DVD-Rezension: “Die Kröte“

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Der buckelige Kleingangster Vincenzo Marazzi (Tomas Milian) kehrt aus seinem Exil auf Korsika zurück. In Rom angekommen, tut sich gleich wieder mit seiner alten Bande zusammen, um einen Geldtransport zu überfallen. Doch seine ehemaligen Partner haben andere Pläne als er, und versuchen Vincenzo während des Überfalls zu erschießen. Doch Vincenzo überlebt und bereitet mit Hilfe seiner Geliebten, der Prostituierten Maria (Isa Daniela), seine Rache vor. Unterstützung erhält er dabei auch von seinem Zwillingsbruder Sergio „Monnezza“ Marazzi (ebenfalls Tomas Milian), der ihm die Polizei in Gestalt des Kommissars Sarti (Pino Colizzi) vom Leib hält.

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Mit „Die Kröte“ legte das Gespann Umberto Lenzi (Regie) und Tomas Milian (Hauptdarsteller) ihre letzte gemeinsame Zusammenarbeit vor. Dabei griffen sie auf die beiden Hauptfiguren aus den zuvor entstanden Filmen „Das Schlitzohr und der Bulle“ und „Die Viper“ zurück. Damit führten sie ihre gemeinsame Kollaboration auf einen Höhepunkt. In „Der Bulle und das Schlitzohr“ hatte Milian die Figur des „Monnezza“ etabliert. Einen lauten, vulgären Typ, der gerne seine scheinbare Naivität in den Vordergrund stellt, es aber faustdick hinter den Ohren hat. Die Figur war so erfolgreich, dass sie in dem vom Stelvio Massi ein Jahr später inszenierten „Die Gangster-Akademie“ wieder auftauchte. Ihr zur Seite gestellt wird der „Bucklige von Rom“ Vincenze Moretti, der hier hier in Vincenzo Marrazi umbenannt wurde und als 10 Minuten älterer Zwillingsbruder von Monnezza vorgestellt wird. Gegenüber seinen ersten Auftritt in „Die Viper“ ist Vincenzo hier kein brutaler, schießwütiger Killer, sondern ein besonnener, wenn auch weiterhin missgelaunter kleiner Gangster. Auch wird sein Hass auf die Welt durch seine Missbildung erklärt und diese nicht als äußeres Zeichen von Bösartigkeit präsentiert. Vincenzo ist ein rüder, aber auch tragischer Charakter, den man im Laufe des Filmes so gut kennenlernt, dass man mit ihm mitzufühlen kann. Insbesondere sein Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder – so widersprüchlich es auch scheinen mag – sorgt am Ende dafür, dass man eine kleine Träne im Augenwinkel hat.

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Während Lenzis anderen Poliziotteschi oftmals episodenhaft wirken und durch perfekt inszenierte Action auffallen, ist „Die Kröte“ ein eher ruhiger Film. Zwar setzt Lenzi auch hier seine Markenzeichen, wie die rasanten, realistisch in Szene gesetzten Autoverfolgungsjagden, ein, doch die Actionszenen sind eher spärlich gesät. Was auch daran liegt, dass der Hauptfigur Vincenzo kein markanter Gegenspieler entgegen gesetzt wird. Einen Maurizio Merli, der sich prügelnd und ballerend durch die Unterwelt walzt, sucht man hier vergebens. Es gibt zwar einen Kommissar, doch dieser ist sehr viel realistischer als der „Hans-Dampf-in-allen-Gassen“-„Merli gezeichnet. Er legt wert auf korrekte Ermittlungen und gesteht selbst dem schlimmsten Verbrecher ein faires Verfahren zu. Für einen Merli undenkbar. Dies hat auch zur Folge, dass die Polizei in den Hintergrund tritt und Milian sehr viel mehr Raum bekommt, seine Figur des Vincenzo zu entwickeln. Was er auch in vollen Zügen ausnutzt, denn Milian schrieb die Dialoge seiner Figur Vincenzo und Monezza selber und baute darin nicht gerade wenig Sozialkritik ein. Legendär schon Monnezzas Ausspruch: „An dem Tag an dem aus Scheiße Gold wird, wird der erste Arme ohne Arsch geboren“.

