Vorstellung: „35mm – Das Retro-Film-Magazin“

Überall wird vom Tod des Gedruckten geschrieben. Die mediale Zukunft läge nicht im Print, sondern im digitalen Bereich. Und obwohl dieser Ausblick sicherlich nicht ganz falsch ist, so sind es doch vor allem die Nischen, die immer wieder einen anderen Weg gehen und den Mut aufbringen, auf dem umkämpften, sicherlich nicht einfachen und so oft für tot erklärten Zeitschriftenmarkt, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Sicherlich funktioniert dies vor allem dort, wo die Leserschaft sowieso schon einen ausprägten Sinn zum Sammeln und eine Vorliebe für physisch greifbare Dinge besitzen. Womit man bei Filmfreunden ist, die es lieben, sich ihre Lieblingsfilme in besonders schönen Veröffentlichungen auch mehr als einmal zu kaufen oder ihre DVD-Sammlung – einer gut sortierten Bibliothek gleich – in überbordenden Regalen zu präsentieren. Die vielleicht nicht einmal davor zurückschrecken, über Versteigerungsplattformen 35mm-Kopien zu erwerben, ohne ein eigenes kleines Kino im Keller zu haben. Ich will hier auch gar nicht die Diskussion anstoßen, ob man bei solch einem Verhalten nun Form über Inhalt stellt. Ich bin (zum Leidwesen meiner Frau) selber leidenschaftlicher Sammler, fühle mich damit sehr wohl und könnte daher an dieser Stelle auch gar nicht objektiv sein.

Zum Wesen des sammelfreudigen Filmliebhabers gehört es auch, dass er häufig Filmmagazine liebt, die er in die Hand nehmen und nach dem Durchlesen in sein Archiv mit Filmliteratur einsortiere kann. So ist es wahrscheinlich zu erklären, dass gerade in diesem Bereich die gedruckte Zeitschrift – nach dem Tod solch großartiger Magazine wie „Steadycam“ und „schnitt“ – gerade wieder eine kleine Renaissance erfährt. Die „Deadline“ und deren Konkurrent „Virus“ sind bereits fest im Bahnhofsbuchhandel etabliert. Dort findet man – zumindest in Hamburg – auch die wunderbare „SigiGötzEntertainment“, die ich allerdings weniger als Filmzeitschrift, sondern – mangels eines besseren Wortes – augenzwinkernd als „Lifestylemagazin“ bezeichnen würde. Wer die SGE kennt, wird verstehen, wie ich das meine. Aus dem südöstlichen Niedersachsen kommt das Ein-Mann-Unternehmen „Der Zombie“, welches sich liebevoll um Genre-Klassiker vor allem aus den 80er Jahren kümmert und sogar die „Splatting Image“ scheint – nach einem desaströsen „PDF-Only“-Versuch – ein Print-Comeback zu planen.

Mit „35 Millimeter – Das Retro-Film-Magazin“ ist nun ein weiteres Filmmagazin auf dem Markt erschienen, welches sich auf die Filmgeschichte bis zum Jahre 1965 spezialisiert hat. Diese Grenze wurde ganz bewusst gezogen, da nach Meinung der Herausgeber, das alte Hollywood und der klassische Film keine allzu große Lobby mehr hat. Durch „35 Millimeter“ soll diese spannende Ära wieder ins Bewusstsein der Filmfans gerufen und neugierig gemacht werden. Dem kann man jetzt entgegen stellen, dass Filminteressierte natürlich auch die Filmgeschichte kennen und keine Scheuklappen bezüglich des Alters eines Filmes tragen. Andererseits habe ich selber schon oft erlebt, dass selbst bei aufgeschlossenen Filmfreunden, die die Filmgeschichte ab den 60ern auf und ab kennen, sich bezüglich der vorangegangene Jahrzehnte gewaltige Lücken auftun, sie spätestens mit den Stummfilmen nichts mehr anzufangen wissen, und sich – was ich noch viel schlimmer finde – dafür auch gar nicht interessieren. Von daher ist ein Magazin wie „35 Millimeter“ beinahe schon überfällig, welches die Filmgeschichte vor 1965 gefällig und auch optisch ansprechend aufbereitet. Eingehende Analysen, wie in den zuvor erwähnten „Steadycam“, „Schnitt“ oder „Splatting Image“, sollte man allerdings nicht erwarten. Für „Profis“ bietet „35 Millimeter“ eine nette, gute gemachte Anregung, mal wieder das eine oder andere Thema zu vertiefen. Große Überraschungen und bahnbrechend neue Erkenntnisse bieten sich dem alten Hasen bisher zumeist nicht. Was aber die generelle Leistung des Magazins nicht schmälern soll.

