Während der Mandschu-Dynastie. Zwei Männer versuchen, die Schüler der legendären 10 Tiger von Kwantung zu töten. Als es ihnen gelingt, den ersten Schüler heimtückisch zu meucheln, ziehen sich die übrigens Schüler zurück und sammeln ihre Kräfte- Dabei erzählen sie sich, wie das damals so war, als sich die 10 Tiger gegen die Tyrannei der Mandschus verschworen haben.
„Die Tiger von Kwantung“ ist ein höchst seltsamer Film. Im Grunde genommen ein großes Epos mit den um 1980 herum berühmtesten und meistbeschäftigten Stars der Shaw Brothers (bis auf David Chiang und Kuan Tai Chen ist irgendwie jeder dabei), welches auch gleich zwei Generationen umspannt. Aber dann doch auch wieder nur eine kleine Produktion, denn mal merkt das eher geringe Budget, und auch dass der Film nur im Studio gedreht wurde. Das letzteres so stark auffällt, wird auch durch die scharfen Bilder begünstigt. Denn mehr als einmal sieht man deutlich die Nieten im „blauen Himmel“. Durch die Vielzahl an Figuren (die legendären zehn Tiger aus der Vergangenheit und dann noch ihre Schüler aus der „Gegenwart“ plus Schurken aus beiden Zeitlinien) kann sich keine tiefgehende, komplexe Geschichte ergeben.
Auch eine Entwicklung der Charaktere findet nicht statt. Im Großen und Ganzen besteht der für seine Ambitionen überraschend kurze Film aus zahlreichen Auftritten und Abgängen der Figuren, immer unterstützt durch einen kurzen Kampf. Dadurch kommt zwar keine Langeweile auf, doch ein wirklich emotionales Involvieren eben auch nicht. So verkommt der epische Hauch der Geschichte dann doch eher zur Nummernrevue. Was nun aber negativer klingt als es ist, denn die Nummern machen durchaus Spaß. Wenn Ti Lung mal wieder zeigen kann, warum er einer der größten Stars der Shaw Brothers ist, Philip Kwok durch die Luft wirbelt oder sich Alexander Sheng Fu ungestüm in jeden Kampf wirft.
Es fühlt sich auch so an, als ob „Die Tiger von Kwantung“ eigentlich ursprünglich mal zwei Filme gewesen wäre. Oder vielmehr, als wenn der Teil mit den alten Meistern irgendwann hätte abgebrochen werden müssen und dann später die Szenen mit den Schülern gedreht wurden, um das Fragment auf Spielfilmlänge zu bringen. Die Szenen mit den alten Meistern wirken weitaus klassischer. Kostüme und Kulissen sind ganz altbewährter „Shaw Brothers“-Look. Auch die Kämpfe wirken eleganter und mehr „old school“. Demgegenüber sind die Szenen mit den Schülern weitaus rauer und die Kämpfe sehr viel brutaler. Während die Meister die traditionellen Helden sind, die edel und gut agieren, kann man das von den Schülern nicht gerade behaupten. Da wird sich beispielsweise hemmungslos betrunken und verumgealbert. Gut, eine ähnliche Szene gibt es auch mit Philip Kwok und einem weiteren Meister. Doch diese wird eher komödiantisch aufgelöst. Die Schüler wirken einfach nur prollig.
Besonders verstörend ist eine Szene, in der zwei der Schüler mit einem Bösewicht abrechnen, indem sie vorgeben, wiederum Schüler der Schüler zu sein. Zwar wird der Bösewicht vorher als eiskalter, berechnender Killer eingeführt, aber die ganze Szene ist recht humorig gefilmt. Sodass es wie ein Schock wirkt, wenn die „Guten“ am Ende dem völlig hilf- und wehrlosen Bösen unter Gelächter ein Messer in den Bauch rammen. Auch die Kleidung der Schüler wirkt seltsam modern (und sehr 1980). In ihren taillierten weißen Anzügen mit Netzhemd hätten sie auch so aus einer Disco kommen können. Dass einer auch noch Elvis-artige Koteletten zur Schau stellt, ist auch eher ein Relikt der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und passt nicht unbedingt in das Jahrhundert, indem „Die Tiger von Kwantung“ spielt.
