DVD-Rezension: “Sie sind verdammt”

siesindverdammtDer Amerikaner Simon Wells (Macdonald Carey) befindet sich mit seiner Segel-Yacht auf einer Törn vor der Küste Englands. Als er in einer kleinen Küstenstadt festmacht, wird er dort Opfer eines Überfalls durch eine Bande Jugendlicher, die von King (Oliver Reed) angeführt wird. Bald schon kreuzen sich Wells Wege wieder mit denen von Kings Schwester Joan (Shirley Ann Field), die von der Bande als Lockvogel genutzt wird. Joan schließt sich gegen den ausdrücklichen Willen ihres Bruders Wells an. Dies führt zu weiteren Konfrontationen mit Kings Bande, in dessem Verlauf sowohl Wells und Joan, als auch King auf ein sorgsam abgeschirmtes militärisches Gelände geraten. Hier wacht der geheimnisvolle Bernard (Alexander Knox) über ein streng geheimes Projekt. Wells und Joan stürzen von King verfolgt ins Meer. Sie werden von einem Jungen aufgelesen, der sie in ein unterirdischen Bunker-Komplex bringt. Hier treffen die Beiden auf noch mehr Kinder, die allerdings alle seltsam kalt sind…

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Nach vielen Jahren erhält die Hammerproduktion „Sie sind verdammt“ endlich eine deutsche Heimkinoauswertung. Die lange Wartezeit muss mit Lizenzproblemen zusammenhängen, denn anders ist es nicht zu erklären, dass dieses Kleinod bisher ein Dornröschenschlaf erdulden musste. „Sie sind verdammt“ ist einer der ungewöhnlichsten Filme, die aus den Hammer Studios kamen und gleichzeitig auch einer der Besten. Ein Film, der sich nicht in Schubladen stecken lässt. Häufig läuft er unter dem Label „Science Fiction“, was durchaus nicht ganz falsch, aber auch nicht wirklich richtig ist. Er verwirrt seine Zuschauer, legt falsche Fährten, um dann seine losen Fäden zu einem Seilen zu binden, welches sich dem Zuschauer langsam um den Hals legt und ihm dann erbarmungslos die Kehle zuschnürt. Dabei nimmt „Sie sind verdammt“ bereits 1963 Bilder und Themen auf, die sich bei Stanley Kubrick in seinen später entstandenen Meisterwerken „Dr. Seltsam“ und „Uhrwerk Orange“ wiederfinden. Zumindest hallen einem diese beiden Film im Kopf wieder, sobald „Sie sind verdammt“ zu Ende ist.

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Inszeniert wurde „Sie sind verdammt“ von Joseph Losey, einem der interessantesten amerikanischen Regisseure, dem heute leider nicht der Platz in der Filmgeschichte eingeräumt wird, der ihm zusteht. Sein „Der Junge mit den grünen Haaren“ hat mich als Kind nachhaltig verstört, „Im Visier des Falken“ dann als Heranwachsender. Werke wie „Der Mittler“ oder „Monsieur Klein“ begeisterten noch heute die Kritiker. „Sie sind verdammt“ gehört in die zweiten Phase seines Werkes. Als er der USA den Rücken kehrt musste, da er wegen kommunistischer Sympathien unter den Bann der Behörden geraten war und in Europa sein Glück suchte (und fand). Unterstützt wird er durch die fantastische Kameraarbeit von Arthur Grant (der bei zahlreichen Hammer-Fan-Favoriten der zweiten Reihe die Kamera führte), dem grandiosen Set-Design von Don Mingaye (wie Grant ein Hammer-Veteran), der grandiosen und sehr stimmungsvollen Musik von Hamer-Stammkomponist James Bernard und natürlich von den Darstellern. Zwar ist es etwas unwahrscheinlich, dass eine junge, sehr attraktive Dame in einen älteren, langweilig wirkenden Herrn verliebt und dessen machohaft-ruppigen Annäherungsversuchen spontan erliegt. Aber andererseits ist der Amerikaner Simon Wells für die junge Joan mehr ein Ausweg aus der Umklammerung ihres Bruders, als eine echte Liebesaffäre. Das ambivalent-ungesunde Verhältnis zwischen Joan und King wurde von Losey zunächst deutlicher betont, dann aber von den Produzenten etwas entschärft. Aber man muss mit Blindheit geschlagen sein, um es nicht in jeder Szene, die beide zusammen haben, zu erkennen.

