Nachruf: George A. Romero (1940-2017)

Einem Feuersturm gleich rauschte am Sonntagabend die Nachricht durch meine sozialen Netzwerke, dass George A. Romero gestorben ist. Dass diese traurige Nachricht in Windeseile meine Timeline auf Facebook füllte, zeigte mir einerseits, dass ich dort mit den richtigen Leuten verbunden bin, und andererseits, wie viel George A. Romero so vielen Menschen bedeutet hat.

In den Feuilletons war gestern immer wieder die Rede vom „Vater des modernen Horrorfilms“. Das mag stimmen, engt aber die Wahrnehmung etwas zu stark ein. Ja, natürlich ist Romero in erster Linie für seine Zombiefilme bekannt. Für „Night of the Living Dead“, der in der Tat der Anfang einer neuen Geschichtsschreibung im Horrorfilm war. Für den vielgeliebten „Dawn of the Dead“, der erst recht seinen Kultstatus untermauerte – auch wenn viele Leute hierzulande nur die von Mit-Produzent Dario Argento angefertigte, sehr viel rasanteren Schnittfassung kennen – und nicht die längere, langsamere – aber auch böserer und mit hintersinnigem, schwarzen Humor angereicherte US-Schnittfassung (von dem später entstandenen Director’s Cut mal ganz zu schweigen). „Day of the Dead“ war schließlich lange Zeit der etwas unbeliebtere Nachzügler (ein Kompromiss-Produkt, da Romero seine ursprünglich sehr viel größere Vision finanziell nicht realisieren konnte), dessen Qualitäten erst mit den Jahren entdeckt wurden.

Dabei fallen seine Versuche aus dem Ghetto des „Zombie-Opas“ auszubrechen leider allzu häufig unter den Tisch. Wie sein vielleicht reifster Film „Martin“, der den Vampirmythos dekonstruiert und offen lässt, ob sein durch die heruntergekommene Stahlstadt Pittsburgh wandernder Protagonist nun wirklich ein Vampir ist oder nicht. „The Crazies“ und die Horror-Comic-Verfilmung „Creepshow“, die er mit seinem guten Freund Stephen King realisierte, sind noch sehr beliebt, aber wer kennt „Season of the Witch“ – den er trotz des eines okkulten Themas selber nicht als Horrorfilm bezeichnete – und seine romantische Komödie „There Is Always Vanilla“ (die er zugegebenermaßen selber nicht mochte)? Tatsächlich hat sich Romero vor allem mit seinen Zombiefilmen ein Denkmal gesetzt – und ein Gefängnis gebaut. Denn in den späteren Jahren und nach dem immensen Flop seines Filmes „Bruiser“ dauerte es ein halbes Jahrzehnt bis er wieder einen Film finanziert bekam. Und dies auch nur, da nach dem extrem erfolgreichen Remake seines eigenen „Dawn of the Dead“ durch Zack Snyder (an dem er nicht beteiligt war) Zombiefilme wieder schwer en vogue waren.

So konnte Romero noch einmal mit „Land of..“, „Diary of…“ und „Survival of the Dead“ eine Folgetrilogie realisieren, die nicht überall auf Applaus stieß. Gerade „Diary“, der zudem das preisgünstige, aber auch 2007 schon inflationären Found-Footage-Genre zugeordnet werden kann, musste viel Kritik einstecken. Auch „Survival“ wurde nicht von jedem positiv aufgenommen. Ein häufiger Vorwurf war, dass sich Romero wiederholen und seine sozialkritische Botschaft zu dick auftragen würde. Dabei war es gerade dieser doppelte Boden, der ihn von anderen Filmemachern, die sich im Horrorgenre versuchten, abhob.

In Romeros Filmen gab es immer diese zweite Ebene, die der Gesellschaft mit viel schwarzem Humor einen Spiegel vorhielt. In Romeros Filmen scheitert der Mensch nie an den Untoten oder den übernatürlichen Feinden – sondern immer an sich selbst. Dem Egoismus, der grenzenlosen Gedankenlosigkeit, den Vorurteilen und der Unfähigkeit auch unter Druck zusammenzuarbeiten. So war beispielsweise die Stephen-King-Verfilmung „Stark – The Dark Half“ ein perfekter Romero-Film. Am Ende muss der Held gegen seine eigene, dunkle Seiten kämpfen. Kein übernatürlicher Killer der irgendwo aus dem Nichts gekommen ist, sondern ein Teil seiner selbst. Gerade dieser Subtext sprach vielen seiner Fans aus der Seele.

Romeros Horrorfilme waren immer etwas mehr. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Menschen und der Gesellschaft, die er erschaffen hat. Und dies ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Romeros letztes vollendetes Projekt war wieder eine Zombie-Geschichte: Die Comic-Reihe „Empire of the Dead“. Obwohl diese aufgrund der schieren Masse der Themen, die hier verarbeitet wurden, gescheitert ist, blieb sich Romero doch auch hier immer treu.

George A. Romero starb am  16. Juli 2017 in Toronto mit nur 77 Jahren nach einem  kurzen, aber intensiven Kampf an Lungenkrebs. Er ist friedlich eingeschlafen, zur Musik seines Lieblingsfilmes: „Der Sieger“ von John Ford. Er wird fehlen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Film abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu Nachruf: George A. Romero (1940-2017)

  1. Pingback: Dark Leitmotivs: Mediabooks und Soundtracks im Horrorfilm – highlights, failures und misses

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.