Blu-ray-Rezension: „Botschafter der Angst“

Im Koreakrieg wird die Einheit von Captain Bennett Marco (Frank Sinatra) und Sergeant Raymond Shaw (Laurence Harvey) in ein Hinterhalt gelockt und in die Mandschurei entführt, wo sie von sowjetischen Wissenschaftlern einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Doch woran sie sich bei ihrer Rückkehr erinnern ist eine ganz andere Geschichte. So konnten sie sich dank des Wagemuts von Shaw aus nordkoreanischer Gefangenschaft befreien, weshalb Shaw die hohe Auszeichnung mit der Medal of Honor verlieren wird. Als der Kriegsheld nach Hause kehrt, wird er dort schon von seiner dominanten Mutter (Angela Lansbury) und ihrem populistischen Ehemann, Senator Iselin (James Gregory), einer jubelnden Menge und der Presse erwartet. Lediglich der von Albträumen geplagte Marco ahnt, dass irgendetwas nicht stimmt und Shaw eine Gefahr darstellt. Tatsächlich stellt sich bald heraus, dass Shaw zu einer willenlosen Mordmaschine der Sowjets umprogrammiert wurde. Wird es Marco gelingen, die Wahrheit aufzudecken und Shaw zu stoppen?

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Dank der OFDb Filmworks wird endlich wird eine schmerzliche Lücke in der deutschen Veröffentlichungsgeschichte von John Frankenheimers Paranoia-Klassiker geschlossen. Zwar gab es „Botschafter der Angst“ bereits auf DVD, hier jedoch nur in minderwertigen Ausgaben. Beide MGM-Veröffentlichungen und die SZ-Edition enthalten alle dieselbe Scheibe, der nicht nur die englische Tonspur, sondern auch die für den Film immens wichtige Traumsequenz fehlen. Das prächtige Mediabook von OFDb Filmworks enthält nicht nur beides, sondern wartet auch mit einer tollen Bildqualität auf. Würdig eines Klassikers, dessen Original-Titel „The Manchurian Candidate“ in den amerikanischen Sprachgebrauch eingegangen ist.

Frankenheimers Thriller fühlt sich auch heute noch hoch modern an. Seine Mischung aus dokumentarischer Beobachtung, Noir-Referenzen und innovativen Kameraeinstellungen wirken noch heute frisch, trotz Kalter-Krieg-Thematik. Dies liegt daran, dass Frankenheimer den Kalten Krieg als Vehikel für seinen Thriller nutzt, aber die persönlichen Konflikte und psychologischen Qualen im Vordergrund stehen. Zudem verkommt „Botschafter der Angst“ nie zu herkömmlichen Kommunisten-Bashing. Im Gegenteil werden die verbohrten Kommunisten-Jäger als Teil des Problems und zudem in einer überraschenden Volte als eiskalte, den Hang der Amerikaner zum Populismus ausnutzende Schurken dargestellt. In Bester Paranoia-Tradition hängt alles miteinander zusammen und das Spiel der Mächtigen hinter den Kulissen nimmt keine Rücksicht auf einzelne Individuen. Alles wird dem einen Ziel untergeordnet: Der eigenen Macht.

Intelligent seziert Frankenheimer die Methoden der Populisten. Als Gesicht fungiert Senator Iselin, ein nicht besonders kluger, einfach denkender Mann, der vor allem eins kann: Gut herumbrüllen. Im Hintergrund zieht seine Frau die Fäden, antizipiert Wählerstimmung und die Reaktion der Medien. In nur zwei Szenen erzählt Frankenheimer alles über die Kunst der „Spin Doctors“ und der Manipulation von Medien und Wählern. In der ersten Szene ereifert sich Senator Iselin und spult geifernd erfundene Vorwürfe gegen das US-Verteidigungsministerium herunter, während man im Vordergrund Mrs. Iselin sieht, wie sie nicht ihrem Mann zusieht, sondern den Blick nicht vom Monitor ablässt, um die mediale Wirkung ihres Mannes zu überprüfen. Dabei wiederholt sie scheinbar unmerklich die Worte, die sie ihm vorher in den Mund gelegt hat. In einer anderen Szene beschwert sich Iselin darüber, dass seine Frau ihm immer wieder andere Zahlen in den Mund legt und er sich ständig selbst widerspricht, wodurch er wie eine Idiot dastehen würde. Ruhig erklärt ihm Mrs. Iselin, dass dies durchaus beabsichtigt ist, denn die Frage, die in den Medien gestellt wird, ist dadurch nicht, OB es Verräter im Ministerium gäbe, sondern nur WIEVIEL. In Zeiten, in denen ein Irrer im Weißen Haus sitzt und genau diese Taktik anwendet, wirkt „Botschafter der Angst“ wahrhaft prophetisch.

Ebenfalls prophetisch, wenn man sich den Verlauf der Geschichte ansieht, wirkt das Thema des von Außen gesteuerten Attentäters. Eine Waffe, die immer und überall effektiv eingesetzt werden kann. Als ein Jahr später John F. Kennedy unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen ermordet wurde, konnte man wenn man wollte durchaus Parallelen zu „Botschafter der Angst“ ziehen, wo es ja auch um eine Verschwörung geht, um einen Präsidentschaftskandidaten zu erschießen. Dass der Film kurze Zeit später von Kennedy-Freund Frank Sinatra aus dem Verkehr gezogen wurde, bestärkte noch den Mythos, dass hier Zusammenhänge zwischen Film und Realität bestehen würden. Doch tatsächlich war es eher ein Streit ums liebe Geld zwischen Produzent Sinatra und dem Verleih, der dazu führte, dass man „Botschafter der Angst“ jahrelang nicht sehen konnte. Natürlich kann man in der Retrospektive Vergleiche mit dem Kennedy-Attentat in „Botschafter der Angst“ hineinlesen und sich daraus eine krude Verschwörungstheorie basteln, dass Attentäter Lee Harvey Oswald ein gehirngewaschenes Werkzeug der bösen Sowjets gewesen sei – aber das ist eher beste Werbung für den Film und weniger ein historisch fundiertes Gedankenspiel. Was dies aber zeigt ist, dass Frankheimer seine – bei näherer Betrachtung doch eher abstruse – Prämisse so packend und intensiv umsetzte, dass sie im Gedächtnis blieb, solche Querverweise triggerte und der Originaltitel „Manchurian Candidate“ noch heute wie folgt verwendet wird: „A Manchurian candidate is a person, especially a politician, being used as a puppet by an enemy power. The term is commonly used to indicate disloyalty or corruption, whether intentional or unintentional.“

