Das Bloggen der Anderen (02-09-19)

Sennhausers Filmblog berichtet von den Filmfestspielen in Venedig, während der allseits gepriesene „Joker“ Michael Sennhauser nicht überzeugen konnte, ist er voll des Lobes über „Marriage Story“ mit Scarlett Johansson und Adam Driver. Auch Hirokazu Kore-edas erster Film außerhalb Japans, der französische „La verité“ mit Catherine Deneuve und Juliette Binoche hat ihm mit kleinen Abstrichen sehr gut gefallen.

– Erstmals haben in diesem Jahr die Stummfilmtage in Bonn einen eigenen Blog, der von meinem guten Bekannten Elmar Podlasly befüllt wird. Seine Eindrücke vom Festival hat er hier festgehalten. Eine sehr interessante Lektüre mit einer Menge spannender Hintergrundinfos zu den Filmen.

– Das Berliner Arsenal-Kino zeigt eine Frank-Borzage-Retrospektive. Ein guter Grund für Robert Wagner den Regisseur auf critic.de noch einmal vorzustellen.

– Eine weitere Folge von Rainer Knepperges wundervollen Bild-Text-Essays auf new filmkritik: Auge und Umkreis (VI).

Der Kinogänger legt seinen Lesern den Stummfilmklassiker „Das Phantom der Oper“ ans Herz, welcher in der Arte Mediathek bis 31. Januar 2021 kostenlos abgerufen werden kann.

– André Malberg schreibt auf Eskalierende Träume über Cesare Canevari berüchtigten Naziploitation-Film „L’ultimo orgia del III Reich” und kommt zu dem Schluss: „In all seiner schonungslosen Abscheulichkeit ist “L’ultima orgia del III Reich” vor allem eins: Ein Appel dafür, den zu Opfern gewordenen nicht auch noch das Letzte zu nehmen – die Deutungshoheit über Erlebtes, Durchgemachtes, Vernarbtes.“

– Wir bleiben in Italien. Funxton hat Lucio Fulcis oftmals nicht besonders geliebten „Murderrock“ gesehen und stellt noch einmal dessen Meriten heraus.

– Oliver Nöding hat auf Remember It For Later einen ganz wunderbaren Text über James Francos „The Disaster Artist“ (und damit natürlich auch „The Room“) geschrieben.

– Ich muss ja zugeben, dass ich aus der „Puppet Master“-Reihe bisher nur Teil 1 kenne und den auch nicht besonders umwerfend fand. Auf „Puppet Master – Das tödlichste Reich“ bin ich aber seit ich die Titelmusik auf dem Fabio-Frizzi-Konzert in Hamburg hörte, neugierig. Und jetzt noch etwas mehr, nach der wohlwollenden Kritik auf Schlombies Filmbesprechungen.

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26. Internationales Filmfest Oldenburg: Weitere Filme und Tribute

Der nächste Schwung Filme wurde vom Internationalen Filmfest Oldenburg angekündigt und lässt das Herz schneller schlagen. Wenn nur die Hälfte der Filme die Versprechen, welche die Beschreibungen machen, einlöst, dann wird es ein ausgezeichnetes Festival.

Wie gehabt: Text aus der Pressemitteilung, Anmerkung in kursiv von mir.

Adamstown, Deutschland 2019, von Patrick Merz & Henning Wötzel-Herber
Adamstown ist Musik, Adamstown ist Comic. Adamstown ist die Verdammnis, Adamstown ist unsere Hoffnung. Und jetzt ist Adamstown auch ein Film. Patrick Merz und Henning Wötzel-Herber haben die gleichnamige Graphic Novel von der Hamburger Künstlerin Verena Braun für die Leinwand adaptiert und ein Cinemascope-Westernmusical im norddeutschen Flachland inszeniert. Das besondere daran: Der Film ist komplett ohne klassische Filmförderung entstanden. Produziert wurde der Film vom ABC Bildungs- und Tagungszentrum, der Hüller Medienwerkstatt und Directors-Cut. Beteiligt am Projekt waren Menschen mit und ohne Behinderung, Fluchtgeschichte ebenso wie Menschen verschiedener geschlechtlicher Identitäten, kulturellen und religiösen Hintergründen. Das Internationale Filmfest Oldenburg freut sich neben den Regisseuren nahezu das gesamte Ensemble zur Weltpremiere in Oldenburg willkommen zu heißen. – Ein interessanter Ansatz. Die zugrundeliegende Graphic Novel kenne ich leider bisher nicht, kann also auch nichts im Inhalt des Filmes sagen. Bei solchen Produktionen – so löblich sie auch sind – besteht ja aber auch immer die Gefahr des „zu viel gewollt“, was ich hier auch befürchten würde, wenn all die Themen, die in der Besetzung anklingen, auch in dem Film untergebracht werden sollen. Aber mal abwarten.

The Projectionist, Dominikanische Republik 2019, von José María Cabral
Eliseo ist ein mürrischer, hoffnungsloser Nostalgiker. Er lebt allein, und in der Erinnerung an eine vergangene, cineastische Welt. Mit seinem fahrenden Projektor reist er von Stadt zu Stadt, um das Kino zu den Menschen zu bringen. Seine größte Liebe gilt einer Frau – doch sie existiert nur auf körnigen, knisternden Filmrollen, die er nachts auf ein Bettlaken projiziert. Tausende Male hat er der schönen Fremden schon zugeschaut, mit ihr gegessen, mit ihr geschlafen. Als die alten Filmrollen durch einen Unfall zerstört werden, macht Eliseo sich auf die Suche nach der Unbekannten. EUROPAPREMIERE – Das klingt doch schon mal super. Ich meine aus der Dominikanischen Republik bisher auch noch keinen Film gesehen zu haben. Ist vorgemerkt.

Greener Grass, USA 2019, von Jocelyn DeBoer & Dawn Luebbe
In einer skurril-schrillen Vorstadthölle sind nicht nur die Pflanzen aus Plastik, auch die Bewohner versuchen sich mit viel Makeup und grellen Outfits zu optimieren. In ihrem blinden Bemühen um Geltung und Akzeptanz geschehen die absurdesten Dinge. Als eine der roboterhaften Nachbarinnen aus diesem Plastiktraum erwacht, entwickelt sich »Greener Grass« zu einer tiefschwarzen Komödie. DeBoer und Luebbe haben »Greener Grass« nicht nur produziert, sie sind auch in den Hauptrollen zu sehen, haben das Buch geschrieben und Regie geführt. Der Film ist eine der Festivalsensationen des Jahres, nach der Premiere beim Sundance Festival bringen die beiden ihr Werk nun nach weiteren Stationen in Locarno und Deauville nach Oldenburg. DEUTSCHLANDPREMIERE – Ich fühle mich bei der Beschreibung ja einerseits an „Stepford Wifes“ erinnert, andererseits an Tim Burtons Vorstadt-Alpträume seiner frühen Filme. Der Trailer geht allerdings in eine ganz andere Richtung und kommt recht absurd, aber auch überladen daher. Kann trotzdem spannend werden.

Patrick, Belgien 2018, von Tim Mielants
Patrick lebt mit seinen Eltern auf deren Nudisten-Campingplatz mitten in der belgischen Pampa. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt er dessen Geschäfte. Seine erste Amtshandlung: die Suche nach dessen kurz zuvor verschwundenen Lieblingshammer. Das kuriose Detektivspiel mit reichlich Situationskomik entwickelt sich schon bald zu einer Metapher der Trauer um seinen Vater und einer Sinnsuche im eigenen Leben. Als Patricks Hammer Werkzeug eines Verbrechens wird, überschlagen sich die Ereignisse. Tim Mielant gelingt eine Gradwanderung zwischen Slapstick, tiefgehenden Lebensfragen und sensiblen Beobachtungen. »Patrick« wurde beim Filmfest Karlovy Vary für die Beste Regie ausgezeichnet. DEUTSCHLANDPREMIERE – Wie ich beim letzten Mal schon schrieb, haben mich die belgischen Filme in Oldenburg immer wieder positiv überrascht. Auch dieser hier klingt sehr vielversprechend. Und der Regiepreis in Karlovy Vary ist ja auch nicht die schlechteste Empfehlung. Der Trailer verbreitet eine dunkel-melancholische Stimmung. Ich hoffe, ich bekomme den Film in meiner Planung unter.

