Mein ganz persönlicher Jahresrückblick 2023

Und wieder ist ein Jahr vergangen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, 2023 ging noch schneller vorbei als die Jahre davor. So ereigneten sich viele Dinge, die ich in diesen obligatorischen Jahresrückblick aufnehmen wollte, schon 2022. Was mich dann doch sehr überrascht hat. Vielleicht liegt dieses subjektiv gefühlte hohe Tempo aber auch daran, dass 2023 wieder ein extrem produktives Jahr war. Vier Booklets erschienen in diesem Jahr an denen ich entweder mitbeteiligt war oder sie komplett selbst geschrieben habe. Drei weitere sind schon abgegeben, erscheinen aber erst 2024. Ferner schrieb ich zwei Beiträge für ein weiteres Buch – wann dies erscheint steht allerdings noch in den Sternen. Ich hoffe einfach mal, da tut sich 2024 etwas und die Arbeit war nicht umsonst. Mit Buch-Projekten habe ich ja traditionell immer sehr wenig Glück. Dafür durfte ich zwei Video-Features zu polnischen Filmen, die mir am Herzen liegen, für Ostalgica produzieren. Und zusammen mit Lars und Clemens gab es noch drei „Filmtalks“, die es letztes Jahr auch auf Blu-ray geschafft haben. Drei Audiokommentare sind auch erschienen. Wer es genau wissen möchte, der kann gerne auf den Reiter „Veröffentlichungen“ oben klicken. Dort gibt es die genaue Aufstellung.

Natürlich nahm mich auch die “35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ in Beschlag. Für das „Mutterschiff“ schrieb ich 2023 sechs Artikel. Für die für mir verantwortete „70 Millimeter“ waren es zwei und für die Sonderausgaben ebenfalls zwei. Hinzu kommen zahlreiche Rezensionen. Da nicht nur kurze in gedruckter Form, sondern auch ausführlichere hier auf dem Blog. Das waren dann noch einmal 12 Buch- und Filmbesprechungen. Da hatte ich dann schon ab und an mit Ermüdungserscheinungen zu kämpfen und habe bei der 35 Millimeter 52 erstmals eine Pause eingelegt – die auch ganz gut tat. Momentan arbeite ich aber schon wieder an meinem Artikel für die Nummer 53. Apropos Blog. Da flatterte mir zwischen den Tagen 2022 auf 2023 ein Schreiben der Abmahnmafia ins Haus, welches mich lange beschäftigte und bei dem ich mich fragte, ob ich den Blog nicht ganz einstampfen soll. Ich habe dann den besten Rat befolgt: Einfach nicht reagieren. Und das war tatsächlich ein guter Rat, denn nach zwei Monaten und einigen Schreiben mehr war dann endlich Ruhe. Trotzdem hat mich das nicht gerade motiviert, viel Energie in den Blog zu stecken. Aber vielleicht kommt das noch wieder. In den letzten Monaten war hier ja auch schon wieder mehr los.

Aber so schön das Schreiben auch ist – das Beste ist es immer noch Filme im Kino, und dort am Besten im Kreise lieber Menschen zu sehen. Auch davon gab es 2023 wieder reichlich und jedes Mal war es ein großes Glück und eine Zeit, um positive Energie zu tanken. Los ging es mit dem tollen Mondo-Bizarr-Weekender in Düsseldorf, der wieder eine einzige Quelle der Freude war. Schön war auch das „öffentliche Redaktionstreffen“ der „35 Millimeter“ hier in Bremen. In meinem „neuen Hobby“, der Kneipe Helga in Bremen-Walle (dazu später mehr) gab es neben einem geselligen Beieinander noch drei Vorträge und einen musikalischen Beitrag für die Allgemeinheit. Letztere hatte aber leider nicht allzu viel Interesse und so hatten wir gerade mal eine Handvoll „externe“ Zuhörer. Das fand ich extrem schade und auch ein wenig traurig. Im September ging es zum 30. Internationalen Filmfest in Oldenburg, welches dieses Jahr merklich kleiner und „unglamouröser“ ausgefallen ist – aber nichtsdestotrotz mit großartigen Filmen und einer gewohnt familiären Atmosphäre glänzen konnte. Und was wäre das Jahr ohne das wunderbare Delira-Italiano-Forentreffen? Drei Tage voller Freude und Freunde! Dieses Jahr verschlug es uns ins sehr schöne KoKi in Lübeck. Fast hätte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber davon haben wir uns nicht aufhalten lassen. Und erstmals „Die Banditen von Mailand“ auf großer Leinwand zu sehen, war eine Pracht. Und nicht vergessen darf man das „HyperHorrorHappening“, welches zum vierten Mal im Kommunalkino Bremen stattfand und bei dem Stefan und ich als „Weird Xperience“-Macher mitmoderieren durften. Das waren zwei ganz, ganz großartige Tage, die wir zusammen mit den drei wunderbaren HHH-Verantwortlichen Johanna, Olli und Alfred, sowie dem supersympathischen Gast Jörg Buttgereit verbringen konnten. Auch so ein Ding, von dem man noch lange zerrt.

Apropos „Weird Xperience“. Mit unserer Reihe hatten wir auch ein sehr aufregendes Jahr. Nachdem der Start ins Jahr mit einer ganz wunderbaren und spannenden Kooperation mit der Uni Bremen (Danke an Julian für die Organisation) noch sehr harmonisch und schön war, platze Mitten in der Vorbereitung zum zweiten Halbjahr die Bombe. Das Cinema Ostertor wurde von der Besitzerfamilie – die uns immer super unterstützt hat – verkauft. Nun hieß es erst einmal die Karten neu mischen, mit den neuen Besitzern (den Bremer Filmkunsttheatern) in Kontakt treten und irgendwie schauen, dass es weiter geht. Natürlich schwirrten uns sogleich x Szenarien durch den Kopf. Anfang Oktober erhielten wir aber von den Bremer Filmkunsttheatern erst einmal grünes Licht und konnten die Reihe (die erst einmal bis Februar 2024 gesichert ist) im Dezember mit einem sehr gut besuchten „Texas Chainsaw Massacre“ neu starten. Damit kommen wir 2023 immerhin auf sieben Vorstellungen. Zusätzlich hieß es auch noch zwei Mal „Film und Konzert“ im Karo in Walle. Das Konzept erst einen Film mit Einführung zu zeigen, danach ein Konzert zu organisieren und beides unter eine thematische Klammer zu bringen, finde ich immer noch super. Leider kamen im Mai (allerdings auch an einen schönen, heißen Tag an dem in Bremen generell viel los war) kaum jemand. Weshalb wir dann beschlossen, die Reißleine zu ziehen und im November dann das letzte Mal diese Veranstaltung durchzuziehen. Die war dann wieder besser besucht, aber trotzdem haben wir das Konzept soweit erst einmal auf Eis gelegt.

Wo ich dann auch schon bei der Musik bin, die in 2023 einen großen Teil meines Lebens ausfüllte. Neben eigenen Ambitionen veranstaltete ich als Teil der „Helga-Veranstaltungsgruppe“ in diesem Jahr elf Konzerte in unserer „Helga“ mit. Davon waren gleich drei auch noch Doppel-Konzerte. Also insgesamt 14. Zählt man die beiden „Film & Konzert“ im Karo mit dazu, komme ich eben locker auf 16. Puuhh.. Das war sehr anstrengend und vor allem zeitfressend. Aber am Ende standen immer tolle und teilweise unvergessliche Abende. Und 2024 ist auch schon wieder gut durchgeplant. Dazu kommen noch „normale“ Konzertbesuche. Highlight hier auf jeden Fall „Die Sterne“ im Lagerhaus. Das für mich sehr wichtige Überseefestival habe ich auch wieder voll mitnehmen können und bei der Jazzahead die European-Night und die Clubnight. Insgesamt hätte das mehr sein können, aber aufgrund der vielen Aktivitäten oben, musste ich hier und da Abstriche machen – und ehrlich gesagt, auch die Wochenenden zum Verschnaufen nutzen. Da half es auch, dass ich in diesem Jahr zwei große CD-Sammlungen geerbt habe, durch die ich mich noch immer höre. Ein tolles Projekt, bei dem ich sehr, sehr viel für mich entdeckt, Lücken geschlossen und generell viel schöne Zeit mit Musik verbracht habe. Hinzu kommt meine stetig wachsende Vinyl-Sammlung. Ich bin jetzt kein „Vinyl only“-Verfechter und muss auch nicht alles auf schwarzer Scheibe haben. Da kann ich links wie rechts. Aber wenn ich mal irgendwo unterwegs bin und einen Plattenladen sehe, dann nehme ich mir sehr gerne ein Souvenir in Form einer Schallplatte mit. Auf Konzerten sowieso, und Bremer Bands sammele ich bevorzugt auf Vinyl. Die schöne Plattenbörse im Kulturhaus Brodelpott im Sommer hat auch das Stöbern nach alten Platten bei mir angefixt. Macht einfach Spaß und 2023 ist so sehr viel in mein Regal gewandert.

Nun aber zurück zum Thema Film. Natürlich habe ich auch dieses Jahr wieder fleißig Filme geschaut. 212 waren es an der Zahl. Das ist wieder exakt auf dem Niveau von 2020. Zeigt aber auch, dass ich in diesem ersten richtigen Post-Covid-Jahr wieder vielen anderen schönen Aktivitäten nachgegangen bin. Was mich sehr gefreut hat: Dadurch dass die Kinder jetzt in dem Alter sind, wo man sie auch mal in Filme ab 12 mitnehmen kann, war ich auch öfter mal im Kino (also ganz regulär, abseits von Sonderveranstaltungen). Das war immer noch viel, viel zu wenig, aber ein guter Anfang. Denn Kino ist für mich weiterhin das Größte, und ich ärgere mich regelmäßig, dass ich dort so selten hinkomme. Aber wenn man den ganzen Text oben gelesen hat, wird man verstehen, weshalb das so ist. Aber mit den Kindern ist das jetzt ein guter Ansporn/Ausrede. Hier nun die beiden jährlichen Listen.

