. Als ich den Film erstmals sah, war ich erschöpft von einem anstrengenden Tag Mitten in der Pandemie, der mit HomeOffice, HomeSchooling und unnötigen Ärger hier und dort seinen Tribut forderte. Schon ein wenig schläfrig warf ich „Der Sohn der weißen Stute“ in den Player, und so erwischte mich der Film in einem Zustand, der die Rezeption des Filmes perfekt unterstützte. Bald schon verabschiedete ich mich von dem Vorhaben der (im Grunde eigentlich simplen) Handlung folgen zu wollen. Ich ließ mich ganz in das Geschehen hineinsaugen, welches mich auf hypnotische Weise in eine dämmerige Zwischenwelt aus Schlafen und Wachen entführte, die mich immer mehr faszinierte. Die seltsamen, teilweise naiv anmutenden Bilder nahmen von mir Besitz und irgendwann konnte ich nicht mehr sagen, ob ich nicht doch eingenickt war und im Kopf die Geschichte weitergesponnen hatte. Als ich später über den Film recherchierte, fand ich heraus, dass genau dies auch die Wirkung war, die Marcell Jankovics zu erreichen hoffte. „One of Marcell Jankovics’s objectives was to make his film feel like a dream or trance. This wasn’t merely achieved through the visuals: the meditative chant „ommmm“ can often be heard on the soundtrack, and Mari Szemes was asked to speak silently and elongate her vowels when voicing the White Mare, giving her expository narration a bedtime story-like quality.“ So steht es in der Trivia-Sektion der IMDb zu diesem Film. Und ich habe aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen keinen Grund dies anzuzweifeln (auch wenn man mit Infos aus der IMDb immer etwas vorsichtig umgehen sollte).

Die Handlung des Filmes setzt sich aus dem Volksmärchen „Fehérlófia“ (so auch der Originaltitel des Filmes), verschiedener Varianten dieser Geschichte, weiterer ungarischen Volksmärchen zusammen. All diese Einflüsse wurden von Marcell Jankovics in seinem Drehbuch zusammengefasst und zu einer Geschichte verwoben. Diese ist im Grunde – wie es alle Volksmärchen sind – recht simpel. Der Held Fehérlófia (Baumausreißer) macht sich auf den Weg, um drei Prinzessinnen vor einem schier übermächtigen Feind zu retten. Dabei trifft er seine beiden Brüder und muss beweisen, dass er der Stärkste ist. Er muss sich eines hinterlistigen Gnoms erwehren und am Ende Gnade walten lassen. Diesem einfach geflochtenen Handlungsfaden kann man im Grunde – und wie ich bei einer zweiten, wacheren Sichtung feststellte – leicht folgen, auch wenn man häufiger das Gefühl hat, dass einem vielleicht die eine oder andere Allegorie und Anspielung durch die Lappen gegangen ist.

Was durchaus der Fall sein kann, denn da man hierzulande die literarischen Vorbilder nicht kennt und auch mit der Geschichte Ungarns vielleicht nicht so vertraut ist, ist es gut möglich, dass man solche Feinheiten nicht erkennt. Dies sollte allerdings dazu anreizen, sich einmal mit der Historie des Landes und mit seinen Mythen auseinanderzusetzen. Wie generell „Der Sohn der weißen Stute“ mit erneutem Anschauen noch einmal mehr zu gewinnen weiß. Einige Allegorien sind aber auch für den Nicht-Ungarn gut zu verstehen. So sind die drei Drachen, die Baumausreißer besiegen muss, klar als zivilisatorische Auswüchse und Gefahren zu erkennen. Besonders deutlich beim zweiten Drachen, der im Grunde eine gewaltige Kriegsmaschine ist, mit Kanonenrohren und Bomben. Und dem dritten Drachen, der eine computervernetzte, moderne Stadt (dies bereits 1981!) darstellt. Hier kann man Jankovics Einstellung entweder als Technologie-kritisch oder als etwas sentimental-konservative Rückbesinnung auf „die gute alte Zeit“ verstehen, in der Traditionen stärker als der Fortschritt sind. Beides ist möglich.

Die Blu-ray, die nun von Bildstörung am 07. Mai als mittlerweile 38. Folge in der ohne Ausnahme zu empfehlenden Reihe „Drop-Out“ veröffentlicht wird, ist wieder einmal makellos. Der Film selber beruht auf dem neu restauriertem 4K Master, welches von dem US-amerikanische Filmverleih Arbelos Films gemeinsam mit dem Filmarchiv des nationalen ungarischen Filminstituts (NFI Filmarchívum) im Jahre 2019 erstellt wurde und dann auf diversen Festivals gezeigt wurde. Der Ton liegt auf Ungarisch mit deutschen Untertiteln vor. Auf einer Bonus-DVD befinden sich folgende Extras: Der für den Oscar-nominierte Kurzfilm „Sisyphus“ von 1974 (3 Min.) und der in Cannes mit der Goldenen Palme für den besten Kurzfilm ausgezeichnete „Kampf“ von 1977 (2 Min.). In einem aktuellen Interview von 2020 erzählt Regisseur Marcell Jankovics viel Interessantes über sich und den Film (38 Min.). Und als ganz besonderes Extra gibt es eine abendfüllende Dokumentation über das Filmstudio, welches „Der Sohn der weißen Stute“ und weitere legendäre ungarische Animationsfilme herstellte: „Pannónia Anno –Geschichte(n) eines Filmstudios“ von Péter Szalay (98 Min.). Und zu guter Letzt gibt es noch ein sehr informatives, analytisches Booklet. Dieses wurde von Dr. Jennifer Lynde Barker, Associate Professor, Chair of the English Department, and Advisor for the Film Studies Minor an der Bellarmine University verfasst und aus dem Englischen von Olaf Möller übersetzt.

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