Das Bloggen der Anderen (24-10-16)

bartonfink_type2– Da Christian Witte sehr enttäuscht darüber ist, dass sein Blogbeitrag der letzten Woche kaum angeklickt wurde, schiebe ich meine Empfehlung mal ganz nach oben (auch wenn seine Auslassungen über Guy Maddin mich hörbar mit den Zähnen knirschen ließen). Witte’s wöchentliche Tipps beschäftigen sich diesmal mit dem japanischen Gruseler „Curse of the Dog God“, mit der „Once Upon a Time in China“-Reihe und ihrer latenten Fremdenangst, Jet Li in „The One“ und vieles mehr.

– Patrick Holzapfel von Jugend ohne Film war auf der Viennale und hat dort die neuen Filme von Jia Zhang-ke und Paul Thomas Anderson gesehen und fragt nach dem Sinn der dort ausgestellten Luftbilder. Andererseits hat er auf der Vienna aber auch wunderschöne Bilder gesehen, die gleichzeitig einfach, aber auch komplex sind. Ferner hat er einen langen Text über die Darstellung von Häusern und Heim im Film geschrieben, von dem er behauptet, er wäre „ein idealistischer Text, den einige wenige Personen womöglich verstehen können.“

– Patrick schreibt auch bei B-Roll und hat hier einen Text verfasst, der davon handelt, wie man Landschaft filmt. Über die Viennale berichtet hier dann Joachim Kurz. Lucas Barwenczik wettert zurecht gegen „Wohlfühlfilme“ mit eingebauter Glücksgarantie. http://www.kino-zeit.de/blog/b-roll/koenigreich-des-festgetackerten-laechelns-ueber-das-gluecksversprechen-des-wohlfuehlkinos

– Christian Genzel hat auf Wilsons Dachboden „Shaft in Afrika“ gefunden und setzt sich mit eingehend mit dieser Blaxploitation-/James-Bond-Melange auseinander.

– Endlich gibt es wieder Neuigkeiten auf L’amore in città! Diesmal schreibt Udo Rotenberg über Pasquale Festa Campaniles „La matriarca“ (deutscher Titel: „Huckepack“), der mir bisher noch unbekannt war. Die Hauptrolle spielt Catherine Spaak und unterstützt wird sie von einem Who-is-who des europäischen Kinos der 60er Jahre.

– An dieser Stelle mache ich jetzt einmal eine Ausnahme. Normalerweise verlinke ich keine Podcasts, da es hier um Blogs geht und man auch irgendwo eine grene ziehen muss. Doch heute weise ich mal auf Deep Red Radio hin, wo ein Interview mit meinem Bekannten Alex Wank zu hören ist, der neben seinem tollen Musik-Label Cineploit (gerade jetzt läuft bei mir die neuste Veröffentlichung, das Debüt von PAN/SCAN) auch Chef von Cinestrange Extreme ist, wo gerade eine Doku über den Kannibalenfilm Premiere feierte.

– Dass Joe D’Amatos „Sado – Stoss das Tor zur Hölle auf“ ein Remake ist, wissen die eingefleischten Italo-Fans. Christian von Schlombies Filmbesprechungen hat sich nun einmal das Original, „Das dritte Auge“ mit Franco Nero, angeschaut und fand es „sehenswert“.

Hauptsache (Stumm)Film nimmt sich diesmal des Michael-Curtiz/Errol-Flynn-Klassikers „Der Herr der sieben Meere“ an. Und ich bekomme direkt Lust auf etwas „Swashbuckler“-Action.

– Bluntwolf schreibt auf Nischenkino über den Niedergang der Hammer Studios und eine ihrer letzten klassischen Produktionen: „Frankensteins Höllenmonster“.

– Ich finde es immer wieder bewundernswert, wie viel und trotzdem immer sehr profund Oliver Nöding auf Remember it For Later schreibt. Diesmal fiel es mir wieder schwer, eine Auswahl der interessantesten Besprechungen zusammenzustellen. Letztendlich ahbe ich mich jetzt für den Auftakt einer Reihe von Pinku-eiga-Besprechungen („Female Teacher: Dirty Afternoon“), sowie einen mir bis jetzt unbekannten Spät-Giallo („Mystére“), Lamberto Bavas starken Debüt („Macabro“) und einen Geheimtipp („Lemora“) entschieden.

Funxton hat sich Michele Soavis „The Church“ angesehen. Irgendwie hat „The Church“ immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Funxton mag ihn auch, hat aber auch kritische Anmerkungen. Mario Bianchis berühmt-berüchtigten „Provinz ohne Gesetz“ beschreibt funxton als „bunter Kernblödsinn vom Feinsten“. Dafür hat ihn Larry Peerces „The Incident“ ziemlich aus den Socken gehauen. Letzterem widmet auch Christian Keßler in seinem neuen Buch ein schönes Kapitel. Das nur mal so nebenbei.

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Das Bloggen der Anderen (10-10-16)

bartonfink_type2– Gerade schloss das Filmfest Hamburg seine Pforten. In den Blogs kann man nachlesen, wie es denn so war und welche high- und Lowlights man als Nicht-Besucher verpasst hat. Till Kadritzke von critic.de war da, ebenso wie Rainer Kienböck von Jugend ohne Film, der den Stab von Patrick Holzapfel übernommen hatte, der sich zwischendurch zum Underdox-Festival in München verabschiedet hatte.

– Der Film über den in Hamburg am Meisten geschrieben wurde war „Elle“ von Paul Verhoeven. Rainer Knieböck nennt Isabelle Hupperts Darstellung „mit Sicherheit eine der besten Schauspielleistungen in Filmen der letzten Jahre“. Auch Christian Witte von cereality ist begeistert und meint: „Das Medium Film kann diese via Überhöhung eben teilweise präziser aussprechen als manch nüchterne Impression, die sich noch auf die Suche nach einer Reflexion begeben muss – und Verhoeven hat als Meister jenes Credos auch in der aktuellen Filmlandschaft kein Stück Kraft eingebüßt.“

– Noch mehr wurde über einen anderen Film geschrieben, der die tage in die Kinos kommt: „Blair Witch“, die überraschende Fortsetzung vom „Blair Witch Project“, welches bei der Produktion noch „The Woods“ hieß, um das Publikum zu überraschen. Regie führt Adam Wingart, das Drehbuch stammt von Simon Barrett. Beide haben schon den unterhaltsamen „You’re Next!“ und den wundervollen „The Guest“ verantwortet. Beste Voraussetzungen eigentlich. Doch die Kritiken sind sehr lauwarm bis abweisend kalt. Volker Schönenberger von Die Nacht der lebenden Texte: „Dass „Blair Witch“ dereinst einen Status haben wird, der über den einer Sequel-Fußnote des Horrorgenres hinausgeht, darf bezweifelt werden.“ stu von Die drei Muscheln: „Insgesamt ist Blair Witch also schon enttäuschend, obwohl er vor allem gegen Ende einige tolle Einstellungen und Momente zu bieten hat.“ LZ auf screen/read: „Wingard und Barrett (…) haben sich eine Menge Mühe gegeben, dem Original gerecht zu werden. Wer sich etwa auf Ostereiersuche begibt, wird reichlich fündig werden. Für einen rund 90-minütigen Fanfilm unter professionellen Bedingungen (unfassbar, wie viele Namen in den End Credits auftauchen) reicht das aus. Für die große Leinwand eher nicht.“ Going to the Movies meint: „„Blair Witch“ ist leider nichts Halbes und nichts Ganzes.“

– Funxton und Oliver Nöding haben zusammen Filme geguckt. Zweimal Action mit Scott Adkins. Und zwei Meinungen. Olivers über „Hard Target 2“ und „Close Range“ findet man wie gewohnt auf Remember It For Later. Funxtons Gedanken über die Fortsetzung des John-Woo-Films hier und seine kritischen Gedanken über den Neo-Western hier.

– Alex Matzkeit hat auf B-Roll einen schönen Text über die Faszination gescheiteter Filme geschrieben. Lucas Barwenczik zeigt auf, dass Untertitel nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern durchaus auch eine Kunstform sein können. Und Andreas Köhnemann fragt sich, ob jeder aktuelle Film wirklich episch lang sein muss und ob in der Kürze nicht auch die Würze steckt.

Ein großartiger Tipp von Sven Safarow auf Eskalierende Träume: Auf YouTube findet man den letzten Teil einer drei-teiligen Dokumentarfilmreihe über den Cannon-Gründer Menahem Golan: „A Farewell to Mr. Cinema“.

– Der Film „Der Schamane und die Schlange“ wurde mir schon von vielen Seiten ans Herz gelegt. Nun auch von Oliver Armknecht auf film-rezensionen.de. Zudem erinnert er an die unglaubliche Cartoon-Serie „The Maxx“, die einst auf MTV lief, als dieses noch cool war. Die Comics auf welche die Serie basiert, sind mir auch gerade beim Umzug wieder in die Hände gefallen. Das waren seltsame Zeiten…

– Morgen Luft ist auf Cinematographic Tides sehr von dem meisterlichen „Der Bunker“ angetan. Einiges sehe ich etwas anders, aber in unserer Begeisterung sind wir uns einig.