Top 10 aktuelle Filme (Produktionsjahre 2022/2023)

1. Spider-Man: Across the Spider-Verse (Justin K. Thompson/Kemp Powers/Joaquim Dos Santos, 2023)*
2. La espera (F. Javier Gutiérrez, 2023)* – Review hier
3. Oppenheimer (Christopher Nolan, 2023)*
4. Piso apo tis thimonies (Asimina Proedrou, 2022)* – Review hier
5. Elvis (Baz Luhrmann, 2022)
6. Everything Everywhere All at Once (Daniel Kwan/Daniel Scheinert, 2022)
7. Gojira -1.0 (Takashi Yamazaki, 2023)*
8. Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem (Jeff Rowe/Kyler Spears, 2023)*
9. The Belgian Wave (Jérôme Vandewattyne, 2023)* – Review hier
10. Carvão (Carolina Markowicz, 2022)* – Review hier

* im Kino gesehen

Top 10 ältere Filme (nur Erstsichtungen)

1. Banditi a Milano (Carlo Lizzani, 1968)
2. Gendai yakuza: Hito-kiri yota (Kinji Fukasaku, 1972)
3. The Intruder (Roger Corman, 1962)
4. Spider-Man: Into the Spider-Verse (Rodney Rothman/Peter Ramsey/Bob Persichetti, 2018)
5. The Long Goodbye (Robert Altman, 1973)
6. 7 Men from Now (Budd Boetticher, 1956)
7. The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot (Robert D. Krzykowski, 2018)
8. Luzifer (Peter Brunner, 2021)
9. Belfast (Kenneth Branagh, 2021)
10. Medusa (Anita Rocha da Silveira, 2021)

Ich wünsche allen meinen Leser*innen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt gesund! Wir lesen/sehen uns wieder in 2024!

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Blu-ray-Rezension: „To All a Goodnight“

Während der Weihnachtszeit fällt ein junges Mädchen in der abgelegenen Calvin Finishing School For Girls einem aus dem Ruder gelaufenen Scherz zum Opfer und stürzt vom Balkon in den Tod. Zwei Jahre später leert sich die Schule zur Weihnachtszeit. Fünf Schülerinnen, die Haushälterin Mrs. Jensen und ihr Faktotum Ralph bleiben zurück. Die Mädchen planen das Wochenende heimlich ihre Freunde zu treffen, die mit einem Privatflugzeug einfliegen. Das funktioniert soweit ganz gut – bis das erste Pärchen einem Killer mit seltsamer Maske und Weihnachtsmannkostüm zum Opfer fallen…

Es klingt so gut. David Hess, der Mann, der so unglaublich intensive Psychopathen wie Krug in „Last House on the Left“, Adam Konitz in „Wenn Du krepierst, lebe ich“ oder Alex in „Der Schlitzer“ sein Gesicht gegeben hat, dreht den ersten Killer-Weihnachtsmann-Film nach einem Drehbuch von Alex Rebar, der in „Planet Saturn lässt schön grüßen“ den „Schmelzmann“ gespielt hat. Leider beweist „Too All A Goodnight“ aber vor allen Dingen, dass charismatische Schauspieler nicht zwangsläufig auch gute Regisseure sein müssen.

David Hess hatte neben der Schauspielerei auch eine recht erfolgreiche Musiker-Karriere, und damit hätte er es vielleicht bewenden lassen sollen. Zum Regisseur ist er nicht geboren, und das merkt man „To All A Goodnight“ leider auch an. Auch das Drehbuch ist nicht besonders originell und kaut vor allem wieder, was einige Monate bevor der Film im November 1980 – runter gekurbelt in 10 Tagen für ein geringes Budget von 75.000 USD – vor die Kamera kam, in „Freitag, der 13.“ erfolgreich etabliert wurde. Sogar der finale Twist mit der Identität und Motivation des Killers wurde einfach übernommen. Hinzu kommt die übliche Gruppe hier wirklich extrem unsympathischer Teenies, denen man vom ersten Moment an jenes Schicksal gönnt, welches das Drehbuch natürlich bereits vorgeschrieben hat. Und diese „Teens“ sehen hier noch einmal deutlich älter aus, als die auch nicht wirklich jungen Gegenstücke aus der „Freitag, der 13.“-Reihe. Über William Laurer, der hier das erste und einzige Mal in einem Film mitspielt, lässt sich im Netz nichts finden. Aber er sieht definitiv eher wie 35 und weniger wie um die 20 aus.

Überhaupt sind alle „Teenie“- Darsteller hier das erste (und fast immer auch das letzte) Mal vor der Kamera zu sehen. Und das merkt man leider auch. Während sich Debütantin Jennifer Runyon noch recht achtsam aus der Affäre zieht und dann noch in weiteren Filmen größere Rollen haben sollte, agieren alle anderen leider so, wie man es von Nicht-Schauspielern erwartet. Entweder überziehen sie ihre Rolle oder sagen ihren Text hölzern und ohne große Emotion auf. Darüber hinaus ist dies auch einer jener Filme, in denen die „Todesopfer“ vor dem Ableben noch die Zunge herausstrecken.

Sicherlich ist ein Teil der schlechten schauspielerischen Leistungen auch dem Instinkt-Schauspieler David Hess anzulasten, der hinter der Kamera möglicherweise überfordert war und seinen Darstellern keine wirkliche Führung angedeihen ließ. Dies ist natürlich Spekulation, würde sich aber damit decken, dass er scheinbar auch außerstande war, Spannungsszenen zu inszenieren. „Too All a Goodnight“, mag vielleicht kein ausgeklügeltes oder gar sonderlich originelles Drehbuch besitzen. Aber unter den Händen eines erfahrenen und versierten Regisseurs hätte auch mit dem geringen Budget, der knappen Drehzeit und den scheinbar von der Straße gecasteten Darstellern und Darstellerinnen ein kleines Schmuckstück entstehen können. So aber muss man leider sagen, dümpelt der Film vollkommen spannungsfrei vor sich hin. Die Mordszenen – normalerweise die kleinen Höhepunkte innerhalb der traditionellen Slasher-Formel -werden ohne jedwede Suspense oder Dramatik runter gefilmt. Hess‘ mise-en-scene hier ist völlig ohne Dynamik, visuelle Kniffe und mehr als einmal dazu angetan, sich am Kopf zu kratzen, da durch eigenwillige Schnitte nicht klar wird, was eigentlich passiert. Zusammen mit der Unfähigkeit der Beteiligten hier darstellerisch zu überzeugen – selbst der Killer-Weihnachtsmann scheint nicht so recht zu wissen, wo er sich positionieren soll – wirkt das alles wie ein schlechtes Filmprojekt einer 7. Klasse, allerdings ohne den „Niedlichkeitsfaktor“, welcher dem geduldigen Zuschauer das eine oder andere Auge zudrücken lässt.

Das ist wie gesagt sehr schade, da man aus der Grundidee „unheimlicher Killer-Weihnachtsmann“ weitaus mehr hätte machen können. Diese wird auch dadurch torpediert, dass der Film so gar nichts hat, was die Weihnachtsthematik rechtfertigen würde. Ja, da steht ein Weihnachtsbaum, da sind bunte Lichter – aber von Schnee oder ähnlichem keine Spur. Die Darsteller tragen Sommerklamotten (der Film wurde zwar im November gedreht, allerdings im warmen Südkalifornien) und die Feiertage werden nur thematisiert, um einen Grund dafür zu finden, weshalb die jungen Frauen in dem riesigen Gebäude – welches eine Privatschule darstellen soll, aber nicht so aussieht – allein sind. Das irritiert, denn man fragt sich ein ums andere Mal, warum sich der Killer also unbedingt als Weihnachtsmann maskieren, bzw. der Film unbedingt in der Weihnachtszeit spielen soll – wenn daraus so gar nichts gemacht wird.

Noch ein letztes Wort zum Casting. Die einzige überzeugende Darstellerin ist Kiva Lawrence (hier unter dem Pseudonym Katherine Herrington), die immerhin Theatererfahrung mitbrachte. Der ermittelnde Kommissar wird von Sam Shamshak gegeben, der hier auch debütiert, darauf allerdings eine lange Filmkarriere aufbauen konnte. An seiner Darstellung hier wird es nicht liegen. Nicht nur trägt er ein grässliches schreiend-buntes und zu großes Sakko spazieren – trotz seines polnischen Namens legt er seinen Polansky (zumindest in der Originalfassung) als heißblütigen Italiener ala Joe Pesci an. Seine beiden Assistenten überzeugen auch nicht gerade mit Authentizität. Jay Rasumny als „Dan“ hat sein buntes Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknüpft und zeigt sein wallendes Brusthaar. Dabei wirkt er mehr wie der schmierige Zuhälter von nebenan, als wie ein Polizeibeamter. Besonders wenn er mit Leia flirtet und schließlich schmierig grinsend im Bett landet. Wobei dies nun alles weitaus unterhaltsamer klingt als es im Endeffekt ist. Dazu düddelt die immer gleiche Synthie-Musik, die Spannung erzeugen soll – aber nur aufdringlich ankündigt, dass der Killer gleich wieder zuschlagen wird. Was er dann auch immer tut („false scares“ gibt es hier genau Null). Und das ist dann nicht allzu blutig und meist sehr, sehr billig getrickst.

Ich würde sehr gerne ein gutes Haar an „Too All a Goodnight“ lassen, aber es gibt leider nur wenig, was man positiv hervorheben kann. Vielleicht Jennifer Runyon als Heldin (wobei sie als Anfängerin spürbar von der Regie im Stich gelassen wird), den einen oder anderen Effekt (auch wenn die eher zum Schmunzeln anregen) und dann noch Harry Reems. Die Porno-Legende hat zwar nur einen sehr kleinen Auftritt (unter dem Namen Dan Stryker), bringt dort aber mehr Charisma und eine natürliche Lebendigkeit ein, als der ganze restliche Cast zusammen. Mehr Harry hätte dem Film definitiv gut getan.

