Das Thema der diesjährigen Berlinale-Retrospektive hieß „Glorious Technicolor“ und genauso heißt auch der Begleitband, der bei Bertz+Fischer erschienen ist. Wie es sich für das Thema gehört, und man es auch von Bertz+Fischer gewohnt ist, ist der Band sehr treffend illustriert. Allerdings wären hier großflächige Fotos, welche die ganze Magie von Technicolor wiedergeben, wünschenswert gewesen. Da das Buch aber nur in einem kleineren Format von 21,5 x 22,5 cm erschien, wirken die Bilder nicht so beeindruckend, wie es bei einem opulenten Bildband der Fall gewesen wäre. Oftmals sind auch mehrere kleine Bilder über eine Seite verteilt. Aber „Glorious Technicolor“ hat auch nicht den Anspruch ein hübscher Bildband zu sein, sondern Informationen über die Geschichte des Technicolor-Verfahrens, und auch des Farbfilms als solchen zu liefern. Und hier punktet das Buch dann auch. Von der Gründung der Firma Technicolor über die ersten Experimente mit dem Farbfilm über den rasanten Aufstieg in den 30er Jahren, als Technicolor der Inbegriff für Hollywood-Farbfilme wurde, bis zu seinem langsamen Tod in den 50ern, als es von anderen Systemen abgelöst wurde.
Da viele unterschiedliche Autoren Essays zu diesem recht eng gesteckten Thema beitragen, finden sich in den Artikeln auch viele Wiederholungen. Immer wieder wird auf die ersten Versuche mit Farbe eingegangen, die technischen Hintergründe, die unterschiedlichen Modi und die ganz besondere Rolle von Natalie Kalmus, der Ex-Frau des Firmengründers Herbert T. Kalmus, die akribisch darüber wachte, dass die Filmemacher Technicolor optimal einsetzten. Sie griff dabei tief in die Dreharbeiten ein und gab bei der Verwendung von Technicolor vor, wie die Ausstattung, die Kleidung und das Make-Up der Darsteller auszusehen hatten. Eine faszinierende Person mit hohen ästhetischen Ansprüchen an das von ihr propagierte Farbverfahren und die Leute, die damit arbeiteten.
Barbara Flückiger gibt zunächst einen guten, manchmal sehr technisch geratenen Überblick über die Zeit der Firmengründung und den ersten von Technicolor entwickelten Farbfilmsysteme. Vom additiven Zwei-Fahren-Verfahren 1918, welches allerdings ein Reinfall war, über erste Erfolge mit Technicolor Nr. II ab 1922 , den Durchbruch mit Technicolor Nr. III 1927, welches allerdings noch immer eine Zwei-Farben-Verfahren war, den beiden Vorläufern aber weit überlegen. Scott Higgins schreibt über das darauf folgende Drei-Farben-System Technicolor Nr. IV, welches ab 1932 zum Einsatz kam und mit dem der Farbfilm perfektioniert wurde, die Freiheiten der Filmemacher allerdings auch durch die strengen Vorgaben Technicolors in Bezug auf Hintergrund, Kostüme und Maske etwas eingeschränkt wurden.
Technicolor wurde zunächst vor allem für Musicals eingesetzt, wie Susanne Marschall berichtet. Sie nimmt sich in ihrem Essay der Geschichte des Zeichentrickfilms der Disney-Studios, in denen mit Farbe experimentiert werden konnte, um sich dann den Muscials zu widmen, die durch ihre unglaubliche Farbintensität die Aushängeschilder für Technicolor waren. Am Beispiel von Rouben Mamoulians „Blood and Sand“ zeigt Christine N. Brinckman auf, wie die Möglichkeiten, die Technicolor bot, von den Regisseuren kreativ genutzt wurden um – wie in diesem Falle – die klassische Malerei nachzuahmen. Heather Hackman stellt die These auf, dass das Western-Genre eher seltener mit Technicolor in Verbindung gebracht wird, stellt dann aber dar, welch große Bereicherung Technicolor für den Western war und wie hier der sogenannten „restraint modus“, den Natalie Kalmus einst für diese Art von Filmen festlegte, perfektioniert wurde. Gerade im Werk des großen John Ford, dessen „Der Teufelshauptmann“ hier als Referenz herangezogen wird.
Ausgesprochen spannend ist das Kapitel über die Technicolor-Filme aus Großbritannien, wo das Duo Michael Powell und Emeric Pressburger die Vorgaben Technicolors weit dehnen konnten und so eine ganz neue Art des Farbfilms schufen, die heute noch überwältigt und Vorbildcharakter hat.
Das Kapitel „Die Farben von Technicolor – Von der Entstehung zur Restaurierung“ von Ulrich Ruedel und Kieron Webb ist vor allem für die Leser interessant, die sich vor allem mit den technischen Aspekten im Detail auseinandersetzten möchten. Zum Schluss wirft Dirk Alt einen Blick auf Technicolor in Deutschland, wo es in der Filmherstellung so gut wie vollständig ignoriert wurde und in den 30er Jahren mit Agfacolor ein Konkurrenzprodukt entwickelt wurde.
„Gloroius Technicolor“ ist vor allem für Leser zu empfehlen, welche sich für die technische Seite der Filmgeschichte interessieren. Man hätte sich für dieses Thema eine großformatiger Aufmachung gewünscht. Die zahlreichen Redundanzen in den verschiedenen Artikeln lassen sich durch die Essay-Form wohl kaum vermeiden, da viele Erläuterungen und Erklärungen auf den selben Aspekten aufbauen. Es langweilt aber auf die Dauer etwas. Bezüglich der Geschichte von Technicolor und dessen Einfluss auf die Filmgeschichte lässt das Buch aber keine Fragen offen.
Connie Betz, Rainer Rother, Annika Schaefer, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (Hg.) “ Glorious Technicolor“, Bertz+Fischer, 180 Seiten, 178 Fotos, € 25,00