– Christian Witte schreibt auf Witte’s Wöchentlich Tipps sehr ausführlich über Jim Jarmuschs neuen Film „Paterson“ (etwas nach unten scrollen). Interessant.

– Sebstian Schwittay von odd&excluded hat beim dritten Terza Visione Sergio Bergonzelli für sich entdeckt und sah nun dessen Film „La Sposina“, der ihn ebenfalls sehr begeisterte: „Ein wilder Zauber der Sinnesfreuden und eine triumphale Feier des Eros“.

– Den habe ich leider noch immer nicht gesehen, obwohl er zu den „Must-haves“ der italophilen Filmfreunden gehört: „Die rote Dame“ aka „Horror House“ mit Barbara Bouchet. Mauritia Mayer von Schattenlichter ist mir da voraus.

– „Der Nachtmahr ist der Urahn des klassischen, expressionistischen deutschen Horrors. Stylisch, melancholisch. Und auf ACID.“ Schreibt Sir Donnerbold auf sdb-film und ich freue mich jetzt schon sehr auf die kommende Heimkino-Veröffentlichung.

– Christian von Schlombies Filmbesprechungen ist hin und her gerissen von Kevin Smiths „Tusk“. Seine innere Zerrissenheit ist dabei fast mit den Händen zu greifen.

– Lukas Foerster schreibt auf Dirty Laundry über “A naissance de l’amour“ von Philippe Garrel.

– Flo Lieb kann mit Thomas Vinterbergs neuem Film „Die Kommune“ rein gar nichts anfangen. Warum, das erklärt er auf symparanekronemoi.

– Als ich irgendwann Mitte der 80er einmal „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ im ARD-Spätprogramm gesehen habe, hat mich der Film recht verstört. Vor allem, weil der lustige Walter Matthau hier gar nicht so lustig war und der Film recht düster. Wird Zeit für eine Neusichtung. Bis dahin lese ich, was gabelinger auf Hauptsache (Stumm)Film so darüber schreibt.

Nächste Woche gibt es kein „Bloggen der Anderen“, da ich am Wochenende in Düsseldorf beim Delirio-Italiano.de-Forentreffen weilen werde.

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Reise-Tipp: “Deliria Italiano” – 7. öffentliches Forentreffen in Düsseldorf

dift_2016Jedes Jahr ist es für mich immer wieder ein großer Höhepunkte, meine Freunde und Bekannte von Deliria-Italiano.de wiederzutreffen. Und wie jedes Jahr möchte ich hier einzige Zeilen darüber verlieren. Dazu nutze ich mal einen Text, den ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe.

Bereits im siebten Jahr in Folge treffen sich die Mitglieder des Internetforums Deliria-Italiano.de, um gemeinsam ihrer große Leidenschaft zu frönen: Dem italienischen Genrekino. Nachdem die von den Foren-Administratoren stets mit viel Liebe und großem Engagement organisierten Treffen bereits in Hamburg, Bremen, Frankfurt, Magdeburg, Nürnberg und sogar Wien stattfanden, zieht es Deliria-Italiano.de nun erstmals in den Westen der Republik. Das diesjährige Forentreffen findet am nächsten Wochenende, dem 14. und 15. Oktober in der BLACK BOX (dem Kino des Düsseldorfer Filmmuseums) statt. In Kooperation mit „Mondo Bizarre“, einer in Düsseldorf beheimaten Filmreihe, die dort einmal im Monat bizarre Filmkost aus aller Herren Länder serviert.

di7_ddorfWie immer ist das Treffen keine geschlossene Veranstaltung, sondern jeder ist herzlich eingeladen, dabei zu sein. Wer in den vergangenen Jahren die Forentreffen besucht hat weiß, dass „Neulinge“ stets mit offenen Armen willkommen geheißen werden. Daher ist es auch kein Wunder, wenn von Treffen zu Treffen die Schar derer wächst, die auch beim nächsten Mal dabei sind. Im letzten Jahr verzeichnete das Forentreffen dann auch einen neuen Besucherrekord – und dies, obwohl der überwiegende Teil der Besucher dafür bis nach Wien reisen musste. Auch in Düsseldorf, wird wieder mit einem vollen Haus zu rechnen sein.

Neben dem geselligem Beisammensein und der fröhlichen Fachsimpelei, stehen natürlich Filme im Mittelpunkt der Veranstaltung. Diese werden von den Organisatoren mit großer Sorgfalt ausgesucht und – das ist ein ehernes Gesetz – von alten 35-Millimeter-Rollen gezeigt. In diesem Jahr wurden einige ganz besondere Leckerbissen für italophile Filmfreunde ausgegraben.

di7_ddorf2Den Auftakt macht der großartige Film „Flavia – Leidensweg einer Nonne“, der unter dem weitaus spekulativeren Alternativ-Titel „Nonnen bis auf’s Blut gequält“ größere Berühmtheit erlangte. Regie führt Gianfranco Mingozzi, die Hauptrolle spielt die wundervolle Florinda Bolkan. Weiter geht es mit einem Werk des mittlerweile zum Forentreffen-Maskottchen beförderten Bruno Mattei, der Miles O’Keeffe als „Der Kampfgigant“ ins Rennen schickt. Am nächsten Tag heißt es: „Mein Name ist Nobody“. Terence Hill trifft auf Henry Fonda, und beide lassen in einem großen Klassiker des Italo-Western die Luft vibrieren. Zu diesem Film werde ich auch wieder zusammen mit meinem Weird-Xperience-Kollegen Stefan eine Einführung machen.

gorilla2Den Abschluss macht eine echte Sensation. Die Jungs von Deliria-Italiano.de haben tatsächlich eine deutsche 35-Millimeter-Kopie von Tonino Valeriis Actionfilm „Der Gorilla“ mit Fabio Testi entdeckt. Von diesem Film ist bisher nicht bekannt gewesen, dass er einmal für eine deutsche Kinoauswertung vorgesehen war. Es gibt weder deutsche Plakate, noch Aushangfotos. Umso größer war die Überraschung und Freude, als die 35-Millimeter-Kopie einem Testlauf unterzogen wurde. Eine Kopie zum Träumen. Wahrscheinlich noch nie abgespielt und tatsächlich in deutscher Sprache. Recherchen haben ergeben, dass es wohl noch eine weitere Kopie zu diesem Film gab, diese aber aller Wahrscheinlichkeit nach im Müll gelandet ist. Warum es der Film nie in die deutschen Kinos geschafft hat, kann nicht rekonstruiert werden. Aber nach exakt 40 Jahren ist es jetzt soweit und „Der Gorilla“ erblickt in Düsseldorf erstmals das Licht einer deutschen Kinoleinwand!

Zu jedem Film gibt es noch weitere fachkundige Einführungen, u.a. von Oliver Nöding und Michael Cholewa. Und spannende Verlosungen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Also, wer nächstes Wochenende noch nichts vor hat: Auf nach Düsseldorf!

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Interview mit Jörg Mathieu – Initator des Cinefonie-Festivals in Saarbrücken

Auch wenn Bremen und Saarbrücken mal eben schlappe 550km trennen, so gibt es zwischen diesen beiden Städten doch einige Gemeinsamkeiten. Bremen ist das kleinste Bundesland, das Saarland das zweitkleinste und was die öffentlichen Gelder angeht, so sind beide Bundesländer ähnlich klamm. Gut, Saarbrücken hat das renommierte Max-Ophül-Festival, aber Bremen hat ja seit letztem Jahr auch ein eigenes, wenn auch sehr regionales Filmfest. Da ist also ein erster Schritt schon getan. Außerdem gibt es sowohl in Bremen als auch Saarbrücken Menschen, die mit viel Herzblut und Eigeninitiative dafür sorgen, dass kulturell etwas passiert in ihrer Stadt. Einer dieser Menschen ist Jörg Mathieu, der vor einigen Tagen bereits zum zweiten Mal in Eigenregie das Cinefonie-Festival in Saarbrücken auf die Beine gestellt hat. Ich kenne Jörg in seiner Eigenschaft als Herausgeber des „35 Millimeter – Retro-Filmmagazin“, bei dem ich vor einigen Wochen die Ehre hatte, zum stellvertretenden Chefredakteur berufen zu werden. Persönlich begegnet sind wir uns leider bisher noch nicht, aber natürlich habe ich ein genaues Auge darauf, was Jörg da in Saarbrücken veranstaltet. Und das nötigt mir nicht nur einigen Respekt ab, sondern dient auch als Inspiration. Gründe genug, um mit Jörg anlässlich des zweiten Cinefonie-Festivals ein Interview zu führen.

bild-1-joerg-mathieunmFilmforum Bremen: Bereits zum zweiten Mal fand nun in Saarbrücken das Cinefonie-Festival statt. Was kann man sich unter dem Begriff „Cinefonie“ vorstellen?