Das Mediabook aus dem Hause Cinestrange Extreme ist in Watte gehalten. Da muss jeder selber wissen, was er davon hält. Meinen Geschmack trifft so etwas nicht, ebenso wie das Labelintro, welches beim Start der Blu-ray auf dem Bildschirm abläuft. Aber wie gesagt – Geschmackssache. Wichtiger ist die technische Umsetzung. Das Bild ist absolut in Ordnung. Bei früheren Veröffentlichungen auf VHS gab es scheinbar Probleme, da das Bild dort teilweise extrem abgedunkelt war. Das ist hier nicht der Fall. Alles ist gut zu erkennen. Das Bild ist körniger als gewohnt und sieht in etwa aus, wie 16mm-Film, der auf 35mm aufgeblasen wurde. Was ich aber nicht als Kritikpunkt sehen würde, da dies höchstwahrscheinlich an der Originalbildquelle lag, und ich dankbar bin, dass hier nicht mit einer Filterorgie eine künstliche Glattheit hergestellt wurde. Der Ton ist sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gut zu verstehen, besonders loben möchte ich, dass englische Untertitel vorhanden sind. Die Extras wurden von der 2016er US-Veröffentlichung von Kino Lorber übernommen. Sie bestehen aus drei Interviews. Einmal ein älteres mit Drehbuchautor und Produzenten Alex Rebar (welches ursprünglich auf 4:3 aufgenommen wurde und jetzt hier leider nur auf 16:9 – statt mit schwarzen Balken rechts und links – auf die Scheibe gestaucht wurde) und zwei aktuellere mit den Darstellerinnen Jennifer Runyon und Kiva Lawrence (kurz vor deren Tod 2016). Wobei Letztere scheinbar einige Schönheits-OPs hinter sich hatte und sehr creepy aussieht. Alle drei loben den Film, erinnern sich gerne an die Dreharbeiten und erzählen noch ein wenig über ihre weitere Karriere. Das Booklet stammt von Christoph N. Kellerbach. Auch wenn ich seiner These vom „verlorenen Klassiker“ widersprechen würde und allgemein eine deutlich andere Meinung zum Film habe, begründet er diese mit Quellennachweis und schreibt nicht einfach von Wikipedia ab, wie man es in letzter Zeit bei anderen Veröffentlichungen (leider) häufig sieht. Daher hier auch ein Extrapunkt. Wobei er seine These auch damit untermauert, dass der Film 1979 – also vor „Freitag, der 13.“ – gedreht sein soll. Andere Quellen, die ich für meine Rezi genutzt habe, verorten die Dreharbeiten genau ein Jahr später und damit nach dem Kinostart von „Freitag, der 13.“. Da möchte ich hier gar keinen Kampf ausfechten, wer da recht hat. Es wäre nur interessant zu wissen, da ich in der Tat auch finde, dass das einen (kleinen) Unterschied in der Rezeption machen würden.

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Filmbuch-Rezension: Christian Keßler “Bleigewitter über Cinecittà – Gangster und Polizisten im italienischen Kino von 1960-1984“

1999 erschien im Terrorverlag das deutschsprachige Standardwerk zum italienischen Gangster- und Polizeifilm „Der Terror führt Regie“ von Karsten Thurau und Michael Cholewa. 2008 erfuhr das Werk noch einmal eine schön gestaltete, erweiterte Neuauflage im MPW Verlag. Diese Ausgabe ist leider mittlerweile nur noch zu Mondpreisen im dreistelligen Bereich zu bekommen. Lange Zeit war „Der Terror führt Regie“ die einzige umfangreiche Veröffentlichung zu diesem Thema. Seit November diesen Jahres gesellt sich ein zweites Buch hinzu: „Bleigewitter über Cinecittà“ von Christian Keßler. Nach seinen Ausflügen in die Welt des Italo-Western (ebenfalls wie „Der Terror führt Regie“ im Terrorverlag erschienen und mittlerweile leider auch nur noch für viel Geld antiquarisch zu bekommen) und dem Giallo ist dies nun sein drittes Buch (nimmt man das ebenfalls schon lange vergriffene Frühwerk „Das wilde Auge“ mal außer acht), welches sich mit einem der großen Phänomene des populären italienischen Kinos der 60er, 70er und teilweise auch der 80er beschäftigt.  Damit knüpft er auch direkt an seine legendären Artikel in der „Splatting Image“ an, mit denen er sich in den 90er Jahren in die Herzen der Liebhaber des „unterschlagen Films“ geschrieben hat.

Christian Keßler schreibt im Vorwort, dass er im Vergleich zu seinem Buch über den Film Noir, welches zuletzt von ihm im Martin Schmitz Verlag erschienen ist, etwas „flapsiger“ unterwegs sei. Wer nun befürchtet, dass seine Filmvorstellungen mit billigen Witzchen und schlechten Wortspielen gespickt seien, der kennt Christians bisheriges Werk nicht. Christians frühen Artikel in der „Splatting Image“ waren wegweisend für eine ganze Generation, die darüber das Italo-Kino – vor allem der 70er Jahre – kennen und lieben gelernt hat. Und ja, die Sprache ist flapsig. Aber (und dies ist ein großes aber) niemals herablassend. Dies kann man erst dann wirklich wertschätzen, wenn man die vielen Versuche zahlreicher Epigonen gelesen hat, die sich von Christians Stil zwar haben inspirieren lassen – ihn aber nie wirklich verstanden haben. Christians Formulierungen sind fantasiereich, humorvoll und ja: „flapsig“. Aber sie treffen immer den Kern der Sache. Wer etwas liest wie „In der Hauptrolle stellt Luc Merenda das Kantengesicht der Gerechtigkeit dar, ein riesiger Mund, Mundwinkel, die selbst dann nach oben weisen, wenn er todernst kuckt, echte Dressmanqualitäten in seinen Bewegungen – jemand, der sich im eigenen Saft offensichtlich wohl fühlt“, der hat ein wunderbar akkurates Bild von Luc Merenda vor Augen, welches Merendas Stärken und Schwächen liebevoll in einem einzigen Satz vereint. Vergleicht man dies mit den Nachahmern, fühlt man den Unterschied. Während Christian voller Humor, aber auch genauen Blick und treffsicheren Worten beschreibt und dabei den Film in den Vordergrund stellt, hat man bei den Imitatoren das Gefühl, es geht eben nicht um den Film. Dieser ist eher ein Vehikel, um sich selbst zu überhöhen und mit möglichst herablassenden und verhöhnenden Worten zu zeigen, wie lustig und cool man selber doch ist. Bei Christian ist es in den Arm nehmende Neckereien, bei den Anderen ein auf den Arm nehmender, beißender Sarkasmus. Da geht es dann in erster Linie um den Autoren, weniger um die Sache. Und während Christian bemüht ist, erst einmal positiv an einen Film heranzugehen, so herrscht dann anderswo scheinbar die Denke vor: „Der Film ist eh kacke, da kann ich jetzt mal so ordentlich ‚lustig‘ vom Leder ziehen“. Was schade ist, aber Christians Bücher umso wertvoller macht.

Nun aber zum Buch selber. War Thurau/Cholewas „Der Terror führt Regie“ noch auf die Jahre 1968 bis 1982 beschränkt und ließ z.B. Mafiafilme (wie lustigerweise den titelgebenden „Der Terror führt Regie“), Komödien oder nicht in Deutschland erschienene Filme aus (diese wurden im umfangreichen Anhang nur knapp mit Namen und Credits vorgestellt), so spannt Christian Keßler den Bogen weiter. „Bleigewitter über Cinecittà“ beginnt im Jahre 1960 und damit in den Ausläufern des Neorealismus. Erster besprochener Film ist „Der Bucklige von Rom“. Der Letzte ist Sergio Leones amerikanisch co-produzierter Schwanengesang „Es war einmal in Amerika“. Ein mehr als würdiger und logischer Abschluss.

Neben den klassischen Polizieschi und Gangsterfilmen erlaubt sich Christian auch immer wieder Ausflüge in artverwandte Gefilde. Beispielsweise dem Heist-Film oder der Komödie. Die Filmvorstellungen sind gespickt mit Anekdoten und Informationen zu Regisseur*innen und Darsteller*innen. Aber auch Informationen, welche die Filme in einen historischen oder filmgeschichtlichen Kontext setzen. Was wo den Schwerpunkt ausmacht, ist vor allem dem jeweiligen Film geschuldet. Da wird dann schon ein Unterschied gemacht, ob nun „Die Rache des Paten“ oder „Der Fall Mattei“ besprochen wird. Und das passt dann auch immer sehr gut und macht das Lesen sehr abwechslungsreich. Dazu ist das Buch wie einst „Der Terror führt Regie“ hübsch bebildert. Eine Galerie der wichtigsten Darsteller und Darstellerinnen (letztere oftmals wie Gott sie schuf) wie sie in „Der Terror führt Regie“ vorhanden war, fehlt hier. Aber die hätte auch, wenn man ehrlich ist, nicht wirklich gepasst. Fazit: Wieder ein wunderbares Buch im typischen Keßler-Stil, welches einen leichtfüßig durch die bleierne Zeit Italiens führt. Und einmal mehr großen Appetit auf die entsprechenden Filme macht. Gut gemacht, Herr Keßler! Und ich freue mich schon sehr auf sein nächstes Buch, welches einen in das Reich des italienischen Horrorfilm entführen soll.