Neben Frankheimers exakter, zu jeder Sekunde packender und innovativer Inszenierung, sind es vor allem die Darsteller, die aus „Botschafter der Angst“ ein kleines Meisterwerk machen. Allen voran der großartige Laurence Harvey, auch wenn er als eigentlich durch und durch amerikanischer Soldat seine britischen Schauspielausbildung (geboren in Litauen, wuchs Harvey in Südafrika auf und zog nach dem 2. Weltkrieg nach London) nie ganz verleugnen kann. Als gutaussehender Kriegsheld mit gequälter Seele spielt er erschreckend überzeugend. Sein Raymond stürzt den Zuschauer in höchst widersprüchliche Gefühle. Einerseits ist Raymond ein ziemlich unsympathischer Charakter. Andererseits wissen wir, wie er wurde, was er ist. Dass er von seiner dominanten Mutter seit Kindestagen manipuliert und unter Druck gesetzt wurde. Dass seine zaghaften Ausbruchsversuche von ihr drastisch unterbunden wurden. Dass er sich dafür selbst hasst. Die tragische Figur hat von Anfang an keine Chance, egal wie sehr er sich bemüht ein eigenständiger, unabhängiger Charakter zu werden. Am Ende ist er nur eine traurige Marionette, der es nicht gelingt ihre Fäden zu zerschneiden. Harvey gelingt es all diese Facetten zum Leben zu bringen. Man verachtet ihn, fürchtet sich vor ihm, bemitleidet ihn und am Ende verdrückt man wegen ihm vielleicht auch eine kleine Träne.

Der große Star des Films, Frank Sinatra, nimmt sich angenehm zurück, gibt Harvey die Bühne, die er braucht und wirkt tatsächlich nicht wie ein Star, sondern eine Figur, die mit den eigenen Dämonen kämpfen muss und der alles heroische abgeht. Über Angela Lansbury als Mutter-Monster braucht man keine Worte zu verlieren. Dass sie für ihre unter die Haut gehende Darstellung ihre dritte Oscar-Nominierung erhielt ist ein Selbstgänger. Eine Gewinn der kleinen Goldstatue wäre mehr als berechtigt gewesen. Wobei die Lansbury immer schon etwas unangenehmes, dominant diabolisches an sich hatte. Auch in ihrer heute vielleicht bekanntesten Rolle, Jessica Fletcher in „Mord ist ihr Hobby“, hat sie noch immer diese gewisse, egozentrisch-dunkle Hintergründigkeit. Auch sonst ist der Film bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt. Sei es James Gregory als einfältiger Populist, John McGiver als sympathischer Demokrat oder Henry Silva als undurchsichtiger Handlanger des Bösen. Wenn man genau hinschaut erkennt man unter den bösen Sowjets auch den immer wieder gern gesehen Erz-Fiesling Reggie Nalder.

Die schwierigste Rolle hat Janet Leigh als Sinatras love interest Eugenie Rose Chaney. Eine Figur, die man entweder als uninteressanteste und verzichtbarste im ganze Film ansehen kann oder als eine der spannendsten. Offensichtlich wurde sie lediglich ins Drehbuch geschrieben, weil man glaubte, eine Liebesgeschichte mit dem Helden und Star (Sinatra) wäre unabdingbar für den finanziellen Erfolg des Filmes. Eugenie trägt genau nichts zur Handlung des Filmes bei, bleibt Staffage und ist auch noch wahnsinnig schlecht in den Film integriert. Sie trifft einen sichtbar psychotisch agierenden Marco im Zug, bändelt sofort mit ihm an und ehe man sich versieht hat sie ihren Verlobten für ihn verlassen und die beiden sind ein Paar. Das geht mit einer solchen Geschwindigkeit und ohne Grund vor sich, dass die Glaubwürdigkeit komplett auf der Strecke bleibt. Es sei denn, man hinterfragt dies alles und eröffnet einen weiteren Handlungsstrang und eine weitere Verschwörung, die nie offen angesprochen, geschweige denn aufgelöst wird. Und Frankenheimer inszeniert Janet Leigh auch genau so. Sie taucht plötzlich auf, wie aus dem Nichts. Die Kamera konzentriert sich ganz auf Marco, der im Zug verzweifelt versucht, sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzuzünden, dann wird das Bild aufgemacht und dort ist auch schon Eugenie, die Marco scheinbar die ganze Zeit über beobachtet hat. Kurz darauf entspinnt sich zwischen beiden ein derartig bizarrer, kryptischer Dialog, in welchem sie ihm immer wieder ihre Telefonnummer regelrecht einhämmert, während Marco schwitzend und fast schon delirierend an die Wand gelehnt ist und Eugenie dominant vor ihm steht. Findet hier eine (Re)Programmierung des ja auch von den Sowjets manipulierten Marco statt? Später in der Polizeiwache erinnert sich Marco sofort an ihre Telefonnummer und sie taucht auch augenblicklich auf, um sich um einen ihr eigentlich völlig fremden Mann zu kümmern, der zu allem Überfluss auch gerade festgenommen wurde, weil er in einer fremden Wohnung randaliert und einen anderen Menschen tätlich angegriffen hat. Eine Szene später wohnen sie schon zusammen. Welches Spiel spielt Eugenie? Auf welcher Seite steht sie? Ist das alles Zufall oder Teil einer weiteren Manipulation? Man weiß es nicht, doch so wie Frankenheimer Eugenie inszeniert und Janet Leigh sie spielt, bleibt alles doppelbödig und verleiht dieser im Grunde faden Figur einen bedrohlichen Hintergrund, der dem Film eine weitere, verstörende Ebene verleiht.