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Höhepunkt des Filmes ist der Besuch Vincenzos mit seiner Geliebten Maria (handfest und praktisch veranlagt dargestellt von einer sympathischen Isa Danieli) in einem feinen Nachtclub. Als Maria tanzen möchte, fragt sie Vincenzo zunächst, ob es ihm was ausmacht, wenn sie mit einem seiner Bandenmitglieder tanzen würde. Vincenzo fragt sie, warum sie nicht ihn auffordere und sie sagt ihm ehrlich, sie dächte es wäre ihm aufgrund seiner körperlichen Behinderung unangenehm. Doch Vincenzo entgegnet, dass das Quatsch wäre. Er würde seiner lieben Maria einen tollen Abend bieten wollen und mit ihr gemeinsam Spaß haben. Man ahnt wie es ausgeht. Und tatsächlich: Das Pärchen wird von den Reichen und Schönen begafft und bald schon fängt man an, sich über Vincenzo und seinen Buckel lustig zu machen. Als es ihm zu viel wird, legt Vincenzo selber noch einen drauf und gibt für die gackernde Menge den Hofnarren. Hätte der Vincenzo aus „Die Viper“ nun ein Blutbad angerichtet, so geht diese Inkarnation weitaus subtiler vor. Statt seine Peiniger mit Blei vollzupumpen, wählt er einen anderen Weg: Er macht sie lächerlich und peinlich. Gewalt ist eben nicht immer die Lösung für alles.

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Vincenzos Zwillingsbruder Monnezza wird ebenfalls von Tomas Milian gespielt. Im Blaumann und mit einer unglaublichen Afroperücke, so wie er etwas später auch in der populären Komödien-Reihe um den „Superbullen“ Nico Giraldi (in der deutschen Fassung Toni Marroni) aussehen sollte. Eigentlich ist der vorlaute und proletenhafte Monnezza eine ideale Witzfigur, doch so spielt Milian ihn nicht. Trotz seiner unflätigen Ausdrucksweise und seinem gestenreichen Auftreten, ist Monnezza eine Figur aus Fleisch und Blut. Sie wird nicht auf oberflächlichen Witz reduziert, sondern bekommt gerade in den Szenen mit dem geliebten Bruder Vincenzo Tiefe. Auch wird deutlich, dass er seine scheinbaren Naivität und „Verrücktheit“ als Schutzschild gegen diejenigen verwendet, die ihm nicht wohlgesonnen sind oder seine Pläne durchkreuzen wollen.

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Wie Milian diese beiden optisch sehr unterschiedlichen Charaktere spielt, ist sehenswert. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, es handele sich um zwei Schauspieler, so verschieden sind die Figuren auch in Mimik und Gestik. Das diese Trennung in zwei Charaktere so überzeugend geschieht, ist auch der deutschen Synchronstimme, dem 2007 leider viel zu früh verstorbenen Randolf Kronberg, zu verdanken. Kronenberg war die deutsche Stimme von Edie Murphy und mit dieser „Quietschstimme“ spricht er auch den Monnezza. Vincenzo spricht er sehr viel dunkler und bedrohlicher. Führt man sich vor Augen, dass Kronberg auch Michael Landon in der TV-Serie „Ein Engel auf Erden“, Dr. „Pille“ McCoy in „Raumschiff Enterprise“ oder Bürgermeister Quimby in den „Simpsons“ sprach, wird einem seine großen Stimmkunst erst so richtig bewusst.

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„Die Kröte“ wartet nicht mit den großen Actionszenen und Gewaltausbrüchen, wie Lenzis vorherigen Poliziotteschi, auf. Der Film konzentriert sich vornehmlich auf die Charakterisierung seiner beiden Hauptfiguren Vincenzo und Monnezza, die beide auf großartige Art und Weise von einem gut aufgelegtem Tomas Milian verkörpert werden. „Die Kröte“ ist gleichzeitig ein Höhe-, wie auch würdiger Schlusspunkt aus der Spätphase des Genres. Danach verkam der Poliziottesco – ebenfalls mit Tomas Milian als Protagonisten – immer mehr zu einer Travestie. Aber in „Die Kröte“ zeigen Regisseur Lenzi und Hauptdarsteller Milian noch einmal eindrucksvoll, zu welchen Höchstleistungen sie beide fähig waren.

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Die filmArt-DVD ist empfehlenswert. Auch wenn die Kopie offensichtlich von einer gut erhaltenen Kinorolle gezogen wurde und manchmal leichte Bildschäden aufweist, sind doch Schärfe und Farbe ohne Fehl und Tadel. Auch der Ton ist einwandfrei. Das Bild hat das Format 1:2,35, der Ton liegt in Deutsch, Englisch und Italienisch (mit hinzu schaltbaren Untertiteln) vor. Als Extras gibt es den Trailer, sowie weitere Trailer für Filme aus dem filmArt-Programm. Highlight ist der zweite Teil eines Interviews mit dem Komponisten Franco Micalizzi, der bei dem Film den richtigen Beat sorgte. Dieses geht 25 Minuten und ist sowohl interessant, als auch durch die sympathische Art Micalizzis sehr unterhaltsam. Ferner liegt der DVD ein sehr gut geschriebenes und informatives Booklet von Dr. Markus Stiglegger und Ivo Ritzer bei.

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