DVD-Rezension: „Kommissar X – Jagd auf Unbekannt“

Eine unbekannte Schöne beauftragt den Privatdetektiv Jo Walker alias „Kommissar X“ (Tony Kendall), ihren verschwundenen Bruder zu suchen. Dieser ist Kernphysiker und wird seit einiger Zeit vermisst. Die erste Spur führt Jo Walker zu einer Nancy Right (Liliane Dulovic), die jedoch vor seinen Augen ermordet wird. Bald schon stellt sich heraus, dass das Verschwinden des Physikers mit den spektakulären Morden an den Waffenhändlern  Al Costello und Manuel Prado zusammenhängt. Ein dritter Waffenhändler, O’Brien (Nikola Popovic), bittet Jo Walker und dessen Kumpel, den Polizei-Captain Rowland (Brad Harris), ihn vor dem Mörder zu schützen. Dies misslingt scheinbar, doch schon bald ahnt „Kommissar X“, wer tatsächlich hinter den Morden und Entführungen steckt…

Wenn man ganz zu Anfang Tony Kendall und Brad Harris in ihren Sportwagen durch die Serpentinen der jugoslawischen Küste düsen sieht und dazu Shirley-Bassey-Soundalike Angelina Monti den Ohrwurm „I love you, Jo Walker“ schmettert, dann weiß man, wo man sich befindet: Im bunten Eurospy-Wunderland der 60er Jahre. Als Eurospy bezeichnet man die – vornehmlich italienischen – Agentenfilme, die im Fahrwasser der James-Bond-Filme entstanden. Mit sehr viel weniger Budget ausgestattet, als das große Vorbild, machten sie dieses Manko durch Enthusiasmus, viel Action und einen gehörigen Schuss Größenwahn wett. „Kommissar X – Jagd auf Unbekannt“ ist eigentlich ein Grenzgänger. Der titelgebende Kommissar ist kein Agent, sondern Privatdetektiv, und seine Wurzeln liegen im Groschenroman. Dort war er vom  Pabel-Verlag als Konkurrenz zum legendären G-Man Jerry Cotton vom größeren Bastei-Verlag ins Rennen geschickt worden. 1966, dem Jahr als „Kommissar X“ das erste Mal die Leinwand erblickte, hatte Jerry Cotton bereits mit „Schüsse aus dem Geigenkasten“ vorgelegt. In schwarz-weiß und mit einem waschechten Amerikaner, George Nader, in der Hauptrolle.

Der „kleine Bruder“ Kommissar X wusste sich aber erfolgreich nach vorne zu spielen. Die Verfilmung des teutonischen Bahnhofsheftchen wurde den Italienern in die Hand geben. Western-Experte „Frank Kramer“ (Gianfranco Parolini), der danach die erfolgreichen „Sabata“-Filme mit Lee Van Cleef verantwortete, packte den amerikanischen Privatdetektiv Jo Walker in ein „James-Bond-gemäßes“ Abenteuer um größenwahnsinnige Gangster, unterirdische Geheimfestungen und eine Privatarmee, die aus lauter hübschen Frauen besteht. Gedreht wurde natürlich in Widescreen und Farbe, und da kein amerikanischer B-Star zur Verfügung stand, wurde der Italiener Luciano Stella alias „Tony Kendall“ für die Hauptrolle verpflichtet. Seinen Partner auf Seiten der Polizei, spielte ein alter Bekannter aus „Sandalenfilm“-Zeiten: Brad Harris. Um Kosten zu sparen, wurde der Film in Co-Produktion mit Jugoslawien hergestellt, wo man die herrlichen Landschaften, ebenso wie einheimische Schauspieler nutzte.

