Blu-ray-Rezension: “Der Mann mit der Tigerpranke”

der-mann-mit-der-tigerprankeQiu Lian-Huan (Chen Kuan-Tai) ist der Anführer einer kleinen Gangsterbande mit einem Drang zu Höherem. Als er eines Tages Yu Chow-Kai (Tin Ching), dem Sohn des der mächtigsten Gangster in Shanghai beim Kartenspiel erst dessen gesamtes Geld und dann noch die Freundin (Ching Li) abnimmt, scheint seine Zeit gekommen. Doch so einfach ist das nicht, denn der durchtriebene Chang Gen-bao (Chu Mu) unternimmt alles, um den schwachen und leicht beeinflussbaren Yu auf den Gangsterthron zu heben und dessen Feinde zu vernichten…

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Der Mann mit der Tigerpranke“ stellt das Sequel zum enorm erfolgreichen „Der Pirat von Shantung“ dar. Zunächst wird die Geschichte des Vorgängers kurz zusammengefasst und man sieht gerade noch, wie die blutige Leiche des Antihelden weggeschafft wird. Dann informiert eine Einblendung den Zuschauer, dass der neue Film nun 20 Jahres später auf den selben Straßen wie „Der Pirat von Shantung“ spielt. Der junge Chen Kuan-tai hatte mit der Hauptrolle in „Der Pirat von Shantung“ gerade seinen großen Durchbruch erlebt. Hier nun darf er wieder die Hauptfigur spielen, wobei diese in keiner Verbindung zu seinem „Pirat aus Shantung“ steht. Wie überhaupt bis auf den Prolog keinerlei Verbindungslinien zu dem angeblichen ersten Teil gezogen werden. „Der Mann mit der Tigerpranke“ ist also ein vollkommen selbstständiger Film, auch wenn die Macher dahinter und auch die Schauspieler teilweise identisch sind.

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Chen Kuan-tai läutete die dritte Welle der Shaw-Brothers-Stars ein. Nach Jimmy Wang Yu in den frühen Martial-Arts-Epen und vor allem dem „tödliche Duo“ David Chiang und Ti Lung nach ihm, kamen mit Chen Kuan-tai und vor allem Alexander Fu Cheng nun neue Typen auf die Leinwand. Während Alexander Fu Sheng dabei mehr die Rolle des jungenhaften, gewitzten und sympathischen Frauenhelden verkörperte (eine Mischung aus Jackie Chan und Shah Rukh Khan, war Chen Kuan-tai eher auf die dunkleren, eigenbrötlerischen Typen abonniert. So spielt er auch hier den Antihelden, der uns im Grunde nur deshalb sympathisch ist, weil er seine Freunde nicht im Stich lässt und die Schurken um in herum so vieles unsympathischer agieren. Chen Kuan-tai ist kein strahlender Held und auch kein unschuldig auf die schiefe Bahn geratener Junge. Das würde auch nicht in sein Rollenbild passen. Er ist ein Krimineller, der sich seinen Weg nach oben hart und mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen erkämpft hat. Dabei folgt er allerdings einem ausgeprägten Ehrenkodex, was ihn von seinen skrupellosen Feinden unterscheidet. Da macht es dann auch nichts, dass er seinen besten Freund weitaus besser behandelt als seine Geliebte. Aber das kennt man ja bei Filmen des berühmten Regisseurs Chang Cheh.

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Das große Plus von „Der Mann mit der Tigerpranke“ sind seine Actionszenen. Chen Kuan-tai war wahrscheinlich der Beste der vielen Martial-Arts-Stars, die Anfang der 70er die Shaw-Brothers-Filme bevölkerten. Mit seinen druckvollen, dynamischen Bewegungen und einer gewissen Portion street credibility ist er die ideale Besetzung für einen Film wie „Der Mann mit der Tigerpranke“. Während bei anderen Stars die Kämpfe vor allem leicht und wie ein Ballett des Todes aussehen, ist sein Auftreten sehr viel athletischer, brutaler und auf den Punkt. Die beiden Action-Choreographen Choreographie von Lau Kar Leung (kurze Zeit später später mit „Die 36 Kammern der Shaolin“ enorm erfolgreich) und Chan Chuen wissen Chen Kuan-tai hervorragend in Szene zu setzten. Da wird in einer besonders eindrucksvollen Szene ein Fahrrad zur tödlichen Waffe, in den Kämpfen splittern Knochen und Autoscheiben, Chen Kuan-tai rast mit dem Motorrad durch eine Glasfront und beim großen Finale pflügt er sich blutend durch immer wieder neue Armeen des Feindes. Freunde harter Martial-Arts-Action kommen hier voll auf ihre Kosten.

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Vom Drehbuch her schwächelt der Film allerdings etwas. Die zahlreichen Nebenfiguren bleiben konturlos, eventuelle Hintergründe unbeleuchtet. Auch dem Protagonisten Qiu Lian-huan selber wird keinerlei Geschichte gegönnt. Er ist einfach plötzlich da. Wie er zu dem wurde was er ist, weshalb er die kriminelle Laufbahn einschlug und ihm sein Freund Lin Ken Sheng so treu ergeben ist, all dies wird nicht beantwortet. Dies muss es auch nicht zwangsläufig, denn der Film funktioniert auch so. Aber etwas mehr Tiefe hätte den Film möglicherweise auf eine andere Ebene heben können. Weg von der natürlich hervorragend gemachten Action-Unterhaltung, hin zu einem Gangster-Drama, welches sich etwas nachhaltiger im Gedächtnis verankert als „Der Mann mit der Tigerpranke“.

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„Der Mann mit der Tigerpranke“ ist ein sehr unterhaltsamer Film mit grandiosen Kampfszenen, dessen Drehbuch allerdings die Tiefe vermissen lässt, welche beispielsweise den Vorgänger „Der Pirat von Shantung“ zu einem Klassiker gemacht hat.

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„Der Mann mit der Tigerpranke“ ist die Nummer 4 der bisher vorzüglichen „Shaw Brothers Collector’s Edition“ aus dem Hause filmArt. Wie gewohnt erscheint der Film in einer Blu-ray/DVD-Kombi. Das Bild der Blu-ray ist wieder vorbildlich. Auch beim Ton bleiben keine Wünsche übrig. Neben sehr klarem Deutsch (gefiltert und ungefiltert) und Mandarin (mit ausblendbaren deutschen Untertiteln) Mono-Tonspuren, liegt noch eine alternative Musik- & Geräusche-Spur (tatsächlich ohne Sprache) vor. Interessant ist bei den drei Tonspuren, dass sie alle drei eine unterschiedliche Musikbegleitung und Geräusche habe. Die Musik der deutschen Version ist gut, doch der extrem funky Beat der Mandarin-Fassung ist ein wahrer Goldschatz. Das 12-seitige Booklet besteht aus einem kompletten Satz deutscher Aushangfotos. Außerdem hat das Mediabook ein Wendecover mit alternativem Cover. Von den obligatorischen Trailern abgesehen liegt sonst kein Bonusmaterial vor.

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