Christian Keßler “Bleigewitter über Cinecittà – Gangster und Polizisten im italienischen Kino von 1960-1984“, Martin Schmitz Verlag, 360 Seiten, gebunden, farbige Abbildungen, € 36,00

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Blu-ray-Rezension: „Die Klette“

Commissario Belli (Franco Nero) von der Fremdenpolizei erhält unter Hand von dem einflussreichen Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) Geld dafür, das englische Model Sandy (Delia Boccardo) abschieben zu lassen, da diese eine Affäre mit Fontanas Sohn Mino (Maurizio Bonuglia) begonnen hat. Außerdem soll er dann gleich auch einmal den Musikproduzenten Romani gründlich überprüfen. Denn in dessen Geschäfte will Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan) viel Geld investieren. Doch als Belli Romani aufsucht, findet er nur noch dessen Leiche vor. Um nicht mit seinen kleinen Nebengeschäften in die Ermittlungen seines Kollegen Baldo (Renzo Palmer) von der Mordkommission zu geraten, beginnt Belli auf eigene Faust zu ermitteln.

Die Klette“ entstand einer Zeit, in welcher das Konzept des sogenannten „Polizieschi“ noch nicht wirklich ausformuliert war. Trotzdem nimmt „Die Klette“ einiges vorweg, was später Standard werden sollte (wie beispielsweise die sehr handfesten Verhörmethoden). Der Film zeigt aber auch deutliche Unterschiede auf, den er weißt ein größere Nähe zum „Film Noir“ auf, als die „Großstadtwestern“, die noch folgen sollten.

Zwar spielt „Die Klette“ in Rom, die ganze Stimmung erinnert aber stark an die „Hardboiled“-Krimis der Amerikaner. So würde sich „Die Klette“ gut in jene Hollywood-Filme einreihen, in welchen die harten Ermittler der 40er in die späten 60er transportiert wurden, wie „Der Schnüffler“ oder „Ein Fall für Harper“. Und mit seinem durch und durch korrupten „Helden“ deutet der Film einerseits in die 70er Jahre, wo auf beiden Seiten des Atlantiks die Figur des Polizisten oder Detektivs kritisch hinterfragt werden sollten. Andererseits steht er damit noch mit einem Fuß im Italo-Western, deren Anti-Helden auch zu aller erst an sich und seine Geldbörse gedacht haben. Mit Franco Nero gibt es auch eine direkte Überschneidung. Doch mit einem Western und auch einen „Urban Western“ wie sie in der Nachfolge von „Coogans großer Bluff“ und „Dirty Harry“ populär wurden, hat die wie bereits erwähnt „Die Klette“ wenig zu tun.

Dann schon eher mit dem Bogart-Klassiker „Tote schlafen fest“ nach Raymond Chandler. Hier wie dort wird die Hauptfigur von einem ebenso mächtigen, wie zwielichtigen Person der besseren Gesellschaft angeheuert, um sich um den ständig Ärger machenden Nachwuchs zu kümmern. Und in beiden Fällen lässt sich der Protagonist mit einem weiblichen Mitglied der Familie ein und gerät in ein Gespinst von Intrigen, Morden und Erpressungen, welches einen schnell den Überblick verlieren lässt.

Aber die Geschichte spielt bei „Die Klette“ sowieso nur einen Nebenrolle. Wichtiger ist – ebenfalls wie bei „Tote schlafen fest“ – die paranoide, jederzeit bedrohliche Stimmung, die handelnden Personen und ihre Aktionen/Interaktionen. Hier wie da tauchen die Schläger aus dem Nichts auf, stolpert man über Tote und scheint jede Person dunkle Geheimnisse mit sich herumzutragen. Romolo Guerrieri inszeniert den Film dabei mit eben jenem überschwänglichen Hang zum Experimentellen und Avantgardistischen, der vor allen Dingen für die Pop-Art-Filme jener Zeit typisch ist. Da gibt es harte, überraschende Schnitte, Töne und Dialoge sind vom Bild entkoppelt. Doch Guerrieri verliert dabei nie die Erdung. Seine Geschichte bleibt sehr düster und dicht. Actionszenen sind recht spärlich gesät, dafür ist der Film eher dialoglastig. Was aber eben dem Genre geschuldet ist, welches nun einmal nicht „Action“ sondern wenn schon dann „Film Noir“ lautet. Wenn sich ein Mann aufgrund seiner eigenen Schwäche (Belli wähnt sich ständig schlauer und gerissener als die Anderen, dabei tappt er recht blind immer näher Richtung Abgrund) in seinen Untergang reißen lässt. Auch die klassische Femme Fatale taucht auf, die am Ende dann sein Schicksal besiegelt.

Franco Nero ist der ideale Schauspieler für diesen Belli. Unheimlich gut aussehend, ein fast klassischer Held. Einer dem man aber die dunklen Seiten jederzeit abnimmt und der – nicht nur hier – keine Angst hat, seine Figur zu einem egoistischen Hanswurst zu machen. Man denke nur an seine Rollen in Damianis „Das Verfahren ist eingestellt, vergessen Sie es“ oder Castellaris „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“, wo er ja nur auf den ersten Blick so etwas wie ein „Held“ ist, tatsächlich aber ein ziemlich naiver, sich vollkommen selbst überschätzender Depp. Diese Balance bekommt kaum ein anderen Schauspieler so gut wie Nero hin. Auch Belli reiht sich da ein, wenn er ständig neue Theorien entwickelt, wer für den Mord verantwortlich ist – und am Ende dann so stolz auf sich ist, dass er die Lösung endlich gefunden hat, dass er darüber hinaus völlig vergisst, in welcher Situation er sich da gerade befindet.

Neben Nero sind es die wie immer seltsam dunkel-abgründige Schönheit von Florinda Bolkan und der immer zuverlässige Renzo Palmer, die einen starken Eindruck machen. Ein paar Worte zu Renzo Palmer, der dem Autoren dieser Zeilen über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist. Palmer hat nie die eine große Rolle gehabt, die ihn berühmt gemacht hat. Ja, zu einer echten Hauptrolle hat es nie gereicht. Vielleicht wegen seines eher „fleischigen“, nicht unbedingt klassisch attraktiven Aussehens. Er war auf Nebenrollen festgelegt. Kommissare, Journalisten, bester Kumpel, Mafia-Typen. Immer sehr präsent machte er jede dieser Rolle zu seiner eigenen und gestaltete sie mehrdimensional, weg vom Klischee, welches im Grunde im Drehbuch immer angelegt war. Man denke nur an seinen linken Journalisten in „Killer der Apokalypse“, den Unternehmer in „Der Gorilla“ oder den aufbrausenden Kommissar hier, der Belli immer einen halben Schritt auf den Fersen ist und jenen mit einem Blick durchschaut. Bei Renzo Palmer genügen wenige Gesten und Blicke um zu verstehen, dass hinter seiner Figur mehr steht, als man aufgrund der reinen Story denkt. Adolfo Celi hingegen hat eine dieser Rollen, bei denen er nur ein paar Mal zu sehen ist, die Handlung ins Rollen bringt und ansonsten im Grunde genommen nur seine enorme Präsenz einmal vor die Kamera bringen muss. Etwas, worauf er sich spätesten ab dem Ende der 60er spezialisiert hat – und dies auch immer mit großer Wirkung tat.

Wer die italienische und die deutsche Tonspur des Filmes miteinander vergleicht wird überrascht sein, dass der James-Brown-Funk-Hit „It’s a Man’s World“ im Original gar nicht zu hören ist, sondern dort „The World of the Blues“ von Fred Bongusto (enthalten auf der empfehlenswerten Compilation-CD „Easy Tempo Volume 8“) erklingt. Dabei passt der Brown-Sound sehr gut zu dem Film und gibt ihm einen einen schönen US-Urbanen Touch. Auch der Text passt – insbesondere, wenn er am Ende noch einmal erklingt und dort eine höchst ironische Note mitbringt. Ansonsten besitzt auch die Nr. 20 der Filmart Polizieschi Edition ein gutes Bild und ein schönes Booklet mit den deutschen Aushangfotos. Als Extras kann man sich das alte deutsche Ende einmal in der Original VHS-Version und einmal mit dem neuen Master nachgebaut anschauen.

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Blu-ray-Rezension: “5 Kämpfer aus Stahl“

Der Clan der Eisernen Flagge setzt sich für das Gute, Recht und Ordnung ein. Sein Gegenspieler ist der kriminelle Adler-Clan, der die Spielcasinos und Bordelle unter seiner Kontrolle hat. Als der Meister der Eisernen Flagge bei einem Treffen mit dem Adler Clan aus dem Hinterhalt ermordet wird, wird Chow Feng (Feng Lu) zum neuen Anführer der Eisernen Flagge bestimmt. Lo Hsin (Phillip Kwok), der eigentlich vom verstorbenen Meister als neuer Chef des Clans auserkoren wurde, nimmt die Schuld an den Vorkommnissen auf sich und verlässt den Clan. Er nimmt auswärts eine Arbeit als Kellner an, um dort erst einmal abzuwarten. Doch bald schon stehen die Attentäter Schlange, um Lo Hsin zu eliminieren. Los Hsin gelingt es mit Hilfe des geheimnisvollen „weißen Wanderers“ (Tien-Hsiang Lung) die zahlreichen Angriffe abzuwehren und macht sich auf den Weg zurück. Doch bei seiner Rückkehr erwartet ihn eine Überraschung…

1978 hatte Chang Cheh für die Shaw Brothers den Film „Five Deadly Venoms“ (dt. „Die unbesiegbaren Fünf“) gedreht und dafür eine Gruppe taiwanesischer Stuntleute und Ex-Peking-Oper-Schüler verpflichtet. Diese wurden in der Folgezeit als „Venom Mob“ in zahlreichen Shaw Brothers-Produktionen eingesetzt. Nun ist „Venom Mob“ eine Bezeichnung, die vor allem von nordamerikanischen Fans und Filmhistorikern verwendet wurde. Die Gruppe nannte sich nie selber so. doch es macht schon Sinn, die Darsteller als Gruppe zu betrachten, da die „Venoms“ zwischen 1978 und 1981 immer wieder zusammen in Shaw-Brothers-Filmen auftraten. Manchmal alle zusammen, manchmal nur ein paar von ihnen. In „5 Kämpfer aus Stahl“ sind es Philip Kwok, der die Hauptrolle des Lo Hsin spielt, Chiang Sheng als sein Verbündeter und Freund Yun Liang und Lu Feng als ihre großer Gegenspieler Chow Feng.