Titelstory der mittlerweile dritten Ausgabe ist ein Überblick über den Zombiefilm. Das passt, sind doch Zombies gerade wieder groß in Motto. Allerdings die Sorte, die von George A. Romeros „Dead“-Trilogie inspiriert wurden. Der Artikel von Barbara Scherer setzt allerdings vorher an und erzählt die Geschichte der Film-Zombies vor „Night of the living Dead“ beginnend mit den Vorläufern des „Untoten“-Films, wie Mélièrs „Le Monstre“ von 1902 und „Das Cabinett des Dr. Caligari“. Weiter geht es über den Haitianische Zombie bis hin zu „Nächte des Grauens“ von den Hammer Studios. Der gut geschriebene Artikel bietet einen gute Übersicht über das Genre vor 1968, geht auch kurz auf die Voodoo-Kultur ein und lässt natürlich auch die aktuelle Zombie-Welle nicht ganz unerwähnt. Eine Übersicht über die Verfügbarkeit der vorgestellten Filme gibt es auch, seltsamerweise aber nicht direkt hinter dem Artikel, sondern ein paar Seiten weiter. Zwei spannende Interviews werden mit Alexandra Nagel und mit Rüdiger Suchsland geführt. Frau Nagel kommentiert sozusagen einen sehr interessanten Rundgang durch das Filmmuseum in Frankfurt und erzählt etwas über die Hintergründe. Rüdiger Suchsland wird von Simon Hauck über die „Caligari“-Restauration und seinen Dokumentarfilm „.Caligari – Wie der Horror ins Kino kam“ befragt, was zu spannenden Antworten führt.

Die Reihe über Screwball-Comedies von Sabine Tews geht in die dritte Runde. Diesmal wird der Regisseur Howard Hawks und seine dem Genre zugehörigen Filme vorgestellt und kurz kommentiert. Jennifer Arp schreibt eine Einführung in die (scheinbar nur amerikanischen) Musikfilme der 40er und 50er Jahre, woraus in den nächsten Ausgaben eine längere Reihe wird. Manfred Steffens verliert einige Worte über den 54’er „Godzilla“ und seine Folgen. Marc Schaumburg-Ingwersen stellt auf zwei Seiten den großen Max Ophüls vor und Simon Kyprianou hat einen Nachruf auf Alain Resnais verfasst.

Abgerundet wird das Heft von fünf Seiten knapperer DVD-Reviews und einem etwas längeren Artikel über die gerade bei Arthaus erschienenen „Ingmar Bergman Edition 3“. Den „Rausschmeißer“ bildet eine kurze Vorstellung eines „Vergessenen Films“. Dass dies Melvilles „Drei Uhr Nachts“ ist, finde ich etwas verwirrend, da ich diesen Film mitnichten als „vergessen“ kategorisieren würde.

Das Magazin ist ansprechend gemacht und wartet mit einem guten und reichlichen Bildmaterial auf. Obwohl professionell gemacht und auf wertigem Papier gedruckt, umweht das Ganze noch ein Hauch von Fanzine, was ich sehr sympathisch finde. Als Gimmick liegt eine Sammelkarte dabei, wie man sie ganz früher aus der „Cinema“ kannte. Vorne mit Portrait und hinten mit ein paar biographischen Notizen. Diesmal ist es eine Karte mit Frances Dee, der Hauptdarstellerin aus „Ich folgte einem Zombie“. Das ist dann auch gleich etwas für die oben erwähnten Filmfans mit leidenschaftlichem Sammeltrieb.

Leider kann man das Heft (noch?) nicht im stationären Buch- und Zeitschriftenhandel kaufen, sondern nur online unter http://35mm-retrofilmmagazin.de/shop/ Der Preis von € 3,50 geht völlig in Ordnung. Allerdings kommt dann noch eine Portopauschale (unabhängig von der Anzahl der bestellten Hefte) von insgesamt € 2,00 dazu.

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4 Antworten zu Vorstellung: „35mm – Das Retro-Film-Magazin“

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  2. Alexandra Nagel sagt:

    Lieber Herr Koch,
    Vielen Dank für Ihre lobenden Worte.
    Dürfte ich ihren Artikel auf meine eigene Website verlinken? Ich arbeite freiberuflich u.a. im Deutschen Filmmuseum.
    Vielen Dank und viele Grüße

  3. Marco Koch sagt:

    Hallo Frau Nagel,

    sehr gerne.

    Viele Grüße,

    Marco

  4. Marc Penth sagt:

    Das Magazin gibt es auch an folgenden Stellen zu kaufen:
    München im Werkstattkino, München Theatiner Film, Münchner Filmzentrums-Freunde des Münchner Filmmuseums e.V. (MFZ),
    in Frankfurt am Main im Museumsshop des Deutschen Filmmuseums,
    in Saarbrücken im Kino Achteinhalb und in Wiesbaden im
    Murnau-Filmtheater. Weitere Örtlichkeiten folgen! 🙂

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