DVD-Rezension: „The Loreley’s Grasp – Die Bestie im Mädchen-Pensionat“

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In einem Städtchen am Rhein wird eine junge Frau in der Nacht vor ihrer Hochzeit brutal ermordet. Bald schon macht das Gerücht die Runde, dass der Mord auf das Konto der mythischen Loreley (Helga Liné) geht, die sich in Vollmondnächten in ein Monster verwandelt und die Herzen junger Mädchen frisst, um selber jung zu bleiben. Um die Bewohnerinnen des nahen Mädchenpensionats vor einem solchen Schicksal zu bewahren, beschließt die Leitung des Pensionats den Jäger Sigurd (Tony Kendell) als Schutz anzustellen. Doch das Morden geht weiter…

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Obwohl „The Loreley’s Grasp“ in Deutschland spielt und die rheinische Legende von der Loreley (neben Elementen aus der „Nibelungen“-Sage, die hier ebenfalls unter mit eingebaut werden), sagen wir mal kreativ interpretiert, hatte dieser 1974 entstandene spanische Film den Weg nach Deutschland bisher nicht finden können. Möglicherweise aufgrund der für seine Zeit recht expliziten Mordszenen, vielleicht aber auch, weil der Film nach allem aussieht, aber nicht nach der Rheingegend. Tatsächlich wurden nur einige wenige Szenen tatsächlich auf und am Rhein gedreht. Der Hauptteil allerdings in und um Madrid, was man ihm auch ansieht. Wenn beispielsweise Loreley recht verführerisch vor einem Gewässer auf einem Felsen sitzt, dann wird noch nicht einmal mit der wohlwollendste Zuschauer auf die Idee kommen, dabei könnte es sich tatsächlich um den Rhein handeln. Von den Darstellern ganz abgesehen. Während man der gebürtigen Berlinerin die Loreley noch gerne abnimmt, fällt es doch schwer, sich Luciano Stella alias Tony Kendell als Figur namens Sigurd vorzustellen. Von Italo-Western- und Jess-Franco-Veteran Luis Barboo als Alberich mal ganz abgesehen. Das Amüsement beim deutschen Zuschauer dürfte gleich dem sein, wenn ein US-Amerikaner sieht, wie in bundesdeutschen Winnetou-Filmen Jugoslawien plötzlich zum Wilden Westen wird.

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Regisseur Amando de Ossorio, der auch für die Geschichte und das Drehbuch verantwortlich war, ist vor allem mit seiner vierteiligen „Reitende Leichen„-Saga berühmt geworden. die älteren werden sich sicherlich noch mit Freude daran erinnern, als diese zu später Stunde im Rahmen von Horrorfilm-Reihe mit der „wilden Hilde“ auf RTL liefen. Neben den reitenden Leichen, dürfte „Loreley’s Grasp“ zu seinen bekanntesten Werken gehören. Die Geschichte folgt auch in etwa dem bei den „Reitenden Leichen“ eingeführten Muster. Eine alte Legende, die plötzlich wieder zum Leben erwacht und eine zuvor definierte Gruppe einen nach dem anderen dezimiert. Hier sind es die Schülerinnen eines Mädchenpensionats (für die Optik) und die Bewohner einer kleinen Stadt am Rhein. Dabei geht de Ossorio sehr grafisch vor. Die Szenen, in denen den Opfern das Herz in Großaufnahme herausgerissen wird, sind nicht nur für das Jahr 1974 ziemlich deftig, sondern stellen auch in de Ossorios Werk einen Höhepunkt an Explizitheit dar. „Loreley’s Grasp“ ist damit de Ossorrios härtestes Werk und die FSK16-Freigabe ist (besonders in Hinblick auf den im gleichen Jahr entstandenen und im Vergleich ausgesprochen harmlosen, aber trotzdem noch immer auf dem Index stehenden „Geisterschiff der schwimmenden Leichen“) beachtlich. Wahrscheinlich wurde hier wohlwollend berücksichtigt, dass die Effekte recht durchschaubar sind (was allerdings auch für den abgeschlagenen Pappmaché-Kopf im „Geisterschiff“ gilt).

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Obwohl technisch sauber und mit einem Gespür für stimmungsvolle Fotografie gedreht, fehlt es „Loreley’s Grasp“ an Spannung und Grusel. Da recht schnell ersichtlich ist, wer hinter der Morden steckt und diese dann auch recht gleichförmig an unbedeutenden Figuren ausgeübt werden – von den Hauptcharakteren gerät lange Zeit niemand in echte Gefahr – bleibt die Spannung auf der Strecke und dem Grusel wird dadurch der Gar aus gemacht, dass man vom Monster häufig eine als solche gut zu erkennende Gummikrallenhand oder ein rechte billige und eher lustig aussehende Monstermaske zu sehen sind. Vermutlich tut hier das gute und scharfe Bild der DVD noch ihr übriges dazu, jegliche Illusion von einer unheimlichen Kreatur zu zerstören. Trotzdem weiß der Film in der Fülle der Handlungselemente zu unterhalten. Neben den blutigen Morden, gibt es hübsche Mädchen im Nachtgewand oder Bikini, einen verrückten Professor mit absurden Experimenten, dann natürlich die knapp bekleidete Loreley und am Ende noch eine Höhle mit grünen Wassernixen und Niblungenschatz. Dass hier nichts ernst zu nehmen ist, wird spätestens klar, wenn Tony Kendell als „Sigurd“ (eine Hommage an den legendären Comiczeichner Hansrudi Wäscher?) in viel zu engen Hosen mit kilometerweitem Schlag von den Pensionatsbewohnerinnen in bester „Kommissar X“-Tradition angehimmelt wird.