Mit den „Venoms“ hielt auch ein etwas anderer Stil in Chang Chehs Filmen Einzug. Seine Filme, die er um 1980 herum drehte, machen keinerlei Hehl mehr aus seinen Vorlieben. Seine Kämpfer zeichnen sich dort durch sichtbares (besonders gut nun in HD zu erkennen) Make-Up, ausufernden Haarwuchs und vor allem exzentrischer Kleidung aus. Letzter war immer darauf bedacht, möglichst viel von den glänzenden und muskulösen männlichen Körpern zu zeigen. Die durch das schwere Make-Up und die beeindruckenden Perücken fast schon leicht androgyn wirkenden Darsteller in Satin-Roben, Netzhemden und Leder wie aus einem Sci-Fi-Film gewandet. Zudem ist die Action sehr blutig. Man glaubt es kaum, aber sie scheint sogar noch brutaler als in den auch nicht gerade zimperlichen David-Chiang/Ti-Lung-Filmen einige Jahre zuvor. Da werden Leiber komplett durchbohrt und der rote Saft spritzt in Fontänen, wie man es aus japanischen Samurai-Filmen kennt. Auch die Kämpfe haben jede Form des Realismus verloren und sind nun nicht mehr nur Todesballett, sondern Todes-Akrobatik. Da wird der Gegner hoch in die Luft getreten und dann im Fall aufgespießt. Aus den exotischen Waffen kommen Kugeln, Splitter und kleine Dolche geschossen. Genutzt werden neben den mit großen Flaggen (der englische Titel lautet dann auch „Flag of Iron“) verzierten Sperren noch Äxte, Sicheln, ein Abakus (!!!) und allerlei weitere Stich- und Schlitzwaffen.

Dies wird durch den Kniff des Drehbuchs ermöglicht, dass sich der verstoßene Lo Hsin in der ersten Hälfte des Filmes immer wieder einem Killerclan erwehren muss, welcher aus acht Attentätern besteht, die selbstverständlich alle ihre eigenen Marotten und ausgefallenen Mordmethoden haben. Sehr zum Vergnügen des Zuschauers, der hier einiges an einfallsreichen Kampfszenen geboten bekommt. Nach Lo Hsins Rückkehr verlegt sich der Film zunächst auf die Intrigen und Schachzüge Chow Fengs mit denen er Lo Hsin Mund- oder gleich ganz tot machen möchte. Sowie die Planungen Lo Hsins, Yun Liangs und des geheimnisvollen fremden Wanderers, die eben jene durchkreuzen wollen. Dabei steht die Action meistens im Hintergrund. Doch weiß Chang Cheh einerseits auch diese eher dialoglastigen Passagen so zu inszenieren, dass die Spannung hochgehalten wird. Andererseits wird der Zuschauer mit mindestens zwei spektakulären Kampfszenen belohnt, von der gerade das Finale mit seiner blutigen Intensität beeindruckt. Die Idee mit den Flaggen an den Sperren sorgt dabei gerade in den Zeitlupenaufnahmen für einige visuell sehr hübsche Einstellungen.

In der Rolle des Wanderers ist Tien-Hsiang Lung zu sehen. Ein taiwanesischer Schauspieler, der nicht zu den „Venoms“ gehörte und vor „5 Kämpfer aus Stahl“ vor allem in preisgünstiger taiwanesischer B-Ware zu sehen war. „5 Kämpfer aus Stahl“ ist seine erste Rolle bei den Shaw Brothers und sein erster Film mit Chang Cheh, der ihn daraufhin noch öfter einsetzen sollte. Der leicht wie Elvis in den 70ern aussehende Tien-Hsiang Lung hat hier die vielleicht interessanteste und vielschichtigste Rolle. Da ist es fast schade, dass er zwar einen wichtigen Part in der Geschichte, aber doch nur eine größere Nebenrollen innehatte. Man hätte sich hier auch gut Ti Lung vorstellen können, dem dann sicherlich mehr Raum gegeben worden wäre. Tien-Hsiang Lung ist weder kämpferisch, noch darstellerisch auf einem Level wie Ti Lung, aber macht seine Sache zwar stoisch, aber gut.

Auf der Blu-ray von filmArt befindet sich unter den Extras die kurze deutsche Kinofassung, welche ich mir nicht angesehen habe. Diese musste gegenüber die Originalfassung eine halbe Stunde an Handlung lassen und man fragt sich unwillkürlich, wie das funktioniert haben soll. Die lange chinesische Fassung springt bei den in der deutschen Kinofassung nicht enthaltenen Passagen immer wieder und wieder auf die Mandarin-Tonspur, sodass man einen guten Eindruck erhält, was damals alles fehlte. Und dies ist sehr viel und auch wichtige Handlung, die rausgeworfen wurde. Teilweise wird in den Dialogen geschnitten, wenn in diesen auf Ereignisse eingegangen wird, die man in der deutschen Fassung nicht zu sehen bekam – oder auf deren Basis neue Pläne geschmiedet werden. Da die Tonspur wirklich häufig und schnell hintereinander wechselt, ist es empfehlenswert gleich auf Mandarin zu wechseln. Es sei denn man ist neugierig, was in Deutschland alles fehlte. Ansonsten ist noch ein Booklet mit dem kompletten deutschen Aushangfotosatz des Films dabei, sowie eine Bildergalerie, eine Trailer-Show, der deutsche Kinotrailer sowie einen Promo-Trailer. Ein Wendecover mit dem deutschen Kinoplakat gibt es auch.

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Blu-ray-Rezension: „Dealer Connection – Die Straße des Heroins“

Der coole Drogenschmuggler Fabio (Testi) wird am Flughafen erwischt und von einer getarnten Interpol-Einheit unter der Führung des Briten Mike Hamilton (David Hemmings) inhaftiert. Im Gefängnis trifft Fabio auf den drogensüchtigen Gilo (Wolfango Soldati), der dort sitzt, weil er vor einer Schule versucht hat zu dealen. Fabio gelingt es gemeinsam mit Gilo zu fliehen, und Kontakt mit den Männern hinter den Drogengeschäften aufzunehmen.

Nach seinen beiden Meisterwerken „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ und „Tote Zeugen singen nicht“, sowie seinem eher durchschnittlichen „Der Tag der Cobra“ ist „Dealer Connection – Die Straße des Heroins“ nun schon der vierte Filme von Enzo G. Castellari, der in der Polizieschi Edition von filmArt erscheint. Und dieser reiht sich irgendwo zwischen den beiden erstgenannten und dem letzterem ein. Kein Meisterwerk, aber weit davon entfernt nur „solides Handwerk“ (wie ich hier über „Der Tag der Cobra“ schrieb) zu sein. Statt Franco Nero sehen wir diesmal Fabio Testi (mit dem Castellari im Jahr zuvor „Racket“ gedreht hat) in der Hauptrolle.

Testi passt auch gut in die Rolle des angeblichen Drogenschmugglers/Undercover-Cop Fabio (hier war man mit der Namensfindung eher pragmatisch). Er hat etwas leicht überhebliches und trotz seinen verdammt guten Aussehens auch dezent schmieriges an sich. Und wer immer auch für das Kostüm zuständig war und den großen, athletischen Testi in viel zu enge Jeans gesteckt hat, ihm Cowboystiefel verpasst hat, die eine Nummer zu groß scheinen, und neben einer Jeansjacke mit der seltsamen und schlecht gestickter Aufschrift „Matt“ (wer immer das auch sein soll) noch ein hübsch zerschlissenes Capi auf den Kopf gesteckt hat, der meinte es nicht gut mit ihm. Denn dadurch sieht er weniger wie ein Drogenschmuggler, als vielmehr eine Karikatur auf die Gay-Culture der 70er aus und reizt heutzutage mehr zu schmunzeln. Natürlich nimmt man ihm als Zuschauer von Anfang an nicht ab, dass er einen skrupellosen Drogenschmuggler spielt, der – wie er im Film behauptet – selber an der Nadel hängt. Man riecht den Cop quasi einige Meilen gegen den Wind. Aber das macht nichts, denn „Dealer Connection“ ist kein Film, der von raffinierten Wendungen lebt. Vielmehr bemüht er sich – ähnlich wie „Opium Connection“ – zunächst um ein semi-dokumentarischen Stil, der aufzeigt, wie die Drogenrouten in Europa verlaufen. Wird Testi allerdings geschnappt, dann ist es damit schnell vorbei. Wobei sich Castellari und seine Drehbuchautoren tatsächlich bemühen, ein abschreckendes Bild des Drogensumpfes im Italien der 70er Jahre zu zeichnen. Dass dabei manch ein Charakter zum übertriebenen Zerrbild gerät, wie beispielsweise Sergio Ruggeri, der einen übergewichtigen, in Leder gewandeten Dealer spielt, nimmt man scheinbar gerne in Kauf.

„Dealer Connection“ führt seine Botschaft, dass Drogen das abgrundtief böse sind und den Menschen zum verabscheuungswürdigen Bodensatz der Menschheit machen, manchmal etwas allzu plakativ vor sich her. Da leckt ein Drogenopfer in Ekstase die dreckige Kloschüssel ab, auf die eine Prise Koks gefallen ist. Der Aushilfs-Dealer und Junkie Gilo lauert skrupellos vor einer Schule Schulkindern auf, um diesen seinen Stoff anzudrehen. Worauf ihn der gerechte Zorn des Volkes trifft. Später nässt er sich ein, als er von seinen Drogen abgeschnitten wird. Der Weg der Drogen (so der Originaltitel des Filmes) führt ohne Wenn und Aber in den Abgrund. Flankiert von abartigen Dealer, die das Böse in Person sind. Hier wird die Welt eben recht simpel in Schwarz und Weiß aufgeteilt.

