Charley Varrick (Walter Matthau) kommt mit seiner kleinen Schädlingsbekämpfungs-Firma mehr schlecht als recht über die Runden. Daher hat er sich zusammen mit seiner Frau Nadine (Jacqueline Scott) und zwei Komplizen auf Banküberfälle in kleinen Städten spezialisiert. Als die vier wieder einmal eine Bank überfallen, geht alles schief. Nadine und ein Komplize werden erschossen, und die Beute entpuppt sich als Mafia-Geld in Millionenhöhe. Während sich sein junger Helfer Harman (Andrew Robinson) als unberechenbarer Trinker erweist, setzt die Bankchef und Mafia-Mittelsmann Maynard Boyle (John Vernon) einen Killer namens Molly auf die Spur der Bankräuber. Charley muss sich schnell etwas einfallen lassen, wenn er mit heiler Haut davonkommen will.. .
Nach seinem großem Erfolg „Dirty Harry“ verabschiedete sich Don Siegel erst einmal aus der urbanen Steinwüste und kehrte aufs Land zurück. Dahin, von wo aus einige Jahre zuvor Clint Eastwood in „Coogans Bluff“ aufgebrochen war, um seine Wild-West-Methoden nach San Francisco zu tragen. Und die Provinz ist scheinbar voller solch geradliniger Typen, die ohne viel Federlesen und Gelaber genau das tun, was getan werden muss. Einer dieser Typen ist Charley Varrick, ehemaliger Stunt-Pilot, nun Besitzer einer kleinen Firma für Schädlingsbekämpfung aus der Luft, Bankräuber und „Last of the Independents“, wie sein Firmenoverall verrät. Charley ist ein Pragmatiker und gewiefter Taktiker, der nicht viele Worte verliert und selbst den Tod seiner geliebten Ehefrau mit stoischer Mine hinnimmt. Dass dieser Verlust nicht ganz spurlos an ihm vorbeigeht, wird lediglich durch kleine Gesten angedeutet – groß ausgespielt wird dieses persönliche Drama aber nicht.
Charley Varrick ist eine Paraderolle für Walter Matthau. Sieht man den Film heute, kann man sich kaum noch vorstellen, dass ursprünglich Donald Sutherland diese Figur spielen sollte. Matthau und Varrick Verschmelzen förmlich miteinander und werden eine Person. Viel wird darüber geschrieben, wie ungewöhnlich doch die Besetzung des hartgesotten und dabei unglaublich coolen Verbrechers mit einem Schauspieler sei, der vor allem für seine Komödien bekannt und beliebt ist. Dabei werden aber immer wieder zwei Dinge vergessen. Matthau war am Anfang seiner Karriere bereits auf den heavy, den kriminellen Schurken, spezialisiert, wodurch Gangster und Killer durchaus zu seinem Rollenportfolio gehörten. Zweitens spielt Matthau auch in seinen Komödie ähnliche Profis mit Hang zum Kriminellen. Nur werden seine Figuren in Filmen wie „Der Glückspilz“ oder Extrablatt“ mit absurden Situationen konfrontiert, die ihre ganz auf sie zugeschnittene Welt auf den Kopf stellt, wodurch eine herrliche Komik entsteht. Man stelle sich nur vor, Charley Varrick würde mit einem Nervenbündel wie Jack Lemmon in „Buddy, Buddy“ oder „Ein verrücktes Paar“ konfrontiert.
Aber „Der große Coup“ ist eben keine Komödie und der Matthau-Charakter kann seine ganze Professionalität und Coolness bewahren. Charley Varrick ist auch kein positiver Typ. Varrick manipuliert Menschen und nutzt sie für seine Zwecke aus. Er lässt auch ganz bewusst seinen Partner über die Klinge springen. Ob dies nur deshalb geschieht, weil dieser sich als unberechenbarer Alkoholiker erweist, oder ob Varrick diese Lösung seines Problems auch so in Erwägung gezogen hätte, bleibt offen. Nur Matthaus Kredit aus seinen sympathischen Rollen lassen den Zuschauer sofort an ersteres und weniger an letzteres denken. Überhaupt ist es interessant, dass uns Charley Varrick in der Gestalt Matthaus durchaus sympathisch und vor allem eher cool als kaltblütig erscheint. Donald Sutherland hätte dieser Figur sicherlich einen ganz anderen, skrupelloseren Touch gegeben.
