DVD-Rezension: “Psychomania”

psychomaniaDer jugendliche Tom Latham (Nicky Henson) ist der Anführer der Motorrad-Gang „The Living Dead“, die ihre Umgebung terrorisiert. Er lebt mit seiner Mutter (Beryl Reid) und dem mysteriösen Butler Shadwell (George Sanders) in einem schlossähnlichen Gebäude. Mrs. Latham ist ein Medium und hat einst einen Pack mit dem Teufel geschlossen. Auf der Suche nach seinem verschwundenen Vater, kommt Tom hinter das Geheimnis ewigen Lebens. Kurzerhand begeht er Selbstmord, um kurze Zeit später als Untoter mit mörderischen Instinkten wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Er überredet seine Gang, es ihm gleichzutun und bald schon rollen echte „lebende Tote“ auf ihren Motorrädern durch die Gegend…

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Der Film war mir unter dem Titel „Der Frosch“ schon länger bekannt, obwohl ich ihn nie gesehen hatte. Ich erinnere mich aber sehr gut an den Eintrag in dem für Genrefreunde völlig unbrauchbaren, aber mit einem gewissen Abstand recht unterhaltsamen, Buch „Das Horror-Film Lexikon“ vom Duo Infernale Ronald M. Hahn und Volker Jansen, die 99,5% aller besprochenen Filme hemmungslos verrissen. Dort kam natürlich auch „Der Frosch“ nicht gut weg. Tatsächlich wurde eine ziemlich geschmacklose Verbindung zwischen dem Selbstmord des großen George Sanders und diesem Film gezogen. Was mich aber schon immer verwunderte, war die Inhaltsangabe, die so gar nicht mit dem merkwürdigen, deutschen Titel zusammenpasste. Interessanterweise gab es auch ein Foto aus dem Film, auf dem der rundlich-kindliche Denis Gilmore zu sehen war und ich dachte daraufhin immer, Gilmore würde aufgrund seines Aussehens einen Typen mit Spitznamen „Frosch“ spielen.

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Dank der DVD-Veröffentlichung des Hauses Colosseo Film weiß ich es jetzt besser. „Der Frosch“ alias „Psychomania“, wie er im Original und bei der deutschen DVD-Veröffentlichung heißt, ist ein gediegener, britischer Horror-Film, der alle möglichen Zutaten in einen großen Topf wirft und manchmal das Umrühren vergisst. Da sind zunächst einmal die jungen Rocker auf ihren Motorrädern, die wahrscheinlich zu einem Teil von den jugendlichen Brutalos aus dem zwei Jahre zuvor entstanden „Uhrwerk Orange“, und zum anderen Teil von den amerikanischen Biker-Filmen aus der Corman-Fabrik inspiriert wurden. Sie nennen sich – wenn man an ihr weiteres Schicksal denkt, durchaus prophetisch – „The Living Dead“ und schikanieren gerne ihre Umwelt. Dabei schrecken sie auch vor absichtlich herbei geführten Unfällen mit tödlichem Ausgang nicht zurück. Trotzdem wirkt die Bande irgendwie nicht besonders bedrohlich, was auch an ihren bösen, aber irgendwie auch amüsant wirkenden, Helmen in selbstgebastelter Totenkopfoptik liegt. Auch wenn sie später als Untote unschuldige Passanten durch einen Supermarkt jagen, will sich kein besonderes Gefühl der Bedrohung einstellen. Man fühlt sich dabei etwas an den Monty-Python-Sketch mit den „Hell’s Grannies“ erinnert.

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Andererseits will Regisseur Don Sharp, der zuvor für die legendären Hammer-Studios einige Klassiker inszenierte, das Ganze mit einer okkulten Gothic-Horror-Story verweben, was zu einem vielleicht nicht immer stimmigen, aber doch interessanten Ergebnis führt. Hier geht es um die Mutter des Biker-Anführers Tom Latham, die zusammen mit ihrem Butler Shadwell (auf Autopilot gespielt vom großartigen George Sanders) in einem großen Herrenhaus lebt, sich dort als Medium verdingt und ein finsteres Geheimnis hat. Jenes, das kann an dieser Stelle verraten werden, ist ein Pakt mit dem Teufel, bzw. eines anderen Dämons, der die Gestalt einer Kröte (der titelgebende „Frosch“) angenommen hat. Dieser Teil der Geschichte führt zu einer ausgesprochen stimmungsvoll umgesetzten Szene, in der der junge Tom in einem geheimnisvollen Zimmer hinter das Schicksal seines Vaters kommen will. Ein Handlungspunkt, der dann aber leider schnell fallen gelassen wird. So richtig will die Symbiose aus altmodischem Grusel und modernen Unruhestiftern nicht funktionieren, doch gerade dieses Scheitern macht einen Teil des charmanten Reizes dieses Filmes aus.