Da bekannt ist, dass Regisseur Chang Che häufig nur die allgemeine Leitung seiner Filme übernahm und seinen Assistenten viel Spielraum gab, ist es durchaus denkbar, dass für diese beiden so unterschiedlichen Teile jeweils einer seiner beiden Assistenten Yu-Wen Chen und Sheng Chiang (der auch mitspielt) verantwortlich war. Für die Theorie, dass es sich beim „Meister“-Teil um einen nicht vollendeten Film handelt, oder zumindest dieser Teil weit vor dem zweiten gedreht wurde, würde auch sprechen, dass die Meister nicht mehr zum großen Finale auftauchen (was Sinn gemacht hätte). Nur zwei werden kurz und ohne großartige Erklärung ins Bild gestellt. Überhaupt das große Finale. Es darf soweit gespoilert werden, dass dies in seinen letzten Minuten einem den Kiefer herunterklappen lässt. Was dort an Brutalität geboten wird, muss man mit den eigenen Augen sehen. Hier herrscht wirklich ein ganz anderer Ton vor, als im „Meister“-Teil.
Neben Ti Lung sticht besonders Alexander Fu Sheng aus dem vielköpfigen Ensemble hervor. Auch wenn er hier ungewohnt teigig und aufgequollen wirkt. Was möglicherweise auf Medikamente zurückzuführen ist. Denn kurz vor „Die Tiger von Kwantung“ kam es zu dramatischen Unfällen an den Sets der Filme „Die grausame Rache der Shaolin“ und „Die Rache des Karateka“. Im ersteren fiel er Kopf zuerst aus 2,5 Metern in ein Tongefäß. Was zu einer schweren Gehirnerschütterung, inneren Blutungen und in der Folge Schwindelanfällen, Sprach- und Sehproblemen führte. Beim zweiten Unfall zerschmetterte er sein rechtes Bein, was zu zahlreichen Operationen führte und ihn für sechs Monate außer Gefecht setzte. In verschiedenen Quellen wird angeben, nach diesen Unfällen wäre er erst 1981 mit „The Treasure Hunters“ auf die Leinwand zurückgekehrt. Vielleicht spielen die Unfälle aber auch eine Rolle in der Produktion von „Die Tiger von Kwantung“. Aber das ist Spekulation. Keine Spekulation ist, dass Alexander Fu Sheng hervorragend in die Rolle des Aufbrausenden und „Erst-machen-dann-denken“-Typens passt und ein wunderbarer Komödiant mit tollem Timing war. Hier erinnert er – nicht nur dadurch, dass beide auch eine durchaus starke Ähnlichkeit haben – an den nur 6 Monate älteren Jackie Chan. Wobei Fu Sheng dessen Erfolgsrezept Comedy und Martial Arts miteinander zu verbinden, schon Mitte der 70er perfektioniert hatte. Leider kam Fu Sheng bei einem tragischen Autounfall 1983 ums Leben. Es wäre interessant gewesen, ob er eine ähnliche Karriere wie Jackie Chan eingeschlagen hätte. Gerade in Filmen wie „Die Tiger von Kwantung“ sieht man das große Potential und das Charisma, das ihm sicherlich geholfen hätte, um auch in US-amerikanischen Action-Filmen zu glänzen.
Mit „Die Tiger von Kwantung“ ist nun endlich nach 3,5 Jahren Wartezeit die 10. Folge der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ erschienen. Am Erscheinungsbild hat sich nicht viel geändert. Wie die vorherigen Ausgaben, kommt die Scheibe in einem goldenen Amaray in DVD-Größe daher und enthält ein 12-seitiges Booklet mit deutschen Aushangfotos. Was sich geändert hat ist der Umfang der Veröffentlichung. Wurden bei Nummer 1-9 noch immer eine DVD mit dazu gepackt, so befindet sich diesmal nur die Blu-ray in der Hülle. Das Bild ist wie gewohnt gut, der Ton klar und gut verständlich. Es liegt die ungeschnittene, 91-minütige Fassung vor. Die Fehlstellen der deutschen Kinofassung wurden im Originalton mit Untertiteln eingefügt. Wen das stört, der kann sich als Bonus auch die deutsche Kinoschnittfassung (82 Minuten) in HD ansehen. Neben dem Trailer und einer Bildergalerie findet man unter dem Punkt Programmhinweis noch der Trailer für „Ti Lung – Die tödliche Kobra“, von dem ich erst annahm, dieser Film würde dann möglicherweise die Nummer 11 der Reihe kommen. Wie ich jetzt gemerkt habe, ist er von filmArt aber bereits im Oktober letzten Jahres außerhalb der „Shaw Brothers Collector’s Edition“ veröffentlicht worden und gänzlich an mir vorbeigegangen ist.