Das 2000 Exemplare limitierte Mediabook der OFDb Filmworks ist wirklich schön geworden. Der Film selber liegt in hervorragender Bildqualität und sauberem Ton vor. Auch optisch macht das Mediabook etwas her. Auf der Blu-ray befindet sich der Film, dann die gekürzte alte deutsche Fassung und die meisten Extras. Auf der ersten DVD nur der Film und auf einer zweiten DVD dann noch die Extras der Blu-ray plus die knapp einstündige TV-Doku „The Directors: John Frankenheimer von 1997. Die Extras wurden für diese Veröffentlichung von der amerikanischen Special Edition von 2015 übernommen: Eine locker Gesprächsrunde mit Frank Sinatra, George Axelrod und John Frankenheimer, welche 1988 aufgenommen wurde und auf fast jeder bisherigen DVD-Veröffentlichung zu finden war. Ein Interview mit Angela Lansbury und eine Würdigung des Filmes von William Friedkin. Die Gesprächsrunde ist nett, beschränkt sich aber eher auf Anekdoten, das Interview mit Lansbury recht aufschlussreich und Friedkin lohnt sich ohnehin immer. Die gekürzte deutsche Fassung hat vielleicht historischen Wert, ist aber entbehrlich. Die Episode der „The Directors“-Serie ist wie immer ein guter Start, sich mit Frankenheimer auseinanderzusetzen, man kennt sie allerdings auch schon von der OFDb Filmworks Veröffentlichung von „52 Pick Up“. Der Film hat ferner noch zwei Audiokommentare. Der erste stammt noch von Frankenheimer und war für die erste DVD-Veröffentlichung 1998 aufgenommen worden. Der zweite stammt von Thorsten Hanisch & Andrea Sczuka. Dies Duo hat es zu einigem „Ruhm“ mit ihrem recht verunglückten Audiokommentar zu „Der schwarze Leib der Tarantel“ von CMV gebracht. Die gute Nachricht: Der hier ist besser geworden, aber richtig überzeugen konnte er mich auch nicht. Hanisch wiederholt was er in seinem – übrigens sehr gelungen! – 16-seitigen Booklet geschrieben hatte. Sczuka wirkt eher wie eine Stichwortgeberin, die ab und zu mal längere Texte vorlesen darf. Viele Versprecher und manche Ungenauigkeiten kommen dazu. Es herrscht kein wirkliches Miteinander, sonder eher ein Nebenher und wirkt teilweise sehr improvisiert. Das kann man jetzt charmant finden oder sich darüber aufregen. Das bleibt jedem selbst überlassen.

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Das Bloggen der Anderen (11-05-20)

– Auf Eskalierende Träume schreibt André Malberg über Jess Francos zweiten Spielfilm „Labios rojos“ und meine dringendste Frage ist: Wie ist er da rangekommen? Bei der Recherche zu meinem Artikel über den frühen Franco in der „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ bin ich hier nämlich nirgendwo fündig geworden. Nicht einmal einen Trailer konnte ich finden. Umso schöner, hier über diesen scheinbar extrem seltenen Titel zu lesen. Und noch begeisterter bin ich, dass endlich noch jemand darauf hinweist, dass Franco auch Jazzer war und dies einen großen Einfluss auf seine Filme hat. Eine sanfte Kritik muss ich hier allerdings an dem Artikel anbringen. Viele Sätze habe ich mehrmals lesen müssen und trotzdem nicht verstanden. Ich weiß nicht, ob das an mir oder mangelndem Lektorat liegt. Oder ob das eventuell sogar Stilmittel ist. Das fand ich etwas schade, soll aber niemanden davon abhalten, selbst den Text zu lesen.

Schattenlichter schreibt über „Climax“ von Gaspar Noé. Ein Film, der mich im Kino tatsächlich körperlich fertig gemacht hat. Auch hier hat der Film scheinbar seine Wirkung nicht verfehlt.

– Hier warte ich auch auf eine adäquate Veröffentlichung: Enzo G. Castellaris „Straße ins Jenseits“. Wie Ansgar Kulme für Die Nacht der lebenden Texte schreibt: „dass ausgerechnet dieser Meilenstein des Genres immer noch keine deutsche Blu-ray oder DVD spendiert bekommen hat, hinterlässt einen unschönen Beigeschmack“. Dem schließe ich mich an.

– Nischenkino empfiehlt Stevio Massis „Highway Racer” mit einem Schnäuzer-losen Maurizio Merli. Und zeigt sich (zu Recht) begeistert von dem wunderbaren Italo-Sleaze-Thriller „Sklaven ihrer Triebe“ aka „Top Sensation“.

– Hui, „The Lodge“, den zweiten Film von Veronika Franz/Severin Fiala (immerhin für Hammer – auch wenn Hammer nicht mehr wirklich Hammer ist), habe ich irgendwie vollkommen aus den Augen verloren. Gut, dass funxton mich noch einmal daran erinnert.

– Schlombies Filmbesprechungen wagen sich an den großen Jean Rollin. Da hatte ich ja etwas Angst, da ich einen Verriss befürchtete. Doch Schlombie zeigt sich zwar wie erwartet kritisch, aber auch recht angetan von „Die Vergewaltigung des Vampirs“ und „Das Lustschloss der grausamen Vampire“.

– Gar nicht angetan (um es milde auszudrücken) ist Heiko von Allesglotzer von Max Pécas‘ „Todes-Brigade“. Ich bin jetzt trotzdem neugierig (auch weil ich Pécas Frühwerk sehr schätze).

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Das Bloggen der Anderen (04-05-20)

„Kino in Zeiten von Corona“. Elisabeth Nagy wirft auf out takes einen kurzen (ein wenig Berlin zentrierten) Blick auf den aktuellen Status.

– Auch Filmlichtung macht sich seine Gedanken zu dem Thema Kinobetrieb und Corona.

– Wie viele sicherlich wissen, schreibe ich seit einigen Jahren für die „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, wo ich auch die Position des stellvertretenden Chefredakteurs inne habe. Darum freut es mich natürlich ungemein, dass Lucas Gröning auf Die Nacht der lebenden Texte unser Magazin ausführlich vorgestellt und gelobt hat.  Volker Schönenberger empfiehlt den deutschen Psychothriller “Hager“, den man kostenlos im Netz ansehen kann.

