Der arbeitslose José (Hugo Silva) ist verzweifelt. Um seinen Unterhaltungszahlungen nachkommen zu können, und nicht das Besuchsrecht an seinem geliebten Sohn Sergio (Gabriel Ángel Delgado) zu verlieren, sieht er nur noch einen Ausweg. Mit einer Gruppe ebenfalls vom Leben benachteiligter, überfällt er einen Pfandleiher, der sich auf Gold spezialisiert hat. Da dies auch der Tag ist, an dem er seinen Sohn sehen darf, nimmt er diesen kurzerhand mit. Doch der Überfall geht schief und bald schon ist Jose mit Sergio, dem etwas tumben Tony (Mario Casas), einem kurzerhand gekidnappten Taxifahrer (Jaime Ordóñez) und einer Geisel im Kofferraum (Manuel Tallafé) unterwegs Richtung französischer Grenze. In dem Dorf Zugarramurdi machen sie kurz Halt. Was sie nicht wissen, sie werden hier bereits von einer Gruppe menschenfressender Hexen erwartet…
Nachdem sich Alex de la Iglesias in seinem Film „Mad Circus“ allegorisch mit der faschistischen Vergangenheit Spaniens beschäftigt hatte, wofür er auf dem Filmfest in Venedig u.a. mit dem silbernen Löwen ausgezeichnet wurde, und mit „As Luck Would Have It“ eine bissige Medien-Satire ablieferte, kehrt er mit „Witching & Bitching“ wieder zur puren Unterhaltung zurück. „Witching & Bitching“ hat keine große Botschaft, und wenn doch, dann liegt sie auf dem Niveau eines Mario-Barth-Witzes. Alle Frauen sind durchtriebene Hexen, welche die Weltherrschaft anstreben und die ihnen lästigen Männer wie Marionetten für ihre sinisteren Zwecke einsetzten. Diese wiederum sind zwar doof, aber ganz nett. Sie leiden unter der Dominanz ihren Partnerinnen und müssen sich ständig selber bestätigen, dass doch eigentlich sie das starke Geschlecht sind. Dieses Handlungsgerüst ist zwar etwas flach, aber von de la Igleasias mit einem solchen Schwung und guter Laune inszeniert, dass man gerne darüber hinwegsieht und sich 109 Minuten einfach nur gut unterhalten lässt.
Obwohl de la Igleasias wieder einmal in kreischenden Absurditäten schwelgt – man nehme nur einmal den herrlich skurrilen Banküberfall des silbern angemalten, halbnackten José und dem giftgrünen Spielzeugsoldaten Tony, der darin gipfelt, dass ihm von den Geiseln Erziehungsratschläge gegeben werden – driftet er doch nie in den puren Klamauk ab. Dafür sorgt bei „Witching & Bitching“ wieder einmal eines der großen Talente de la Igleasis‘: Sein perfektes Gespür für Timing. Oftmals reicht einfach eine richtig gesetzte Pause oder ein vielsagender Blick, um eine ungemein komische Wirkung zu erzielen. „Witching & Bitching“ ist dann auch kein reiner Schenkelklopfer, sondern erzählt eine relativ straighte Horrorgeschichte, wie man sie so bereits des Öfteren gesehen hat. Und natürlich denkt man bei den Räubern, die auf der Flucht in ein Hexennest geraten, unweigerlich an „From Dusk Till Dawn“. Doch mit diesem hat er vielleicht die Ausgangssituation, nicht jedoch den Ton gemeinsam. Schon eher muss man an subtilere Horrorkomödien, allen voran an Roman Polanskis „Tanz der Vampire“, denken, nur eben mit viel iberischem Feuer in Szene gesetzt.
Es ist sehr schade, dass de la Iglesias hierzulande fast nur Genrefreunden ein Begriff ist und nicht annähernd den Bekanntheitsgrad seines früheren Mentors Pedro Almodovar erreicht hat. Vielleicht, weil er – anders als Almodovar – für das Arthauskino einfach zu wild ist und durch seine Frühwerke „Aktion Mutante“, „El Dia de la bestia“ und „Perdito Durango“ den Stempel des Genreregisseurs aufgedrückt bekam. Von diesem konnte er sich hierzulande, trotz der großartigen, rabenschwarzen Hitchcock-Variationen „La Communida – Allein unter Nachbarn“ und „Das ferpekte Verbrechen“, nie ganz befreien. So verwundert es dann auch nicht, dass seine reinen Komödien bisher leider nicht den Weg nach Deutschland gefunden haben. Weder sein vierter Spielfilm „Dying of Laughter“ (eine dem berühmten Stück „Die Sunnyboys“ nicht unähnliche Geschichte über zwei konkurrierende Komiker), noch sein zwischen „Mad Circus“ und „Witching & Bitching“ entstandener „As Luck Would Have It“, der sich mit den Auswüchsen des Medienrummels beschäftigt und immerhin Salma Hayek in einer der Hauptrollen aufweisen kann.