Jörg Mathieu: Das ist recht einfach zu erklären. Cine kommt von Cinema, und Fonie kommt von Sinfonie. Der Begriff CINEFONIE fasst somit zusammen, was den Besucher auf dem Festival erwartet. Es gibt immer Filme, und es gibt immer Live-Musik. Eine Sinfonie aus Bild und Ton, wenn man so will.

bild-2-markus-stigleggerWie kamst Du auf die Idee für ein solches Festival und wie sah die erste Ausgabe des Cinefonie-Festivals im letzten Jahr aus?

Letzte Jahr war die Veranstaltung ein Experiment um uns selbst einige Fragen zu beantworten. Kommt das Konzept an? Versteht man unsere Idee dahinter? Nimmt es das Publikum an? Wie viel Programm passt in einen Tag usw. usw. Am Ende ging es uns aber auch darum einfach einmal ins kalte Wasser zu springen und loszulegen. Wenn man eine Festivalreihe plant, muss irgendwann ein Einstieg gelingen, und das war für uns der 1. CINEFONIE-TAG. Die Grundidee war es, den Besuchern Kino und mehr zu bieten. Was ist rund um den eigentlichen Film auf der Leinwand noch spannend? So gab es Vorträge, eine kleine Börse, Stummfilme und Live-Musik.

bild-3-vincent-priceDieses Jahr war Schwerpunkt des Festivals eine Vincent-Price-Retrospektive. Wie kam es dazu?

Wenn man solche Veranstaltungen plant schwingt immer auch etwas persönliches des Veranstalters mit. Er wird versuchen, Dinge, die im am Herzen liegen, einer breiteren Öffentlichkeit vorzutragen, um sie für seine Sache zu begeistern. So ging es auch mir. Vincent Price ist mein Spezialgebiet, seit ich ein Teenager war. Es war also ein lang gehegter Wunsch eine passende Retrospektive zu machen.

Wenn man ins Programm schaut, sieht man, dass auf dem Cinefonie-Festival sonst eher wenig gezeigte Vincent-Price-Filme liefen. Wie kam es zu dieser Auswahl?

Das hatte eher pragmatische Gründe. Zum einen sollten es nicht die üblichen Horror-Beiträge sein, für die Vincent Price bekannt ist und wofür wir in alle lieben. Ich hielt es für relativ „ausgelutscht“, in dieser Schublade zu präsentieren. Der andere Grund war, welche Filme können wir ohne Probleme und ohne hohe Vorführ- und Kopiekosten zeigen. Letztendlich kostete uns nur einer der gezeigten Filme Geld, dieser dann aber richtig.

Ein Höhepunkt des diesjährigen Cinefonie-Festivals war der Auftritt von Vincent Prices Tochter Victoria. Wie ist es Dir gelungen, sie nach Saarbrücken zu holen?

Das war einfacher als gedacht. Ich nahm unmittelbar nach dem 1. Cinefonie-Tag Kontakt zu ihr auf. Ich beobachte ihre Arbeit rund um ihren Vater schon lange (seit ihrer Biografie 1999) und habe gesehen, dass sie 2015 auch in England war. Ich schrieb Victoria an und fragte sie, ob sie zu uns nach Deutschland kommen würde. Sie sagte sofort ja.

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Die Begegnung mit Victoria Price hatte für Dich ja noch weitere Konsequenzen. Magst Du davon erzählen?

bild-7-victoria-pricenmKonsequenzen hört sich etwas negativ an. Ich würde es eher mit positiven Auswirkungen umschreiben. Es passierte an diesem Wochenende so viel mehr als das, was die Besucher mitbekommen haben. Auch wenn sie mich bei den Programmabläufen ins Schwimmen brachte, hat sie die Situation aber auch wieder gerettet. Als Entschädigung für einen ausgefallenen Part mit ihr, ging sie mit ca. 15 Besuchern Abendessen. Eine wirklich großartige Geste. Ich war selbst nicht dabei, aber die Teilnehmer waren davon dermaßen begeistert, dass es für sie der Höhepunkt des Festivals wurde. Näher konnte man Victoria in Saarbrücken nicht kommen. Meinen sehr persönlichen Moment mit ihr hatte ich beim Frühstück am Sonntagmorgen, bei dem wir nur zu viert waren. Ich erzählte Victoria, was mir ihr Vater bedeutend. Unbeabsichtigt rührte sie diese Geschichte zu Tränen. Ihren Vater durfte ich nie kennen lernen. Seine Tochter habe ich jedoch erreicht. Plötzlich war es nicht mehr wichtig, ob das Festival ein Erfolg wird oder nicht. Dieser Moment bild-9-interviewnmwar jede Anstrengung im Vorfeld wert. Victoria und ihr Geschäftspartner und Freund Peter Fuller aus London konnten sich dann für eine weitere Idee von von begeistern und machten mich zum Deutschlandvertreter der VINCENT-PRICE-LEGACY-Familie, welche ein weltweites Netzwerk werden soll. Was für eine Ehre für mich. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Jetzt planen wir gemeinsam für 2018 eine Deutschland-Rundreise die Vincent Prices Reise von 1928 nachreist, mit vielen Stationen, die er damals besucht hat.

Warst Du zufrieden mit dem diesjährigen Cinefonie-Festival? Was ist gut gelaufen, wo siehst Du noch Verbesserungsbedarf?

Wie oben erwähnt könnte ich kaum glücklicher sein über den Verlauf beider Tage, da das Ganze dann auch etwas sehr Nachhaltiges für mich persönlich hatte. Als Kulturschaffender darf man ohnehin nicht gewinnorientiert denken und arbeiten. Man ist also froh, wenn alle entstandenen Kosten auch wieder rein kommen. Das haben wir geradeso geschafft. Es ist ungefähr genau so viel gut gelaufen, wie dann auch schief ging. Noch sehe ich mich selbst auch noch als absoluten Anfänger als Veranstalter solcher Festivals. Ich nutze es zu Zeit also noch als Testphase, um so Erfahrungen zu sammeln. Aus all den Fehlern – z.B. die zu frühe Bekanntgabe der Uhrzeiten und Programmpunkte – werde ich natürlich meine Schlüsse ziehen.

Wie wurde das Festival von den Saarbrückern angenommen? Aus leidvoller eigener Erfahrung weiß ich leider nur zu gut, wie schwer es ist etwas auf die Beine zu stellen, was sich nicht in die enge Arthaus- oder Mainstream-Schublade stecken lässt. Bremen ist das z.B. fast unmöglich.

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Das ist in Saarbrücken genau das gleiche Problem wie im Rest des Landes. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.“ 80% der Besucher kamen nicht aus Saarbrücken. Das wäre uns aber in jeder anderen Stadt wohl genau so gegangen. Dieses Jahr waren wir thematisch aber auch wirklich sehr eng gefasst und mit Vincent Price auch weit abseits vom einem breiten Interesse der Menschen.

Wird es auch eine dritte Ausgabe des Cinefonie-Festivals geben und wenn ja, gibt es schon konkrete Pläne, wie das Festival im nächsten Jahr aussehen wird? Wird es Änderungen geben?

Ja, die gibt es, auch wenn diese sich auch noch ändern könnten. Es müssen sich Dinge ändern, sonst hätten wir nicht dazu gelernt aus den ersten beiden Jahren. Es wird eine dritte Ausgabe geben, ob wir die schon 2017 veranstalten werden muss noch geklärt werden. Eventuell setzen wir wegen der aktuellen Entwicklung auch ein Jahr aus.

Wie sieht es generell mit den Saarbrückern aus? Sind das alle begeisterte Kinogänger oder eher ein hartes Pflaster?

Saarbrücken hat die größte Kinositzplatzdichte in ganz Deutschland. Wir leisten uns den Luxus von 7! Kinos in der Hauptstadt. Da ist vom Studentenkino über kleine Arthaus-Säle bis hin zum großen Multiplex alles zu finden. Die Saarbrücker sind ausgesprochene Kunst- und Kulturfetischisten und für einen Saarbrücker ist alles spannend, was ihn aus den Sofafalten hebt. Wenn man es schafft, ihre Neugier zu wecken, dann kommen sie auch in Scharen. Es ist mit den richtigen Konzepten also eher einfach, in Saarbrücken die Menschen mitzunehmen. Eine Vincent-Price-Retro gehört dazu allerding nicht. (lacht)

Momentan droht ja dem Saarbrücker Kommunalkino das Aus. Du hast eine Initiative zur Rettung des „Filmhauses“ ins Leben gerufen. Wie kam es dazu, dass das Kommunalkino geschlossen werden soll und wie willst Du das verhindern?

