Die Frau des stellvertretenden Gefängnisdirektors Vito Cipriani (Oliver Reed) wird entführt. Die Entführer verlangen von ihm, dass er den Häftling Milo Ruiz (Fabio Testi) aus seinem eigenen Gefängnis befreit. Cipriani holt Ruiz raus, denkt aber nicht daran ihn auszuliefern, bis er nicht seine Frau zurückbekommt. Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem niemand mehr jemanden trauen kann…
Was bleibt einem noch lange im Gedächtnis, wenn man sich vom letzten Bild dieses großartigen Poliziottesco erholt hat? Einmal natürlich die kongeniale Musik von Ennio Morricone, die einen noch lange begleiten wird, denn sowohl das Titelthema als auch das wunderschöne „Un Ami“ sind auf jedem Stoff, der lange im Gehörgang kleben bleibt. Und die großartige Leistung von Oliver Reed, der hier ein Beispiel der breiten Palette seiner Schauspielkunst gibt. Reed spielt den bulligen, knallharten Haudrauf ebenso überzeugend, wie den sensiblen Menschen, dessen Welt vor seinen Augen immer mehr zerbricht. Manchmal beides in der selben Aufnahme. Glaubt man dem, was im Internet über den Film und die Dreharbeiten zu finden ist, so ist diese Leistung umso höher einzuschätzen, als dass Reed dem vernehmen nach am Set regelmäßig betrunken und generell extrem reizbar und schwierig war. Im Film merkt man davon nichts. Reed spielt den stellvertretenden Gefängnisdirektor Vito Cipriani nicht nur, sondern lebt und atmet ihn ohne auch nur einmal die Grenzen zum „Zuviel“ zu überqueren. Oftmals muss er nicht mal das Gesicht verziehen, um maximale Wirkung zu erreichen. Da reicht ein Blick in seine blass-blauen, glasigen Augen und man spürt, welcher Gefühlsorkan in seiner Figur brodelt.
Demgegenüber hat Fabio Testi natürlich einen schweren Stand, doch er schlägt sich überraschend gut und zeigt, warum ihn die großen Regisseure wie Zulawski oder Visconti durchaus auf der Rechnung haben. Fabi Testi sieht nicht nur unverschämt gut aus (und erinnert gerade hier an den jungen Sean Connery), sondern weiß auch seine Figur nicht nur eindimensional als charmanten, etwas zu selbstsicheren Gauner, der sich ganz auf sein freches, gewinnendes Lächeln verlässt anzulegen. Sondern er spielt seinen .. sehr ambivalent. Nicht ganz gut, nicht ganz böse. Milo Ruiz versucht vor allem sein Leben zu retten. Da stellt er Heldentum auch mal hinten an. Auch weil er nicht unbedingt die intellektuellen Fähigkeiten hat das große Ganze zu überblicken. Fabio Testi zeigt hier wieder einmal, dass er zu den großen unterschätzten des italienischen Films gehört, dem vielleicht sein blendendes Aussehen und athletisches Äußeres immer etwas im Weg gestanden hat, um wirklich als Schauspieler anerkannt zu werden. Dabei hat er der Zeug, der Burt Lancaster des italienischen Kinos der 70er Jahre zu sein.
Auch nach wiederholtem Ansehen, entwickelt „Revolver“ immer noch die selbe gewaltige Kraft wie beim ersten Mal. Was nicht nur an den vielschichtigen Personen, sondern auch der extrem düsteren und pessimistischen Handlung liegt. Gewinner sind nur die Mächtigen im Hintergrund, die man auch nie zu sehen bekommt. Es handeln nur die Handlanger und Mittelsmänner. Und auch diese bleiben am Ende auf der Strecke. Werde entsorgt, wenn es opportun erscheint. Jeder wird korrumpiert, um am Ende dann – mit Glück – äußerlich das Leben zu behalten, aber innerlich zerbrochen zu sein. Wer den mächtigen Hintermännern im Wege steht, wir vernichtet. Ideale zertrümmert. Egal, wie sehr man glaubte, auf der richtigen Seite zu stehen und daher eine Chance zu haben, die Verhältnisse zum besseren zu wenden. Am Ende muss man sich die eigenen Ohnmacht eingestehen und zähneknirschend das Spiel mitspielen, auch wenn man dadurch innerlich ein Stück stirbt. In dieser Hinsicht ist Sergio Sollima hier sogar noch brutaler und pessimistischer als sein Kollege Damiano Damiani, der auch nicht gerade als Gute-Laune-Regisseur bekannt ist.
„Revolver“ ist ein wütender, verzweifelter und radikaler Aufschrei gegen eine völlig korrupte Gesellschaft in der die Mächtigen im Hintergrund einen Scheiß um das Leben der „einfachen“, kleinen Leute geben. In der ein Leben nur soviel wert ist, wie es den Interessen des Geldes und der Macht zuträglich ist. Daneben ist „Revolver“ aber auch ein perfekt inszenierter, ungemein spannender Action-Thriller mit einer großartigen Besetzung. Ein Film mit lebendigen Figuren, die einem nahe sind und deren Schicksal einem nicht egal ist. Weshalb der emotionale Effekte weitaus größer ist als in einem durchschnittlichen Poliziottesco in dem sich ein eisenharter Kommissar durch die Unterwelt schießt und prügelt. Ein sehr starker Film, der weh tut.
„Revolver“ ist die Nr. 14 der Polizieschi Edition von filmArt. Bereits vor 5 Jahren ist der Film bei Colosseo auf DVD erschienen. Von dieser Fassung wurden auch das tolle Interview mit einem gut aufgelegten Fabio Testi (17 min.) übernommen. Neu hinzugekommen ist eine gekürzte Fassung, die der ursprünglichen deutschen Fassung entspricht, also eine durchgängige deutsche Tonspur benutzt. Die ungekürzte Fassung ist 7 Minuten länger, die Fehlstellen der deutschen Fassung sind auf Englisch mit deutschen Untertiteln. Das große Plus dieser neuen Blu-ray ist das Bild. Was hier gegenüber der DVD noch einmal herausgeholt wurde ist unglaublich und setzt Maßstäbe. Der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und (weder auf der Hülle, noch im Menü erwähnt) Englisch vor. Der deutsche Ton klingt leider recht leblos und wenig atmosphärisch. Auch wirken die (mir unbekannten) Sprecher der beiden Hauptfiguren irgendwie lustlos. Vermutlich ist die Synchro in der DDR entstanden, wo der Film (im Gegensatz zum Westen) im TV lief. Alle Tonspuren liegen in DTS-HD Master Audio 1.0 vor. Neben Trailern gibt es noch ein 12-seitiges Booklet mit einem Essay von Thomas Hortian, Aushangbildern und Kinoplakaten.