Vorschau: Das 10. Filmfest Bremen (19. – 23. März 2025)

Vom 19. bis 23. März findet nun schon zum zehnten Mal das Filmfest Bremen statt. Zum Jubiläum werden 115 Lang- und Kurzfilme aus 30 Ländern gezeigt. Davon haben 33 Produktionen hier ihre Deutschlandpremiere. Insgesamt gibt es sechs Spielstätten und der Filmpreis geht in diesem Jahr an den renommierten britischen Regisseur Stephen Frears, dem auch eine Retrospektive gewidmet ist.

Lange Zeit hatte ich dies links liegen gelassen. Die Gründe hierfür habe ich im letzten Jahr bereits hier aufgeführt. Doch die Jahre, in denen das Filmfest Bremen ohne mich stattfanden, sind endgültig passé. Nicht nur, weil ich im letzten Jahr selber involviert war, habe ich das Filmfest Bremen schätzen gelernt. Sondern auch, weil die Zeiten, als es im Kalender noch mit dem Internationalen Filmfest Oldenburg konkurrierte oder der Filmpreis an (den von mir sehr geschätzten, aber hier nicht wirklich passenden) Hape Kerkeling vergeben wurde, Gottseidank vorbei sind. Ich habe auch die hier präsentierten Filme und die Menschen hinter dem Festival im letzten Jahr sehr schätzen gelernt. Mein Kritikpunkt – das für den Laien sehr unübersichtliche Filmprogramm – bleibt weiterhin bestehen. Aber dafür gibt es ja diesen Blog. Ich versuche da mal etwas Licht in den dicken Farbendschungel zu bringen.

Das Programm besteht zunächst einmal aus sechs Sparten, die auch farblich von einander getrennt sind.

1. Bremen und Umzu (grassgrün). Das war mal der Kern des Filmfests Bremen bei seiner Gründung. Produktionen aus Bremen, mit einem Bezug zu Bremen oder aus der Nähe von Bremen, sprich Niedersachsen.

2. Humor/Satire (gelb). Die Sparte kam als zweites hinzu. Wie der Name schon sagt, werden hier filme mit einem humoristischen und/oder satirischen Ansatz gezeigt.

3. Innovation/Experimental (fliederfarben). Hier laufen Filme, die entweder experimentell gestaltet sind oder (technisch, inhaltlich, filmisch, erzählerisch) eine Innovation bieten.

4. Deutschlandpremieren (türkisblau). Seit Kurzem gibt es auch die Sparte Deutschlandpremieren. Hier dürfen ohne thematische Einschränkungen alle Langfilme laufen, die bislang noch nicht in Deutschland zu sehen waren.

5. Gateways to the World (hellblaugrün). Hier dreht sich alles um Häfen oder Hafenbezug. Das kann auch mal eher metaphorisch sein.

6. Nachhaltigkeit (hellgrünblau). Filme, die den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit in ihr Zentrum stellen oder diesen bewusst unterstützen.

Zudem gibt es die Retrospektive (rot).

Alle sechs Sparten zeigen Langfilme, haben aber auch – bis auf die Deutschlandpremieren – einen oder mehrere Kurzfilmblöcke. Und bis auf wiederum die Deutschlandpremieren – dort entscheidet das Publikum! -, werden in allen Sparten von einer Fachjury Preise verliehen. Plus ein Preis für „Global lokal“, d.h. Dokumentationen über die Region.

Dann gibt es noch zwei Kurzfilmwettbewerbe: „Klappe!“, bei dem in 48 Stunden ein Film konzipiert, gefilmt und geschnitten werden muss (Wettbewerb lief schon). Plus ein Kurzfilmwettbewerb, der von der Bremer Wirtschaftsförderung ausgeschrieben wird.

Dazu kommen noch einige Sonder- und Fachveranstaltungen.

Man sieht also: Die fünf Tage sind randvoll gepackt und alles kann man natürlich nicht ansehen. Was auch daran liegt, dass sich viel überschneidet und es keine einheitlichen Zeitblöcke gibt.