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Oh!? Hat man das bis nach Bremen vernommen? Kommunale Kinos haben es in ganz Deutschland sehr schwer. Sie schaffen es in der Regel nicht sich selbst über Wasser zu halten und benötigen Zuschüsse vom Land und der Stadt, in Saarbrücken sogar noch aus einem Fördertopf des Bundes. Trotzdem schafft es das Saarbrücker Filmhaus seit 11 Jahren nicht die hohen Kosten, vor allem in der Verwaltung, wieder einzuspielen. Das liegt m.E. vor allem auch an dem gezeigten Programm. Wer zu 90% Filme nur im OMU zeigt, muss sich nicht wundern, wenn nur noch fünf Leute in der Vorstellung sitzen. Das Saarbrücker Filmhaus ist jedoch eine Kinoperle, die den Saarbrückener selbst sehr am Herzen liegt. Man will sie also nicht wegen schlechter Leitung komplett verlieren. Deshalb jetzt unsere Initiative, die auf breite Unterstützung bauen kann. Wir legen der Stadt noch im Oktober ein Konzept vor, wie wir das Filmhaus erhalten wollen. Das kann die Stadt annehmen oder nicht, es ist nur ein Vorschlag. Klar ist aber auch, dass es dieses Kino in seiner jetzigen Form nicht mehr lange geben wird, und es im Frühjahr 2017 vor dem Aus steht. Deshalb ist es wichtig, dass der Druck jetzt von außen kommt um das zu verhindern. Dieses Kino gehört allen Saarbrückern, finanziert durch Steuergelder, das werden sie sich nicht so einfach nehmen lassen.

PAPAYA Nr 1 UmschlagNeben all diesen Aktivitäten gibst Du seit zwei Jahren auch noch das Filmmagazin „35 Millimeter – Das Retrofilmmagazin“ heraus, welches sich mit der Filmgeschichte 1895 – 1965 beschäftigt. In den nächsten Tagen erscheint bereits die 17. Ausgabe mit dem Thema „Britischer Film“. Hättest Du damals gedacht, dass das Magazin auf dem nicht gerade einfachen und vielfach totgesagten Print-Markt so lange überlebt?

Um ehrlich zu sein, nein. Auf der anderen Seite ist es mit kleiner Auflage und der notwendigen Zahl von Abonnenten auch nicht sehr schwer, sich mit einem Print-Produkt zu halten. Man muss eben kleine Brötchen backen – sehr kleine. Aber auch hier sollte man keine großen Gewinne erwarten. Es steckt am Ende doch sehr viel Individualismus in so einem Projekt. Aber du hast recht, 17 Ausgaben + 3 Sonderausgaben ist schon mal ein guter Anfang.

Was sind Deine nächsten Pläne?

bild-14-vs-buchNeben der geplanten Leitung eines Eventhauses samt Kino (das muss nicht das Filmhaus sein) erscheint in den nächsten Wochen auch das erste Buch des 35 Millimeter-Verlags. Auch hier planen wir eine eigene Verlags-Reihe. Ausgabe #1 wird sich rund um den schwedischen Regisseur VICTOR SJÖSTRÖM drehen. 2017 wird es dann ein weiteres Buch in der Reihe geben. Im nächsten Jahr wollen wir dann auch unsere Ideen für Saarbrücken weiter ausbauen und angehen – Stichwort Eventhaus. 2018 kommt dann die erwähnte Vincent-Price-Legacy-Tour und ein weiterer Cinefonie-Tag. Und zwischendurch alle zwei Monate unser kleines aber feines Magazin. Jetzt da ich das schreibe, hört sich das nach einer Menge Arbeit an. (lacht)

Lieber Jörg, ich danke die recht herzlich für das interessante Gespräch.

Die Fotos vom Cinefonie-Festival stammen von Nicole Malter.

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Blu-ray-Rezension: „Der Pate von Greenwich Village“

pate__greenwichCharlie (Mickey Rourke) und sein Cousin Paulie (Eric Roberts) leben im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, wo sie sich recht und schlecht durchschlagen. Der coole und vernünftige Charlie träumt davon, zusammen mit seiner Freundin Diana (Daryl Hannah) im ländlichen Maine ein Restaurant zu eröffnen. Der hitzköpfige und vollkommen nichtsnutzige Paulie träumt von einem erfolgreichen Leben im Luxus und Exzess. Als Charlie wegen Paulie seinen Job als Restaurant-Manager verliert, macht Paulie ihm einen Vorschlag. Er will in ein Rennpferd investieren, welches das „Sieger-Gen“ besitzt. Dafür fehlen ihm allerdings 150.000 Dollar, die er sich mit einem Einbruch in Lagerhaus verdienen will. Dort steht nämlich ein Tresor voller Geld. Charlie und der alte Uhrmacher und Ex-Safeknacker Barney (Kenneth McMillan) lassen sich überreden mitzumachen. Doch der Coup geht schief. Nicht nur kommt dabei ein Polizist ums Leben, sondern der Tresor gehört auch noch dem lokalen Mafiaboss „Bed Bug“ Eddie (Burt Young)…

Es tut fast schon weh, den jungen Mickey Rouke auf der Höhe seines Ruhms zu sehen. Damals schon war er zum „James Dean der 80er“ hoch geschrieben worden. Ein Vergleich, der durchaus Sinn ergibt. Mickey Rouke war ein fantastischer Schauspieler, der leicht und lässig durch seine Rollen spazierte. Der dabei mit einer kleinen Geste der Hand mehr ausdrücken konnte, als viele seiner Kollegen mit aller Kraft ihres mehrjährigen Schauspielstudiums. Und dabei ist er immer so atemberaubend cool und so unverschämt gutaussehend. Den jungen Mickey Rouke zu sehen, lässt das Herz schneller schlagen. Wenn man weiß, was aus seiner so vielversprechenden Karriere wurde, möchte man fast um all die schönen Filme weinen, die er in den 90ern noch hätte drehen können. Und um dieses schöne Gesicht, welches durch seinen Ausflug ins Profi-Boxen und schiefgegangene Schönheitsoperationen zerstört wurde. Klar ist Mickey Rourke mittlerweile wieder da. Und ja, er ist immer noch ein toller Schauspieler. Seine Darstellung des Randy in „The Wrestler“ bricht einem das Herz. Doch vergleicht man Mickey Rourke heute und damals, dann sind das zwei ganz unterschiedliche Figuren. Und man mag nicht glauben, dass dahinter ein und der selbe Mensch stecken.

Der Pate von Greenwich Village“ beginnt mit dem jungen Mickey Rourke, der sich für seinen Job als Restaurant-Manager in seine elegante, geschmackvolle Schale wirft. Dazu singt Sinatra „Summer Wind“. Eine Szene zum Verlieben. Mit kleinen Gesten, mit seinem Gang zwischen Gene Kelly und einer Katze, zeigt er gleich, wer hier der coolste Typ in der Nachbarschaft ist. Selbstsicher, charismatisch. Dass Mickey Rourke in den Credits nur an zweiter hinter Eric Roberts aufgeführt wird, mag daran liegen, dass Roberts damals etwas bekannter war. Oder dass sein Nachname im Alphabet vor Rourke kommt. Der Star des Filmes ist aber eindeutig Rourke. Er füllt jede Szene aus in der er zu sehen ist und würde die Leinwand mit seiner ungeheuren Präsenz zum Bersten bringen, wenn er dafür nicht zu lässig wäre. Im Restaurant trifft der von Rourke gespielte Charlie auf sein Cousin Paulie. Eric Roberts spielt ihn als Antithese zu Rourke. Tritt dieser in feinem, geschmackssicheren Zwirn auf, so sorgt bei Paulie bereits der unglaubliche Lockenkopf für große Augen. Dazu kleidet er sich, wie die Jungs aus dem Ghetto. Mit einer Vorliebe für protzige Ketten und zu engen Jeans. Ständig in Bewegung, hibbelig und mit einer Klappe, die nie still zu stehen scheint, ist Paulie eine weiße Parodie auf die schwarzen Ghetto-Jungs, die man aus Filmen wie „Menace II Society“ kennt. Nur gibt es in dem provinziellen Greewich Village keine Schwarzen. Ja, die Einwohnerschaft scheint nur aus Italienern und Iren zu bestehen. Einmal sieht man zwei Asiaten in einer Bar, die von den anderen Besuchern wie Exoten beäugt werden.