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Der blutjunge Oliver Reed dominiert den Film zunächst. Sein elegant gekleideter King, der zu dem rockigen Swing des großartigen Songs „Black Leather“ arglose Touristen zusammenschlägt, erinnert stark an den Alex aus „Uhrwerk Orange“ und Reed wäre 1961 sicherlich eine Traumbesetzung für den einerseits dandyhaften, andererseits brutal-grobschlächtigen Gewalt-Junkie gewesen. Umso bewundernswerter die Wandlung, wenn Reed aufgrund der sich langsam entwickelnden Ereignisse die Kontrolle verliert und zunehmend verwirrter und hilfloser einer Welt gegenübersteht, die um einiges brutaler agiert als er und dabei mit emotionsloser Kälte vorgeht. Ebenso zwiespältig wird der eigentliche Antagonist vorgestellt. Der von Alexander Knox brillant gespielte Bernard würde sich selber sicherlich nie als Schurke in diesem Stück sehen. Im Gegenteil, ist er felsenfest davon überzeugt, dessen Held zu sein. Derjenige, der tut, was getan werden muss. Derjenige, der am Ende unter großen persönlichen Opfern die Menschheit rettet. Bernard ist der perfekte Nazi. Menschenverachtend, dass einem übel dabei wird, aber selber felsenfest davon überzeugt, das Gute zu repräsentieren. So schwankt Knox‘ Darstellung dann auch zwischen gütiger Onkel und eiskalter Technokrat, der ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen geht.

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Gedreht wurde „Sie sind verdammt“ bereits 1961. In die Kinos kam er aber erst 1963. In Deutschland erlebte er seine Premiere sogar erst am 23.9.1973 in der ARD. Nicht auf der großen Leinwand – wo er hingehört – sondern im Fernsehen. Der Grund dafür ist offensichtlich. Ein solch nihilistisches Werk, dessen Ende einem noch lange das Gefühl gibt, gehörig zwischen die Beine getreten worden zu sein, war seiner Zeit weit voraus. Ein Film, der einem jede Hoffnung raubt und die Tränen in die Augen treibt ist auch keiner, der ins Portfolio der Hammer Studios passt. Wo am Ende das Monster doch immer besiegt wieder wurde – auch wenn es im nächsten Film wieder auferstand. „Sie sind verdammt“ ist dazu die Antithese. Das Monster hat gesiegt, alle Hoffnung ist dahin. Was bleibt sind die verzweifelten Schreie der Kinder.

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„Sie sind verdammt“ ist ein beinahe vergessenes Meisterwerk, welches seiner Zeit voraus ist und den Zuschauer nachhaltig verstört. Grandiose Darsteller, eine wunderschöne Bildgestaltung und eine fantastische Ausstattung sind das i-Tüpfelchen auf einer lange nachhaltigen Parabel über Gewalt in all seinen Ausprägungen und den ganz normalen Faschismus.

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Der Film erlebt bei Explosive Media seine Heimkino-Premiere. Zuvor war er noch nicht einmal auf VHS – zumindest lässt sich darüber nichts finden – erhältlich. Umso schöner, dass sich die DVD bildtechnisch wirklich sehen lassen kann. Das schöne, schwarz-weiße Breitwand-Bild lässt wenig zu wünschen übrig. Neben der Originaltonspur liegt auch die alte TV-Synchronisation vor. Auf Letztere muss man auch als O-Ton-Hörer ab und zu zurückgreifen, denn es gibt leider keine Untertitel und der englische Slang ist an einigen Stellen etwas schwer verständlich. Auch gibt es bis auf einen Trailer keinerlei Extras, was in diesem Falle ganz besonders schade ist. Aber man muss froh sein, dass diese kleine Juwel endlich in Deutschland verfügbar ist.

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