Sequin in a Blue Room, Australien 2019, von Samuel van Grinsven
»Sepuin« ist der Künstlername eines 16-Jähirgen, der zur ersten Generation erwachsenwerdender Homosexueller gehört und im Zeitalter der Sozialen Medien und Netzwerke herausfinden will, wer er ist. Seine Eltern sind fürsorglich und sein Schulalltag ist unauffällig. In der digitalen Welt jedoch, in der sich diverse Möglichkeiten auftun, versinkt Sequin in Chat-Apps und wird schneller erwachsen, als es normal wäre: Immer eingeloggt – aber niemals emotional gebunden. Er fälscht sein Alter und ignoriert Bekanntschaften, sobald der Reiz verflogen ist. Er scrollt weiter. Als er auf einen geheimnisvollen Mann trifft, ändert sich das: Er ist entschlossen, den Fremden aufzuspüren und begibt sich in ein gefährliches Labyrinth. Samuel Van Grinsven gewann bei seiner Premiere im Juli beim Sydney International Film Festival den Publikumspreis. INTERNATIONALE PREMIERE – Ein Thema, welches mich sehr interessiert und beschäftigt. Die Frage ist, ob der Film jetzt mehr in die Thriller-Richtung, Coming-of-Age oder (wie ich hoffe) doch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Verlust der Realität in den sozialen Netzwerken geht. Bin gespannt.

The Science of Fiction, Indonesien 2019, von Yosep Anggi Noen
Indonesien in den 60ern: Inmitten eines Staatsstreichs und einem von der Welt verborgenen Genozid, stolpert Siman in ein im Wald verstecktes Filmset. Die verborgenen Dreharbeiten: die vorgetäuschte Mondlandung. Er wird gezwungen, sich die Zunge abzuschneiden, um seiner Verschwiegenheit gewiss zu sein. Traumatisiert baut er in seinem Garten eine Rakete nach und beginnt sich zu bewegen wie ein schwereloser Astronaut auf dem Mond. Ein Leben in Zeitlupe als Ausweg in eine bessere Welt. Zum 50ten Jahrestag der Mondlandung, in Zeiten, die mehr denn je mit „Fake News“ überflutet sind, kommt dieser wilde und intelligente Film des indonesischen Shooting Stars Yosep Anggi Noen gerade rechtzeitig. In Locarno erhielt Noen besondere Erwähnung der Jury. DEUTSCHLANDPREMIERE – Das klingt in der Tat wild. Auch den würde ich mir gerne ansehen. Wie ich überhaupt an dieser Stelle erwähnen möchte, dass mich bisher noch nie so viele Filme beim Internationalen Filmfest in Oldenburg im Vorfeld so stark angesprochen haben. Das kann ein ganz starker Jahrgang werden. Ich hoffe mal, damit schraube ich jetzt meine eigenen Erwartungen nicht zu hoch.

The Gasoline Thieves, Mexiko 2019, von Edgar Nito
Die mexikanische Provinz, in der Lalo aufwächst, ist alles andere als sicher. Die unbeschwerte Jugend des Jungen endet abrupt, als ihn die Suche nach der Gunst seiner Schulhofliebe in eine lokale Untergrundbande katapultiert. Während der Ölkrise lässt er sich von den „Huachicoleros“ in gefährliche nächtliche Raubzüge verwickeln, auf denen in den umliegenden Raffinierien das wertvolle Öl abgepumpt wird, um es auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. In seinem Spielfilmdebut verfolgt Regisseur Edgar Nito den verhängnisvollen Weg Lalos und zeichnet das Bild eines armen, gottverlassenen Landes. Beim New Yorker Tribeca Film Festival wurde Nito mit dem Best New Narrative Director Award ausgezeichnet. EUROPAPREMIERE – Klingt spannend. Wie schon anlässlich eines anderen Films bei den letzten Film-Vorstellung geschrieben, besteht immer die Gefahr der Glamourisierung der Armut. Aber in der Regel betrifft dies ja immer nur den Blick von außen und weniger Filme aus den betroffenen Ländern.

Bis die Welt einen Rand bekommt, Deutschland 2019, Daniel Bertram
Flos Vater liegt im Koma. Sie berührt seine Finger, flüstert ihm ins Ohr – doch: nie erlebt sie eine Reaktion. Ihre Mutter Julia muss sich derweil mit der schlimmsten aller Fragen auseinandersetzen, wann die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden. In ihrer Ohnmacht öffnet sie ihrem Kind den einzigen Ausweg aus der Situation, sie gewährt Flo die Schaffung einer Fantasie, die zunehmend zu einer Parallelwelt heranwächst: Ihr Vater ist ein Astronaut auf der Reise zum Mond. Mit spektakulären Sci-Fi-Bildern und tollen Darstellern bringt Daniel Bertram seine Geschichte ebenso bildgewaltig wie sensibel in fantastischer Farbpalette auf die Leinwand. WELTPREMIERE – Von diesem Film würde ich mir sehr viel versprechen. Höchstwahrscheinlich werde ich ihn mir aber aus persönlichen Gründen nicht anschauen, da das Thema Tod eines Elternteils und die Trauer der Kinder mich zu sehr berührt, und ich mich dem nicht unbedingt aussetzen möchte.

Des weiteren gibt es noch ein Tribute für den kürzlich verstorbenen und dem Filmfest Oldenburg in Freundschaft verbundenen Seymour Cassel („Minnie und Moskowitz“ von John Cassavetes, „In the Soup“ von Alexandre Rockwell und LeVar Burtons „Reach for Me“). Ebenfalls mit einem Tribute wird Autor, Filmemacher und Schauspieler Burkhard Driest gewürdigt (gezeigt werden „Die Verrohung des Franz Blum“, „Querelle“ und „Annas Mutter“.

Jetzt fehlt nur die Info, wem die diesjährige Retrospektive gewidmet ist. Da in der vergangenen Jahren immer wieder Filmemacher geehrt wurde, die man zwar irgendwo kannte, so nicht auf dem Schirm hatte , hoffe ich ich auch dieses Jahr mit einer spannenden Wiederentdeckung. Sobald raus ist, ob und wer es wird, werde ich hier davon berichten.

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DVD-Rezension: „Der Gang in die Nacht“

Der angesehene Mediziner Dr. Eigil Börne (Olaf Fønss) verfällt dem Charme der aufreizenden Revue-Tänzerin Lily (Gudrun Bruun Stephensen). Er löst seine Verlobung mit Helene (Erna Morena) und beginnt mit Lily ein neues Leben auf einer Insel. Eines Tages trifft ein blinder Maler (Conrad Veidt) auf der Insel ein. Dr. Börne ist fasziniert von dem jungen Mann und setzt sich in den Kopf, diesem durch eine Operation das Augenlicht wiederzugeben. Doch auch Lily interessiert sich für den gut aussehenden Blinden. Die Tragödie nimmt ihren Lauf….