Regisseur Stuart Rosenberg inszeniert „Der Pater von Greenwich Village“ mit leichter und sicherer Hand. Der feine Humor ist nie zum Schenkelklopfen, die dramatischen Szenen nie pathetisch. Das Äquivalent zu Rosenbergs Inszenierung wäre der leichter Sommerwind aus dem Sinatra-Song. Zudem offenbart er einen scharfen Blick für den Lokalkolorit des kleinen Greenwich Village mit seinen Bars, den alteingesessenen Typen und das Kleinstädtische. Der von Burt Young eindrucksvoll, wenn auch manchmal an der Grenze zur Parodie, gespielte Gangsterboss „Bedbug Eddie“ ist hier zwar König, in der Mafiahierarchie aber eben nur ein kleiner Landesfürst. Trotzdem sollte man sich besser nicht mit ihm anlegen, wie Paulie in einer der schmerzhaftesten Szenen des Filmes erfahren muss. Wobei „Der Pate von Greenwich Village“ allzu große Gewalttätigkeiten vermeidet. Seine Stärken liegen im Dialog, den glaubhaften Figuren und der genauen Zeichnung des Milieus. Der einzige Haken an der Sache ist die Beziehung zwischen Charlie und Paulie. Man mag es kaum glauben, dass ein so scharfsinniger Bursche wie Charlie immer wieder seinem Cousin aus der Patsche hilft und ihn auch noch vor allen Anderen verteidigt. Ja, da ist eine große, brüderliche Liebe zwischen den beiden so unterschiedlichen Typen. Doch wenn der schwächliche Paulie das x-te Mal Charlie tief in die Scheiße reitet, möchte man ihn am Liebsten persönlich mit seiner großen Klappe in die Wüste jagen. Aber solch eine „Paulie“-Figur gehört ja zur Standardausstattung eines Gangsterfilms. Siehe auch „Sugar Hill“, der eine ganz ähnliche Struktur aufweist. Nur Michael Corleones Geduld mit seinem ähnlich anlegten Bruder Fredo in „Der Pate – Teil 2“ hatte irgendwann seine Grenzen.

Doch Charlie ist eben auch kein Profi. Kein knallharter Typ wie ein Michael Corleone. Er schlägt sich durchs Leben, versucht auf irgendeine Art und Weise etwas zu werden. Sein Traum ist nicht die Macht über sein Viertel, sondern genug Geld für ein eigenes Restaurant zu haben. Dass er immer wieder auf der falschen Seite landet, ist größtenteils auch seinem unzuverlässigen Cousin Paulie zu verdanken. In der Rolle seiner attraktiven Freundin sieht man eine blutjunge und wunderhübsche Daryl Hannah, die leider nur schmückendes Beiwerk bleibt. Frauen haben in dieser Welt nämlich keinen Platz und spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die einzige Ausnahme bildet die von Geraldine Page gespielte Mutter eines auf tragische Weise ums Leben gekommenen Polizisten. Sie hat nur zwei kurze, aber großartige Auftritte in diesem Film, aber diese reichten aus, um ihr eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin einzubringen. Ansonsten ist es a man’s world.

Die sehr genaue Figuren- und Milleuzeichnung, die überzeugenden Darsteller – allen vorweg ein unglaublich guter und charismatischer Mickey Rourke – und die locker-leichte Inszenierung Stuart Rosenbergs machen „Der Pate von Greenwich Village“ zu einem kleinen Klassiker, dem man auch kleinere Schwächen mit einem Lächeln verzeiht.

FilmArt hat dieses kleine Juwel außerhalb seiner bekannten Reihen veröffentlicht, ob es gut in die CineSelection gepasst hätte. Die Blu-ray ist auf 1000 Stück limitiert und weißt ein gutes, sehr „kinohaftes“ Bild auf, welches Ecken und Kanten haben darf und nicht vollkommen steril gefiltert wurde. Der Ton liegt auf Deutsch und Englisch als DTS-HD Master Audio Mono) vor. Im Bonusbereich sieht es bis auf den Originaltrailer ziemlich mau aus. Dafür wurde ein 8-seitiges Booklet mit spanischen (?) Aushangfotos beigelegt.

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DVD-Rezension: „Porn to Be Free“

porntobefree„Porn to Be Free“ zeichnet die unglaubliche Entwicklung des Pornos – von den ersten Fotoshootings und Veröffentlichungen in Underground-Magazinen bis zum Einzug in die Kinos. Europas Freie Liebe und grafischer Sex sind Werkzeuge des Protestes im Kampf gegen Zensur und die bigotte Moral der 70er und 80er Jahre. Neben Interviews mit Zeitzeugen wie dem Porno-Star „Cicciolina“, die später Mitglied im Italienischen Parlament wurde, zeigen Film-Ausschnitte und Aufnahmen von den Dreharbeiten den Moment als Porno revolutionär wurde. (Inhaltsangabe des Verleihs)

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Die Geschichte des pornographischen Films der 70er Jahre verspricht das Cover dieser DVD. Das Bild dazu ist nicht unbedingt passend und erinnert eher als eine moderne Softsex-Weichzeichner-Produktion. Schon hier merkt man deutlich, dass das Label Donau Film, das den Dokumentarfilm „Porn to Be Free“ in Deutschland vertreibt, nicht so recht weiß, was es damit anfangen und welche Zielgruppe nun eigentlich angesprochen werden soll. Ein Dilemma, welches man mit etwas gutem Willen nachvollziehen kann. Tatsächlich ist die Pornoindustrie nur ein Aspekt, der hier behandelt und mit saftigen, höchst expliziten Bildern illustriert wird. Der Originaltitel „Porno & Libertà“ trifft es da besser. Denn es geht vor allem um Politik, Demonstrationen, Happenings… und darum, dass Sex auch immer politisch ist. Der Tenor: Die Pornos haben geholfen, die Menschen aus ihren moralischen Käfigen zu befreien und die Welt positiv zu verändern. Eine Geschichte des pornographischen Filmes ist der Film dann natürlich nicht geworden und sollte es auch gar nicht sein. Im Zentrum des Filmes steht die sexuelle Befreiung in Italien. Und dies ist dann zwar hauptsächlich, aber eben nicht nur, auf den pornographischen Film bezogen. Die Welt außerhalb Italiens wird dann auch weitestgehend ausgespart. Zwar werden kurz auch die US-Produktionen im „Deep Throat“-Gefolge erwähnt und natürlich die Pornofilmwelle aus Dänemark, wo Pornographie als erstes legalisiert wurde. Doch wichtige Länder wie Frankreich oder auch Deutschland fehlen.

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Das Thema an sich ist sehr spannend und zeichnet ein interessantes, größtenteils unbekanntes Bild der sozio-politischen Lage und der alternativen Gegenbewegungen im Italien Ende der 60er und in den 70er Jahre. Die Hauptprobleme liegen aber darin, dass Regisseur Carmine Amoroso schon sehr schnell der rote Faden verloren geht und dann wüst zwischen den unterschiedlichsten Themen hin und her gesprungen wird. Zumindest erscheint es so, wenn man kein genaues Hintergrundwissen um die gesellschaftlichen Probleme und die unterschiedlichen alternativen Gruppen im Italien der damaligen Zeit hat. Hier kommt dann erschwerend hinzu, dass es keine Erklärungen zu den interviewten Personen gibt. Daher weiß man als ahnungsloser Zuschauer auch nicht, wer das ist und was seine/ihre Rolle und Wichtigkeit war. Zudem neigen einige von ihnen zum ausgedehnten Aggit-Geschwafel, dem man schon nach zwei Sätzen nicht mehr folgen kann und will. Aber auch bei den Filmschaffenden fehlt einfach eine sinnvolle Einordnung und eine strengere Gesprächsführung. So sind selbst die Ausführungen eines Lasse Brauns zu seinen Anfängen im Sex-Geschäft teilweise sehr verwirrend, wenn das Basiswissen um die Szene, in der er sich damals bewegte, fehlt. Man fühlt sich oftmals so, als ob einem ein Bekannter sehr blumig Geschichten über seinen Schwippschwager und dessen Freunden erzählt, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat.

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Dies ist vor allem deshalb ärgerlich, weil man deutlich spürt, dass bei dem Thema sehr viel mehr drin gewesen wäre, als Carmine Amoroso herausholt. Wenig hilfreich ist dabei auch die sehr einseitige Darstellung. Immer wieder wird auf ein großes Happening in Mailand 1976 Bezug genommen, welches als so etwas wie die große Wende in der Art und Weise, wie in Italien mit Sex, freier Liebe und auch Neo-Feminismus und LGBT-Rechten umgegangen wurde. Wobei sich meiner Kenntnis entzieht, ob dieses Treffen von Hippies, Underground-Künstlern und Aktivisten wirklich solch ein alles umwälzendes Ereignis war, wie es dargestellt wird. Und ob es wirklich so stark im kollektiven Gedächtnis Italiens verankert ist, wie in den Erinnerungen der damals Beteiligten, die von Amoroso ausgiebig ins Bild gesetzt werden. Zudem ist die Hauptthese des Films, nämlich dass die Pornographie vor allem ein Mittel war, um gegen Zensur und religiöse Moralvorstellungen zu rebellieren, ziemlich naiv. Zwar befeuern Pioniere wie Lasse Braun dieses Darstellung mit ihren romantisierten Erinnerungen. Dass dahinter aber auch ein knallhartes Geschäft stand (und steht), wird mit keiner Silbe erwähnt. Konsequenterweise endet die Rückschau dann auch Ende der 70er Jahre. Die Industrialisierung der Pornographie wird komplett ausgespart. Auch das Überlappen von Exploitationfilm und Hardcore-Pornographie in den Filmen eines Joe D’Amatos findet ebenfalls keine Erwähnung. Von D’Amato wird einmal im Hintergrund ein Ausschnitt aus „Orgasmo Nero“ eingeblendet. Ein Andrea Bianchi wird in einem Satz als Autor eines pornographischen Magazins erwähnt. So bleibt am Ende dann nur so etwas wie falsche Revolutions-Romantik.