Auch die Nebenrollen sind durch die Bank weg hervorragend besetzt. Insbesondere das Schurken-Duo John Vernon und Joe Don Baker. John Vernon spielt den Bankchef mit besten Mafia-Kontakten als eleganten und durchaus nicht unsympathischen Charmeur und Gentleman. Nur seine stahlblauen Augen verraten ihn manchmal, wenn aus ihnen jede Freundlichkeit weicht, während das Gesicht noch ein einnehmendes Lächeln zeigt. Vernon erinnert irgendwie an einen großen Bruder, der einem liebevoll unter die Arme greift, kann aber auch zu keiner Sekunde seine Skrupellosigkeit verleugnen, die unter dem Maßanzug vibriert. Gleiches kann auch zu Joe Don Baker gesagt werden, der hier eine seiner ersten großen Rollen spielt. Noch unverschämt jung und schlank, scheint er seine Mitmenschen um mehr als einen Kopf zu überragen. Auch er gibt sich freundlich und kultiviert. Gerne zieht er an seiner Pfeife, was ihn als Kopfmenschen ausweisen soll. Doch sein Molly zeigt schnell, dass hinter der Fassade ein brutaler Schläger lauert, dem es zwar Freude bereitet, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen, der dieses aber nie zugeben würde. Joe Don Baker hat nicht nur hier etwas hochgradig Beunruhigendes an sich, welches in einem spannenden Kontrast zu seinem Teddybären-Aussehen steht.
Don Siegels Inszenierung des Films ist immer auf dem Punkt, ohne unwichtigen Szenen. Alles was gezeigt wird, wird auch für die Story benötigt. Da gibt es kein Füllmaterial oder kleine Schlenker. Von Anfang an läuft die Handlung wie ein perfektes Uhrwerk ab. Während in anderen Filmen die Hauptperson immer wieder Rückschläge hinnehmen muss, zieht Charley Varrick mit höchster Präzision sein Ding durch. Sobald er die gefährliche Situation, in der er sich befindet, erfasst hat, ist schon der Plan geschmiedet, wie er sich aus dieser tödlichen Fallen befreien und sogar noch mit einem Gewinn aus der Sache herauskommen kann. Don Siegel verzichtet auf irgendwelche Mätzchen, um zu zeigen wie clever doch das Drehbuch ist. Der Film ist wie Varrick: Er weiß was er kann und muss niemanden etwas beweisen. Herausragend die Kameraarbeit, die insbesondere zu Beginn den Film die Szenerie in wundervoll stimmige Bilder kleidet, und auch die mitreißende Musik von Lalo Schifrin, der hier coolen Wah-Wah-Funk mit typischer Americana verbindet. Allein das in diesem Kerle-Film vermittelte Frauenbild lässt einen kurz zusammenzucken. Denn diese erscheinen hier erst einmal als immer verfügbare und begattungswillige Objekte, die gerne mal etwas härter angefasst werden wollen. Oder sind doch selbstbestimmte Wesen, die sich einfach die Männer nehmen, auf die sie Lust haben? Dies liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters.
Walter Matthau ist die Idealbesetzung für den lakonischen und unendlich coolen Bankräuber Charley Varrick. Don Siegels Film läuft ab wie ein perfektes Uhrwerk und erinnert dabei an ein saftiges Stück Steak, von dem alles überflüssige Fett abgeschnitten wurde. Großartige Musik, einen hervorragende Kameraarbeit und einprägsame Nebendarsteller runden das gute Bild dies ausgesprochen gradlinigen Gangster-Thrillers ab.
Die neue Veröffentlichung aus dem Hause Koch Media kommt als 2-Disc-Speical-Edition daher. Grund dafür ist die 72-minütige Dokumentation „Last of the Independents – Don Siegel and the Making of Charley Varrick“, welche exklusive für diese Veröffentlichung produziert wurde und ebenso unterhaltsam, wie informativ daher kommt. Nach dieser hochinteressanten Doku sollten keine Fragen mehr offen sein. Die Dokumentation liegt auf Englisch mit optionalen deutschen Untertiteln vor. Als zusätzliches Extra befindet sich auf Disc 1 noch eine englische Super-8-Fassung des Filmes, die etwas über eine viertel Stunde läuft. Bild und Ton des Hauptfilmes sind ausgezeichnet. Nur in sehr dunklen, schwach ausgeleuchteten Szenen fällt es etwas ab, was aber am Urpsprungsmaterial liegen dürfte.