Blu-ray-Rezension: “Der Schrei des gelben Adlers“

Chi Ming-Sing (Ti Lung) ist auf der Flucht. Erschöpft und halb verhungert wird er von einem Fremden (Alexander Fu Sheng) gefunden, der ihn wieder aufpäppelt. Statt Dankbarkeit zu zeigen, stiehlt im Chi Ming-Sing dem Fremden allerdings das Pferd und den Proviant. Bald schon aber hat der Fremde Chi wieder eingeholt. Just in diesem Moment erscheinen vier Männer, die Chi an den Kragen wollen. Gemeinsam können Chi und der Fremde diese erledigen. Langsam fasst Chi Vertrauen zu dem Fremden und erzählt ihm seine Geschichte. Er wuchs als Waisenkind auf und wurde zusammen mit zwölf anderen Kindern von dem brutalen Kung-Fu Meister Yoh Xi-Hung (Feng Ku) zu skrupellosen Killern und Räubern erzogen. Nun sorgen sie als die 13 Adler für Angst und Schrecken. Doch Chi hat dem allen nun den Rücken gekehrt und damit sein Todesurteil unterschrieben…

Chung Sun ist kein Regisseur, der einem sofort einfällt, wenn man an die Shaw Brothers Produktionen denkt. Sein bekanntester Film hier dürfte „Chun Fang – Das blutige Geheimnis“ aka „Human Lanterns“ von 1982 sein. Doch unter Experten verfügt Chung Sun über einen hervorragenden Ruf und sein „Der Schrei des gelben Adlers“ wird hoch gelobt. Zu Recht! Chung Suns Stil unterscheidet sich deutlich von den drei großen Regie-Stars der Shaw Brothers. Er hat weder das epische Blutvergießen eines Chang Cheh, noch die akrobatische Eleganz eines Liu Chia-Liang oder gar die geheimnisvolle, fantasiereiche Atmosphäre eines Chu Yuan.

Vor 10 Jahren schrieb ich über „Die Todeshand des gelben Adlers“, der ebenfalls von Chung Sun inszeniert wurde und damals in der zweiten Shaw-Brothers-Box von Koch Media erschien: „(Der Film) besticht vor allem durch seine originelle Kameraführung, die eher untypisch für eine Shaw Brothers-Produktion ist. Immer wieder wird der ungewöhnliche Winkel gesucht und die Kamera dynamisch eingesetzt. Durch die häufige Verwendung von Zeitlupen und eingefrorene Bilder glaubt man fast schon, dass hier John Woo in irgendeiner Form seine Finger mit im Spiel gehabt hätte.“ Exakt dies waren auch meine Gedanken, als ich nun „Der Schrei des gelben Adlers“ sah. Einmal mehr suchte ich in den Credits nach dem Namen John Woo und fand ihn nicht. Somit dürfte bewiesen sein, dass Chung Sun seinen ganz eigenen Stil entwickelt hat, der heute um einiges moderner wirkt, als die Film (natürlich auch großartigen) Film der genannten anderen Regisseure. Selbst vor dem Einsatz der Handkamera schreckt Chang Sun nicht zurück. Zudem wird vor allem in der Natur und weniger in den bekannten Kulissen der Shaw Brothers Studios gedreht, was dem Film ebenfalls zeitloser erscheinen lässt. Einmal nutzt Chang Sun die Enge eines realen Waldes, um zu zeigen, dass es sich mit einem Sam Jit Gwun (Dreistock) dort aufgrund der vielen Bäume schlecht kämpfen lässt. Und die Kampfszenen mag es an ballettähnlicher Eleganz fehlen, doch sie strahlen eine große Direktheit und Intensität aus.

Mit Ti Lung arbeitete Chang Sun regelmäßig zusammen. Beispielsweise in dem bereits in erwähnten, ein Jahr später entstandenen „Die Todeshand des gelben Adlers“, dessen Titel womöglich eine Fortsetzung des hier vorliegenden „Der Schrei des gelben Adlers“ suggerieren soll. Beide Filme haben aber – bis auf den Regisseur und den Hauptdarsteller – rein gar nichts miteinander zu tun. Die „gelben Adler“ (ja, es sind mehrere) sind 13 Kämpfer, die von einem bösen und skrupellosen Meister – Feng Ku in einer für ihn typischen Rollen – ausgebildet wurden, um ihm bedingungslos zu dienen. Der von Ti Lung ist einer von ihnen, der aber schon früh Skrupel ob dem mörderischen Treiben seiner „Brüder“ hat und sich letztendlich gegen sie stellt. Eine Rolle wie gemacht für den schauspielerisch talentierten Herrn Lung, der in allen Facetten dieses Charakters glaubwürdig erscheint.