In diesem Jahr bin ich noch weitaus mehr beim Bremer Filmfest eingebunden, als ich es im Vorjahr schon war. Wie im letzten Jahr präsentieren Stefan und ich mit unserer monatlichen Filmreihe Weird Xperience wieder einen Film auf dem Filmfest. Diesmal ist es der Film „Innovation“ der in der Sparte „Innovation/Experimental“ läuft. Als Vorfilm haben wir „The Eggregores‘ Theory“ mit dabei. Ebenfalls aus der Sparte „Innovation/Experimental“. Das passt auch super, denn Stefan und ich waren Beide auch in der Sichtungskommission „Innovation/Experimental“ und haben im letzten halben Jahr unzählige Filme gesichtet und zusammen mit den anderen Mitgliedern konstruktiv und angenehm diskutiert, welche Filme in dieser Sparte auf dem Filmfest laufen sollen – und welche nicht. Da tat es manchmal weh, wenn ein toller Film keine Mehrheit fand oder einfach die Kriterien „Innovativ“ oder „Experimentell“ nicht erfüllte. Es hat aber unglaublich viel Spaß gemacht und war eine sehr interessante Erfahrung mit netten Menschen.

Daher kann ich hier auch ein Tipps geben, was sich aus meiner Sicht ganz besonders lohnt. Dabei beschränke ich mich mal auf die Langfilme (ich übernehme mal einfach die Inhaltsangaben aus dem Programmheft) und lasse die Kurzfilme mal außen vor – nicht aber ohne auf meinen Favoriten dort: „She Stays“ hinzuweisen, der im Kurzfilmblock „Wer oder was“ im Atlantis läuft.

In der Sparte „Humor & Satire

Horror Story – Hier habe ich die Ehre, die Q&A mit dem Regisseur Adrian Apanel zu moderieren. Darauf freue ich mich schon sehr, da ich ein großer Freund des osteuropäischen und dort vor allem des polnischen Kinos bin. Darum geht es: Der frischgebackene Hochschulabsolvent Tomek will unbedingt einen renommierten Job in einem Unternehmen ergattern, um seine Ex-Freundin zurückzubekommen. Auf der Suche nach Arbeit zieht er in ein billiges Zimmer eines Gebäudes, das stark an ein Gruselkabinett erinnert. Doch mit der Zeit merkt Tomek, dass der wahre Horror nicht das Haus oder seine bizarren Bewohner sind, sondern die Jobsuche selbst.

The Spin – Für mich als Musikfan und Vinyl-Liebhaber natürlich ein Muss. Inhalt: Elvis und Dermot besitzen einen kleinen Plattenladen in dem Dorf Omagh. Als ihre Vermieterin Sadie mit der Zwangsräumung droht, machen sie sich als letzte Rettung auf den Weg nach Cork, um eine unbezahlbare LP zu besorgen, die all ihre Probleme lösen könnte, zumindest solange alles nach Plan läuft. Der Roadtrip stellt ihre Beziehung auf die Probe, denn während Dermot mit einer gescheiterten Musikkarriere kämpft, sieht Elvis sich mit seinen Unsicherheiten konfrontiert. Die Reise durch die wunderschöne irische Landschaft ist ein Fest der Wärme, des sanften Humors, der Freundschaft und der Selbstfindung.

Dead Dead Full Dead – Den werde ich leider nicht im Kino sehen können, da er komplett außerhalb meiner Zeitplanung liegt. Sehr schade. Werde ich aber anderweitig nachholen. Era ist eine exzentrische Pseudo-Astrologin und Instagram-Influencerin. Sie wird tot in ihrer Wohnung in einem Hochhaus aufgefunden. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Eras Ehemann, ihre Haushaltshilfe und eine neugierige Nachbarin. Zwei junge, inkompetente Polizist:innen sind als erstes am Tatort. Ein absurd-komischer „Whodunit-Krimi“, in welchem eine Ziege sich in ein Stofftier verwandelt, ein Mann telekinetische Kräfte hat, die Tote nicht nur einmal stirbt, vor dem Fenster eine riesige Mondfinsternis stattfindet und ein Mann von einem anderen Planeten beobachtet, wie sich das Mordrätsel langsam entfaltet.