Friedrich Wilhelm Murnaus ältester erhaltender Langfilm „Der Gang in die Nacht“ nimmt bereits einige Elemente seiner späteren Meisterwerke vorweg. Wer beispielsweise Conrad Veidts Darstellung des blinden Malers sieht, kommt nicht umhin, diese mit Max Schrecks grandioser Nosferatu-Interpretation zu vergleichen. Veidts expressives Spiel mit den Händen, sein extrem aufrechter Gang. Sein blinder Maler wäre ein perfekter Vampir gewesen. Die Geschichte vom sündigen Varieté-Mädchen, welches den achtbaren Arzt verführt und seiner braven Verlobten entreißt, erinnert an das verderbende Stadtmädchen, welches das anständige Landei in Murnaus einzigartigen Meisterwerk „Sunrise“ dazu bringt, beinahe zum Mörder seiner Angetrauten zu werden. „Sunrise“ wurde ebenfalls von Carl Meyer geschrieben, mit dem Murnau hier erstmals zusammenarbeitete. Meyer sollte einer der wichtigsten Mitarbeiter Murnaus in den nächsten Jahren werden. Zu den gemeinsamen Werken gehören neben „Der Gang in die Nacht“ und „Sunrise“ auch „Der letzte Mann“ und „Schloß Vogelöd“. Meyer, der auch „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mitschrieb, war einer der angesehensten Autoren der 20er und 30er Jahren. 1933 musste er vor den Nazis aus Deutschland fliehen und starb 1944 in britischen Exil an Krebs.

Heute kennt man von den Darstellern vornehmlich noch Conrad Veidt, der hier aber nur eine kleinere, wenn auch sehr prägnante Rolle einnimmt. Der eigentlich Star des Filmes ist aber der dänische Schauspieler Olaf Fønss, welcher Mitte der 10er Jahre große, internationale Berühmtheit erlangte. Allerdings neigt Fønss zu jenem stark expressionistischen Spiel, welches heute häufig bei Vorführungen vor einem nicht vorbereiteten Publikum zur Erheiterung beiträgt. Fønss ist sehr viel stärker, wenn er sich zurück nimmt, als wenn er sich in Verzweiflung hin und her wälzt. Denn Charisma und Persönlichkeit kann man dem attraktiven Fønss nicht absprechen. Auch seine Partnerin und Landsmännin Gudrun Bruun Stephensen spielt häufig für die letzte Reihe, was gerade in dramatischen Momenten, wie ihr von panischer Angst vor einem Gewitter dominierter wilder Tanz, besonders gut belegt. Das tut der Dramatik nicht besonders gut. Besonders auffällig ist dies im Vergleich zur schönen Erna Morena, deren zurückgenommenes Spiel so heute sehr viel eindrucksvoller erscheint. Auch Veidt spielt sich teilweise um Kopf und Kragen, jedoch kann man sein Schauspiel eher „artifiziell“ denn „theatralisch“ nennen. Seine eher düstere, melancholisch-tragische Gestalt, reiht sich nahtlos in seine Darstellungen des Caesar aus dem „Caligari“ oder der Titelfigur aus „Orlacs Hände“ ein.

Murnaus Inszenierung legt viel Wert auf Räumlichkeit. Immer wieder schafft er Einstellungen, welche eine dreidimensionale Tiefe haben. Gegenstände in den Vordergrund des Bildes gerückt werden, denen sich dann die Figuren aus der Tiefe des Raumes näheren. Damit bricht Murnau auch in jenen Szenen, die offensichtlich in Studio-Kulissen spielen, das Theaterhafte auf, welches noch einige Jahre zuvor die Filmästhetik dominierte. Besonders beeindruckend geraten ihm aber die Aufnahmen in der freien Natur, deren raue Schönheit wie ein weiterer Charakter in der tragischen Geschichte wirkt. Wie überhaupt jede Einstellung genau durch komponiert ist und das Maximum an dem herausholt, was die damalige Technik zuließ. Wenn Veidt im finsteren Raum auf das Resultat der Augenoperation wartet. Oder zunächst er, später dann Fønss in einem Boot auf die Insel übersetzen. Beide Vorboten des Unglücks. Veidt steif aufgerichtet, wieder wird der Gedanke an Nosferatu wach, Fønss gebrochen. So ähnlich und doch ganz anders wirken diese Bilder bei den über Beiden der Hauch des Unheils liegt. Murnau vertraut ganz der Macht der von ihm erschaffenen Bilder und bemüht sich unnötige Zwischentitel zu vermeiden. Drei Jahre später soll es ihm dann gelingen, mit „Der letzte Mann“ einen Film ganz ohne Zwischentitel zu drehen, der rein durch Bilder erzählt wird. Wieder nach einem Drehbuch von Carl Meyer.

Carl Meyer gelang dieses Kunststück allerdings bereits im gleichen Jahr, in dem auch „Der Gang in die Nacht“ gedreht wurde. Lupu Picks „Scherben“, ebenfalls nach einem Drehbuch von Meyer, und als zweiter Film in dieser schönen Edition enthalten, kommt bis auf einen als dramatischer Höhepunkt gesetzten Zwischentitel, vollkommen ohne Texttafeln aus. Wichtige Informationen werden rein über im Bild zu sehenden Nachrichten transportiert. Und dies gelingt ausgezeichnet. Wenn zum Beispiel die Tochter des Hauses die Treppen schrubbt und dabei ihr Blickt auf die langen, glänzenden Schaftstiefel des Bahninspektors fallen, braucht es keine Worte, sondern nur ein Blick in ihr Gesicht, um zu wissen was gerade geschieht und kurz darauf geschehen wird. Überhaupt charakterisiert Pick seine Figuren über ihre Kleidung, über ihre alltäglichen Verrichtungen und ihre Gesten. Der Film handelt von einem Bahnwärter, der mit seiner Frau und Tochter an einem abgelegenen Teil der Bahnstrecke wohnt. Eines Tages muss er für einige Tage einen Bahninspektor bei sich aufnehmen. Als dieser die Tochter verführt, bricht großes Unheil auf alle Beteiligten herein. Der Bahnwärter wird überraschend zurückgenommen von Dr. Caligari himself Werner Krauss gespielt. Überhaupt spielt die kleine Besetzung sehr natürlich. Lediglich Edith Posca, welche die Tochter des Bahnwärters spielt und im wahren Leben die Ehefrau des Regisseurs war, neigt dazu, sich in ihrem Spiel teilweise etwas zu stark zu engagieren. Das enge, klaustrophobische Bahnwärterhaus und die feindliche, eisige Natur draußen, bieten Metaphern auf das, was die Handlung treibt. Die Enge nimmt der Tochter die Luft zum Atmen und lässt in ihr den Wunsch wachsen, auszubrechen. Aber die Welt da draußen ist herzlos und unerbittlich. Weshalb nach einer Spielzeit von nur einer Stunde, alle Träume und eben auch die Sicherheit der Familie zerstört sind.

Wie immer liefert die Edition Filmmuseum ein Rundum-Sorglos-Paket. Neben dem wunderbar restaurierten „Der Gang in die Nacht“, wurde noch „Scherben“ auf einer separaten DVD dazu gepackt, was thematisch absolut Sinn macht. Leider wurde „Scherben“ nicht restauriert und fällt vom Bild gesehen natürlich deutlich gegen „Der Gang in die Nacht“ ab. „Der Gang in die Nacht“ besitzt zwei Tonspuren. Auf der einen befindet sich ein von Richard Siedhoff neu und speziell für diesen Film komponierter, sehr stimmiger Orchesterscore, dessen entstehen und auch ausführlich in dem halbstündigen Extra „Musik für Murnau“ gewürdigt wird. Die zweite Tonspur enthält den Score noch einmal als Klavier-only Version. „Scherben“ besitzt eine Tonspur mit einem Live-Mitschnitt einer Musikbegleitung von Christian Roderburg und dem Filmmusik-Ensemble der Musikhochschule in Wuppertal. Beide Filme können aber auch stumm abgespielt werden. Untertitel liegen in Englisch und französisch vor. Ferner gibt es ein wie immer sehr informatives, mehrsprachiges Booklet von 20 Seiten.