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Die Geschichte des Pornofilms erzählt Carmine Amorosos Dokumentarfilm mitnichten. Vielmehr versucht er Sittengemälde des Italiens der späten 60er und der 70er Jahre zu zeichnen. Dabei wird das Aufkommens des Pornofilms als eine Art Initialzündung für eine sexuelle Befreiung dargestellt, bei der der Porno dann zu einem Instrument des politischen Kampfes wurde. Andere Aspekte der Pornofilmindustrie werden konsequent ausgespart. Dabei verliert Regisseur Amoroso allerdings öfter mal den roten Faden. Auch wäre eine deutlichere Einordnung in den historischen Kontext wünschenswert gewesen.

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Die DVD aus dem Hause Donau Films ist sehr ordnetlich geworden. Bei den historsichen Szenen ist das Bild dann auch (gewollt) sehr historisch, die Interview-Szenen und Zwischensequenzen sind aber state of the art. Der Ton kommt bei diesem Dokumentarfilm natürlich zumeist von vorne, wo die Interviewten ihre Geschichten erzählen. Man kann den Film auf italienisch mit deutschen Untertiteln oder mit einem guten deutschen voice-over anschauen. Extras gibt es bis auf den italienscihen Trailer keine.

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Das Bloggen der Anderen (26-09-16)

bartonfink_type2— Letzte Woche gab es kein „Bloggen der Anderen“, da ich mich erst einmal von dem wunderschönen Internationalen Filmfest in Oldenburg erholen musste (Bericht folgt später). Da war auch Christian Gertz von mehrfilm. Allerdings in ganz anderen Vorstellungen als ich, weshalb es bis auf einen Film keine Überschneidungen geben wird. Hier sein Bericht.

– Eine interessante Diskussion über das Für und Wider von Filmschulen, an der auch der großartige Dominik Graf teilnahm, findet man auf critic.de.  Dort stellt Michael Kienzl auch den Bürgerrechtler, Life-Reporter, Modefotograf und Filmemacher Gordon Parks vor.

– Rajko Burchardt hat auf B -Roll einen interessanten Text zu der Schwierigkeit geschrieben, Künstler und reale Person voneinander zu trennen. Lucas Barwenczik fragt sich, ob 2016 das Jahr ist, indem das Kino aufhört wichtig zu sein. Andreas Köhnemann berichtet vom Filmfest in San Sebastian und hat dort u.a Bertrand Bonellos „Nocturama“ und J.A. Bayonas „A Monster Calls“ gesehen.

– 20. September 2016 starb der Regisseur Curtis Hanson. Der Kinogänger widmet ihm einen Nachruf.

– Eine „kurze und höchst unvollständige Geschichte der rotierenden Raumstation“ hat Manfred Polak auf Whoknows presents aufgeschrieben.

– Schwanenmeister schreibt auf negativespace noch einmal über die Locarno-Retrospektive zum deutschen Nachkriegsfilm, die nun um zwanzig Filmen ergänzt und thematisch erweitert, im Oktober ins Deutsche Filmmuseum nach Frankfurt kommt. Sein Fazit: „Nach den Vorführungen wird dringend eine Überarbeitung der deutschen Filmgeschichte angeraten.“

„Wider dem Erdmann“ meint Sir Donnerbold von sdb-film und erklärt sehr detailliert und wortreich, warum ihm Maren Adens Film nicht mundete.

– Udo Rotenberg hat sich für Grün ist die Heide den späten Luis-Trenker-Film „Von der Liebe besiegt“ von 1957 angesehen und findet: „Trenkers „Von der Liebe besiegt“ kam zwar nicht ohne Klischees aus, verband in seiner Anlage aber Elemente der Bergromantik mit den sozialen Veränderungen der 50er Jahre. Die Anspielungen auf Missstände der „Wirtschaftswunder“-Zeit, die Veränderungen im Familienbild sowie die selbstbewusst gestaltete Frauenrolle sind überraschend modern für das Genre und laden zu einer Wiederentdeckung ein.“

– „Der traumhafte Weg ist schmerzvoll und wunderschön, weil er diese Sehnsucht nach der Bewegung, der Berührung erspüren lässt, sie greifbar macht, aber sie dann in Auflösungserscheinungen vergehen lässt.“ So schreibt Patrick Holzapfel auf Jugend ohne Film über „Der traumhafte Weg“ von Angela Schanelec.

– Wang Bings Dokumentarfilm „Bitter Money“ lässt Michael Schleeh nicht mehr los. Warum, versucht er auf Schneeland zu erklären.

– Ekkehard Knör findet, er hätte die die Sichtung der Filme des iranischen Regisseurs Amir Naderi nachzuholen und beginnt auf cargo mit dessen Film „The Runner“ von 1984.

– Spannend. Victoria Steiner berichtet auf Blickabtausch über einen Dokumentarfilm, der bisher komplett an mir vorbei gegangen ist. „S Is For Stanley“ erzählt das Leben Stanley Kubricks durch die Augen seines Chauffeurs.

– Apropos Kubrick: totalschaden erklärt auf Splattertrash, warum ihn „Barry Lyndon“ nicht packen wollte.

– Lukas Foerster schreibt auf Dirty Laundry über „Fremde Stadt“ von Rudolf Thome.

– Den sehr schönen Dokumentarfilm „Wadd – The Life and Times of John C. Holmes“ habe ich damals recht zeitgleich mit „Boogie Nights“ gesehen, so, dass bei mir Realität und Fiktion teilweise etwas verschmelzen. Und ich manchmal gar nicht sagen kann, ob ich eine Szene in „Boogie Nights“ gesehen oder darüber in „Wadd“ gehört habe. Christian Genzel stellt die Doku auf Wilsons Dachboden vor.

– An dieser Stelle eine Empfehlung: Auf Witte’s Wöchentliche Tipps stellt Christian Witte Filme vor. Die er während der vergangenen Woche gesehen hat. Dies geschieht ziemlich umfangreich und informativ. Kann man sich ruhig mal bookmarken. Diese Woche u.a. „Fletschers Visionen“, „The Master“ (Jet Lis erster Hollywood-Ausflug) und Jackie Chans Neuer: „Skiptrace“ – Regie Renny Harlin!

– „Truck Driver – Gejagt von einem Serienkiller“ hieß der australische Thriller „Roadgames“ mit Stacey Keach und Jamie Lee Curtis hierzulande. Sascha von Die seltsamen Filme des Herrn Nolte, spricht eine dicke Empfehlung aus.

– Eine Empfehlung spricht auch funxton aus. Er tut dies für „Flic Story“ von Jacques Deray mit Alain Delon und Jean-Louis Trintignant. Klingt spannend und kenne ich noch gar nicht.

– Ebenfalls noch nicht gesehen: „Vampire’s Kiss“ mit Nicolas Cage. Zumindest nicht den ganzen Film. Clips daraus geistern ja im Internet herum. Als Lachnummer und Beleg für Nicolas Cages angebliche Überzogenheit. Dass aber dahinter ein sehr sehenswerter und toller Film steht, habe ich irgendwie schon immer geahnt. Oliver Nöding von Remember It For Later bestätigt diesen Verdacht.

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DVD-Rezension: „R100 – Härter ist besser“

r100Takafumi Katayama (Nao Ômori), ein in öder Routine gefangener Verkäufer in einem Einrichtungshaus, hat es im Leben nicht leicht. Seit seine Frau vor Jahren ins Koma gefallen ist, muss sich allein um den gemeinsamen Sohn kümmern. Jeden Tag fährt er zu seiner Frau ins Krankenhaus, doch eine Besserung ist nicht in Sicht. Zuhause fragt ihn der Sohn, wann die Mama denn wieder nach Hause kommen wird. Seine immer gleiche Antwort: Ostern. Ablenkung verspricht er sich von einer Mitgliedschaft im geheimnisvollen S/M-Club „Bondage“. Dieser schickt seine in Leder gewandeten Dominas immer wieder überraschend und ohne Vorankündigung in der realen Welt der Kunden. Dort tauchen sie dann an immer anderen Orten auf und verwickeln die Kunden in ausgefallene S/M-Spielchen. Die Mitgliedschaft läuft ein Jahr und ist während dieser Zeit unkündbar. Doch bald schon werden Takafumi diese Übergriffe auf sein Privatleben zu viel. Als die Dominas dann noch auf seiner Arbeit und im Krankenzimmer seiner komatösen Frau auftauchen, und letztendlich noch sein minderjähriger Sohn mit in die Spiele hineingezogen wird, will Takafumi nur noch raus aus seinem Vertrag. Doch er ahnt nicht, mit wem er sich da anlegt. Und so eskaliert die Situation immer mehr…

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Als wir hier in Bremen 2012 das Phantastival durchführten, überraschte uns ein Film ganz besonders. Bei Hitoshi Matsumotos Film „Symbol“ hatten wir keinen großen Zuspruch erwartet. Zwar hatte uns „Symbol“ allen sehr gut gefallen – weshalb wir ihn unbedingt im Programm haben wollten -, doch er war auch sehr speziell und vor allem zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre alt und kurz zuvor auf DVD veröffentlicht worden. Daher wurde er im kleinen Kino programmiert, während wir im großen Saal die Deutschlandpremiere von „Berberian Sound Studio“ programmiert hatten. Stilecht auf 35mm. Zu unserer Überraschung verirrten sich aber nur eine Handvoll Interessierte in „Berberian Sound Studio“, während die „Symbol“-Vorstellung gut gefüllt war. Ein Erfolg, den der surreale, rätselhafte, zugleich aber auch sehr komische „Symbol“ absolut verdient hat. Nach „Symbol“ drehte Matsumoto dann den für ihn eher untypischen, da stringent erzählten „Saya Zamurai“ der hierzulande leider trotz hervorragender Kritiken leider vollkommen unterging. 2013 meldete er sich mit „R100“ zurück, welcher nun mit einer Verspätung von drei Jahren nach einem Einsatz beim Fantasy Filmfest hierzulande als Heimkino-Scheibe vorliegt.