Ihm zur Seite steht der leider viel zu früh verstorbene Alexander Fu Sheng. Dieser befand sich Ende der 70/Anfang der 80er auf dem Höhepunkt seiner kurzen Karriere und beerbte – zusammen mit Gordon Lui – die erste und zweite Generation der Shaw Brothers Stars. Häufig spielte er den humorvollen, leicht naiven Helden und kann damit als Vorbild für die Persona gelten, welche Jackie Chan zur Perfektion führte. Zwischen beiden besteht auch eine physische Ähnlichkeit, welche diese Assoziation natürlich verstärkt. Hier ist Alexander Fu Sheng einerseits für die humorvollen Momente zuständig, darf aber auch ein dunkles Geheimnis mit sicher herumtragen, welches ihm auch ermöglicht eine andere Seite von sich zu zeigen. Damit ähnelt Alexander Fu Sheng dem früheren Partner von Ti Lung: David Chiang, der sicherlich bei Chang Cheh diese Rolle übernommen hätte und ebenfalls häufig gutaussehende Sunnyboys mit dunklen Flecken auf der Seele gespielt hat. Doch gerade das unbekümmert jugendlich-weiche, das Alexander Fu Sheng ausstrahlt, passt perfekt zu der Rolle des „Namenlosen“.

Wie bei Chang Cheh weht ein nicht zu kleiner Hauch von Todessehnsucht durch den Film – für die (natürlich) Ti Lungs „Wanderer“ zuständig ist. Hierfür ist mit sicherlich Drehbuchautor Kuang Ni, der unzählige Filme in Zusammenarbeit mit Chang Cheh geschrieben hat. Doch im Gegensatz zum Werk eines Chang Cheh gibt es hier mit Alexander Fu Sheng einen Widerpart, der das Leben liebt und genug Größe hat, um zu verzeihen. Und obwohl die Geschichte das Rad nicht neu erfindet und man den Twist der Story sehr früh erahnt, gelingt es Chung Sun bestens diese packend, ohne Leerlauf und eben aufgrund der besonderen Beziehung zwischen seinen Figuren für den Zuschauer interessant umzusetzen. Zusammen mit der besonderen Ästhetik des Filmes ist „Der Schrei des gelben Adlers“ ein Höhepunkt im schier überbordenden Shaw Brothers Oeuvre.

Die 13. Folge der Shaw Brothers Collector’s Edition von filmArt präsentiert den Film in gewohnt hoher Bildqualität. Der deutsche Ton klingt ein wenig zu tief, als ob er einen Tick zu langsam abgespielt würde. Dies kann aber auch täuschen. Die Mandarin-Tonspur ist heller und klarer, aber auch künstlicher. Der Film liegt in der ungekürzten Fassung vor, die in der deutschen Kinofassung herausgeschnitten Handlungsstellen liegen in Mandarin mit deutschen Untertiteln vor. Wer das nicht mag und den Film nicht in Mandarin schauen möchte, der kann in den Extras auf die (etwas verwirrend „Deutsche „Langfassung“ betitelte) um neun Minuten gekürzte deutsche Kinofassung (leider ohne den deutschen Vorspann) zurückgreifen. Die filmArt-Fassung ist übrigens länger als die intentionale Fassung von Celestine auf der diese Blu-ray größtenteils beruht. Denn hier wurden 1,5 Minuten einer Kampfszene eingefügt, die dort fehlt und hier von einer deutschen 35mm-Fassung eingefügt wurde. Schade, dass diese dann nicht auch für die „Deutsche Langfassung“ als „Grindhouse-Fassung“ verwendet wurde. Sonstige Extras beinhalten ein hübsch illustriertes Booklet mit Aushangfotos, eine Bildgalerie und Trailer.

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Eine Antwort zu Blu-ray-Rezension: “Der Schrei des gelben Adlers“

  1. Hans Dieter Oehlke sagt:

    Moin, als alter Bremer, 75 J würde mich ein Fil, der in Bremen gedreht wurde sehr interessieren. Titel:
    Der Boss hat sich was ausgedacht“
    Den im Internet gefundenen Bilder, ist das zu ersehen.
    Meine bitte, können Sie mit Auskunft geben.
    MfG Dieter Oehlke
    015141479585

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