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Das Bloggen der Anderen (26-08-19)

– Ein wunderbares, sehr erhellendes Interview haben Lukas Foerster und Matthias Dell auf critic.de geführt. Thema: Cinephilie und „Filmerbe“. Recht Nürnberg-, bzw. Hofbauerkongress-lastig, aber das haben sich die Jungs da ja auch verdient.

– Katrin Doerksen beschäftigt sich auf kino-zeit.de anlässlich des Beginns der 76. Ausgabe das Internationale Filmfestival von Venedig in zwei Tagen, mit der gar nicht unproblematischen Geschichte dieses Festivals. Passend dazu lässt Daniel Moersener seinem Abscheu vor der Verarbeitung des Nationalsozialismus in den jüngeren deutschen Filmen freien Lauf.

– Manfred Polak beleuchtet auf Whoknows presents gewohnt detailliert den knapp eineinhalbstündigen Dokumentarfilm „498, 3rd AVE“ in dem Klaus Wildenhahn für den NDR im Frühsommer 1967 zwei Monate lang die Proben zu dem Tanztheater-Stück „Scramble“ begleitete.

– Sarah Schild schreibt auf Daumenkino über die Filmreihe „The Noir of Felix E. Feist“ beim Il Cinema Ritrovato 2019.

Charles Boyers erster Film „L’Homme du large – Ein Mann der See“ von 1920 steht im Mittelpunkt von Jenny Jeckes interessantem Essay auf the-gaffer.de

– Thomas Groh empfiehlt auf Logbuch Alex Proyas‘ YouTube-Kanal „Rebel Film School“.

– Anlässlich der Weltpremiere des Film „Prélude“ hat Oliver Armknecht von film-rezensionen.de auf dem Filmfest München 2019 ein Interview mit Hauptdarsteller Louis Hofmann geführt.  Und rechtzeitig zu seiner Wahl als deutscher Beitrag im Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film, hat Madeleine Eger über „Systemsprenger“ geschrieben. Und die Höchstnote verteilt.

– Ich mag ihn ja noch immer sehr und kann auch nicht verstehen, warum der Film damals so floppte. Auch Filmlichtung fragt sich, was bei „Last Action Hero“ damals schiefgegangen ist und plädiert für eine Neubewertung.

– Apropos Neubewertung: Als ich vor vielen, vielen Jahren (ich nehme an im frühen Teenie-Alter) „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“ im ZDF (?) sah, fand ich den ganz, ganz schlimm. Besonders die ungewohnte Synchronstimme von Peter Schiff stieß mir damals auf, von den Fürzen ganz zu schweigen. Nein, so richtig was damit anfangen konnte ich nicht und habe den Film seitdem immer gemieden. Vielleicht war ich aber auch einfach noch nicht reif für ihn. Das nehme ich zumindest aus Oliver Nödings sehr liebevollen Besprechung dieses Filmes auf Remember It For Later mit.

– Ein echter Geheimtipp: „Holiday“ von Isabella Eklöf. Sieht funxton auch so. Eher enttäuscht ist der dafür von Brian de Palmas neuem Film „Domino“.

– Auch Robert Wagner von critic.de kann „Domino“ nicht wirklich überzeugen. Aber er bemüht sich, dem Film auch gute Seiten abzugewinnen.

– Warum ausgerechnet „Freddy, die Gitarre und das Meer“ zu André Malbergs 100 deutschen Lieblingsfilmen zählt, kann man auf Eskalierende Träume nachlesen.

– Zum Schluss noch ein Tipp von Schlombies Filmbesprechungen: Sehr Euch „Die Jungfrau und das Ungeheuer“ von Juraj Herz an!

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Das Bloggen der Anderen (19-08-19)

– Gerade ging das Filmfestival in Locarno zu Ende. Wer welche Preise gewonnen hat, kann man auf Sennhausers Filmblog nachlesen. Dort findet man auch seine Eindrücke vom Gewinnerfilm „Vitalina Varela“ von Pedro Costa und vielen anderen. Für critic.de berichte Olga Baruk aus Lorcano.

– Noch einmal critc.de Dort wird die tolle Reihe über den Filmemacher Eckhart Schmidt mit einem ausführlichen Interview fortgesetzt, welches Ulrich Mannes und Hans Schifferle mit Schmidt führten.

– Christian Neffe schreibt auf kino-zeit.de über das aufregende Kino der Weimarer Republik (leider als Klick-Strecke). Und Katrin Doerksen nimmt sich des spannenden Themas jener drei Spielfilme an, die von der DEFA produziert wurden und sich konkret mit dem Bau der Berliner Mauer auseinandersetzten.

– Markus Haage schreibt auf Neon Zombie über das schwierige Verhältnis zwischen Hollywood und China und den Freiheitskampf in Hongkong.

– Thomas Groh verweist auf seinem Logbuch auf die flickr-Seite von Heinrich Klaffs, wo dieser zahlreiche Fotos von den Dreharbeiten zu Lemkes „Rocker“ veröffentlicht hat.

– Sebastian beschäftigt sich auf Magazin des Glücks mit den frühen Filmen von Miloš Forman.

– Andreas Eckenfels schreibt auf Die Nacht der lebenden Texte über ein fast vergessenes Kleinod der 90er Jahre: „Die phantastische Reise ins Jenseits“.

– Lustiger Zufall. Gerade habe ich „Das Feuerschiff“ des von mir hochgeschätzten Jerzy Skolimowski in den virtuellen Einkaufswagen gepackt, da erscheint auf film-rezensionen.de eine Kritik dazu von Rouven Linnarz, der sich hochgerade begeistert von diesem Film zeigt. Dann muss ich jetzt wohl mal auf „Bestellen“ drücken.

– Sehr zufrieden zeigt sich auch funxton über den neuen Film von Shooting-Star S. Craig Zahler: „Dragged Across Concrete“.

– Ebenfalls sehr lobende Worte findet Schattenlichter für Richard Stanleys vielgeliebten „Dust Devil“.

– Oliver Nöding hat sich auf Remember It For Later durch die „Hangover“-Reihe geschaut und sich dann durch einige 80er-Billig-Slasher geschaut, wo er mit „Bloodbeat“ sogar eine Empfehlung für Freunde des Bizarren gefunden.

– Kein Film, sondern eigentlich eine Amazon-Serie, aber dann auch wieder was ganz anderes. Noch habe ich Nicholas Winding Refns „Too Old To Die Young”-Serie mit Folgen in teilweise Spielfilmlänge (10 Folgen = 13 Stunden) nicht gesehen, doch das Echo in meinem Bekanntenkreis war sehr positiv und auch Flo Lieb von symparanekronemoi ist fasziniert.

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26. Internationales Filmfest Oldenburg: Die ersten Filme sind angekündigt

Dieser Moment, auf den ich mich jedes Jahr freue. Wenn die ersten Filme für das Intentionale Filmfest Oldenburg bekannt geben werden. Wie immer habe ich mich sofort auf die Pressemitteilung gestürzt und im Kopf schon die ersten Pläne geschmiedet. Besonders freue ich mich schon auf „Jesus shows you the way to the Highway“, der sehr vielversprechend klingt. Auch „Cuck“ und „Mother’s Instinct“ belegen meiner persönlichen „Guck-Liste“ vordere Plätze. Aber auch „Magnetick Pathways“ und „In full bloom“ haben mein Interesse geweckt. „Tito“ klingt interessant, aber der Verweis auf den großartigen Klassiker „Ekel“ macht mich skeptisch. Warten wir es mal ab. Gänzlich uninteressant finde ich schon mal keinen der bisher vorgestellten Filme.

