Blu-ray-Rezension: “Tödliche Umarmung“

toedliche_umarmungNachdem seine Ehefrau bei einem seiner Einsätze ums Leben kam, musste Geheimagent Harry Hannan (Roy Scheider) einige Zeit in psychiatrischer Behandlung verbringen. Nun ist er als geheilt entlassen und möchte gleich wieder ins einem alten Job anfangen. Doch man lässt ihn nicht, Hannan gilt als Risiko. Als ein Mordanschlag auf ihn ausgeführt wird, glaubt Hannan, seine ehemaligen Kollegen wollten ihn aus dem Weg räumen. Doch bald schon entdeckt Hannan, das etwas ganz anders hinter der Sache steckt, und er auf der Todesliste, eines geheimnisvollen Killers steht, der bereits des Öfteren zugeschlagen hat…

Nachdem Jonathan Demme die Roger-Corman-Schmiede verlassen hatte, wand er sich seriöseren Produktionen zu. Mit „Tödliche Umarmung“ kehrte er kurz vor seinem Durchbruch mit der preisgekrönten Komödie „Melvin und Howard“ noch einmal zum Thriller-Genre zurück, bevor er dann 1992 mit „Das Schweigen der Lämmer“ das Genre sogar zu Oscar-Weihen führte. Mit letzterem Werk sollte man „Tödliche Umarmung“ allerdings nicht vergleichen. „Tödliche Umarmung“ steigt einerseits tief ins Pulp-Gebiet ein, andererseits versucht sich Demme mit diesem Film auch an einer recht deutlichen Hitchcock-Hommage. Damit steht „Tödliche Umarmung“ in einer Reihe mit Filmen wie „Charade“, „Höhenkoller“ und diversen Brian de Palma-Produktionen. Tatsächlich hat der Film dann auch etwas von „Hitchcock gefiltert durch die Brille diverser B-Filme“. Besonders ernst sollte man Demmes Film nicht nehmen, dazu fährt er einfach zu schwere Geschützte auf. Auch wenn diese sich am Ende zu keinem einheitlichen Ganzen fügen wollen, kann man „Tödliche Umarmung“ einen angenehmen Unterhaltungswert nicht absprechen. Munter mischt Demme Zitate aus „Psycho“, „Der unsichtbare Dritte“, „Familiengrab“ und vor allem und immer wieder „Vertigo“.  Aber auch andere Thriller, wie „Der Marathon-Man“ und „Niagara“ kommen einem während des Filmes immer wieder  in den Sinn.

Die vorgebliche Spionage-Handlung, die gleich am Anfang etabliert wird und Harry Hannans Trauma auslöst, ist – so viel darf verraten werden – eine falsche Spur, die aber immerhin Christopher Walken und den immer wieder gern gesehen Charles Napier einen Auftritt garantiert. Die kurze Szene in der ein noch sehr junger Walken den Chef des alten Hasen Roy Scheider gibt, gehört dann auch zu einem der Höhepunkte des Filmes. Es ist jammerschade, dass Walkens Rolle nicht größer ist. Auch Napiers Charakter dient allein der Verwirrung des Zuschauers und hat keine weitere Funktion, als Scheiders Figur hier und dort in Gefahr, und den Zuschauer auf eine falsche Spur zu bringen. Der dieser letztendlich nur der Ablenkung dienende Geheimdienst-Komplex nimmt in der ersten Hälfte des Films einen nicht gerade kleinen Raum ein. Neben der viel zu kleinen Rolle Walkens und der Verschwendung des großartigen Napiers, muss auch festhalten, dass hier viele kleine und interessante Fäden aufgenommen werden – wie Scheiders verzweifelte Versuche wieder einen Job zu bekommen, und sein „normales“ Leben weiterzuführen oder der Geheimdienst, der seine nicht mehr voll funktionstüchtige Waffe entsorgen will – die dann aber am Ende nie miteinander verknüpft, geschweige denn zu Ende geführt werden. So zerfällt der Film in zwei Hälften, die beide viel zu viele unbefriedigende Löcher aufweisen und den Film obendrein unnötig zerfasern.

