Blu-ray-Rezension: „Dark Waters“

Die junge Engländerin Elizabeth (Louise Salter) reist in die Ukraine, um ein auf einer entlegenen Insel befindliches Nonnenkloster zu besuchen. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie nämlich herausgefunden, dass er dieses Kloster jahrelang mit größeren Geldsummen bedacht hat. Elizabeth will nun herausfinden, was hinter dieser Sache steckt. Im Kloster angekommen, muss sie erfahren, dass ihre bereits vorgefahrene Freundin Theresa (Anna Rose Phipps) verschwunden ist. Von Visionen und Erinnerungen geplagt, freundet sich Elizabeth mit der jungen Nonne Sarah (Venera Simmons) an, die ebenfalls versucht der Rätseln des Klosters auf den Grund zu gehen, Dabei scheint es, dass die anderen Nonnen unter der Führung ihrer blinden Mutter Oberin (Mariya Kapnist) einem geheimnisvollen Kult angehören…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Als ich Mariano Bainos „Dark Waters“ irgendwann Mitte der 90er das erste Mal sah, ging ich fest davon aus, dass er Teil einer neuen Generation von Genre-Regisseuren werden würde, die das Genre in den nächsten Jahren prägen sollten. So, wie es 20 Jahre zuvor Carpenter, Romero, Craven, Hooper und Cronenberg taten. Den kurz zuvor hatte mich damals auch Anthony Wallers zwei Jahre später entstandener „Mute Witness“ begeistert, Soavi hatte zwei Jahre zuvor „The Sect“ gedreht und sollte ein Jahr später den wundervollen „Dellamorte Dellamore“ folgen lassen. Mit „Thesis“ startete 1996 eine Welle spanischer Genrefilmen in deren Fahrwasser man sich auch gut Produktionen der obenen genannten Regisseure hätte vorstellen können. Leider wurde daraus nichts. Wallner drehte noch eine mit Computereffekten überladene „American Werewolf“-Fortsetzung, danach folgten im Abstand von 9 Jahren noch zwei Filme und seit 2009 kam dann aber nichts mehr, Soavi wechselte zum italienischen Fernsehen, Baino drehte nach „Dark Waters“ keinen einzigen Film mehr. Lediglich die Spanier sorgen bis heute dafür, dass immer wieder außerordentlich von der iberischen Halbinsel zu uns schwappt, auch wenn dies eher ein permanenter, mal mehr mal weniger Starker Strom und keine Welle ist.

Schade, denn „Dark Waters“ offenbart auch heute noch alle Qualitäten, die ausreichen sollten, um Kultstatus zu erlangen. Auch erweist sich Baino als talentierter Handwerker, der seine großen Vorbilder (ganz klar Argento) gut studiert und verstanden hat. Doch vielleicht kam „Dark Waters“ damals einfach zur falschen Zeit. Das Horrorgenre war nach seinem letzten Höhepunkt Mitte der 80er tot. Gefragt waren Thriller im „Schweigen der Lämmer“-Fahrwasser. Die italienische Genre-Produktion lag in den letzten Zügen, die Großmeister konnten nicht mehr an ihre früheren taten anknüpfen, was Argento im selben Jahr als „Dark Waters“ entstand in die USA trieb, wo ihm allerdings auch kein Erfolg gegönnt war. Der große, klassische Horrorfilm – ihn gab es kaum noch irgendwo und war auch nicht mehr sonderlich gefragt. Und in diesen Zeitgeist hinein, produzierte Baino diese Mischung aus Okkult-Schocker, Nunploitation und Lovecraftschen Schreckens. Die dann ohne kommerziellen Erfolg blieb und in der Versenkung verschwand. Eine deutsche Veröffentlichung gab es bisher nicht, und ich selber sah den Film damals auf einer Import-VHS aus England. Bis auf ein paar Genre-Spezis erinnerte sich keiner mehr an diesen Film. Doch langsam und stetig gewann er über die Jahre an Reputation und Fans. Trotzdem blieb er ein Geheimtipp. Laut OFDb gab es bisher aber nur in den USA eine DVD-Veröffentlichung.