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Veröffentlicht wurde „R100“ von dem auf anspruchsvolle Erotik spezialisierten Label Donau Film. Wobei das quitschbunte Cover und der Untertitel „Härter ist besser“ den uneingeweihten Kunden auf die falsche Fährte lockt. Erwartet man doch eine überdrehte Komödie oder zumindest einen bunten, spekulativen Film aus der japanischen S/M-Szene. Gleich die ersten Bilder des Films dürften den Zuschauer ernüchtern. Matsumoto hat konsequent die Farbe in seinem Film eliminiert. Alles ist in einen krank und trist wirkenden grün-blauen Schleier getaucht. So trostlos wie die Bilder ist auch das Leben des Protagonisten Takafumi Katayama, der von Nao Ōmori als Aller-Ego Matsumotos  gespielt wird. Er trifft sich mit einer unbekannten Schönen im langen Mantel in einem Restaurant. Er langweilt sie mit seinen Gesprächs-Themen, da steht sie auf und tritt ihm ins Gesicht. Später soll sie ihn draußen noch eine Steintreppe hinunterstoßen, woraufhin sich sein Gesicht verzerrt und seine Augen sich alienartig vergrößern. Dann kehrt Takafumi wieder in seine tägliche Routine zurück, wird wieder ein kleines Rad in der großen Maschine. Ebenso, wie Matsumotos Film nie zu kräftigen Farben zurückkehrt, so wird Takafumi bis zum Ende keine wirkliche Erlösung gegönnt. Erst die merkwürdigen Schlussbilder zeigen ihn plötzlich glücklich… und hochschwanger. Wie also schon in „Symbol“ überlässt es Hitoshi Matsumoto dem Zuschauer, aus den seltsamen letzten Minuten des Filmes selber einen Sinn zu erschließen. Oder es eben zu lassen.

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Hitoshi Matsumoto ist Teil des in Japan ungemein erfolgreichen Komiker-Duos „Downtown“. In der Paarung mit seinem Partner Masatoshi Hamada übernimmt Matsumoto dabei die Rolle des bloke, also desjenigen, der unter den Schlägen und herablassenden Gemeinheiten seines Partners leidet. Matsumoto bezeichnet Hamada als „Sadist“ und beschreibt sich selber als „Masochist“. So dass der Gedanke naheliegt, dass er „R100“ auch als Schlüsselfilm angelegt hat, in dem er symbolisch seine Erfahrung im Entertainment-Geschäft beschreibt. Wo er auch indirekt einen unkündbaren Vertrag mit einem Sado-Maso-Club eingegangen ist, der ihm zwar Freude bereitet, aber auch auf sein Privatleben übergreift. Wenn man im Netz über Hitoshi Matsumoto Privatleben liest, erfährt man, dass er – trotz seiner Heirat mit einer bekannten Fernsehansagerin – dies doch immer nur sehr distanziert beschreibt und weitgehend unter Verschluss hält. Vielleicht spielt in „R100“ ja die Furcht mit, dass sein öffentlicher Erfolg, sein privates Leben bedroht. Und die unglaubliche Hünin aus den USA (dargestellt von der 2.04 Meter großen Lindsay Hayward) Hollywood repräsentiert, welches ihn verschlingen wird, sollte er sich zu sehr an „Bondage“ binden. Hier hat dann auch der Name „Bondage“ eine durchaus zweideutige Bedeutung. Für diese Lesart spricht die zweite Ebene des Filmes, in der Produzenten und Kritiker sich „R100“ ansehen und sich in den Pausen immer wieder ratlos darüber unterhalten, auf Handlungslöcher und Logikfehler hinweisen. Und ist der Regisseur, der im Film seinen „R100“ gedreht hat, am Ende nicht deshalb so glücklich und zufrieden, weil er sich in den Zwängen seiner „Bondage“-Filmindustrie die Freiheit genommen hat, seine ganz eigene Geschichte zu drehen, ohne dass es jemand merkt? Zumindest niemand, der nicht an seiner Stelle ist. „R100“ bezieht sich nämlich auf die japanische Altersfreigabe und der Regisseur ist der einzige, der das erforderliche Alter von 100 bereits erreicht hat.

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„R100“ ist der eigenwillige Film, den man von Hitoshi Matsumoto erwartet. Wer schreiende Komik oder gar Erotik erwartet, wird bei diesem eher trostlosen, ruhigen Film enttäuscht sein. Doch wer sich auf „R100“ einläst, wird mit einem immer weiter eskalierenden surealen Albtraum belohnt, welcher auch als augenzwinkernde, autobiographische Metapher für die Person Matsumoto funktioniert.

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Da der Film bewusst in einem farbentsättigten grün-braunen, körnig-„schmutzigen“ Look gehalten ist, kann über die Bildqualität keine richtige Aussage getroffen werden. Man kann aber davon ausgehen, dass es von diesem Film auch nirgendwo eine besser aussehende DVD geben wird. Der Ton kommt zum größten Teil aus den vorderen Boxen, Surround-Effekte gibt es so gut wie nicht. Wie so häufig bei japanischen Filmen ist der Originalton zu bevorzugen. Die deutschen Untertitel sind verständlich und gut lesbar, die deutsche Synchronisation eher schwach. Sehr enttäuschend ist das Fehlen jedweden Bonus-Materials, sieht man einmal von zwei Original-Trailern und einem TV-Spot ab. Gerade bei „R100“ wäre beispielsweise ein Interview mit dem Regisseur hochspannend gewesen. So enthält die britische DVD ein „Making Of“ und eine Q&A, die sicherlich auch der deutschen Veröffentlichung gut zu Gesicht gestanden hätte. Sehr schade. Der Film selber ist übrigens ab 16. Der dicke, rote FSK18-Hinweis muss sich dementsprechend auf einen auf der Scheibe enthaltenen Trailer beziehen. Zusammen mit dem unpassenden Untertitel ein leider sehr irreführender Marketing-Trick.

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2. Filmfest Bremen – 24./25. September im Cinemaxx

ffb2016Filmfestivals gibt es viele. Fast immer sind sie nach der Stadt benannt in der sie stattfinden. Doch beim „Filmfest Bremen“ ist der Name gleich dreifach Programm. Denn hier werden ausschließlich Filme gezeigt, die von oder mit Bremer Filmschaffenden realisiert wurden, Filme über Bremen und Filme mit Bremen als Drehort. Vergangenes Jahr fand das Festival das erste Mal statt und war scheinbar ein voller Erfolg, denn in diesem Jahr gibt es nicht nur eine zweite Auflage, sondern des wurde sogar noch verlängert. Das 2. Filmfest Bremen geht ein ganzes Wochenende lang und zwar vom 24. bis zum 25. September 2016. Dann werden im Bremer Cinemaxx Spielfilme, Kurzfilme, Dokumentationen, Experimentelles und neue filmische Formate gezeigt.

Moderiert wird das Filmfest in diesem Jahr von Jessica Bloem (Radio Bremen) und Malte Janssen (Radio Bremen). Alexandra-Katharina Kütemeyer (geschäftsführende Redakteurin des Weser-Kurier) moderiert das Panel »Netzflimmern« beim Symposium Fokus Bremer Film. Entstanden ist die Idee des Filmfests aus der gemeinsamen Arbeit Bremer Filmschaffender. Am Anfang standen Ilona Rieke vom Filmbüro Bremen e. V. und Matthias Greving und Mike Beilfuß (nebenbei ehemaliger Chef-Redakteur des wunderbaren Filmmusik-Magazins „Cinema Musica„, welches ich immer gerne mal mitgenommen hatte, als es noch im Bahnhofsbuchhandel erhältlich war) von der Produktionsfirma Kinescope Film. Alle drei waren sich einig, dass es neben den bereits bestehenden Plattformen zur Vernetzung von Bremer Filmemachern auch eine öffentliche Werkschau geben müsste, um den Bremer Film einem breiteren Publikum vorstellen zu können.

