Die Ratte Ben hat die Ereignisse aus „Willard“ überlebt und ist mit seinem Volk in die Stadt geflohen. Der 8-jährige Danny (Lee Montgomery), ein Außenseiter mit einem lebensgefährlichen Herzfehler, entdeckt Ben und freundet sich mit der Ratte an. Diese dankt es Danny, indem sie ihn vor einem größeren Jungen schützt, der ihn gängelt. Auf der Suche nach einem neuem Lebensraum geraten Ben und seine Ratten immer wieder mit Menschen aneinander. Leider gehen diese Begegnungen häufig tödlich für die Zweibeiner aus., was schnell die Polizei auf den Plan ruft. Diese will die bedrohlichen Nager natürlich umgehend vernichten. Kann Danny seinen neuen besten Freund und dessen Familie vor dem Zugriff der Staatsmacht schützen?
„Ben“ schließt direkt an seinen Vorgänger an, den Überraschungserfolg „Willard“ (Rezension hier). Während der Vorspann läuft, sehen wir noch einmal Willard Stiles durch die Familien-Villa ziehen und seinen missglückten Versuch, der bösen Ratte Ben und ihrer vielköpfigen Rattenschar den Garaus zu machen. Dann schwenkt die Ansicht nach außen und wir sehen beinahe andächtig die gaffende Menge vor Willards Haus stehen. Mitten unter ihr Beth Garrison mit ihrer Tochter Eve und den jungen Sohn Danny. Als sich das Familientrio letztlich abwendet und nach Hause geht, folgen Kamera und Film ihnen, denn diese Drei sollen das neue Zentrum dieser Fortsetzung werden. Erinnerte „Willard“ noch eine TV-Produktion der 60er Jahre, sind wir bei „Ben“ im typischen B-Film der 70er angekommen. Alles wirkt eine Nummer kleiner und billiger. Um dieses Manko zu übertünchen, erzählt der Film noch einmal in Grundzügen dieselbe Geschichte wie der Vorgänger, diesmal jedoch gespickt mit mehr Sensationsgeheische. Musste man bei „Willard“ lange warten, bis die Ratten in Aktion treten, so machen sie hier gleich zu Anfang kurzen Prozess mit einem Polizisten, der die Stiles-Villa durchsucht.
Diese Szene fasst dann aber gleich auch alle Schwächen der Produktion zusammen. Während der Polizist hysterisch kreischt und sich in unmögliche Postionen krümmt, weilen die paar Ratten, die man ihm auf den Rücken gesetzt hat, dort sehr friedlich und nahezu bewegungslos. Wären es Hunde, würden sie wahrscheinlich noch mit dem Schwanz wedeln. Hinzu kommen Effekte aus der Steinzeit, wenn scheinbar einige attackierende Ratten auf den Film gezeichnet wurden. Beim eher unbeholfen dargestellten Todeskampf fließt auch kein Blut, selbst wenn später behauptet wird, die Leiche sei grauenvoll zugerichtet worden. Alle Ratten-Attacken in „Ben“ folgen diesem Muster. Wenn man nicht gerade eine Rattenphobie hat, wirkt das Ganze eher niedlich, statt furchteinflössend. Ganz besonders jene Szene, in der die Ratten sich in einem Fitnessstudio breit machen, was dazu führt, dass die Statistinnen sich alle gegenseitig mit hysterischen Panikattacken zu überbieten versuchen.
Eine weitere eher unglückliche Entscheidung war es, den Jungen Danny zum neuen Protagonisten zu machen. Zwar schlägt sich Lee Montgomery in seiner zweiten Filmrolle sehr gut und wenn man nicht auf Kinder im Film allergisch reagiert, kann man ihn tatsächlich mögen. Doch Drehbuch (oder Regie) verdammen Danny dazu, gewollt „witzige“ und furchtbare Lieder zu singen, und übertrieben fröhlich mit Marionetten zu hantieren. Alles was auf der einen Seite an Sympathie für den kindlichen Protagonisten aufgebaut wird, wird durch solche Szenen hinten wieder eingerissen. Immerhin stimmt die Chemie zwischen Lee Montgomery und Meredith Baxter, denn beiden nimmt man tatsächlich ab, Bruder und Schwester zu sein und sich umeinander zu sorgen. Rosemary Murphy als immer besorgte und trotzdem seltsam abwesende Mutter hat dagegen einen schweren Stand, füllt sie doch nur Klischees aus. Und dann noch gerade solche, die besonders stark auf die Nerven gehen.
