Carrol Jo „CJ“ Hummer (Jan-Michael Vincent) ist aus dem Vietnamkrieg heimgekehrt. Er plant zusammen mit seiner Jugendliebe Jerri (Kay Lenz) eine Familie zu gründen und ins Trucker-Geschäft einzusteigen. Er nimmt einem Kredit auf und kauft einen Truck, den er „Blue Mule“ tauft. Seinen ersten Auftrag hofft er beim alten Partner seines Vater, Duane Haller (Slim Pickens) zu bekommen. Doch als CJ feststellt, dass er nebenbei noch Glücksspielautomaten und Zigaretten schmuggeln soll, gerät er außer sich und verzichtet wütend auf den Job. Sehr schnell muss CJ allerdings feststellen, dass es damit nicht getan ist. Einige von Hallers Männern schlagen ihn zusammen, und auch alle anderen Speditionen wollen ihn nicht mehr anheuern. CJ will sich nicht unterkriegen lassen und fordert von Haller mit Waffengewalt, ihm eine Fahrt zu verschaffen. Doch damit fängt sein Ärger erst richtig an…
Achtung: Diese Besprechung enthält Spoiler
„White Line Fever“, so der Originaltitel von „Strasse der Gewalt“, bezeichnet den hypnotischen Zustand, der eintritt, wenn man nachts auf dem Highway zu sehr auf die weißen Linien starrt. Auch Carrol Jo ist von einem „White Line Fever“ erfasst. Denn für ihn gibt es nichts Größeres, als mit seinem eigenen Truck über die Landstraßen zu brausen und das Gefühl von Freiheit zu spüren. Im Bonusmaterial der vorliegenden DVD weist Co-Drehbuchautor Ken Friedman darauf hin, dass „Strasse der Gewalt“ ein „Western im Peckinpah-Stil“ sein sollte. Nur eben mit Convoys, statt Pferden. Westernmotive kann man dem Film durchaus unterstellen. Statt aus dem Bürgerkrieg, kehrt der aufrechte Carrol Jo Hummer allerdings aus dem Vietnamkrieg zurück. Und die bösen Großrancher, die gegen die armen Farmer vorgehen, sind hier ein mächtiges Kartell. Es hat sich in den letzten 100 Jahren also nicht viel getan im Wilden Westen.
Jonathan Kaplans fünfter Spielfilm. Nachdem er bei der AIP von Roger Corman erstmals auf dem Regiestuhl Platz nahm, entstand „Strasse der Gewalt“ für der wieder für die Colombia, einem der Majors. Trotzdem erinnert der Film stark an die Filme, die zeitgleich Gene Corman, Rogers Bruder, produziert. Filme wie „Dillinger“ und der ein Jahr nach „Strasse der Gewalt“ entstandenen „Vigilante Force“. Filme, die einen hohen Unterhaltungs- und auch Gewaltfaktor besitzen, aber auch ein pessimistische, soziale Aussage. Hier wie dort wird ein Individuum durch die Umstände korrumpiert und zur Gewalt gezwungen. Generell weißt der Film einige Parallelen zu vorgenannten „Vigilante Force“ auf, nicht nur durch die Besetzung der Hauptrolle mit Jan-Michael Vincent. Während die Hauptfigur in „Vigilante Force“ nur einen scheinbaren Sieg erringt, da er sich auf das Niveau seiner Gegner begibt, ist das Ende von „Strasse der Gewalt“ noch viel ambivalenter. Denn der kleine Triumph des Carrol Jo wird bitter erkauft. Sein Lächeln in Anbetracht der ihm zujubelnden Menge wirkt beinahe schon psychotisch. Kaplan gibt den passenden Kommentar, indem er auf Carrol Jos Ehefrau Jerri schwenkt, die mit ausdruckslosem Gesicht am Fenster zu sehen ist. Denn CJs scheinbare Sieg ging auf ihre Kosten. CJ hat nicht nur seine Familie, sondern auch ihren Traum, ihre Zukunft mit seiner Sturheit und seinem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit zerstört. Am Ende steht die Frage: War es das wirklich wert?