Das Filmfest beginnt am Samstag um 12:00 Uhr mit dem Symposium Fokus Bremer Film: „TALENT CORNER – Die nächste Generation Bremer Filmemacher/Innen stellt sich vor“. Offizieller Beginn ist um 19:00 Uhr mit dem Dokumentarfilm „Die Prüfung“. Es folgen mit „Als Hollywood in der Heide lag“ ein weiterer Dokumentarfilm, das Ergebnis des 48-Stunden-Filmwettbewerbs und ab 24:00 die lange Kurzfilm-Nacht zum Thema „Raumfahrt“.Am nächsten Tag geht es mit dem Klassiker „Ein Platz an der Sonne“ von 1951 weiter. An George Stevens‘ Drama mit Montgomery Clift, Elizabeth Taylor und Shelley Winters war der Bremer Hans Dreier für das Szenenbild verantwortlich. Gezeigt wird eine 35 Millimeter-Kopie. Wow! Ich wusste gar nicht, dass das Cinemaxx noch entsprechende Projektoren hat. Finde ich super! Danach noch eine Spielfilm: „Yarden/The Yard“ und die Musik-Doku „I’ll Play For You“ über die polnische Geigerin Wanda Wilkomirska, die auch anwesend sein wird. Weiter geht es mit Kurzfilmen und dem Missbrauchs-Drama „Die Hände meiner Mutter“ von Florian Eichinger mit Jessica Schwarz, welches auch gerade auf dem Filmfest in Oldenburg lief. Eine letzte Runde Kurzfilme schließt das Festival dann ab.

Weitere Infos gibt es hier.

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DVD-Rezension: „Strasse der Angst“

strassederangstDer aufstrebende Jungpolitiker ist Dr. Michele Alemani (Fabio Testi) ist mit Rita (Simonetta Stefanelli) verheiratet, der Tochter des einflussreichen Bauunternehmer und Parteivorsitzenden Vetroni (Ugo Bologna). Für seinen Schwiegervater übernimmt er auch schon mal die Drecksarbeit, wie die Einschüchterung unliebsamer Konkurrenten. Eines Tages wird Alemani Opfer eines Attentats. Gerettet wird er dabei von einer unbekannten jungen Frau (Lara Wendel), die seine Wunden verbindet. Alemani kann die junge Frau nicht vergessen. Als er sie wenig später zufällig in einem Restaurant wieder trifft, verlieben sich beide ineinander. Alemani ist bereit für Viva, so heißt die Schöne, alles aufzugeben. Auch als er entdeckt, dass sie schwer heroinabhängig ist, ändert dies nichts an seinen Plänen…

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Um es gleich vorweg zu schicken: Warum dieser Film in der Reihe „Polizieschi“ erscheint, wird wohl auf immer das Geheimnis des Labels filmArt bleiben. Nein, wer aufgrund des reißerischen Covers eine actionreichen Polizei- oder Mafiafilm erwartet, der wird bitter enttäuscht werden. Und nein, weder trägt Herr Testi in diesem Film einen Trenchcoat, noch nimmt er eine Waffe in die Hand. Immerhin ist das Cover so aber vielfältig einsetzbar und diente auch der VHS-Veröffentlichung des Films „Sieben Stunden der Gewalt“ mit George Hilton als Cover-Motiv, indem der Figur, die offensichtlich Testi darstellen soll, ein Schnauzbart aufgemalt wurde. Dabei beginnt „Strasse der Angst“ für den durch das Label „Polizieschi“ angelockten Zuschauer durchaus vielversprechend. Zu einer schönen Melodie des immer zuverlässigen Stevio Cipriani, dessen Werke zahlreiche Klassiker des Genres zieren, sehen wir Fabio Testi beim nächtlichen Rugby-Spiel, beobachtet von einigen finsteren Gestalten, die sich dann auch gleich an seine Fersen heften. Schnell wird klar, dass der aufstrebende Jungpolitiker für seinen reichen und industriellen Schwiegervater die Drecksarbeit erledigt und mit sanftem Druck unliebsame Konkurrenten aus den Weg räumt. Doch sehr bald bekommt er die Quittung für sein zwielichtiges Treiben präsentiert und wird von einem maskieren Überfallkommando zusammengeschossen. Hier endet dann erst einmal die erwartete Handlung und der Film wendet sich mit Schmackes einem anderen Genre zu.

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Als Alemani nach dem Überfall angeschossen an einem Laternenpfahl hängt, eilt ihm eine unbekannte Schöne zu Hilfe, bindet ihm mit ihrem Schal seine Wunden ab und verhindert somit, dass er verblutet. Ob diese junge Frau nur zufällig in der Nähe war, oder ob sie zusammen mit ihrem kriminellen Freund in die Sache verwickelt ist, wird im weiteren Verlauf nicht geklärt. Beides ist denkbar. Alemani kann die Schöne nicht vergessen, was man durchaus nachvollziehen kann, wird sie doch von der schönen Lara Wendel gespielt. Lara Wendel war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten unglaubliche 15 Jahre jung. Etwas, was man ihr aber zu keiner Zeit ansieht, insbesondere in den zahlreichen, textilfreien Liebesszenen mit Fabio Testi, in denen sie sehr ungezwungen ihren makellosen Körper präsentiert. Die 1965 als Daniela Rachele Barnes in München als Tochter eines amerikanischen Schauspieler-Ehepaars geborene Wendel hat zu diesem Zeitpunkt schon einige Erfahrung im Filmgeschäft und mit Nacktszenen. Spielte sie doch 1977 die Hauptrolle in dem Skandalfilm „Maladolescenza – Spielen wir Liebe“. In „Strasse der Angst“ zeigt sie neben ihren körperlichen Reizen auch ihre schauspielerischen Fähigkeiten. Schließlich spielt sie ihre Figur – welche einige Jahre älter als sie selbst zu sein scheint – sehr souverän und glaubwürdig. Auch in den dramatischen Szenen verfällt sie nicht in eine übertriebene Darstellung, sondern verkörpert Schmerz und Zerrissenheit auf realistische Art und Weise. Demgegenüber wirkt Fabio Testi häufig etwas steif und verkrampft.

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Sobald sich Alemani in die geheimnisvolle Viva verliebt, und beide sehr schnell ein ungleiches Paar werden, verlässt der Film konsequent den Gangsterfilm-Pfad und begibt sich gänzlich ins Reich des Liebes-Drama. Dann erzählt „Strasse der Angst“ nur noch von dem Karrieremenschen, der für seine große Liebe alles aufgibt und sich im stetigen Kampf mit deren Vergangenheit befindet. Der mit ihrer Drogenabhängigkeit konfrontiert wird und trotzdem um sein großes Glück kämpft. Der seine Geliebte aber auch akzeptiert und gegen alle gesellschaftlichen Widerstände alles tut, um mit ihr an seiner Seite ein neues Leben zu beginnen. Das nimmt dann durchaus Züge einer Groschenroman-Romanze an. Mit der Optik von kitschigen 80er-Jahren-Pärchen-Postern, wie sie damals in zahlreichen Backfisch-Stuben hingen. Alemani und Viva lieben sich inbrünstig (was Frau Wendel zu einigen unverhüllte Szene verhilft, was ja durchaus seinen Reiz hat) und sind bereit, sich gegenseitig füreinander zu opfern. Aber erst am Ende schlägt das Schicksal, bzw. die Umstände wieder mit unerbittlicher Härte zu und verschafft Danilo Mattei zu einem wunderbar schmierigen Auftritt als ehemaliger Freund/Dealer/Zuhälter (?) der armen Viva. Fabrizio Lori gelingt es bei seinem Regie-Debüt dann zu guter Letzt doch noch, zusammen mit seiner Hauptdarstellerin ein optisch reizvolles und schön melancholisches Finale zu inszenieren, welches dem Publikum länger im Gedächtnis haften bleiben dürfte, als der kitschige Mittelteil des Filmes.

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Für Freunde des „Polizieschi“ dürfte „Strasse der Angst“ eine ziemliche Mogelpackung sein. Freunde des italienischen Films dürfen sich aber an der schönen Lara Wendel und Fabio Testi erfreuen. Nach einem vielversprechenden Beginn, gleitet der Film leider schnell in kitschige Bastei-Roman-Gefilde ab, fängt sich am Ende aber wieder und liefert zumindest ein gelungenes, dramatisches Finale.

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Das Bild dieser filmArt-DVD kann man ruhigen Gewissens als solide bezeichnen. Mehr war bei diesem eher unbekannten Film wohl auch nicht drin. Der deutsche und italienische Ton ist okay, die Synchronisation sehr gut. Neben dem deutschen Trailer, wurde noch die deutsche Kinofassung mit auf die Scheibe gepackt. Diese ist von daher sehr interessant, weil sie mit einem alternativen Ende aufwartet. Auffällig ist bei dieser Veröffentlichung, dass es erstmals kein Booklet gibt.

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