Wie im letzten Jahr übernehme hier mal die Texte aus der Pressemitteilung und versehe sie in kursiver Schrift mit meinen Anmerkungen.

CUCK, USA 2019, von Rob Lambert
In Lamberts Debütfilm wird die kollektive Wut der isolierten, entrechteten Einzelgänger, denen ein paranoides und zerrissenes Amerika der Trump Ära ihren Nährboden bereitet, durch den einfühlsamen Protagonisten Ronnie verkörpert (mit einer bemerkenswerten Leistung von Zachary Ray Sherman, der 20 Kilogramm für die Rolle eines frustrierten Arbeitslosen zunahm). In der Einöde von Van Nuys, unter dem Dach seiner besitzergreifenden Mutter (gespielt von der Oscar nominierte Sally Kirkland) lebend, sucht Ronnie einen Ausweg aus seiner anonymen Existenz – als rechtsextremer Blogger auf Youtube. Vom verlorenen Jungen zum einsamen Amokschützen – „Make America Great Again“ könnte nicht schwärzer und nicht aktueller sein. INTERNATIONALE PREMIERE – Klingt sehr spannend und das Thema des rechtsradikalen Amokläufer ist auch eins, welches im US-Film bisher nicht aufgegriffen wurde. Zumindest nicht aus der Perspektive des Täters. Ein wichtiges Thema.

Jesus shows you the way to the Highway, Estland/ Äthiopien 2019, von Miguel Llanso
Nach seinem gefeierten Debüt »Crumbs« (2015) legt Miguel Llanso erneut einen surrealer Mindfuck-Thriller vor, der von der Kritik als »Matrix on Acid« beschrieben wurde. Die Handlung: Die CIA-Ermittler Palmer und Gagano (mit Masken von Robert Redford und Richard Pryor getarnt) sind mit der Aufgabe betraut, einen gefährlichen Computervirus namens „Sowjetunion“ zu zerstören. Mittels Virtual Reality gelangen sie in das System – doch die Mission stellt sich als eine Falle heraus: Der Virus ist wesentlich komplexer als zuvor erwartet und steht in direkter Verbindung zu dunkelsten Sphäre der Macht. Ein verrückter, unerschrockener Cocktail aus B-Movie und surrealem Kino, ein ultimatives Vergnügen für Genießer des Absurden, das unerschrocken tradierten Genrekonventionen trotz und seinem Macher Kultstatus verleiht. DEUTSCHLANDPREMIERE – Das kann ganz großartiges, freidrehendes Anarchokino werden oder ganz großer, verkrampft gewollter Mist. Ich glaube dazwischen gibt es nicht viel. Ich bin optimistisch und habe den Film ganz oben auf meine Guck-Liste geschrieben.

Mothers‘ Instinct, Belgien 2018, von Oliver Masset-Depasse
Der Psychothriller ist eine Adaption des Romans »Derrière la haine« (Behind the Hatred) der belgischen Bestsellerautorin Barbara Abel. Alice und Céline leben in den 60er Jahren in einer heilen bürgerlichen Welt: Sie sind Nachbarn, beste Freundinnen und Mütter. Das ändert sich, als Celines Sohn Maxime aus dem Fenster seines Kinderzimmers stürzt und stirbt. Obwohl Alice, die das Geschehen beobachtete, Maxime nicht retten konnte, bringt diese Tragödie die Nachbarschaftsidylle komplett aus der Balance. Misstrauen und Neid bestimmen Celines Denken und blind vor Schmerz ist ihr Alices Sohn Theo von nun an ein Dorn im Auge. Wie einen guten Hitchcock Thriller entfaltet Olivier Masset-Depasse seine elegante, toxische Story. Inzwischen hat sich Hollywood die Remake-Rechte gesichert, indem sich niemand Geringeres als Jessica Chastain und Anne Hathaway dieses teuflische Duell zweier Freundinnen erneut liefern werden. DEUTSCHLANDPREMIERE Belgische Filme haben mich in Oldenburg bisher nie enttäuscht. Im Original heißt der Film „Duelles“ und der Trailer verspricht eben dieses Duell zwischen zwei Frauen und eine Rachegeschichte. Sieht gut aus.

Magnetick Pathways, Portugal 2019, von Edgar Pêra
Edgar Pera ist der unbekannte Meister des portugiesischen Kinos. Mit »Magnetick Pathways« gelingt ihm ein großer Wurf des psychedelischen Kinos, in dem er den wunderbaren französischen Charakterdarsteller Dominique Pinon auf eine 24-stündige Reise durch eine entmenschlichte, autoritäre Welt schickt. Seine 21-jährige Tochter heiratet einen aalglatten, machthungrigen älteren Mann und nur er scheint hinter der sorglosen Jubelfassade das Unglück seiner Tochter vorherzusehen. Eine Tour de Force für Pinon und eine Inszenierung, die zwischen Avantgarde und großem Drama in atemberaubenden Bildkompositionen überwältigt. DEUTSCHLANDPREMIERE – Die artifiziellen Neon-Bilder aus dem Film sehen absolut toll aus und Dominique Pino sehe ich immer gerne. Dazu noch diverse Gewinne bei Festivals. Aber auch eine Durchschnittsbewertung von nur 4,0 in der IMDb. Mal schauen.

MOOP, USA 2019, von Arin Crumley
Die surreale, bewusstseinserweiternde Kulisse eines einwöchigen Kunstfestivals in der Wüste liefert den Background für Arin Crumleys zweiten Spielfilm. »MOOP« (Abkürzung für „Matters out of Place“) ist eine Explosion von Bildern und Ideen in einer atemberaubenden Wüstenlandschaft. Der Film vereint dokumentarisches mit Erzählung, das Authentische mit dem Absurden und kreiert ein einmaliges Erlebnis, das Fragen aufwirft: Was ist Liebe? Was ist real? Und wo zur Hölle ist das Dixiklo? Crumley hat 10 Jahre an diesem Film gearbeitet, mit dem er seine Zuschauer jetzt so authentisch wie noch nie zuvor in die Magie des „Burning Man“ Festivals eintauchen lässt. WELTPREMIERE Hier ist es fast andersherum. 9,2 (!) in der IMDb, wieder tolle Bilder – aber die Geschichte (noch einmal die IMDB: „A hopeful romantic tries to hold onto a failing relationship with her playful but detached boyfriend. A sexually-repressed hitchhiker on a quest for enlightenment finds love in a broken dreamer“ spricht mich irgendwie überhaupt nicht an. Das kann in Verbindung mit der „surrealen, bewusstseinserweiternden Kulisse eines einwöchigen Kunstfestivals in der Wüste“ auch ziemlicher Selbstfindungs-Kitsch werden. Werde ich aufgrund der oben genannten Argumente aber trotzdem im Blick behalten.

“Flucht durchs Höllental” DT 14 Bild 150 Klaus Burg (Hans Sigl) Georg Wendt (Christian Redl) Foto © Bernd Schuller Tel: 0049-171-1934908

Flucht durchs Höllental, Deutschland 2019, von Marcus O. Rosenmüller
Ein deutscher Abenteuerfilm, ein Bergdrama, ein atemloser Thriller. Hans Sigl spielt den Anwalt Berg, der unversehens in eine Geschichte rutscht, die Beruf und Privatleben gefährlich ineinander verquickt. Seine Tochter wird entführt, ein Klient taucht unter und ein geplantes Wochenende in den Bergen mit dem vernachlässigten Kind wird zu einer Verfolgungsjagd ins Höllental, bei der bald nicht mehr klar ist, wer auf der richtigen und wer auf der falschen Seite steht. Mit Marleen Lohse und Christian Redl bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt, kann Hans Sigl zeigen, dass er sich auch meilenweit von der heilen Welt seiner Paraderolle des Bergdoktors prächtig präsentieren kann. VORPREMIERE – Ein Thriller aus deutschen Landen und dann noch mit so einem schönen Groschenheft-Titel.. Da ist meine Neugierde geweckt. Allerdings ist das hier lediglich ein TV-Film und Regisseur Markus O. Rosenmüller ein TV-Veteran, der mir bisher noch nirgendwo groß aufgefallen ist. Höchstens als Co-Regisseur des im Giftschrank verschwundenen „Nick Knatterton“-Films.