Dieses bittere Ende kommt recht überraschend, denn zu Beginn tarnt sich „Strasse der Gewalt“ als gradliniger und sehr unterhaltsamer Rache-Film, indem ein Mann für das Recht kämpft, selber über sein Leben zu bestimmen. Die Art und Weise, wie er dies tut, dieses ständige hin und her, wenn mal die eine Seite, mal die andere die Oberhand gewinnt, deutet noch nicht darauf hin, dass der Kampf vergebens sein wird, und unser Held am Ende alles verliert und sein Glück nachhaltig zerstört. Kaplan wählt bei diesem Kampf des Einen gegen die Übermacht der Anderen einen überaus realistischen Stil. Hier tun die Prügel richtig weh, die jemand einstecken muss. Und die größte Schmach des jungen CJ ist dann auch keine physische Gewalt, sondern eine lang ausgespielte Fahrt gegen die Uhr und die eigene Erschöpfung, welche sich am Ende als vollkommen nutzlos herausstellt, da CJ verfaulte Ware untergejubelt wurde. Kaplan lässt auch Interviews einfließen, welche als dokumentarisches Material verkauft werden. Ob dies den Tatsachen entspricht mag dahingestellt sein, denn die ganz am Anfang interviewte Figur taucht auch in der Spielfilmhandlung kurz auf.
Eine wahre Tragödie, die nicht im Film vorkommt, ist allerdings das traurige Schicksal seines Hauptdarstellers Jan-Michael Vincent. Nachdem ich nun innerhalb kurzer Zeit zwei seiner frühen Filme gesehen habe, und Herr Vincent auch hier die Idealbesetzung für den naiven, halsstarrigen Jungen vom Lande war, wollte ich wissen, was aus demjenigen geworden ist, der Anfang der 80er der bestbezahlteste TV-Star der Welt war. Schließlich hat man gefühlt seit „Airwolf“-Zeiten nichts mehr von ihm gehört. Im Internet stieß ich auf ein erschütterndes Video. Von Drogen und Alkohol schwer gezeichnet, gab Jan-Michael Vincent dort ein Interview. D.h. Es wurde versucht mit ihm ein Interview zu führen. Der alte, verwahrlost aussehende Mann hatte dabei deutlich Schwierigkeiten den Fragen des Interviewers zu folgen, gab nur stockend Antwort und konnte sich an fast nichts mehr erinnern. Zudem war ihm ein Bein amputiert worden, ebenfalls eine Folge seines jahrelangen, exzessiven Alkohol- und Drogenmissbrauch. Laut Jonathan Kaplan begann Jan-Michael Vincent wohl bei den Dreharbeiten zu „Strasse der Gewalt“ damit, Kokain zu konsumieren. Vergleicht man die Bilder des jungen, athletischen und spitzbübisch aussehenden Vincent mit dem tatterige Wrack im Rollstuhl, kann man nur jedem zurufen: Hände weg von den Drogen. Was der Mist mit Jan-Michael Vincent gemacht hat ist nicht nur erschütternd, sondern vor allem eine sehr deutliche Warnung.
„Strasse der Gewalt“ ist ein Western im Trucker-Gewand. Jonathan Kaplan inszeniert den Kampf eines aufrechten Truckers gegen ein korruptes Kartell mit einigen Härten und größtenteils sehr realistisch. Und er zeigt dabei deutlich, was man aufs Spiel setzt, wenn man diesen Kampf aufnimmt. Ob sich dieses Risiko lohnt, muss der Zuschauer dann für sich selbst beantworten.
Die DVD von Explosive Media hat eine gute Bildqualität. Der Ton liegt in Englisch und in der deutschen Synchronisation jeweils in 2.0-Stereo vor und sit gut zu verstehen. In Sachen Extras hat sich Explosive Media ebenfalls ins Zeug gelegt und eine 51-Minütige Doku mit auf die Schaibe gepackt, in der sich Drehbuchautor Ken Friedman an alle Aspekte der Produktion erinnert. Desweiteren findet sich auf der DVD ein knapp 3-minütiger Kurzkommentar von Regisseur Jonathan Kaplan, der deutsche und englische Original-Kinotrailer und eine Fotogalerie mit Szenenbildern, Aushangfotos und Werbematerial. Alles in allem eine runde Sache.