Schattenlichter stellt einen meinen meiner Lieblingsfilme vor. Den (alb)traumhaften „Blut an den Lippen“.

– Frédéric Jaeger zeigt sich auf critic.de sehr angetan von „La Gomera“, den ich auf dem Filmfest Braunschweig sehen konnte – und wenig mochte.

– Bei Nischenkino ergeht es mir umgekehrt. Bluntwolf hat Sergio Bergonzellis „In the Folds oft he Flesh“ gesehen und eigentlich ziemlich verrissen. Ich mochte den ja schon immer sehr, weil er so merkwürdig bizarr ist. Bei seinem Fazit finden wir dann also halbwegs wieder zusammen: „Ein äußerst übertriebener und vollkommen überzogener, enorm bizarrer, sehr unvorstellbarer und vor allem extrem unterhaltsamer Film“. Da gehe ich mit. Sebastians dicker Empfehlung „Der Manitou“ traue ich mal (auch wenn ich nicht denke, dass wir beim Thema „Exorzist“ zu einer Einigung kommen würden). Der Film steht schon lange auf meiner Wunschliste, seit ich damals die alte VHS-Kassette („Geburt des Bösen“) in den Händen hielt, den Film aber nie zu Gesicht bekam. Und nach dem überschwänglichen Lob, ist das dann wohl ein Pflichtkauf.

– Den von funxton so gelobten „Uncut Gems“ kenne ich noch nicht, wohl aber „Good Times“ von denselben Machern. Und da teile ich funxtons Meinung.

– Nicht den „Greasy Strangler“, sondern den „Oily Maniac“ hatte Schlombies Filmbesprechungen am Wickel. Irgendwo fliegt der hier auch noch rum. Muss ich jetzt gucken!

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Blu-ray-Rezension: „Revolver“

Die Frau des stellvertretenden Gefängnisdirektors Vito Cipriani (Oliver Reed) wird entführt. Die Entführer verlangen von ihm, dass er den Häftling Milo Ruiz (Fabio Testi) aus seinem eigenen Gefängnis befreit. Cipriani holt Ruiz raus, denkt aber nicht daran ihn auszuliefern, bis er nicht seine Frau zurückbekommt. Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem niemand mehr jemanden trauen kann…

Was bleibt einem noch lange im Gedächtnis, wenn man sich vom letzten Bild dieses großartigen Poliziottesco erholt hat? Einmal natürlich die kongeniale Musik von Ennio Morricone, die einen noch lange begleiten wird, denn sowohl das Titelthema als auch das wunderschöne „Un Ami“ sind auf jedem Stoff, der lange im Gehörgang kleben bleibt. Und die großartige Leistung von Oliver Reed, der hier ein Beispiel der breiten Palette seiner Schauspielkunst gibt. Reed spielt den bulligen, knallharten Haudrauf ebenso überzeugend, wie den sensiblen Menschen, dessen Welt vor seinen Augen immer mehr zerbricht. Manchmal beides in der selben Aufnahme. Glaubt man dem, was im Internet über den Film und die Dreharbeiten zu finden ist, so ist diese Leistung umso höher einzuschätzen, als dass Reed dem vernehmen nach am Set regelmäßig betrunken und generell extrem reizbar und schwierig war. Im Film merkt man davon nichts. Reed spielt den stellvertretenden Gefängnisdirektor Vito Cipriani nicht nur, sondern lebt und atmet ihn ohne auch nur einmal die Grenzen zum „Zuviel“ zu überqueren. Oftmals muss er nicht mal das Gesicht verziehen, um maximale Wirkung zu erreichen. Da reicht ein Blick in seine blass-blauen, glasigen Augen und man spürt, welcher Gefühlsorkan in seiner Figur brodelt.

Demgegenüber hat Fabio Testi natürlich einen schweren Stand, doch er schlägt sich überraschend gut und zeigt, warum ihn die großen Regisseure wie Zulawski oder Visconti durchaus auf der Rechnung haben. Fabi Testi sieht nicht nur unverschämt gut aus (und erinnert gerade hier an den jungen Sean Connery), sondern weiß auch seine Figur nicht nur eindimensional als charmanten, etwas zu selbstsicheren Gauner, der sich ganz auf sein freches, gewinnendes Lächeln verlässt anzulegen. Sondern er spielt seinen .. sehr ambivalent. Nicht ganz gut, nicht ganz böse. Milo Ruiz versucht vor allem sein Leben zu retten. Da stellt er Heldentum auch mal hinten an. Auch weil er nicht unbedingt die intellektuellen Fähigkeiten hat das große Ganze zu überblicken. Fabio Testi zeigt hier wieder einmal, dass er zu den großen unterschätzten des italienischen Films gehört, dem vielleicht sein blendendes Aussehen und athletisches Äußeres immer etwas im Weg gestanden hat, um wirklich als Schauspieler anerkannt zu werden. Dabei hat er der Zeug, der Burt Lancaster des italienischen Kinos der 70er Jahre zu sein.

Auch nach wiederholtem Ansehen, entwickelt „Revolver“ immer noch die selbe gewaltige Kraft wie beim ersten Mal. Was nicht nur an den vielschichtigen Personen, sondern auch der extrem düsteren und pessimistischen Handlung liegt. Gewinner sind nur die Mächtigen im Hintergrund, die man auch nie zu sehen bekommt. Es handeln nur die Handlanger und Mittelsmänner. Und auch diese bleiben am Ende auf der Strecke. Werde entsorgt, wenn es opportun erscheint. Jeder wird korrumpiert, um am Ende dann – mit Glück – äußerlich das Leben zu behalten, aber innerlich zerbrochen zu sein. Wer den mächtigen Hintermännern im Wege steht, wir vernichtet. Ideale zertrümmert. Egal, wie sehr man glaubte, auf der richtigen Seite zu stehen und daher eine Chance zu haben, die Verhältnisse zum besseren zu wenden. Am Ende muss man sich die eigenen Ohnmacht eingestehen und zähneknirschend das Spiel mitspielen, auch wenn man dadurch innerlich ein Stück stirbt. In dieser Hinsicht ist Sergio Sollima hier sogar noch brutaler und pessimistischer als sein Kollege Damiano Damiani, der auch nicht gerade als Gute-Laune-Regisseur bekannt ist.