Ernst darf man das Ganze nicht nehmen. Jo Walker ist ein „Über-Bond“, der immer Herr der Lage ist, einen kessen Spruch auf den Lippen trägt und dem die Frauen reihenweise verfallen, wenn er sie nur ansieht. Der internationale Titel „Kiss, Kiss… Bang, Bang“ trifft das schon sehr gut. Sein Partner wird vom grundsympathischen Brad Harris geben. Dieser liefert eine weitaus bodenständigere Darstellung ab, als der flamboyante Herr Kendall, was ihm aber gut zu Gesicht steht. Dass sein konservativ ermittelnder Inspektor Rowland hinter dem Star des Filmes zurückstehen muss, ist etwas schade. Beiden werden in der deutschen Synchronisation, für die sich Synchron-Legende Rainer Brandt –  der auch Brad Harris spricht – federführend  zeigt, Sprüche  und Kalauer in den Mund gelegt, dass sich die Balken biegen und die Fußnägel aufrollen. Hier wurde scheinbar schon kräftig für die legendäre „Die 2“-Synchro geübt. Da macht es dann auch nichts, wenn selbst dann noch fröhlich weiter geblödelt wird, wenn die handelnden Personen schon lange wieder den Mund geschlossen haben. Die englische Version ist da um einiges zahmer.

Als Oberschurke agiert der jugoslawische Schauspieler Nikola Popovic, der zwar nicht das bösartige Charisma eines Bond-Schurken besitzt, aber seinen Job mit großer Hingabe verrichtet. Auf der weiblichen Seite gibt es ein Wiedersehen mit Maria Perschy, die man u.a. aus Horrorfilmen mit dem großartigen Paul Naschy kennt. Ferner spielt die fantastisch aussehende Bayerin Christa Linder eine prägnante Nebenrolle, die in vielen italienischen, spanischen und sogar mexikanischen Genrefilmen dabei war.

Die musikalische Untermalung übernimmt der Jugoslawe Mladen Gutesa , wodurch man – bis auf den bereits angesprochenen Titelsong – auf den typischen 60s Swing verzichten muss. Dafür schöpfen aber die Kostümbildner aus dem Vollen. O’Briens Privatarmee trägt fesche blonde Perücken und Leder, während die Perschy mit ihrer lila Perücke und einem engen Gold-Glitter-Anzug von einem anderen Stern gefallen scheint. Auch die unterirdische Festung könnte direkt aus einem James-Bond-Film stammen. Zugegebenermaßen aus einem sehr billigen James-Bond-Film.

„Kommissar X – Jagd auf Unbekannt“ ist ein flotter, schwer unterhaltsamer Streifen, der durch die „Berliner Synchronisation“ noch veredelt wird. Ein bunt-verspielter Spaß, bei dem James Bonds kleiner Stiefbruder voller Elan die Puppen zum Tanzen bringt.

Ich bin schon sehr gespannt auf die weiteren Filme der Serie, von denen fünf weitere in nächster Zeit bei Anolis erscheinen werden. Nur auf den letzten Film der Reihe, „Kommissar X jagt die roten Tiger“ von 1971, bei dem Harald Reinl Regie führte, muss man aus lizenzrechtlichen Gründen noch verzichten. Allerdings ist dieser vom  „Filmverlag Fernsehjuwelen“ angekündigt worden, für den Fall, dass die Rechte geklärt werden können.

Die DVD von Anolis ist, wie immer, liebevoll aufbereitet. Neben der deutschen Sprachfassung befindet sich noch die englische Tonspur auf der DVD. Dem Bild sieht man das Alter des Filmes leider z.T. deutlich an, was darin resultiert, dass manchmal der obere und untere Rand leicht verschwommen erscheint. Dieses Phänomen tritt aber nur sehr selten auf. Generell wirkt es aber, als seien unterschiedliche Master benutzt worden. Als Extras ist der deutsche Vorspann (für den Hauptfilm wurde der internationale, englische Vorspann genommen), sowie eine gut erhaltene Super8-Fassung dabei. Ein wie immer informatives und schön gemachtes Booklet von Jörg M. Jedner und Jo Steinbeck runden die feine Sache ab.

Die DVD erscheint in einer auf 1.200 Stück limitierten Auflage mit einer Sammlerbox und einer Bonus-Disc, welche die Dokumentation „Die X-Männer schlagen zurück“ (142 min.) enthält.

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