Baino gelingt es die Schwächen, die der Film offenkundig hat, in Stärken umzuwandeln. Da kein Geld zur Verfügung stand, wurde irgendwo in der Ukraine gedreht, wo man einige Einheimische als Nebendarsteller verpflichtete. Dies trägt aber zu der seltsamen, unwirklichen Stimmung bei, die in „Dark Waters“ vorherrscht. Alles wirkt fremd, aber echt. Wenn sich Elizabeth auf ihre Reise macht, hat man tatsächlich das Gefühl, sie würde nicht nur zu einem einsamen Ort am Ende der Welt, sondern auch in der Zeit reisen. Die zerknitterten Gesichter der Nebendarsteller erzählen Geschichten, über die eigentliche Geschichte hinaus. Auch dass das Drehbuch an einigen Stellen nicht viel Sinn macht, trägt zu einer traumgleichen Atmosphäre bei. Katapultiert den Film in eine unheimliche „Nicht-Welt“, jenseits unserer Rationalität.Die Britin Louise Salter spielt in ihrer Rolle als Elizabeth eine wenig gegen ihre Mitspieler an. Sie wirkt wie jemand, der frisch von der Schauspielschule kommt und sich jetzt beweisen will. Was durchaus auch möglich ist, war „Dark Water“ doch Salters erster Film, dem allerdings nicht mehr sehr viel folgen sollte. Immerhin scheint sie ab und zu in unregelmäßigen Abständen kleine Rollen in TV-Serien zu übernehmen. Dass sich Louise Salters Spiel nicht wirklich in das Ensemble – welches scheinbar aus Laien besteht, haben doch einige Akteure nur diesen einzigen IMDb-Eintrag, passt aber sehr gut zu ihrer Rolle als Eindringling von außen, der nicht in diese Welt gehört und eine Fremde bleibt.

Baino hat seine Vorbilder gut studiert. Im typischen 90er-Jahre-sepia-goldenen Ton zitiert er Filme wie „Hexensabbat“, diverse Nonnen-Gruseler ala „The Other Hell“, die geheimnisvollen, prophetischen Malereien, wie sie bei Argento und Fulci vorkommen, Surreale Kreuzungsszenen wie in den italienischen „Exorzist“-Rip-Offs. Vermischt wird dies mit vielen Lovecraft-Einflüssen. Am Ende gibt es dann auch ein kosmisches Grauen, welches vielleicht etwas enttäuschend ausfällt (möglicherweise hätte es Baino besser bei einer bloßen Andeutung gelassen). Wie oben bereits geschrieben ist „Dark Waters“ kein Film, der sich durch eine besonders clevere und logische Handlung auszeichnet, sondern einer, der sich ganz auf die von ihm kreierte Atmosphäre verlässt. Dem unheimliche, kraftvolle Bilder wichtiger sind, als der ausgefeilte Dialog. Und hier spielt Baino seine ganze Stärke aus. Unvergessen zum Beispiel die kreuzunheimliche (und für den Film eigentlich komplett irrelevante) Szene, in der Elizabeth aus dem Bus heraus einige Kapuzenmänner mit brennenden Fackeln neben dem Fahrzeug und in einem Feld laufen sieht. Man mag sich gar nicht ausmalen, was da von Baino vielleicht noch gekommen wäre, hätte er die Chance erhalten weitere Langfilme zu drehen. So bleibt einem nur, den entgangene Chancen nachzutrauern und sich an seinem einzigen Spielfilm „Dark Waters“ zu erfreuen.

Vielleicht nicht der ganz große vergessene Klassiker, aber ein starker Beitrag aus der Spätzeit des italienischen Genre-Kinos, der unter anderen Umständen vielleicht eine Renaissance hätte einläuten können. Eine lohnende Wiederentdeckung.