„Revolver“ ist ein wütender, verzweifelter und radikaler Aufschrei gegen eine völlig korrupte Gesellschaft in der die Mächtigen im Hintergrund einen Scheiß um das Leben der „einfachen“, kleinen Leute geben. In der ein Leben nur soviel wert ist, wie es den Interessen des Geldes und der Macht zuträglich ist. Daneben ist „Revolver“ aber auch ein perfekt inszenierter, ungemein spannender Action-Thriller mit einer großartigen Besetzung. Ein Film mit lebendigen Figuren, die einem nahe sind und deren Schicksal einem nicht egal ist. Weshalb der emotionale Effekte weitaus größer ist als in einem durchschnittlichen Poliziottesco in dem sich ein eisenharter Kommissar durch die Unterwelt schießt und prügelt. Ein sehr starker Film, der weh tut.

„Revolver“ ist die Nr. 14 der Polizieschi Edition von filmArt. Bereits vor 5 Jahren ist der Film bei Colosseo auf DVD erschienen. Von dieser Fassung wurden auch das tolle Interview mit einem gut aufgelegten Fabio Testi (17 min.) übernommen. Neu hinzugekommen ist eine gekürzte Fassung, die der ursprünglichen deutschen Fassung entspricht, also eine durchgängige deutsche Tonspur benutzt. Die ungekürzte Fassung ist 7 Minuten länger, die Fehlstellen der deutschen Fassung sind auf Englisch mit deutschen Untertiteln. Das große Plus dieser neuen Blu-ray ist das Bild. Was hier gegenüber der DVD noch einmal herausgeholt wurde ist unglaublich und setzt Maßstäbe. Der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und (weder auf der Hülle, noch im Menü erwähnt) Englisch vor. Der deutsche Ton klingt leider recht leblos und wenig atmosphärisch. Auch wirken die (mir unbekannten) Sprecher der beiden Hauptfiguren irgendwie lustlos. Vermutlich ist die Synchro in der DDR entstanden, wo der Film (im Gegensatz zum Westen) im TV lief. Alle Tonspuren liegen in DTS-HD Master Audio 1.0 vor. Neben Trailern gibt es noch ein 12-seitiges Booklet mit einem Essay von Thomas Hortian, Aushangbildern und Kinoplakaten.

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Das Bloggen der Anderen (27-04-20)

– Der passende Film für unsere Zeit. Vor Jahren gesehen und recht verstört gewesen. Eine merkwürdige Mischung aus dokumentarischem Stil und Surrealismus. „Die Hamburger Krankheit“ von Peter Fleischmann. Manfred Polak von Whoknows presents hat sich diesen sehr empfehlenswerten Film ganz genau angesehen.

– Eine weitere Folge von Rainer Knepperges wundervollem Bild-Essay „Auge und Umkreis“ auf new filmkritik.

Animierte Dokumentationen. Gibt es schon lange. Jonas Nestroy macht sich auf critic.de über dieses Subgenre seine Gedanken.

– Zweimal Deutscher Film. Rouven Linnarz bespricht auf film-rezensionen.de Roland Klicks grandioses Meisterwerk „Supermarkt“ von 1974 und vergibt 9 von 10 Punkten. Zu derselben Wertung kommt auch Oliver Armknecht beim aktuellen „Berlin Alexanderplatz“, der es ja dank Corona – zumindest meines Wissens nach – noch nicht in die Kinos geschafft hat (der Kinostart wäre der 16. April gewesen).

– Zweimal Schlangen. Bluntwolf bespricht auf Nischenkino zunächst den spannenden britischen Thriller „Die schwarze Mamba“ mit dem Duo Infernal Reed/Kinski – und dann „Cobra Force“ (aka „Strike Commando“) von dem anderen Duo infernal: Mattei/Fragasso.

„Mordanklage gegen einen Studenten“ ist einer jener Italo-Filme, die hierzulande tatsächlich noch immer einer regulären Veröffentlichung harren. Warum das so schade ist, berichtet Ansgar Skulme auf Die Nacht der lebenden Texte.

Schlombies Filmbesprechungen watet immer noch im Sumpf der italienischen Teenie-Komödien. „Freche Teens und die scharfe Paukerin“ hat ihn aber schon verzweifeln lassen. Besser lief es bei „Teenager lieben heiß“, aber da hat ja auch die zauberhafte Gloria Guida.

– Und zum Abschluss noch einmal Italo-Zeugs. Ich bin ja sehr von Joe D’Amatos „Man-Eater“ fasziniert. Die erste Begegnung auf Video war so… naja. Eine beeindruckend trist-bedrückender Film mit einer extrem unangenehmen Atmosphäre, aber der exzessive Gore hat mich etwas gestört, da ich ihn unpassend fand. Dann vor zehn Jahren die erste Begegnung mit dem Film auf 35mm, die mich ziemlich umgehauen hat. Und vor zwei Jahren dann noch einmal auf der großen Leinwand, wieder 35mm – und da ist sogar noch gewachsen. Vieles von dem (wenn auch nicht alles und gewiss nicht das D’Amato-Bashing) was Heiko von Allesglotzer schreibt kann ich also unterschreiben, insbesondere diesem Satz hier: „der Verfall und Tod ist auch in der Atmosphäre von Man-Eater allgegenwärtig und kann in den ersten Szenen auf der verlassenen Insel und deren Erkundung durch die Freunde mit einer irrealen, gespenstischen Stimmung punkten.“ Apropos: Beim “Greasy Strangler” sind Heiko und ich voll auf einer Linie (mit besten Grüßen an Holger und Christoph!).