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Auf Seiten der Schauspieler gibt es viele bekannte Gesichter zu entdecken. Neben Tony Kendell, der mit de Ossorrio bereits bei dessen „Rückkehr der reitenden Leichen“ dabei war, ist es Helga Liné, die in den späten 60er Jahren aber vor allem in den 70ern zahlreiche spanische Genrefilme mit ihrer Anwesenheit veredelt hat und in den frühen 80ern mit dem damals noch jungen Pedro Almodóvar zusammenarbeitete. Viel hat sie in diesem Film zwar nicht zu tun, außer wahlweise erhaben-melancholisch oder verführerisch-selbstbewusst auszusehen. Die gelingt der schönen Berlinerin dann allerdings auch sehr gut. Neben ihr ist die 15 Jahre jüngere, und ebenfalls wunderschöne Silvia Tortosa zu sehen, die hier eine leitende Angestellte des Pensionats spielt und dabei jünger aussieht als manche der hübschen Bewohnerinnen. Silvia Tortosa blickt mittlerweile auf eine lange Filmkarriere zurück, in der sie in allen möglichen Genres dabei war, oftmals als Anhängsel des Helden. In Spanien wurde sie allerdings vor allem durch ihre zahlreichen Auftritte in der Klatschpresse, wo ausführlich über ihre zahlreichen Liebschaften und Ehen berichtet wurde. In „Loreley’s Grasp“ hält sie sich recht bedeckt, aber im Internet stößt man auf zahlreiche Bilder, auf denen sie sich im Alter von 60 Jahren – wohl anlässlich des Erscheinens ihrer Memorieren – sehr freizügig hat ablichten lassen.

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In „Loreley’s Grasp“ interpretiert „Reitende-Leichen“-Regisseur Amando de Ossorio die Legende von der Lorelei ganz neu und macht aus ihr ein Herzen verschlingendes Monster. Kostengünstige Splattereffekte sorgen für einen ungewöhnlich blutrünstigen Film. Mangelnde Spannung und Grusel wird durch eine krude Geschichte, die alle möglichen deutschen Legenden wild miteinander verquirlt, gern gesehene Schauspieler aus der zweiten Reihe und vielen hübsche Mädchen ausgeglichen.

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Der Film erschien, wie eingangs geschrieben, bisher noch nicht in Deutschland. Weder im Kino, noch auf VHS. 2012 wurde er zunächst von Schock DVD als „Limited Edition“ in Österreich veröffentlicht. Da selbstverständlich keine deutsche Synchronisation vorlag, wurde von Shock selber eine deutsche Sprachfassung erstellt. Man hört allerdings doch sehr deutlich, dass hier nicht viel Geld zur Verfügung stand. Zudem werden teilweise Hintergrundgeräusche verschluckt. Nun ist die identische Schock DVD-Scheibe auch in Deutschland erschienen. Wobei der Werbespruch „Endlich erstmals ungeschnitten in deutscher Sprache“ zwar in dem Sinne stimmt, als die DVD dieselbe ist, wie die vor zwei Jahren in Österreich veröffentlichte. Neben der deutschen Tonspur sind noch eine englische (die etwas dumpf kling) und eine spanische (die zu bevorzugen, aber auch nicht ganz makellos ist) dabei, sowie deutsche Untertitel. Am Bild gibt es nichts auszusetzen. Dieses ist klar und die Farben kräftig. An Extras gibt es den spanischen Trailer, eine Bildergalerie mit Standfotos (leider im falschen Format und dadurch in die Breite „gedrückt“) und die spanische Titelsequenz. Auf der Verpackung sind unter „Extras“ noch „Uncut Version!“ aufgeführt, was auf den ersten Blick vermuteten lässt, es wäre ein noch längere Fassung als Bonus mit dabei. Dies stimmt aber nicht, das bezieht sich auf den Hauptfilm (und hat unter „Extras“ somit eigentlich nichts zu suchen). Ein letztes Wort zu Menü. Dieses erinnert stark an das alte Laser Paradiese Intro und hat zwar die nette Idee, das Menü und die Untermenüs in einem Buch zu zeigen, aber das animierte „Umblättern“ dauert nervig lange.

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