Ähnliches gilt auch für die zweite Hälfte, in der Scheider langsam auf die Spur der Bedrohung kommt, und ihm mit Sam Levene  als Sam Urdell ein kauziger Sidekick zur Seite gestellt wird. Auch hier wimmelt es von falschen Fährten und verpassten Gelegenheiten. Letztere betreffen zum Beispiel den von John Glover wunderbar eingebildet und versponnen gespielte Professor Peabody  dessen Figur  viel Potential zeigt, welches aber nie voll entfaltet wird. Nachdem das Drehbuch dem Zuschauer allerlei „rote Heringe“ hingeworfen hat, ist dann der Schnitt auf den wahren Täter so hart und aus dem Nichts kommend, dass man für kurze Zeit vollständig aus dem Film geworfen wird, und dadurch die großartigste Szene des ganzen Films ganz an Durchschlagskraft verliert, da  man noch vollkommen damit beschäftigt ist, sich zu fragen, was das da alles plötzlich soll. Da lohnt es sich dann den Film später noch einmal zurück zu spulen und sich in Ruhe den Mord durch Koitus in der Badewanne anzusehen, in der die Todeszuckungen des Opfers sein Gegenüber zu höchsten Orgasmusfreuden bringt. Das zwar passt nicht zu Motiv und Charakter der Person hinter den Morden, ist aber ein wunderbar schmieriger Griff ins Bahnhofskino, aus dem Demme ja auch stammt. Der Bruch nach der – zugeben vollkommen überraschenden – Enthüllung der Identität und des Motivs des Täters, ist dann auch so hart, dass es dem Film nicht gut tut. Dass das Motiv darüber hinaus auch nur ein sehr schwaches und nicht unbedingt nachvollziehbares ist, macht es auch nicht leichter. Immerhin führt dies dann gleich zum großen Finale vor dem Hintergrund der Niagara-Fälle.

Um den Hitchcock-Effekt noch zu erhöhen wurde Altmeister Miklós Rózsa für den Soundtrack engagiert. Der hat zwar nie für Hitchcock komponiert, soll aber scheinbar ein Bernard-Herrman-Gefühl in den Film einbringen. Was allerdings nicht gelingt, da Rózsas Musik für sich genommen zwar hörenswert ist, aber sich weniger an Herrman Hitchcock-Scores, als vielmehr an seinen Film-Noir-Filmen oder viel mehr noch den Dramen der 40er Jahre orientiert und die dramatischen Orchestermelodien in einem starken Kontrast zum doch sehr 70er-mäßigen Gestaltung von „Tödliche Umarmung“ steht. Demgegenüber muss die sehr dynamische und einfallsreiche Kameraarbeit Tak Fujimotos hervorgehoben werden. Fujimotos arbeitete regelmäßig mit Demme zusammen und fotografierte für ihn auch seine Hits „Das Schweigen der Lämmer“ und „Philadelphia“, später wurde er dann auch Stammkameramann M. Night Shyamalans. Besonders eine Szene ganz am Anfang, in der die Kamera wie wild Scheiders im Grunde ereignislosen Gang zur U-Bahn begleitet und dabei über den Bahnsteig fegt wie ein wilder Derwisch lässt das Herz höher schlagen. Diese Szene endet dann auch in einer lupenreinen Hommage an einen anderen Regisseur, dem in jungen Jahren auch Tendenzen zur Hitchcock-Nachahmung unterstellt wurden: Dario Argento. Vielleicht ist „Tödliche Umarmung“ ja auch weniger eine lupenreine Hitchcock-Hommage, als vielmehr eine Hommage an diejenigen, die in ihrem Werk Hitchcock ihre Ehre erweisen.

Obwohl nicht makellos und an insgesamt ausgefranst und überladen, kann man „Tödliche Umarmung“ einen Unterhaltungswert nicht absprechen. Die souveränen Darsteller, eine schöne Kameraarbeit und der ein oder andere gute Einfall können das schlecht konstruierte, unentschlossene Drehbuch welches sich immer wieder Vorlagen liefert, dies es dann doch nicht verwandelt, dann doch noch ausgleichen.

Die Blu-ray des Hauses OFDb Filmworks präsentiert den Film in einer guten Bildqualität, die allerdings ihr Alter auch nicht leugnen kann. Der Ton liegt in Stereo vor, wahlweise Deutsch oder Englisch, zudem können gute deutsche Untertitel zugeschaltet werden. Bei den Extras herrscht – bis auf den Trailer – leider völlige Ebbe.

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