Wir wären andere Menschen, Deutschland 2019, von Jan Bonny
Mit »Wintermärchen« hat Jan Bonny im vergangenen Jahr bewiesen, dass er einer der spannendsten deutschen Filmemacher ist. Sein Blick auf den Rand der Gesellschaft und seine innerlich zerrissenen Figuren machen Bonnys Kino ebenso unbequem wie faszinierend. Mit »Wir wären andere Menschen« erzählt er die Geschichte von Rupert Seidlein, der als 15-Jähriger mit ansehen musste, wie seine Eltern und sein bester Freund von zwei Polizisten erschossen wurden. Die Beamten erhielten einen Freispruch. 30 Jahre später kehrt er mit seiner Frau in seinen Heimatort zurück. Die Grenzen zwischen Erlösung, Versöhnung und der unstillbaren Sehnsucht nach Rache geraten ins Wanken. VORPREMIERE – Auch Jan Bonny kommt vom TV, hat dort aber einige Interessante Polizeirufe und einen Borowski-Tatort gedreht und macht jetzt bei der zweiten Staffel der Netflix-Serie „The Horror“ mit. Mal sehen. Die Geschichte klingt schon mal gut.

In full Bloom, USA 2019, von Adam Villasenor & Reza Ghassemi
Die Schauspieler Tyler Wood und Yusuke Ogasawara spielen in »In Full Bloom« zwei Männer in der politisch angespannten Nachkriegszeit auf einer Reise zu sich selbst. Wood charakterisiert Clint Sullivan, einen heruntergekommenen Boxer aus den USA, der in einem fragwürdigen Kampf gegen den japanischen Boxchampion (Ogasawara) antreten soll. Der Zuschauer folgt den beiden Männern auf ihrem eigenen, innerlichen Kampf: physisch, mental, emotional und spirituell. WELTPREMIERE – Mit Boxfilmen kann man nicht so viel falsch machen, auch wenn der Fokus hier laut Inhaltsangabe auf dem Seelenleben der Kontrahenten liegt. Wobei die IMDb den Film unter „Action, Crime“ listet. Da kann ich mir noch gar kein Bild machen. Die Filmstills sehen aber vielversprechend aus.

Cat Sticks, USA 2019, von Ronny Sen
In »Cat Sticks« verarbeitet Ronny Sen ein Thema, das während seines Aufwachsens in Kalkutta allgegenwärtig war: Er verlor Freunde und Bekannte an die süchtig machende Droge Brown Sugar. Die Schauspieler Tanmay Dhanania, Sumeet Thakur, Joyraj Bhattacharya verkörpern eine Gruppe von Drogenabhängigen, die in einer regnerischen Nacht in Kalkutta auf der Suche nach dem permanenten Rausch sind. »Cat Sticks« feierte seine Premiere im Januar 2019 auf dem Slamdance Film Festival. EUROPAPREMIERE – Filme, die um Drogenabhängigkeit kreisen, sind nicht ganz so meins. Von der Inhaltsangabe her erwarte hier auch definitiv keinen fröhlichen, sondern eher einen zutiefst deprimierenden Film. Im schlimmsten Falle Armuts-Pornographie. ABER.. der Trailer sieht toll aus! Darum kommt der mit auf die Liste.

Tito, Kanada 2019, von Grace Glowicki
Die beim Sundance Festival mit einem Jurypreis ausgezeichnete kanadische Darstellerin Grace Glawocki spielt in ihrem Regiedebüt »Tito« einen jungen, verängstigten Mann, dessen Angstvisionen ihm ein normales Leben komplett verbauen. Wie einst Catherine Deneuve in Polanskis »Ekel« kann Tito nicht aus seiner selbst erbauten Falle ausbrechen, er ist wie gelähmt vor Angst, sobald er sich aus seinen vier Wänden herausbegibt. Als Titos Nachbar wie ein unerwünschter Eindringling in sein Leben tritt, kommt so etwas wie Hoffnung auf normale soziale Beziehungen auf. Aber der Weg zurück ins Leben ist steinig. Glawocki erzählt mit viel Rafinesse eine Geschichte um sexuelle Gewalt und Traumata und die Entscheidung, ihre Hauptfigur zu einem Mann zu machen, erweist sich als ebenso kühner wie kluger Schachzug. INTERNATIONALE PREMIERE – Bin zwiegespalten. Das klingt soweit ganz gut, aber kann auch schnell in üble Coming-Out-Klischés und selbstverliebter Nabelschau enden. Zudem bin ich immer vorsichtig, wenn ein Film mit einem meiner Lieblingsklassiker verglichen wird. Das geht meistens nach hinten los.

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 33 erhältlich

Schon wieder einige Zeit erhältlich: Die neue Ausgabe des „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“. In der Nummer 33 dreht sich im Titelthema einmal alles um „Kinderstars“. Da ich selber mit meinen beiden eigenen „Kinderstars“ gut ausgelastet bin, habe ich dort einmal eine kreative Pause eingelegt. Stattdessen habe ich mich mal wieder um die Kolumne „Operation Europloitation – Todesgrüße vom Mittelmeer“ gekümmert und mich dem interessanterweise eher unbekannten, französischen Mystery-Thriller „Das brennende Gericht“ gewidmet. Immerhin mit Starbesetzung: Neben dem „real life“-Traumpaar Walter Giller/Nadja Tiller ist auch die wunderbare und leider kürzlich verstorbene Edith Scob, sowie Jean-Claude Brialy mit von der Partie. Inszeniert wurde der Film von „Don Camillo“-Regisseur Julien Duvivier. Mehr zum Film dann im Heft.

Heft #33 kann man HIER für € 4,50 zzgl. Versand beziehen.

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„Finding Planet Porno“ – Crowdfunding-Aufruf für einen Dokumentarfilm über Howard Ziehm

Mit Crowdfunding-Projekten ist das immer so eine Sache. Früher habe ich hier häufiger mal auf interessante Projekte hingewiesen. Nachdem ich aber selber ein paar Mal enttäuscht wurde, habe ich damit eigentlich aufgehört. “Eigentlich”, weil ich ab und an noch einmal eine Ausnahme mache. Zum Beispiel, wenn ich den Initiator kenne und von seinen lauteren Absichten überzeugt bin. Aber natürlich muss mir „die gute Sache“ dann auch gefallen. Bei Christian Genzel ist es ein Dokumentarfilm an dem er schon längere Zeit arbeitet, und von dem er mir schon vor einiger Zeit erzählt hat.

Der Dokumentarfilm heißt „Finding Planet Porno“ und ist ein Porträt des amerikanischen Filmemachers Howard Ziehm (bekannt durch „Flesh Gordon“) und seines langjährigen Kampfes gegen die Prüderie. Ich zitiere mal die Kickstarter-Seite:

Der Dokumentarfilm FINDING PLANET PORNO erzählt die Geschichte eines Mannes, der ein bewegtes und abenteuerliches Leben geführt hat: Der Regisseur Howard Ziehm drehte 1970 mit MONA THE VIRGIN NYMPH den ersten Porno-Langfilm, der in Amerika einen Kinovertrieb bekam, und schuf 1974 mit dem Kultfilm FLESH GORDON eine Science-Fiction-Sexparodie, an der die Special-Effects-Zauberer späterer Klassiker wie STAR WARS, STAR TREK, JURASSIC PARK und MEN IN BLACK ihre ersten Sporen verdienten. Er spielte in einer Rockband, betrieb einen Folk-Club, brachte eine Comic-Sammlung heraus und verdingte sich (nicht sehr erfolgreich) als Drogenschmuggler. Sein Los-Angeles-Kino The New Beverly wurde 2007 von einem Fan gekauft: Quentin Tarantino!