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Kino trotz Corona: Das Cinespace veranstaltet ein Autokino in Brinkum

So kann man es auch machen. Außer den Programmkinos (siehe hier) leiden natürlich auch die Multiplexe unter den derzeitigen Kinoschließungen. Aber Not macht auch erfinderisch. Besonders erfinderisch ist das Cinespace-Kino in der Waterfront. Was vielleicht nicht jeder weiß: Das Cinespace ist ein waschechter Familienbetrieb und gehört der Familie Burmester. Auch wenn das Kino seit letztem Oktober zur Cineplex-Gruppe gehört, einem Zusammenschluss von 26 Familienunternehmen mit insgesamt 544 Leinwänden in 90 Kinos gehört, bleiben die Burmester die Inhaber.

Seit Anfang April liefert das Cinespace Popcorn und Nachos für den #stayathome-Filmabend nach Hause. Jetzt hatte Geschäftsführer Bernd Aurin eine neue Idee. Und ein verdammt gute, wie ich finde. Er ist Mitveranstalter eines Autokinos vor den Toren der Stadt. Genauer gesagt in Brinkum auf dem Gelände BMÖ-Tankstelle (Bremer Straße 112) (schräg gegenüber von IKEA in Richtung Bremen). Somit ist es tatsächlich wieder möglich ins Kino zu gehen und gleichzeitig lebt die schon ausgestorbene Tradition des Autokinos wieder auf. Klasse! Die Idee dafür hat allerdings nichts mit Corona zu tun, sondern war schon im letzten Jahr aufgekommen. Ursprünglich sollte das Autokino erst im erst im August starten. Jetzt eben schon im April. Daran ist dann doch wieder Corona schuld.

Die aufblasbare Leinwand ist 20 mal 10 Meter groß und stammt von der Firma Moviescreens Rental, die wohl Mit-Initator ist. Bis zu 250 Autos können auf das Gelände. Pro Auto dürfen maximal zwei Erwachsene sowie zwei im Haushalt lebende Kinder bis 17 Jahren in einem Auto sitzen. Tickets für das Autokino in Brinkum sind ausschließlich online erhältlich. Pro Buchung ist nur ein Auto möglich. Wer also mit mehreren Autos kommen möchte, muss mehrere Buchungen vornehmen. Die Ticketcodes müssen auf dem Handy abgespeichert werden. Der Eintritt für ein Auto mit zwei Personen kostet 24 Euro, drei Personen zahlen 28 Euro, vier Personen 32 Euro. Snacks und Getränke müssen mitgebracht werden, ein Verkauf vor Ort wird es nicht geben, ebenso stehen keine Toiletten zur Verfügung. Die Filme beginnen zunächst um 20.45 Uhr, ab dem 30. April ab 21 Uhr. Der Einlass beginnt jeweils eine Stunde vor Beginn der Vorführung. Geplant sind Vorführungen zunächst bis zum 13. Mai.

Das Programm im Autokino Brinkum:

Samstag, 25. April (alle Vorführungen ab 20.45 Uhr): Die Goldfische

Sonntag, 26. April: The Gentlemen (wie ich hörte ist die Vorstellung bereits ausverkauft)

Montag, 27. April: Türkisch für Anfänger

Dienstag, 28. April: Apocalypse Now – Final Cut

Mittwoch 29. April: Joker

Donnerstag 30. April (alle Vorführungen ab 21 Uhr): Bohemian Rhapsody

Freitag, 1. Mai: Das perfekte Geheimnis

Samstag, 2, Mai: Knives Out – Mord ist Familiensache

Sonntag, 3. Mai: Der König der Löwen

Montag, 4. Mai: Zombieland: Doppelt hält besser

Dienstag, 5. Mai: Catch Me If You Can

Mittwoch, 6. Mai: Le Mans 66 – Gegen jede Chance

Donnerstag, 7. Mai: A Star is Born

Freitag, 8. Mai: Jumanji: The next Level

Samstag, 9. Mai: Sonic the Hedgehog

Sonntag, 10. Mai: Once Upon a Time… in Hollywood

Montag, 11. Mai: Nightlife

Dienstag, 12. Mai: Der Pate

Mittwoch, 13. Mai: Need for Speed

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Blu-ray-Rezension: „Undercover – In Too Deep“

Jeffrey Cole (Omar Epps) hat gerade die Polizei-Akademie abgeschlossen, da erfüllt sich sein großer Traum: Er wird Undercover-Cop. Als solcher kann er schon bald einige Erfolge verbuchen. Schließlich wird er auf den mächtigen Unterweltboss Dwayne Gittens (LL Cool J), der sich selbst „God“ nennt, angesetzt. Cole gelingt unter dem Decknamen „J. Reid“ in Gittens‘ Organisation Karriere zu machen, und sich das Vertrauen des Gangsters zu erschleichen. Doch damit macht er sich nicht nur Freunde und gerät bald in Lebensgefahr. Daraufhin zieht ihn sein Vorgesetzter (Stanley Tucci) zu seiner eigenen Sicherheit von dem Fall ab. Doch Cole denkt nicht daran aufzugeben…

Die Figur des Undercover-Polizisten, der irgendwann nicht mehr aus seiner Rolle herausfindet oder in Loyalitätskonflikte gerät, ist ein sehr beliebtes Thema im Gangsterfilm. Man denke nur an an den brillanten “Infernal Affairs” oder sein Hollywood-Remake “The Departed”, oder die sehr ähnliche Konstellation “City on Fire” und “Reservoir Dogs”. Auch im deutschen Fernsehen gab es 1996 einen prestigeträchtigen 5-Teiler von Dieter Wedel mit dem Namen “Der Schattenmann”, welcher eine ähnliche Geschichte erzählt, wie der drei Jahre später entstandene „In Too Deep“. Einem verdeckten Ermittler gefällt seine Rolle als Gangster so gut, dass er zunehmend Probleme hat, seine wahre Persönlichkeit von der erfundenen Gangster-Figur zu trennen.