Ohne Klischees kommt auch die Darstellung der Polizisten nicht aus, deren angestrengte „Good Cop/Bad Cop“-Routine nahe am Rande der Parodie angesiedelt ist. Joseph Campanella spielt das immer zornige Steingesicht Cliff Kirtland, Kaz Garas seinen sanften Untergeben Joe Greer, welcher seinem Chef in einem Akt der totalen Unterwerfung zu gerne die Zigarette anzünden würde. Als dritter im Bunde gesellt sich Arthur O’Connell hinzu, der hier mit überraschend langen Haaren auftaucht und den einen oder anderen trockenen Spruch zum Besten geben darf. O’Connell ist ein zuverlässiger Schauspieler aus der zweiten Reihe (den man u.a. aus dem Elvis-Filme „Die wilden Weiber von Tennessee“ und „Ein Sommer in Florida“ oder Otto Premingers Meisterwek „Anatomie eines Mordes“ kennt) und gleichzeitig der bekannteste Name im Cast. Dass er aber höchsten zwei Drehtage gehabt haben dürfte, deutet auf das geringe Budget hin, welches für „Ben“ zur Verfügung stand.
Im Gegensatz zum Vorgänger, bei dem der Außenseiter Willard im Vordergrund stand und die Ratten eher eine Nebenrolle einnahmen, wird diesmal die Ratte Ben in den Fokus herrückt und ihr zudem nahezu übersinnliche Fähigkeiten attestiert. Ben ist schlau, kommuniziert ebenso leicht mit Tausenden von Ratten, wie mit dem Jungen Danny. Ben schmiedet Pläne, kommandiert seine Heerscharen, befreundet sich mit Danny und führt die Polizei an der Nase herum. Das Problem für einen Horrorfilm ist dabei allerdings, dass Ben nicht diabolisch, sondern sympathisch wirkt. Auch wenn die Ratten über die Menschen herfallen, tun sie dies nur zum Selbstschutz. Die Autoren und Regisseur Phil Karlson scheinen auch weniger einen Horrorschocker über Menschen killende Ratten, als vielmehr eine Spartakus-Variante im Sinn gehabt zu haben. So wird Ben zum Heilsbringer der Unterdrückten stilisiert, der sein Volk in eine bessere Zukunft geleiten will. Wenn am Ende die geballte Staatsmacht den Ratten mit Gas und Flammenwerfer den Garaus machen will, fühlt man sich an Bilder aus Filmen über den Holocaust oder Vietnam erinnert.
„Ben“ erscheint direkt nach „Willard“ als dritte Veröffentlichung der neuen „Phantastischen Filmklassiker“ -Reihe aus dem Hause Anolis und als Folge 2 der „Die 70er“-Untergruppe. Allerdings teilt die Veröffentlichung das Schicksal des Films. Im Vergleich zu „Willard“ wirkt sie billiger und kleiner. Dies liegt einerseits an dem Bild, welches scheinbar von einer alten 35mm-Rolle stammt. Da machte „Willard“ einen schärferen, farbenfroheren Eindruck, während „Ben“ dreckiger wirkt und tatsächlich mehr nach alter Kinorolle. Dankenswerterweise wurde aber nicht versucht, diesen Eindruck durch intensive Bildbearbeitung (-verfälschung) glattzubügeln. So passt der Look schon sehr gut zu „Ben“, wird bei Pixelzähler aber sicherlich zu einer kleinen Empörung führen. Auch die Extras fallen eine Nummer kleiner aus. Es gibt einen Audiokommentar mir Hauptdarsteller Lee Montgomery, sowie ein 15-minütiges Interview mit dem sympathischen, nun älteren Herrn. Dazu gibt es deutsches und internationales Werbematerial und diverse Trailern, sowie die deutsche Kinofassung, wobei ich allerdings nicht sagen kann, worin der Unterschied zur „normalen“ Fassung besteht. Das wie immer schön gestaltete, 20- seitige Booklet stammt diesmal allein von David Renske, mit dessen Stil – der sich meiner Meinung nach arg dem Schlefaz-Duktus nähert – ich, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, leider gar nichts anfangen kann. Was soll z.B. das halbseitige Michael-Jackson-Gebashe?
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