„Witching & Bitching“ mutet fast wie ein Familientreffen an. Fast alle Darsteller, die de la Igleasias auf seinem bisherigen Werk begleitet haben, sind mit dabei. Carmen Maura aus „La Communida“, Santiago Segura, der seit „El Dia de la Bestia“ zum Stammensemble gehört und als Anti-Titelheld der „Torrente“-Reihe sehr erfolgreich ist, Carlos Areces, der Hauptdarsteller aus „Mad Circus“, und natürlich auch wieder die hochattraktive Carolina Bang, die als eine der schönsten Frauen Spaniens zählt und nicht nur die weibliche Hauptrolle in „Mad Circus“, sondern auch im Herzen de la Iglesias inne hat. Da kann man schon mal neidisch werden. Neu dabei ist Hugo Silva, der zur Zeit einer der angesagtesten Schauspieler Spaniens ist und nicht nur in Almodovars „Fliegende Liebende“, sondern auch in dem hochspannenden Thriller „The Body“ (Kritik hier) eine Hauptrolle spielte. Gerade im Vergleich mit „The Body“ überrascht Silva mit einem Talent für Komik und seine Figur José, die inmitten des Chaos verzweifelt versucht, die Fäden in der Hand zu behalten, wird von ihm mit der richtigen Nuance aus Ernst und Lächerlichkeit gespielt. Demgegenüber fällt sein Partner Mario Casas als Tony leider etwas ab, denn er gibt den etwas dümmlichen Muskel-Proll doch ein wenig zu klischeehaft.
Der Film wurde im tatsächlich existierendem Dorf Zugarramurdi gedreht, in dem sich tatsächlich im 16. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in den grausamen, baskischen Hexenprozessen der spanischen Inquisition spielte und in dem heute ein Hexen-Museum beheimatet ist, welches an die schrecklichen Ereignisse von damals erinnert. Das Finale findet dann auch in der Höhle statt, in der jedes Jahr am 23. Juni ein großes Fest zu Ehren der Hexen stattfindet. Vielleicht verleiht gerade dies dem Film die richtige Stimmung. Beim Finale dreht de la Igleasias noch einmal mächtig auf und präsentiert seinem Publikum beeindruckende Massenszenen, ausgesprochen gelungene CGI und ein ziemlich überzeugendes Monster. Untermalt mit der passenden Musik von Joan Valent und Carmen Mauras Gesang, verbreiten diese Szenen einen fiebrigen Sog, der in einem großen Spektakel mündet.Vielleicht sogar einem etwas zu großem, denn man hat fast schon das Gefühl, erschlagen zu werden. Obwohl der Film folgerichtig in einem wahren Inferno endet, fragt man sich doch, ob hier nicht etwas mehr Zurückhaltung angebracht gewesen wäre. Andererseits ist der ganze Film auf Übertreibung, Tempo und schrillen Irrsinn angelegt, und davon bekommt man im grande finale ordentlich etwas geboten.
Mit „Witching & Bitching“ hat Alex de la Igleasias eine überdrehte, aber gekonnte Fingerübung abgeliefert, die ihn wieder zurück zu seinen Wurzeln führt. Die Gesellschaftskritik seiner letzten Filme weicht dabei purer Unterhaltung, die de la Igleasias temporeich, urkomisch und mit dem ihm eigenen Sinn für das schrill Absurde umsetzt. Die Handlung ist dabei nicht neu und die Prämisse schlau-böse Frauen gegen naiv-lächerliche Männer ist recht platt, dem schrillen Horror-Spaß tut dies allerdings keinen Abbruch.
Die DVD von Splendid ist in Sachen Bild- und Tonqualität ohne Fehl und Tadel. Ich würde sogar behaupten, dass die Bildqualität so gut ist, dass sie auf einem guten Gerät beinahe schon Blu-ray-Qualität besitzt. Abstriche muss man aber leider wieder bei den Extras machen, die aus drei (alle unter vier Minuten) kurzen Featurettes bestehen, welche sich fast ausschließlich aus Filmausschnitten zusammensetzen. Die deutsche Synchronisation ist anständig, doch um die richtige Atmosphäre zu zaubern, sollte man unbedingt auf den spanischen Ton gehen, der um einiges aufgeregter ist.
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