Der Hauptvorwurf, den man „In Too Deep“ machen kann ist der, dass er aus seinem spannenden Szenario zu wenig macht. Der zunehmende Schizophrenie seiner Hauptfigur wird nicht die große Aufmerksamkeit geschenkt, wie sie wahrscheinlich ursprünglich im Drehbuch von Michael Henry Brown und Paul Aaron angelegt war. Tatsächlich konzentriert sich Regisseur Michael Rymer zunächst auf das Abenteuer und den Nervenkitzel, den er von sich sehr eingenommen Polizist Jeff Cole verspürt, wenn er langsam das Vertrauen des skrupellosen Gangsters „God“ erschleicht. Es wird zwar angedeutet, wie „geil“ es Cole findet, dass es ihm leicht fällt, das Vertrauen anderer zu erschleichen, aber dies läuft eher nebenbei mit und wird zunächst nicht zum zentralen Element des Filmes. Eher konzentriert man sich auf die Gefahr, in der Cole schwebt und seine Konflikte mit seinem Vorgesetzten.

Zudem lernt man Cole als Charakter erst richtig kennen, wenn er von dem Fall abgezogen wird, und er sich für eine Zeit abseits von der Unterwelt mit einem ganz anderen Leben arrangieren muss. Was ihm nicht besonders schwer fällt. Hier hätte man die Chance gehabt, die Figur des Cole ambivalenter zu inszenieren, indem man in der Schwebe hält, wer eigentlich der echte Cole ist: Der kleine Gangster „J. Reid“ oder Jeff, der nette Typ von nebenan? Der Film beantwortet die Frage, indem er klar macht: Cole ist der gute Dr. Jekyll, J. Reid der böse Mr. Hyde, der immer mehr die Kontrolle übernimmt. Zu einem echten Problem wird dies allerdings erst, wenn es Cole gelingt, an seinem Vorgensetzen vorbei, wieder auf „God“ angesetzt zu werden. Nun nehmen Coles psychische Probleme so plötzliche überhand, dass dies eher aufgesetzt wird. Was schade ist, denn hätte sich die Regie hier etwas mehr Zeit genommen und ein wenig mehr auf Subtilität gesetzt, wäre das Ergebnis dem Zuschauer wahrscheinlich tiefer unter die Haut gegangen.

So bekommt man statt eines erschütternden Psychodrama eben „nur“ einen spannenden Gangsterfilm. Dieser erzählt zwar nicht viel Neues – dies aber sehr routiniert und kurzweilig. Hauptdarsteller Omar Epps spielt sehr überzeugend und charismatisch den Polizisten Jeff Cole. Gewichtiges Zentrum des Filmes ist der Rapper LL Cool J,, der seinen „God“ abseits seiner üblichen „Teddy“-Darstellung, wie man sie sonst von ihm kennt, anlegt. „God“ ist eine durchaus interessante Figur, die sich väterliche Figur inszeniert, aber – wie sein selbstgewählter Spitzname es schon zeigt – unter Größenwahn leidet. Er sieht sich tatsächlich als „Gott“, den die Bewohner seines Ghettos anzubeten haben. Der Güte zeigt, aber auch unbarmherzig straft. Der als liebender Übervater gesehen werden will, aber sich auch keine Gedanken macht, wenn er vor den Augen seines völlig verängstigten kleinen Sohnes einen Verräter brutal zu Klump schlägt. Der liebevoll seinen besten Freund umarmt, und eben diesem einen Billardqueue in das Rektum stößt, wenn er glaubt, dieser habe ein Auge auf seine Frau geworfen. Damit ist „God“ ein perfektes Gegenstück zu Cole Während dieser ein guter Typ ist, der einen bösen spielt, ist „God“ ein böser Typ, der einen Guten spielt.

In kleineren Rolle sind die immer wieder gern gesehenen Stanley Tucci und Pam Grier mit dabei. Während Tucci als Coles Vorgesetzter zwar eine recht klischeebesetzte Rolle inne hat, diese aber problemlos mit viel Leben erfüllt, ist Pam Griers Talent und Charisma leider verschwendet. Sie spielt eine ältere, erfahrenere Kollegin von Cole, die nicht besonders viel von ihm und seinen Methoden hält. Was auf Gegenseitigkeit beruht und bei jedem Zusammentreffen zu Konflikten führt. Leider sind Pam Griers Auftritte eher spärlich, nicht unbedingt wichtig für die Handlung und damit auch austauschbar. Dass Pam Griers Figur auch nur einen Gemütszustand kennt, nämlich eine permanente Genervtheit, macht es nicht besser. Eine weitaus besseren Eindruck hinterlässt Hill Harper, der einen der Handlanger „God“s spielt und Cole in die Gang einführt. Harper spielt den Breezy so glaubwürdig, dass man glauben könnte, man hätte ihn direkt von der Straße gecastet – und keinen Schauspieler vor sich, der sich seine ersten Sporen bei „Eine schrecklich nette Familie“ verdient hat.

Bei der Blu-ray-Veröffentlichung von filmArt gibt es nichts zu bemängeln. Die Bildqualität ist außerordentlich gut und auch der Ton kann, ebenso wie die deutsche Synchro, überzeugen. Wobei der authentische Ghetto-Ton der Originaltonspur zu bevorzugen ist. Man sollte dann allerdings die deutschen Untertitel zuschalten. Die Extras wurden 1:1 von der alten Kinowelt-DVD übernommen und beinhalten eine 7-minütige Interviewstrecke, in der sich die Schauspieler des Films gegenseitig auf die Schulter klopfen, eine 3-minütige B-Roll, ein Musikvideo und Trailer.

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Das Bloggen der Anderen (20-04-20)

Es lohnt fast nicht „Das Bloggen der Anderen“ für die letzte Woche zu verfassen. Es war schlicht und ergreifend beinahe nichts los. Rausgesucht habe ich gerade mal eine Handvoll Reviews. Das war’s.

– Mit Tsui Hark kann Bluntwolf von Nischenkino in der Regel wenig anfangen, was vor allem an seinen späten Werken liegt. Doch das Frühwerk „Söldner kennen keine Gnade“ hat ihn förmlich weggeblasen. Von De Angelis „Giant Killer“ hatte ich ehrlich gesagt vorher noch nichts gehört. Vielleicht besser so, wenn ich Bluntwolfs Verriss lese.