In der Sparte „Innovation/Experimentelles“ (wo ich alle Beiträge schon sehen konnte)

Invention – Diesen Film präsentieren Stefan und ich unserer Reihe Weird Xperience. Dazu haben wir hier auch schon einiges angekündigt. INVENTION ist eine Zusammenarbeit zwischen der Regisseurin Courtney Stephens und der Schauspielerin und Filmemacherin Callie Hernandez. Der Film fiktionalisiert die Nachwirkungen des Todes von Callies Vater anhand eines realen Archivs verschiedener Fernsehauftritte, in denen er als Heilpraktiker zwischen Ende der 90er Jahre und 2020 auftrat. Die fiktive Handlung dreht sich um das Patent für ein experimentelles Heilgerät, welches das einzige Erbe der Tochter ist. Der Film ist ein Porträt des derzeitigen Amerikas, in dem die weit verbreitete Enttäuschung die Kultur mit hoffnungsvollen Fiktionen und giftiger Nostalgie tränkt.

Olivia & the Clouds – Wunderbarer experimenteller Animationsfilm. Ein Favorit der Sichtungskommission. Und das zurecht! Olivia, die von einer früheren Beziehung geplagt wird, versteckt diese unter ihrem Bett. Mit diesem Geist der Vergangenheit tauscht sie Blumen gegen tröstliche Regenwolken. Barbara, die von Mauricio abgewiesen wurde, entflieht der Realität durch fantastische Geschichten. Mauricio, der voller Reue ist, wird von der Erde verschluckt. Ramón, der in Olivia verliebt ist, wird Zeuge des Gedeihens einer seltsamen Pflanze, die Olivia ähnelt. Mit surrealen Elementen erforscht „Olivia & the Clouds“ die anhaltende Wirkung der Erinnerung an die Liebe.

Martin liest den Koran –  Hatte bereits einen Kinostart im November, aber nicht in Bremen und Umgebung. Hatte ich mir nicht viel von versprochen, bin dann aber schwer begeistert gewesen. Tipp! Martin hat erst vor einem Jahr sein Studium des Islams begonnen und besucht nun einen Professor für Islamwissenschaften, um ihm von seinem bereits vorbereiteten Terroranschlag zu erzählen. Denn Martin ist der Meinung, dass seine Aktion durchaus den Regeln des Koran folgt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt: Kann der Professor Martin soweit überzeugen, dass der Koran klar verbietet, Menschen zu töten? Wenn nicht, dann wird Martins Bombe folgerichtig sehr viele Menschen töten. Aber hat Martin den Professor wirklich nur aufgesucht, um den Rat eines „weisen Mannes“ einzuholen oder verbirgt sich etwas anderes hinter dem unangekündigten Besuch?

Dreaming & Dying – Auch den mochte ich sehr gerne und bin froh, dass er es bis ins Festival geschafft hat. Drei Freund:innen (Anmerkung: Zwei Männer und eine Frau – nicht ganz unwichtig für die Handlung)  mittleren Alters treffen sich zum ersten Mal seit Jahren wieder. Jede:r von ihnen möchte unausgesprochene Gefühle gestehen, doch ihr gemeinsamer Urlaub nimmt eine überraschende Wendung, als die Schatten ihrer Vergangenheit drohen, wieder ans Licht zu kommen.

In der Sparte „Bremen und Umzu

Jenseits der Schuld – Finde ich thematisch spannend und werde mir die Doku wohl anschauen. Auch, wenn das als Elternteil sicherlich emotional schwierig wird. „Jenseits von Schuld“ erzählt die Geschichte von Ulla und Didi Högel, deren Sohn Niels als Krankenpfleger vermutlich hunderte Menschen tötete und für 87 Morde verurteilt wurde. Die Schuld ihres Sohnes hat ihr Leben unwiderruflich verändert. Trotz aller Fragen, die sie quälen, müssen sie lernen, mit der ständigen öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen: Prozesse, TV-Serien, Artikel – immer wieder wird ihr Familienleben thematisiert. Sie halten zu ihrem Sohn, doch Zweifel bleiben: Können sie ihm vertrauen? Alle Medien berichten, er sei manipulativ. In diesem extremen Spannungsfeld kämpfen die Högels täglich mit dieser Last und stoßen als Eltern, Paar und Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