Insgesamt wirkt der Film teilweise etwas zerfahren. Der bereits angesprochene semi-dokumentarische Stil wird schnell fallen gelassen. Die Guten sind eine Interpol-Undercover-Organisation mit britischem Anführer, welche sich als Firma tarnt. Wieso und weshalb bleibt im Dunkeln. Auch, warum Interpol quasi als Geheimpolizei mit einem inoffiziellen Gefängnis mitten in Italien agieren kann und in wie weit sie mit den italienischen Behörden zusammenarbeiten, bleibt im Dunkeln. Dann konzentriert man sich auf das Paar Gilo und seiner Freundin Vera (Sherry Buchanan aus „Zombies unter Kannibalen“), welches eine seltsame Beziehung pflegt. Vera prostituiert sich für Gilo indem sie mit einer schönen, reichen Frau (eine viel zu kleine Rolle für Patrizia „Malabimba“ Webley) schläft, während er vor der Tür warten muss. Daraufhin greift sich Gilo die Bezahlung, um sich Drogen zu kaufen, was für Vera scheinbar okay ist. Dann wird dieser Handlungsstrang auch eingestellt und der Film nimmt eine neue Wendung.

Denn die letzte halbe Stunde ist eine einzige Verfolgungsjagd, bei der sich Katz und Maus ständig ändern. Dabei verwundert ein wenig die große Zurückhaltung Castellaris, was sein Markenzeichen der Zerdehnung der Actionszenen und die Stilisierung der Gewalt angeht. Das ist alles doch sehr straight inszeniert. Schnell und direkt, aber eben ganz ohne die wuchtigen und emotional aufwühlenden Slow-Motion-Shoot-Outs und Action-Pieces, wie man sie z.B. aus „Ein Bürger setzt sich zu Wehr“ kennt. Vielleicht wollte sich Castellari einfach mal von einer anderen Seite zeigen und etwas Neues ausprobieren. Vielleicht war er nach dem massiven Einsatz dieses Stilmittels in den vorangegangenen Filmen auch diesem müde geworden. Immerhin baut er hier und dort in seine Actionszenen einige nette Spielereien ein, die dem Film sehr gut tun.

Zwei Höhepunkte, die den Film definitiv sehenswert machen sind David Hemmings und die Musikgruppe Goblin. Hemmings hat sichtlich Freude an der Rolle, die ihn auch körperlich einiges abverlangt, da er in den die Actionszenen stark involviert wird. Nur zwei Jahre nach „Deep Red“ sieht Hemmings sehr viel älter und auch schwerer aus. Ist aber in bester Spiellaune und absolut fit. Die Musik von Goblin (ein der wenigen Arbeiten, die nicht für Argento entstanden) ist düster und geht sofort ins Ohr. Vielleicht liegt es daran, dass man ihre Musik vor allem mit Psychothrillern und Horrorfilmen assoziiert, dass sie hier recht bedrohlich wirkt. Auf jeden Fall wertet sie den Film noch einmal kräftig auf. Zudem macht es große Freude viele bekannte Gesichter des italienischen Actionsfilms wiederzusehen, die vor allem in Castellaris Filmen immer wieder auftauchen, wie Romano Puppo oder Massimo Vanni. Mysteriös ist der Schauspieler Joshua Sinclair, der laut IMDb und Wiki 1953 in den USA geboren wurde, einige Drehbücher (u.a. für Fassbinder „Lilli Marleen“, so für David Hemmings recht verunglückte Regiearbeit „Schöner Gigolo, armer Gigolo“) schrieb. Hier soll er – wie öfters bei Castellari – als „Johnny Loffredo“ den Gianni gespielt haben. Es gibt aber auch Quellen, die den Schauspieler einfach nur als „Gianluigi Loffredo“ führen. Ob es trotzdem dieselbe Person ist? Die IMDb führt „Gianluigi“ auch als Alternativnamen. Bleibt die Frage, weshalb sich ein Amerikaner zum Italiener macht. In der Regel war es in Cinecittà ja immer andersherum.

Die Polizieschi Edition Nummer 19 von filmArt weiß wieder einmal durch ein sehr gutes Bild zu gefallen, welches weder weichzeichnet noch tot filtert. Vorbildlich! Der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und Englisch vor. Alle drei Spuren können sich hören lassen. Deutsche Untertitel erlauben es auch der italienischen Fassung zu lauschen. An Extras ist nicht viel dabei. Trailer, Bildergalerie, der italienische Vor- und Abspann (der auf der Disc enthaltene ist sonst der englische). Ein Video mit Filmauschnitten und der Filmmusik und ein Booklet mit dem deutschen Fotoaushang runden diese Veröffentlichung ab.

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Gast-Rezension: „Im Banne des Kalifen“

von Carsten Henkelmann

Der Junge Majeed (Puneet Sira) kommt in eine Stadt, über die der Kalif Alquazar (Christopher Lee) herrscht. Mit magischen Fähigkeiten und gnadenloser Härte macht er sein Volk untertan. Als der Prinz Hasan (Oliver Tobias) in die Stadt kommt und um die Hand der hübschen Stieftochter Zuleira (Emma Samms) bittet, gewährt Alquazar ihm diese nur, wenn es Hasan gelingt ihm eine magische Rose zu bringen, die Alquazar selber nicht pflücken kann. Natürlich hat Alquazar niemals vor, dem Prinzen seine Stieftochter zur Frau zu geben. Derweil hat Majeed Ärger mit Banditen in der Stadt und kann nur durch eine Fee gerettet werden. Ungewollt landet er auf dem fliegenden Teppich, mit dem Hasan zu seiner Reise aufgebrochen ist, außerdem ist auf Wunsch Alquazars der angebliche Leibwächter Khasim (Milo O’Shea) noch dabei. Zu dritt versuchen sie nun, diverse Gefahren zu überleben und die Rose zu finden.

Auch wenn vieles an den großartigen Fantasy-Klassiker DER DIEB VON BAGDAD (The Thief of Bagdad, 1940) erinnert, so hat man es doch nicht mit einem direkten Remake zu tun. Viele Handlungselemente sind ähnlich, aber variieren doch noch sehr stark. Wer allerdings den alten Film mag, wird sich sicher auch mit diesem Werk anfreunden können. Es beginnt ganz klassisch mit einem Märchenbuch, das den Titel des Films auf seiner Vorderseite eingedruckt hat, und einer Figurenkonstellation, die so ganz typisch Märchen ist. Der tapfere Held, der böse König bzw. Kalif, die schöne, aber unterdrückte Prinzessin, der zwielichtige Gehilfe des Herrschers und der stets gutgelaunte Begleiter des Heldes sind allesamt keine unbekannten Charakterzüge. Tricktechnisch arbeite man vor allem viel mit Miniaturen und Rückprojektionen, wobei man allerdings manchen Effekten auch ansieht, dass ihnen ein wenig mehr Budget nicht unbedingt geschadet hätte. Gerade wenn aus der Ferne Menschen auf fliegenden Teppichen gezeigt werden, sieht es doch ein wenig nach Puppentheater aus und die orientalische Stadt, über die öfters hinweg geflogen wird, wäre mit mehr Detailarbeit etwas glaubwürdiger gelungen. Aber sei’s drum, dafür gibt es eine Geschichte, die zwar relativ vorhersehbar und altbekannt abläuft, aber immerhin gut zu unterhalten weiß und es gibt Luftkämpfe auf fliegenden Teppichen! Mir ist bislang kein anderer Film bekannt, der sowas zu bieten hat!

Auf Seiten der Darsteller sticht natürlich Christopher Lee heraus, der zwar mal wieder “nur” den Bösewicht mimt, aber nicht so blass wirkt wie sein filmischer Gegenspieler Oliver Tobias in der Rolle des Hasan. Zwar ein gutaussehendes Kerlchen und sportlich, allerdings fehlt es ihm deutlich an Leinwandpräsenz. Emma Samms darf vor allem hübsch aussehen, verkörpert aber allzu erwartbar nur die “Damsel in Distress”. Und auch wenn Puneet Sira mit damals 12 Jahren seinen Majeed mit viel Witz und Empathie verkörpert, ist er aber auch kein Sabu, der Hauptdarsteller aus dem 1940er Film. Dafür ist Majeed noch etwas zu sehr Kind und ängstlich, aber definitiv der Sympathieträger des Films. In einer kleinen Nebenrolle ist außerdem noch Peter Cushing zu sehen, als ins Verlies geworfener ehemaliger Großwesir der Stadt und kurzzeitiger Mithäftling Hasans. Allerdings haben er und Christopher Lee leider keine gemeinsame Szene in diesem Film.

Auf Blu-ray gibt es den Film mittlerweile von Cinestrange, eine eigentlich eher ungewöhnliche Wahl für dieses Label. Erhältlich ist er bislang in drei Mediabook-Varianten, wobei Covervariante A nur in einem wattierten, und damit auch teureren, Mediabook angeboten wird. Gegen die Bild- und Tonqualität gibt es nichts zu sagen, beides sieht und hört sich gut an. Neben der deutschen Synchronisation werden auch der englische Originalton und optionale deutsche Untertitel angeboten. Beim Bonusmaterial gibt es eine gut 40-minütige Dokumentation namens “Exploring an Arabian Adventure” sowie die Super-8-Version, die ca. 31 Minuten lang ist. Weitere Infos werden abschließend noch in dem dicken, 52-seitigem Booklet vermittelt.