Wicked Vision Media hat „Dark Waters“ eine Rundum-glücklich-Edition spendiert, die sich sehen lassen kann. Die Blu-ray glänzt mit einem nahezu perfekten Bild, welches sehr scharf, detailreich und mit sattem Schwarz daherkommt – und gleichzeitig dem Werk seinen „Film-look“ lässt. Also überhaupt nicht aufpoliert und seelenlos wirkt. Besser geht es eigentlich nicht. Auch der Ton ist sowohl im englischen Original (welches ich aufgrund der verschiedenen, authentischen Akzente der Akteure bevorzuge) und der neu erstellten deutschen Synchronisation ebenfalls sehr voll und stimmig. Was die Extras angeht, so hat Wicked Vision hier den ganz großen Sack aufgemacht und den Käufer – offensichtlich in enger Zusammenarbeit mit Regisseur Mariano Baino mit einem wahren Füllhorn an Boni beschenkt. Die Blu-ray beginnt dann auch gleich mit einer kurzen Einführung des Regisseurs. Dann befindet sich auf der Scheibe noch fünf spannende Featurettes. In vier davon beleuchtet Baino sein Leben, seine Einflüsse und die schwierigen Dreharbeiten. Dies zusammen läuft ganze 45 Minuten. Zusätzlich gibt es noch ein recht interessantes Video-Essay mit Pelle Felsch, der den Film filmhistorisch einordnet und analysiert. In vier weiteren Promo-Features spricht dann wieder Baino über seinen Film. Trailer und Bildgalerien runden das Bild ab. Nicht zu vergessen, der Audiokommentar, den Baino mit dem italienischen Filmproduzenten Michele De Angelis eingesprochen hat und bei dem man deutsche Untertitel zuschalten kann. Derartig erschlagen hätte ich fast die zweite DVD in diesem Mediabook übersehen, da ich glaubte, man hätte den Inhalt der Blu-ray auf zwei DVDs aufgeteilt. Doch die Extras der Blu-ray befinden sich auch komplett auf der ersten DVD, während die zweite weiteres Bonusmaterial enthält. Hier findet man ein weiteres, langes Making-Of namens „Deep Into the Dark Waters“, welches stolze 48 Minuten dauert, sowie zwei weitere, kürzere Einblicke in die Entstehung des Filmes, Blooper und Deleted Scenes. Damit aber noch immer nicht genug! Weiterhin gibt es drei (!) Kurzfilme Bainos zu bewundern, die zwischen 13 und 20 Minuten laufen. Zum längsten, „Caruncula“, gibt es ein Intro des Regisseurs, zum Kürzesten „Never Ever After“ ein Making-Of (!!), welches einen Tick länger als der Film selber ist (!!!). Und wer dann immer noch nicht genug bekommen kann, der kann sich dann noch ein von Baino gedrehtes Musikvideo ansehen. Bildgalerien zu zwei der Kurzfilme gibt es auch, sowie ein zweiminütiges Vorwort von Baino. Ufff… soviel Dienst am Kunden ist selten und daher ein dickes Dankeschön an Wicked Vision und Mariano Baino, dass dieses fette Paket so liebevoll geschnürt wurde. Habe ich noch etwas vergessen? Ja, das 48-seitige deutsch-englische Booklet. Hier schreibt zunächst David Renske in dem für ihn typischen, blumig-hippen Stil, der nicht wirklich so meine Sache ist, über den Film. Dann folgt eine Kurzgeschichte, die quasi das Prequel zum Film darstellt. Der Autor wird nicht explizit genannt, ich vermute mal es war auch Renske. Kann man mal machen, ich persönlich fand es etwas überflüssig. Schön dann die Einordnung des Filmes in die Zeit der Entstehung, die Michele de Angelis (siehe Audiokommentar) vornimmt. Und zu guter letzte gibt es noch Nachdrucke der Storyboards und Konzeptzeichnungen. Wer da noch meckert, dem ist nicht mehr zu helfen, Eine perfekte Veröffentlichung, die von der hohen Qualität her sogar den Jungs von Bildstörung die Stirn bietet.

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