In der Sparte „Deutschlandpremieren“

Somnium – Hier bin ich sehr gespannt. Der Film, an denen ich die höchsten Erwartungen habe. Mal sehen, ob er sie einhält. Nach einer schmerzhaften Trennung zieht Gemma von einer Kleinstadt nach Los Angeles, in der Hoffnung, groß rauszukommen. Um sich finanziell über Wasser zu halten, nimmt sie einen Job in der Nachtschicht bei Somnium an – einer mysteriösen, experimentellen Schlafklinik, in der Träume wahr werden. Währenddessen stürzt sich Gemma in die halsabschneiderische Welt der Hollywood-Castings. Doch als der Erfolgsdruck steigt, beginnt sie, seltsame und beunruhigende Phänomene zu erleben, und findet sich bald in einer albtraumhaften Spirale wieder, als sie dunkle Geheimnisse entdeckt, die hinter den Mauern der Klinik lauern.

My Killer Buddy – Auch hier bin ich gespannt. Die Handlung liest sich jedenfalls sehr gut. Denni ist ein zehnjähriger Junge, der einen Auftrag zu erfüllen hat: Er muss seine Mutter vor der Gewalt seines Vaters retten. Aber er ist zu klein, um das allein zu schaffen und bittet jemanden um Hilfe, der von Beruf aus Menschen tötet: einen Superkiller. Leider ist der Superkiller, auf den er trifft, Secco, der lediglich den grimmigen Blick eines Kriminellen hat und vor allem dringend Geld braucht. Die Begegnung zwischen Denni und Secco führt zu einem unerwarteten Abenteuer, in dem sich beide mit der Bedeutung des Mannsein auseinandersetzen müssen. Beide eint dabei die Furcht vor der mysteriösen Verbindung zwischen Vätern und Söhnen.

In der Sparte „Gateways to the World“

Praia Fomosa – Der Film war auch bei „Innovation“ eingereicht, daher konnte ich ihn bereits sehen. Ein sehr stiller, surrealer Film, auf den man sich einlassen muss. Den Bezug zu „Häfen“ sehe ich eher nicht, aber wird schon passen. Muanza ist eine Frau, die im Königreich Kongo geboren und im frühen 19. Jahrhundert nach Brasilien verschleppt wurde. Als sie im Jahr 2023 aus einem tiefen Schlaf erwacht, findet sie sich in einem zeitverdrehten Rio de Janeiro wieder, in dem Figuren aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart gemeinsam Teil ihrer Suche nach ihren Wurzeln durch die Stadt sind. Praia Formosa vermischt fiktive Geschichten und dokumentierte Charaktere, historische Fakten und spekulative Fabulation. Durch die Verflechtung von Zeit und Ästhetik thematisiert der Film das alltägliche Leben der Stadt, den Kampf gegen die erzwungene Deterritorialisierung und die Affekte, welche die Schwesternschaftsbande aufrechterhalten.

Flow – Der Oscar-Gewinner. Und dies 100% verdient. Läuft derzeit auch regulär in den Kinos, wo ich ihn mit der ganzen Familie geschaut habe. Und alle waren begeistert. Muss man meiner Meinung nach auch auf der großen Leinwand sehen. Große Liebe! Häfen sehe ich auch hier keine, aber mit viel gutem Willen geht das schon. Kaum hat sich die kleine schwarze Katze den Schlaf aus den Augen gerieben, muss sie erschrocken feststellen, dass eine gewaltige Flut die alte Welt unter sich begräbt. Gerade noch so rettet sie sich auf ein Segelboot, wo nach und nach auch ein diebisches Äffchen, ein gutmütiger Labrador, ein schläfriges Wasserschwein und ein stolzer Sekretärvogel Zuflucht finden. Schon bald wird klar: Ihre Diversität ist ihre Stärke und gemeinsam stellen sie sich den Herausforderungen der neuen Welt.

 

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