Wer auf klassische Abenteuer in klassischer Inszenierung steht, der wird mit IM BANN DES KALIFEN sicher seinen Spaß haben. Er ist vielleicht nicht wirklich gut gealtert, sorgt aber an einem entspannten Sonntagnachmittag für gute Unterhaltung und ist auch ein Film, den Kinder sich ohne Probleme anschauen können. (Carsten Henkelmann)

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Blu-ray-Rezension: „Hanussen“

Im 1. Weltkrieg wird Klaus Schneider am Kopf verletzt und in das Krankenhaus des Dr. Bettelheim eingeliefert. Dieser findet heraus, dass Schneider eine hellseherische Gabe besitzt. Nach dem Krieg tut sich Schneider mit seinem ehemaligen Hauptmann Nowotny zusammen, der sein Berater und Manager wird. Schneider ändert seinen Namen in Erik Jan Hanussen und startet in den 20er Jahren eine erfolgreiche Karriere als Varieté-Star…

Nein, mit dem realen Erik Jan Hanussen alias Herschel Steinschneider (oder Klaus Schneider, wie er im Film heißt), hat der Film „Hanussen“ nicht sehr viel zu tun. Im Gegenteil. Hier wird eine andere, fiktive Persönlichkeit porträtiert als der – wie man nachlesen kann – äußert zwielichtige, kriminelle, betrügerische und sich den Nazis andienende reale Hanussen. Dessen Herkunft wurde schnell mal neu erfunden und seine jüdische Abstammung aus dem Drehbuch getilgt. Ganz am Anfang wird der gute Hanussen im 1. Weltkrieg als Gruppenführer in Kampfgefechte verwickelt und schwer verwundet, während der echte Hanussen es mit allerlei schmutzigen Tricks vermeiden konnte, an die Front geschickt zu werden. Dass Hanussen tatsächlich über übersinnliche Fähigkeiten verfügt, daran lässt der Film keinerlei Zweifel, während Hanussen selber in seiner – ebenfalls sehr geschwindelten – Autobiographie zumindest ab und an zugeben hat, nur Tricks und Leichtgläubigkeit genutzt zu haben. Der Film-Hanussen ist ein charismatischer Prophet, ein Märtyrer, eine Unschuldiger, der unpolitisch sein möchte. Doch durch seine Naivität, seine Eitelkeit, seine Arroganz und trotz seherischer Fähigkeiten ist er blind für die Gefahr in seinem sozialen Umfeld, von welchem er manipuliert, ausgenutzt und entsorgt wird.

Vor allem ist Hanussen eine Paraderolle für seinen Darsteller Klaus Maria Brandauer. Die ganze „neue“ Geschichte um Hanussen ist so geschrieben worden, dass Brandauer eine große Bühne geboten wird. So kann Brandauer noch einmal seine Glanzrolle als Hendrik Höfgen aus „Mephisto“ wiederholen, den ersten Film einer Trilogie, die er mit dem ungarischen Regisseur István Szabó drehte (vor „Hanussen“ bildet „Oberst Redl“ das Mittelstück). In allen drei Filmen spielt Brandauer den Emporkömmling, der sich an das System verkauft, um dann von ihm gebrochen zu werden. Interessanter und eine weitaus größere Herausforderung für Brandauer wäre es sicherlich gewesen, ihn den echten Hanussen spielen zu lassen. Den schmierigen, opportunistischen Betrüger und Kollaborateur. Doch das war scheinbar weder in Brandauers noch Szabós Interesse. Sie wollen Hanussen als tragisch-mythische Gestalt porträtieren und dementsprechend ist „Hanussen“ vor allem eine große Brandauer-Show. Die hat es dann auch einfacher Applaus zu finden, und die Oscar-Nominierung und die vielen Preise zeigen, dass der Plan aufging.

Findet man sich damit ab, akzeptiert, dass hier historische Fakten solange ge- und verbogen werden bis sie in die Geschichte passen, findet man auch einiges sehenswertes. Doch darf die Frage gestellt werden, ob es angebracht ist, eine reale Figur wie Hanussen auf eine derart überhöhte Weise zu zeigen. Wäre es nicht angebrachter gewesen, sich allein von seinem Wirken inspirieren zu lassen und der Hauptfigur einen anderen Namen zu geben (und damit meine ich nicht nur den – eh unbekannten – Geburtsnamen zu ändern)? Bei Leni Riefenstahl (alias Henni Stahl) und dem namenlosen Propagandaminister klappt das ja auch. So wird ein Großteil des Publikums die Geschichte und den Charakter Hanussens als bare Münze nehmen und für jemanden Sympathie empfinden, der es nicht verdient hat. Doch befreien wir uns nun von diesen Bedenken und betrachten den Film als komplett fiktives Werk. Und dort ist Hanussen natürlich die Weiterführung von Höfgen und Redl. Ein Mensch, der in seinem Machtstreben von den Verhältnissen, deren er sich an- und bedienen will, zerstört wird.

Den langsamen Aufstieg des Nationalsozialismus, der von der Ausweglosigkeit der Massen begünstigt wird, hat Szabó gut seziert. Wie von den herrschenden Oberschicht ignoriert wird, dass sich die Schere in der Weltwirtschaftskrise immer weiter öffnet, das Volk und die Mittelschicht in Armut und Ausweglosigkeit gleitet und dabei sich der Hass auf „die da oben“ wie eine Seuche ausbreitet. „Das Volk will Ordnung“ sagt Hanussen einmal. Und so kann das braune Geschwür sich der Ängste, Frustration und der Hilflosigkeit der Armen bedienen und seine Macht scheinbar widerstandslos mehren. Heute leider prophetischer als alles, was der echte Hanussen je weissagte. Der Film-Hanussen sieht dies alles, aber will „unpolitisch“ bleiben. Und eigentlich passt es ihm ebenfalls ganz gut, denn von den selben Gefühlen lebt auch seine Hellseher-Show. Szabó zieht dabei oftmals einen Vergleich zwischen Hanussen und Hitler. Sei es, dass er beiden dasselbe Geburtsdatum unterstellt oder sie sich in den gleichen Posen ablichten lassen. Wobei man sich fragt, ob Szabo dadurch, dass er Hanussen zu einer mythischen Figur erhöht, nicht dasselbe für Hitler (der hier nur in Archivaufnahmen auftaucht) tut. Konkreter wäre es gewesen – wenn man die beiden schon miteinander vergleicht, bzw. nebeneinanderstellt – Hanussen als den Trickbetrüger, Schwindler und Manipulator darzustellen, der er war. Weniger als „besonderen“ Menschen mit hellseherischen, hypnotischen und gedankenlesenden Eigenschaften. Denn diese werde im Film nie wirklich in Frage gestellt und gerade dadurch, dass unterschwellig Hitler als eine Art Alter Ego oder zumindest gleiches Symptom der Zeit dargestellt wird, geht das Mythische in diesem Film auch auf diese Gestalt über.

Klaus Maria Brandauer passt perfekt in die Rolle des Hanussen. Dass er von der Bühne kommt, merkt man bei Brandauer immer. Er ist kein klassischer Filmschauspieler. Seine Darstellung hat immer etwas leicht überzogenes, theaterhaftes. Monologe werde von ihm nie gesprochen, sondern deklamiert. Dialog gerne geschrien, geflüstert und in ein melodisches Singsang gepackt. Diese Künstlichkeit passt gut zu einem Mann wie Hanussen, der ja auch vor allem schauspielert. Demgegenüber spielt der große Bergman-Schauspieler Erland Josephson sehr zurückhaltend, aber letztendlich effektiver. Eigentlich ist seine Figur auch die interessantere. Ein jüdischer Arzt, der Schneider erst zu Hanussen macht. Der darüber hinwegsehen muss, dass Hanussen ihm seine Geliebte ausspannt. Und der – obwohl er ahnt, was ihn erwartet – Deutschland nicht verlassen kann und will. Spannend auch die im Film nur angedeutete, aber leider nicht ganz ausgespielte homosexuelle Beziehung zwischen den Beiden (auf die Frage wen er liebt nennt Hanussen drei Männer, später erklärt er einer seiner vielen Geliebten, er könne nicht lieben). Leider gerät diese Figur sehr in den Hintergrund. Ähnliches gilt für den schneidigen Hauptmann Nowotny, der erst Vorgesetzter, dann Manager Hanussens ist. Eine Paraderolle für Károly Eperjes, der nicht nur häufig mit Szabó zusammenarbeitete, sondern auch aller bestens als unheimlicher Kindermörder in Robert Siegels großartigem „Laurin“ im Gedächtnis geblieben ist. Überhaupt sind allein die Nebendarsteller den Film wert, auch wenn sie von Brandauers Omnipräsenz an den Rand gedrängt werden.

Szabó arbeitet viel mit Gegenlicht, Großaufnahmen und Räumen. So bleibt vieles im Undeutlichen, da man förmlich geblendet wird. So wie das Publikum im Film die wahre Natur Hanussens nicht erkennt, da es durch sein Charisma geblendet wird. Bis auf den Anfang und das Finale gibt es zudem kaum Szenen, die im Freien spielen. Hanussen bleibt in Gebäuden. In Restaurants, Hotels, Clubs und Theatern. Hier kann er sich seine eigene Welt erschaffen. Hier kann sein Macht über andere ausspielen. Wenn er ins Freie gerät, dann gibt es dann nichts mehr, was ihn schützt. Hier wartet nur der Tod auf ihn und Hanussen besitzt keine Macht mehr, um ihm ein Schnippchen zu schlagen. Außerhalb der Masse, außerhalb des sicheren Raumes, ist auch ein Eric Jan Hanussen nur ein ganz normaler, ängstlicher und schutzloser Mensch.

Die Bildqualität der UMC One Blu-ray ist schwer zu beurteilen. Da Szabó viele helle Gegenlichtaufnahmen nutzt, franst das Bild häufig aus und wird sehr weich. Teilweise sieht das dann extrem körnig und verwaschen aus. Ob dies eine bewusste künstlerische Entscheidung des Regisseurs war und bereits im Ursprungsmaterial so vorhanden – oder ob man bei der 4K-Restaurierung noch etwas hätte rausholen können, das vermag ich nicht zu sagen. Daher enthalte ich mich auch einer Wertung. Grundsätzlich schwanken die Intensität der Farben und die Schärfe von Szene zu Szene, woraus man den Schluss ziehen kann, dass Szabo auch unterschiedliches Material und/oder Kameras nutze. Womöglich ist dies also ein gewollter Effekt. Der Ton liegt lediglich auf Deutsch vor und ist gut verständlich. An Extras gibt es bis auf Trailer nicht viel. Das im Mediabook eingeklebte Booklet hat schöne Bilder, der Text zur historischen Figur, den Schauspielern und dem Regisseur gibt allerdings nur wider, was man auch auf Wikipedia hätte lesen können. Ein kleines Rätsel bleibt die Laufzeit. Diese beträgt 119 Minuten. Im der IMDb wird aber 140 Minuten angegeben. Wobei unklar ist, worauf sich diese bezieht. Die deutsche Kinofassung betrug auch 119 Minuten. UMC One hat aber auch für diese Tage eine „besondere Langfassung“ auf einfacher Blu-ray angekündigt. Ob dies die 21 Minuten längere Fassung ist und wenn ja, weshalb diese nicht im bereits im deutlich teureren Mediabook inkludiert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

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Neue Veröffentlichungen aus dem 35-Millimeter-Verlag

Die neue 70MM ist da! Zum fünften Mal durfte ich diese Zeitschrift als Chefredakteur betreuen, und ich bin auch diesmal wieder durchaus zufrieden mit dem Ergebnis. Ich selber habe auch einen Artikel über die „Street Fighter“-Trilogie mit Sonny Chiba beigetragen.