FINDING PLANET PORNO ist keine Porno-Dokumentation, sondern die Geschichte eines ungewöhnlichen Pioniers und Abenteurers. Der Film erzählt von einer Zeit, in der mit der Gegenkultur und der sexuellen Revolution massive gesellschaftliche Umbrüche stattfanden. Wir erleben diese Zeit durch einen originellen Protagonisten, der sie wie kein Zweiter erlebt hat – und suchen gleichzeitig danach, was eigentlich davon übrig geblieben ist.

Christian arbeitet schon seit längerem an dem Film und hat dafür auch eine kleine Förderung von der Stadt und dem Land Salzburg bekommen. Allerdings reicht diese nicht, um den Film so zu gestalten, wie er es wünscht. So möchte er gerne noch mehr Menschen interviewen, die mit Howard Ziehm zusammengearbeitet haben. Das kostet aber Geld, da die Herrschaften in den USA sitzen – und da muss man mit seiner Crew ja erst einmal hinkommen. Deshalb benötigt er Geld. Ganze 12.000 Euro. Und dafür braucht er uns! Auf dieser Kickstarter-Seite kann man Christian unterstützen. Die Belohnungen für eine Spende reichen von Download-Links bis hin zu signierten Fotobüchern. Ich persönlich finde die Variante „Cosmic Cheerleader“ am reizvollsten, da man hier für einen Unterstützungs-Betrag von 50 Euro die Blu-ray des Filmes erhält (neben Danke-Credits und einem Downloadlink). Wie man sieht – ein Schnäppchen kann man so zwar nicht machen, aber darum geht es ja auch gar nicht. Sondern darum, dieses Projekt zu unterstützen. Und so denken scheinbar viele, da schon nach weniger als 48 Stunden über 10% der Summe zusammengekommen ist. Ich bin gespannt, wie es mit „Finding Planet Porno“ weiter geht.

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Blu-ray-Rezension: „The Friendly Beast“

Im Restaurant La Barca möchte man langsam schließen. Doch noch sitzt ein letzter Gast über seinem Essen und zum Verdruss des Personals kommt noch das angeschickerte, aber zahlungskräftige Pärchen Bruno (Jiddu Pinheiro) und Verônica (Camila Morgado) durch die Tür und verlangen bedient zu werden. Restaurantbesitzer Inhaber Inácio (Murilo Benício) setzt sein freundlichstes Gesicht auf, befiehlt seinem maulenden Personal zu bleiben, was zu Spannungen zwischen ihm und dem ohnehin schon genervten Koch Djair (Irandhir Santos) führt. In dieses explosive Gemisch platzen plötzlich zwei maskierte Räuber mit Pistolen. Sie verlangen die Tageseinnahmen und beginnen Verônica und die Inácio treu ergebene Kellnerin Sara (Luciana Paes) sexuell zu attackieren. Doch dann nimmt das Szenario plötzlich eine unerwartete Wendung…

Wer schon einmal im Dienstleistungsgewerbe oder Verkauf gearbeitet hat, der kennt das. Der ersehnte Feierabend rückt näher, man ist gedanklich schon im Bett oder zumindest raus aus dem Hamsterrad, da schneit in letzter Sekunde noch ein Gast/Kunde rein und macht die schöne Aussicht auf ein baldiges Arbeitsende zunichte. Minuten dehnen sich unendlich und die Ungeduld wächst, trotzdem muss man eine gute Mine zum nervigen Spiel machen.

Dies ist auch die Ausgangssituation in Gabriela Amarals „The Friendly Beast“. Alle wollen nach Hause, doch das eklige Yuppie-Pärchen benimmt sich als gehöre ihm der Laden und alle darin. Doch man bleibt freundlich. Aber hinter der lächelnden Fassade regt sich das Biest. So wie der Titel es verspricht. Die brüchige Zivilisation hält alles noch zusammen, aber wehe, wenn die Maske fällt. Dann bricht sich das Biest seine Bahn. Wer es nicht glaubt, der kann ja mal die Kommentarspalten bei Spiegel Online oder der einer beliebigen Tageszeitung lesen. Der nackte Mensch, der sich ganz seinen niedrigsten Empfindungen, seinem aufgestauten Hass und seinem egozentrischen Weltbild hingibt ist das pure Grauen. Wenn sich Inácio in „The Friendly Beast“ seiner freundlichen Maske entledigt und alle zivilisatorischen Schranken niederreißt, dann ist es da: Das Biest, welches nur noch sich selbst kennt und alle anderen seiner eigenen Person unterordnet. Mit allen Konsequenzen.

Regisseurin Gabriela Amaral exerziert den Zerfall von Zivilisation und Macht desjenigen der die (Waffen)Gewalt sein eigen nennt, auf kleinstem Raume durch. Niemals verlässt die Kamera das kleine Restaurant, alles eskaliert in der Enge des Gastraums, der Küche, ein paar Gängen, der Toiletten. Ein eigener Kosmos in dem die Gäste zunächst wie Fremdkörper, wie Eindringlinge wirken, die das sowieso schon fragile Gebilde der Angestellten noch mehr ins Wanken bringen. Da ist auf der einen Seite der Besitzer der Bar. Inácio (dessen Aussehen mich entfernt an Glenn Danzig erinnert) spielt ihn als ruhig lächelnden Vulkan vor dem Ausbruch. Einmal telefoniert er mit seiner Frau, deren Beschimpfungen (man hört sie nicht, sondern ist ganz auf Inácios Reaktionen angewiesen) er mit sanften Beschwichtigungen pariert. Nur um dann nach dem Auflegen in einem Akt plötzlicher Gewalt den Seifenspender von der Wand zu schlagen. Danach informiert er seine Kellnerin auf dieselbe unaufgeregte Weise mit der er vorher sein Telefonat geführt hat, dass jemand den Seifenspender beschädigt habe. So möge sich doch bitte darum kümmern. Inácio ist manisch auf sein Restaurant fixiert und definiert sich als Person ganz über dessen Erfolg, Entsprechend traumatisiert ist er von einem früheren Überfall, der für ihn offensichtlich eine gewaltsames Eindringen in sein Innerstes, seine Seele war – ein Art der Vergewaltigung war. Als sich dies nun wiederholt, die Täter nicht nur Geld wollen, sondern auch seine Gäste (von denen er annimmt, sie könnten seinem Restaurant nutzen) sexuell drangsalieren, reicht dies aus, um Bestie aus ihrem Versteck zu befreien.

Inácios Schutzpanzer fällt. Er will sich rächen, es allen zeigen: Den Tätern, die seinen Traum von einem erfolgreichen Restaurant zerstören und in seinen Rückzugsort eindringen. Den Gästen mit ihren unverschämten Forderungen, die auf ihn hinab blicken und deren Launen er hilflos ausgeliefert ist – so denn er eine gute Bewertung bekommen möchte. Und dem Koch, den er schon lange verdächtigt einen geheimen Krieg gegen ihn und sein Restaurant zu führen. Ihn allen zeigt er es. Er, der immer nur sein freundlichen Gesicht zeigen darf und der sich doch von allen angegriffen und bedroht fühlt: Seiner Frau, dem Koch, den Gästen, den kriminellen Eindringlingen.