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Dass Sharp und sein Kameramann Ted Moore (Director of photography bei sieben klassischen James-Bond-Filmen!) ihr Handwerk verstehen, sieht man nicht nur an der oben erwähnten „Zimmer-Szene“. Gerade wenn zu Beginn die Motorräder in Zeitlupe durch den Nebel gleiten, oder später Tom mitsamt seinem Motorrad aus seinem Grab springt, gelingen atmosphärische Bilder, die man nicht so schnell vergisst. Wobei Sharp auch von dem tollen Soundtrack des Komponisten John Cameron unterstützt wird, welcher erst kürzlich von der Gruppe Zoltan als Cover-Version auf Vinyl veröffentlicht wurde und beim Cinestrange in Dresden live aufgeführt wurde. Das schönste Kabinettstückchen ist aber eine 360-Grad-Kamerafahrt in der Leichenhalle, über die man aber nicht zu viel schreiben sollte, weil man dadurch eine wichtige Wendung in der Handlung verraten würde. Demgegenüber sind die wirklich „klassischen“ Horrorszenen eher unspektakulär ausgefallen. Blut bekommt man so gut wie keines zu sehen. Menschen, die bei einem Fall aus großer Höhe zerschmettert werden, sehen danach immer noch völlig intakt aus und die beiden großen Mordszenen des Filmes finden im Off statt.

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Neben George Sanders, einem der größten Namen des britischen Kinos in den 40er und 50ern, für den der Film sichtlich nur eine Geldbeschaffungsmaßnahme war, gibt es auch ein Wiedersehen mit einer weiteren Ikone des britischen Films. Als Inspektor sieht man den jungen Robert Hardy, der sich einige Zeit später als Siegfried Farnon in der Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“auch in die Herzen deutscher Fernsehzuschauer spielte und zum Stammpersonal der „Harry Potter“-Filme gehörte, wo er den Cornelius Fudge darstellte. Den Biker-Anführer Tom gibt Nicky Henson, der danach in zahlreichen britischen Fernsehserien mitspielte. Zu seiner Gang gehören das rothaarige Babygesicht Denis Gilmore und der milchgesichtige Miles Greenwood, der seine Lippen zu dem Hippie-Song „Riding Free“ bewegen darf. Auf der Seite der Damen sticht Ann Michelle als ebenso schöne, wie bösartige Jane Pettibone hervor. Ihr Gegenpart Mary Larkin, als Toms Liebchen Abby, muss ihr gegenüber blass bleiben. Aber auch so ist Abbys Charakter so uneinheitlich gezeichnet, dass sie dem Zuschauer reichlich egal bleibt. Lieber würde man mehr von Ann Michelle sehen.

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Bei „Psychomania“s Schurken von „Zombie-Bikern“ zu sprechen, ist etwas zu viel des Guten und lenkt die Zuschauer in eine falsche Richtung. Die „Zombies“ sind eher unsterbliche Wiedergänger und ihre Untaten werden recht unspektakulär in Szene gesetzt oder gar gänzlich ins Off verlagert. Auch die Vermischung mit Okkult-Horror gelingt nicht wirklich. Trotzdem besitzt der Film einen gediegen-britischen Charme und wirkt auf seine unperfekte Weise durchweg liebenswert. Unterstützt wird er durch einen tollen Soundtrack und eine streckenweise sehr stimmungsvoll Fotografie.

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Für die DVD-Veröffentlichung lag kein Negativ mehr vor, was man an leider an der Bildqualität merkt, die bestenfalls nur durchschnittlich ist. Aber besser so, als gar keine Veröffentlichung. Wirklich schade ist es, dass auch der Ton nur suboptimal ist. Der englische Ton ist dumpf, leise und die schöne Musik von John Cameron wird ziemlich in den Hintergrund gedrückt. In der deutschen Fassung ist sie etwas weiter nach vorne geholt, aber auch nicht besonders dominant. Zudem sind die Dialoge etwas verrauscht und blechern. Als Extra gibt es nur einen Trailer.

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