Ferner erhältlich: Die neunte Sonderausgabe der 35MM zum Thema 3-D- Film (mit einem Text von mir zu „The Mad Magician“) und die reguläre Ausgabe 51 mit Schwerpunkt Western (hier schrieb ich über die Western von Jack Arnold).

Also sehr viel Lesestoff für die interessierten Filmfreunde.

Die 70 Millimeter #5 gibt es HIER für 4,80 zzgl. Versand.

Die 35 Millimeter Sonderausgabe #9 findet man HIER für € 7,20 zzgl. Versand.

Die 35 Millimeter #51 kann man HIER für € 7,20 zzgl. Versand beziehen.

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Blu-ray-Rezension: “Der Schrei des gelben Adlers“

Chi Ming-Sing (Ti Lung) ist auf der Flucht. Erschöpft und halb verhungert wird er von einem Fremden (Alexander Fu Sheng) gefunden, der ihn wieder aufpäppelt. Statt Dankbarkeit zu zeigen, stiehlt im Chi Ming-Sing dem Fremden allerdings das Pferd und den Proviant. Bald schon aber hat der Fremde Chi wieder eingeholt. Just in diesem Moment erscheinen vier Männer, die Chi an den Kragen wollen. Gemeinsam können Chi und der Fremde diese erledigen. Langsam fasst Chi Vertrauen zu dem Fremden und erzählt ihm seine Geschichte. Er wuchs als Waisenkind auf und wurde zusammen mit zwölf anderen Kindern von dem brutalen Kung-Fu Meister Yoh Xi-Hung (Feng Ku) zu skrupellosen Killern und Räubern erzogen. Nun sorgen sie als die 13 Adler für Angst und Schrecken. Doch Chi hat dem allen nun den Rücken gekehrt und damit sein Todesurteil unterschrieben…

Chung Sun ist kein Regisseur, der einem sofort einfällt, wenn man an die Shaw Brothers Produktionen denkt. Sein bekanntester Film hier dürfte „Chun Fang – Das blutige Geheimnis“ aka „Human Lanterns“ von 1982 sein. Doch unter Experten verfügt Chung Sun über einen hervorragenden Ruf und sein „Der Schrei des gelben Adlers“ wird hoch gelobt. Zu Recht! Chung Suns Stil unterscheidet sich deutlich von den drei großen Regie-Stars der Shaw Brothers. Er hat weder das epische Blutvergießen eines Chang Cheh, noch die akrobatische Eleganz eines Liu Chia-Liang oder gar die geheimnisvolle, fantasiereiche Atmosphäre eines Chu Yuan.

Vor 10 Jahren schrieb ich über „Die Todeshand des gelben Adlers“, der ebenfalls von Chung Sun inszeniert wurde und damals in der zweiten Shaw-Brothers-Box von Koch Media erschien: „(Der Film) besticht vor allem durch seine originelle Kameraführung, die eher untypisch für eine Shaw Brothers-Produktion ist. Immer wieder wird der ungewöhnliche Winkel gesucht und die Kamera dynamisch eingesetzt. Durch die häufige Verwendung von Zeitlupen und eingefrorene Bilder glaubt man fast schon, dass hier John Woo in irgendeiner Form seine Finger mit im Spiel gehabt hätte.“ Exakt dies waren auch meine Gedanken, als ich nun „Der Schrei des gelben Adlers“ sah. Einmal mehr suchte ich in den Credits nach dem Namen John Woo und fand ihn nicht. Somit dürfte bewiesen sein, dass Chung Sun seinen ganz eigenen Stil entwickelt hat, der heute um einiges moderner wirkt, als die Film (natürlich auch großartigen) Film der genannten anderen Regisseure. Selbst vor dem Einsatz der Handkamera schreckt Chang Sun nicht zurück. Zudem wird vor allem in der Natur und weniger in den bekannten Kulissen der Shaw Brothers Studios gedreht, was dem Film ebenfalls zeitloser erscheinen lässt. Einmal nutzt Chang Sun die Enge eines realen Waldes, um zu zeigen, dass es sich mit einem Sam Jit Gwun (Dreistock) dort aufgrund der vielen Bäume schlecht kämpfen lässt. Und die Kampfszenen mag es an ballettähnlicher Eleganz fehlen, doch sie strahlen eine große Direktheit und Intensität aus.

Mit Ti Lung arbeitete Chang Sun regelmäßig zusammen. Beispielsweise in dem bereits in erwähnten, ein Jahr später entstandenen „Die Todeshand des gelben Adlers“, dessen Titel womöglich eine Fortsetzung des hier vorliegenden „Der Schrei des gelben Adlers“ suggerieren soll. Beide Filme haben aber – bis auf den Regisseur und den Hauptdarsteller – rein gar nichts miteinander zu tun. Die „gelben Adler“ (ja, es sind mehrere) sind 13 Kämpfer, die von einem bösen und skrupellosen Meister – Feng Ku in einer für ihn typischen Rollen – ausgebildet wurden, um ihm bedingungslos zu dienen. Der von Ti Lung ist einer von ihnen, der aber schon früh Skrupel ob dem mörderischen Treiben seiner „Brüder“ hat und sich letztendlich gegen sie stellt. Eine Rolle wie gemacht für den schauspielerisch talentierten Herrn Lung, der in allen Facetten dieses Charakters glaubwürdig erscheint.

Ihm zur Seite steht der leider viel zu früh verstorbene Alexander Fu Sheng. Dieser befand sich Ende der 70/Anfang der 80er auf dem Höhepunkt seiner kurzen Karriere und beerbte – zusammen mit Gordon Lui – die erste und zweite Generation der Shaw Brothers Stars. Häufig spielte er den humorvollen, leicht naiven Helden und kann damit als Vorbild für die Persona gelten, welche Jackie Chan zur Perfektion führte. Zwischen beiden besteht auch eine physische Ähnlichkeit, welche diese Assoziation natürlich verstärkt. Hier ist Alexander Fu Sheng einerseits für die humorvollen Momente zuständig, darf aber auch ein dunkles Geheimnis mit sicher herumtragen, welches ihm auch ermöglicht eine andere Seite von sich zu zeigen. Damit ähnelt Alexander Fu Sheng dem früheren Partner von Ti Lung: David Chiang, der sicherlich bei Chang Cheh diese Rolle übernommen hätte und ebenfalls häufig gutaussehende Sunnyboys mit dunklen Flecken auf der Seele gespielt hat. Doch gerade das unbekümmert jugendlich-weiche, das Alexander Fu Sheng ausstrahlt, passt perfekt zu der Rolle des „Namenlosen“.

Wie bei Chang Cheh weht ein nicht zu kleiner Hauch von Todessehnsucht durch den Film – für die (natürlich) Ti Lungs „Wanderer“ zuständig ist. Hierfür ist mit sicherlich Drehbuchautor Kuang Ni, der unzählige Filme in Zusammenarbeit mit Chang Cheh geschrieben hat. Doch im Gegensatz zum Werk eines Chang Cheh gibt es hier mit Alexander Fu Sheng einen Widerpart, der das Leben liebt und genug Größe hat, um zu verzeihen. Und obwohl die Geschichte das Rad nicht neu erfindet und man den Twist der Story sehr früh erahnt, gelingt es Chung Sun bestens diese packend, ohne Leerlauf und eben aufgrund der besonderen Beziehung zwischen seinen Figuren für den Zuschauer interessant umzusetzen. Zusammen mit der besonderen Ästhetik des Filmes ist „Der Schrei des gelben Adlers“ ein Höhepunkt im schier überbordenden Shaw Brothers Oeuvre.

Die 13. Folge der Shaw Brothers Collector’s Edition von filmArt präsentiert den Film in gewohnt hoher Bildqualität. Der deutsche Ton klingt ein wenig zu tief, als ob er einen Tick zu langsam abgespielt würde. Dies kann aber auch täuschen. Die Mandarin-Tonspur ist heller und klarer, aber auch künstlicher. Der Film liegt in der ungekürzten Fassung vor, die in der deutschen Kinofassung herausgeschnitten Handlungsstellen liegen in Mandarin mit deutschen Untertiteln vor. Wer das nicht mag und den Film nicht in Mandarin schauen möchte, der kann in den Extras auf die (etwas verwirrend „Deutsche „Langfassung“ betitelte) um neun Minuten gekürzte deutsche Kinofassung (leider ohne den deutschen Vorspann) zurückgreifen. Die filmArt-Fassung ist übrigens länger als die intentionale Fassung von Celestine auf der diese Blu-ray größtenteils beruht. Denn hier wurden 1,5 Minuten einer Kampfszene eingefügt, die dort fehlt und hier von einer deutschen 35mm-Fassung eingefügt wurde. Schade, dass diese dann nicht auch für die „Deutsche Langfassung“ als „Grindhouse-Fassung“ verwendet wurde. Sonstige Extras beinhalten ein hübsch illustriertes Booklet mit Aushangfotos, eine Bildgalerie und Trailer.

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