Ihm zur Seite wird die interessanteste Figur des Filmes gestellt: Die Kellnerin Sara, kongenial gespielt von Luciana Paes. Von der ersten Sekunde liest man in ihrem Gesicht ihre ganze Geschichte. Unzufrieden mit sich und ihrer Umwelt. Feststeckend in einem Job, den sie hasst. Indem sie sich jeden Tag verbiegen muss und ebenfalls eine Maske aufziehen. Auch sie ist ein „friendly beast“ hinter dessen Fassade Abgründe lauern. Als die Situation eskaliert muss sie sich entscheiden :Solidarität mit den Opfern oder ein Pakt mit der Macht. Mit demjenigen, der diese aufgrund der Waffe in seiner Hand ausüben kann. Derjenige, der sie ebenfalls ermächtigen kann. Sie entscheidet sich für letzteres, wird aber nicht selber mächtig, sondern weiterhin unterdrückt von dem Mann mit der Waffe. Doch die Ausnahmesituation im Restaurant lässt sie wachsen, ihre innere Stärke finden, Entscheidungen treffen. Am Ende wird sie mächtiger sein als der Typ, der die Befehle gibt. Sie wird sich mit allen Konsequenzen nehmen, was sie will. In einer der bizarrsten Sexszenen der letzten Jahren wird sie neu geboren, übernimmt die Kontrolle, arbeitet ihren Frust ab. Ermächtigt sich selber. Und dafür braucht sie keine Waffe. Man muss hier an Eckhart Schmidts „Der Fan“ denken, der eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Ein direkter Vergleich wäre interessant,

Neben Murilo Benício und Luciana Paes ist es vor allem der wunderbare Irandhir Santos, welcher den Film trägt. Als offen homosexueller Koch Djair scheint er für den betont maskulinen Inácio von Grund auf eine Gefahr darzustellen. Immer wieder verdächtigt …ihn, hinter dem Überfall zu stecken. Oder sein Restaurant sabotieren zu wollen. Und in einer der prägnantesten Szenen kommt es noch zu einer symbolischen Kastration, mit der Inácio Djair seiner sexuellen Macht berauben will. Diese Angst Inácios dass seine Männlichkeit in Frage gestellt wird von diesen „weibischen“ Wesen ist eine weitere Ebene, auf der „The Friendly Beast“ operiert.

Bildstörung hat mit „The Friendly Beast“ endlich die Nummer 033 seiner Drop-Out-Reihe veröffentlicht. Und dies in gewohnt hoher Qualität und mit viel Liebe. Das Bild ist gewohnt gut, der Ton räumlich und lebhaft. Eine Synchronisation gibt es nicht, der Film liegt auf Portugiesisch mit deutschen Untertiteln vor. An Extras wurde nicht gegeizt. Auf der Blu-ray enthalten sind zwei Kurzfilme von Gabriela Amarala Almeida. In „Die helfende Hand“ (19 Minuten), einem seltsamen Albtraum von einem Kindergeburtstag, gibt es ein Wiedersehen mit der Luciana Paes, der Darstellerin der Sara. In dem mit 25 Minuten etwas längeren „Keine Bewegung!“, übt Almeida das Spiel mit unterschwelliger Bedrohung und subtilen Andeutungen, wenn ein schwangeres Kindermädchen an ein seltsames, kleines Mädchen gerät. Ferner gibt es noch einen Audiokommentar der Regisseurin (auf Portugiesisch mit dt. Untertiteln) und ein hochinteressantes, 20-seitiges Booklet mit Texten von Kat Ellinger und Shelagh Rowan-Legg.

Der nur über den Bildstörung-Shop erhältlichen Limited Edition liegen neben Blu-ray und DVD auch eine Soundtrack-CD bei, auf der man Rafael Cavalcantis wunderbar dichte und bedrohliche Synthie-Musik noch einmal auf der heimischen Stereo-Anlage genießen kann.

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Das Bloggen der Anderen (22-07-19)

– Die Produzenten-Legende Artur Brauner starb im stolzen Alter von 100 Jahren. Katrin Doerksen blickt auf kino-zeit.de auf seine Karriere zurück (Achtung: Klick-Strecke).

– Noch einmal das wunderbare Festival Il Cinema Ritrovato. Diesmal aus der Sicht von Thomas Ressel von Daumenkino, der sich die Reihe „We Are the Natives of Trizonia’: Inventing West Germany Cinema, 1945-49” angesehen hat.

– Sophie Charlotte Rieger interviewt auf Filmlöwin Anna de Paoli und Joya Thome über deren Projekt „Film macht Schule“.

– Thomas Groh weist auf seinem Logbuch auf zwei spannende Radio-Features mit und über Klaus Lemke hin.

– Gewohnt ausführlich und höchst informativ hat sich Manfred Polak auf Whoknows presents den ausgesprochen merkwürdigen und mir schon von mehreren Seiten empfohlenen „Born of Fire“ von Jamil Dehlavi vorgenommen.

Filmlichtung verweist auf einen spannenden Artikel über „Etruskischen Horror“ auf der Seite Fantastische Antike, die sich auf Antikenrezeption in Science-Fiction, Fantasy und Horror spezialisiert hat und hiermit empfohlen ist. Der Gastbeitrag der französischen Doktoranwärterin in Kunstgeschichte Julie Labregère (auf Deutsch übersetzt vom Blog-Betreiber) ist gerade vor dem Hintergrund des im September anstehenden Deliria-Italiano-Treffens in Hamburg und dem 35mm-Screening von „Das Geheimnis des Gelben Grabes“ sehr interessant.

– Ebenfalls sehr detailliert und nachdenklich nähert sich Artjom Tom Klester auf Das Tagebuch der EuleAmbivalenz und Rassismus – Das moralische Labyrinth von Dragged Across Concrete (2019)“.

– André Malberg mit einer weiteren Solo-Show auf Eskalierende Träume. Zunächst schreibt er über „Un couteau dans le cœur“, der gerade im Kino angelaufen ist und überall sehr wohlwollende Kritiken bekommt. Auch André spricht eine Empfehlung aus. Zum im Thema zu bleiben: Pornoindustrie der 70er: Roberta Findlays „Fantasex“. Viel Text (auf Englisch) und reich (aber nicht explizit) bebildert. Und zuletzt ebenfalls sehr vorbildlich besprochen: „La morte ha sorriso all’assassino“ von 1973. Der einzige Film, den „Onkel“ Joe D’Amato mit seinem richtigen Namen Aristide Massaccesi unterzeichnete.

– Bleiben wir in Italien: Nischenkino stellt die neuen Veröffentlichungen „Blutspur im Park“ und „Magnum 45“ vor.

– „Magnum 45“ konnte auch funxton begeistern, der ihn „Obskur, bizarr, schön!“ nennt. Ebenfalls für absolut empfehlenswert hält er auch „Fango Bollente“ mit Joe Dallsandro und – überraschenderweise – „The Man Who Killed Hitler And Then The Bigfoot“, der scheinbar gar kein „Trash-Fest“ ist, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein weher leiser, melancholischer Film.

– Heiko von Allesglotzer schaut angesichts eines Werkes wie dem amerikanisch-philippinischen „Raw Force“ in die eigenen (Film)-Biographie, stellt aber am Ende fest, dass solch ein Film ihn noch immer amüsieren kann.

– Christian von Schlombies Filmbesprechungen ist wieder im Retrospektiven-Modus und nimmt sich die „Dirty Harry“-Reihe vor.

– Zum Abschluss noch einmal zeitgenössisches deutsches Kino: Filmlichter zeigt sich fasziniert von Jakob Lass‘ „Tiger Girl“. Nur den scheinbar obligatorischen Hinweis auf „Schweiger RomComs und Nazi-Betroffenheit“ fand ich mal wieder unnötig. Warum muss in jedem Review eines gelungen deutschen Filmes (und davon gibt es viele) darauf hingewiesen und (unterschwellig) angedeutet werden, dass das natürlich eine Ausnahme ist?

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