– Demnächst werde ich mir mal in Ruhe „A Rainy Day in New York“ von Woody Allen vornehmen. Das hat Tonio Klein auf Die Nacht der lebenden Texte in einem sehr, sehr, sehr langen Text bereits getan.

– Einer der meiner Meinung nach besten Filme aller Zeiten: „Die Nacht des Jägers“. So sieht es auch Filmlichtung. Nur den Hinweis „Normalerweise empfehle ich über 60 Jahre alte Filme hier stets mit Einschränkungen“ lässt mich etwas schlucken.

– Noch älter als 60 Jahre ist Victor Sjöströms „Der Fuhrmann des Todes“, den Filmsucht.org vorstellt.

– Der letzte Film bei unser Bremer Filmreihe war ein super Erfolg und hat uns sehr viel Freude bereitet: „Colour Out of Space“. Funxton vergibt hier sogar 9/10 Punkte. Soweit würde ich nicht gehen, aber sonst in die gleiche Richtung. Auch Robert Eggers „Der Leuchtturm“ hat ihn schwer begeistert.

– Das finde ich wirklich toll. Bei Schlombies Filmbesprechungen finden sowohl Murnaus „Schloss Vogeloed“ als auch Mariano Laurentis „Die flotten Teens drehn‘ ein neues Ding“ seinen Platz. Die Sexklamotte (also der Laurenti-Film) kommt sogar recht gut weg. Mit dem italienischen Humor habe ich ja immer so meine Probleme gehabt, seit einiger Zeit aber ab und zu das perverse Verlangen, mich mit dem Genre mal etwas näher auseinanderzusetzen. Jetzt nach der Erinnerung sogar noch mehr. Danke, Schlombie.

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 37 erhältlich

Während ich an meinem Artikel für die nächste „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ sitze, ist die aktuelle Ausgabe erschienen. Diese ist die erste der „dicken“ Ausgaben mit 80 Seiten, die jetzt 4x im Jahr erscheinen. Vorher erschien die 35MM zwar 6x im Jahr, war aber auch dünner.

Das Titelthema widmet sich diesmal einer einzigen Schauspielerinnen, nämlich Barbara Stanwyck, für die sich viele meine Redaktionskollegen extrem begeistern können. Dazu gehöre ich leider nicht. Mit der Stanwyck bin ich nie so richtig warm geworden. Darum finden sich meine Beiträge zur aktuellen Ausgabe dann auch im „allgemeinen“ Teil.

Ich habe mich auf vier Seiten ausführlich mit dem frühen Kurzfilm-Werk von Roman Polanski beschäftigt, welches vor seinem Langfilm-Debüt „Das Messer im Wasser“ entstand. Außerdem war ich endlich mal wieder bei der wunderbaren Kolumne „Operation Europloitation“ dran und habe hierfür den obskuren Italo-Gruseler „Katarsis“ mit Christopher Lee ausgegraben.

Den gesamten Inhalt der #37 findet Ihr hier:

Heft #37 kann man HIER für € 6,00 zzgl. Versand beziehen.

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Das Bloggen der Anderen (06-04-20)

Nein, viel zu berichten gibt es auch diese Woche nicht. Was ich absolut nachvollziehbar finde. Auch bei mir hält sich der Elan in diesen Wochen, wo alle Tage wie einer erscheinen, eher in Grenzen. Eine halbfertige Review muss nach abgeschlossen werden, der nächste Artikel für die 35MM drückt.… da habe ich auch darüber nachgedacht, hier eine Pause einzulegen. Aber noch ist es nicht soweit und so viel zu schreiben habe ich ja eh nicht.

– Bluntwolf hat auch Nischenkino zwei Gialli (ein italienischer ein spansicher) ausgegraben, von denen selbst ich noch nie gehört habe (und ich gebe zu, beim Ersten dachte ich zunächst an einen Aprilscherz). „La polizia brancola nel buio“ von einer Dame (!) namens Helia Colombo. Und „El asesino está entre los trece“ von Veteran León Klimovsky mit Paul Naschy in einer kleinen Rolle. Danke für den Hinweis auf die „Forgotten Gialli“-Box von Vinegar Syndrome. Die hatte ich erst auf dem Zettel und dann komplett vergessen.

Filmsucht.org hat sich Robert Altmans „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ angesehen und spricht hier eine schöne Empfehlung aus: „.Auch nach fast 50 Jahren ist Der Tod kennt keine Wiederkehr viel zu seltsam, um verstaubt zu wirken“.

– Auf Schlombies Filmbesprechungen ist Kaiju-Zeit. Leider konnte weder „Godzillas Rückkehr“, noch der sympathische „King Kong Vs. Godzilla“ oder der bunte „Godzilla gegen Mechagodzilla“ vollständig Schlombies Urteil bestehen. Amüsiert hat er sich dennoch.

– Ich mag ja Rob Zombie und sowohl „Devil’s Rejects“ als auch den vielgeschmähten „Halloween II“ liebe ich sehr. Zu seinem Erstling „Haus der 1000 Leichen“ habe ich ein ambivalentes Verhältnis, vielleicht weil ich schon bei der Erstsichtung wusste, dass ich hier nicht „the real deal“, sondern eine nach langen Kämpfen freigegebene, entschärfte Fassung handelte. Im Großen und Ganzen kann ich mich da wohl Heiko von Allesglotzer anschließen.

– Ehrlich gesagt, habe ich bei André Malbergs Vorstellung von Cosmotropia de Xams „Acid Babylon“ auf Eskalierende Träume nicht ganz verstanden, was das überhaupt für ein Film ist, worum es geht und was mich wohl bei einer Sichtung erwarten würde. Interessant klang es aber schon…

– Oh ja, das ist eine dicke Lücke. Tatsächlich habe ich Blake Edwards Trinker-Drama „Days of Wine and Roses“ bis heute nicht gesehen. Das muss nachgeholt werden. Gebelingeber vergibt auf Hauptsache (Stumm)Film 10 von 10 Punkten.

– Totalschaden stellt auf Splattertrash Akira Kurosawas dritten Spielfilm „Zoku Sugata Sanshiro“ von 1945 vor.

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