Im Keller des Hauses der Familie Hercules gibt es eine geheimnisvolle Tür, die in die Sechste Dimension führt. In dieser regieren der zwergenhafte König Fausto (Hervé Villechaize) und seiner Domina-mäßigen Königin Doris (Susan Tyrrell). Nachdem die Tochter der Hercules, Frenchy (Marie-Pascale Elfman), von ihrem Klassenkameraden Squeezit (Matthew Bright) gehört hat, dass dieser in einer Vision gesehen habe, dass seine transsexuelle Schwester René (ebenfalls Matthew Bright) durch die Tür im Keller der Hercules in die sechste Dimension geraten ist, beschließt Frenchy einen kurzen Blick hinter die Tür zu wagen. Es kommt, wie es kommen muss. Frenchy gerät ebenfalls in die sechste Dimension und wird dort gefangen genommen. Nach und nach folgen ihr ihre Familienmitglieder, und was sie in der Sechsten Dimension erleben, sprengt jegliche Logik…
Holla, was ist das den? Es gibt viele Filme, denen das Prädikat „Kultfilm“ aufgedrückt wird. Aber „Forbidden Zone“ hat diesen Stempel mehr als verdient. Der erste Spielfilm von Richard Elfman sprüht nur so über vor verrückten Ideen, purem Wahnsinn und filmischen Extravaganzen. Obwohl wahrscheinlich nur aus Budgetgründen in schwarz-weiß gedreht, entpuppt sich diese Entscheidung als genau die richtige. „Forbidden Zone“ vereint Elemente des expressionistischen Stummfilms, des frühen Slapsticks und des Vaudeville, und mixt diese mit avantgardistischem Dada, Three-Stooges-Humor, Cartoons, Terry-Gilliam-Animationen, John-Waters-Geschmacklosigkeiten und Musicalelementen. Mal erinnert er an einen amoklaufenden Guy Maddin auf Ecstasy, dann wieder an die „Rocky Horror Picture Show“. Und inmitten des Wahnsinns schwingt eine in eine enges Lederkostüm gequetschte Susan Tyrrell die Peitsche, während ihre Tochter barbusig durch die Gegend hüpft. „Forbidden Zone“s überbordender Einfallsreichtum und Mut einfach mal ohne Sinn und Verstand über die Stränge zu schlagen, lässt einen atemlos und trotz der kurzen Laufzeit von nur 70 Minuten auch etwas erschlagen zurück.
„Forbidden Zone“ ist ein Projekt, welches seine Wurzeln in der extravaganten Show der Musiktheater-Gruppe „The Mystic Knights of the Oingo Boingo“ hat. Einer avantgardistischen Musik-Theater-Truppe, die zeitweise bis zu 15 Mitglieder auf die Bühne brachte. Gegründet wurde sie 1972 von Richard Elfman und seinem jüngeren Bruder Danny. Die Band spielte Musik aus den Jahren 1890 bis 1950. Dies konnten Songs von Cab Calloway, russische Ballettmusik oder balinesische Volksmusik sein. Gespielt wurde auf selbstgebauten Instrumenten und in fantasievoller Kostümierung. Bereits 1976 begann sich Richard Elfman für Filmregie zu interessieren und übergab die Leitung der „Mystic Knights“ an seinen Bruder Danny. Jetzt begannen sie auch Singles aufzunehmen, zuvor hatten sie ausschließlich live performt. 1979 begann die Band sich unter Dannys Leitung in eine „echte“ Band zu verwandeln. Der Name wurde auf „Oingo Boingo“ verkürzt und von einer vielköpfigen Theatertruppe auf acht Mitglieder verkleinert. Bald schon stellte sich im Zuge der New Wave der erste Charterfolg ein. „Oingo Boingo“ wurde eine international erfolgreiche Musikgruppe und existierte bis 1995. Zu diesem Zeitpunkt war Danny Elfman bereits einer der berühmtesten und vielbeschäftigsten Filmkomponisten Hollywoods. Er schrieb für alle Tim-Burton-Filme die Musik und kooperierte häufig mit Sam Rami, für den er u.a. „Spider-Man“ vertonte. Zudem ist ihm das Titelthemen der TV-Serien „Die Simpsons“ und „Desperate Housewives“ zu verdanken.
Die Idee zu „Forbidden Zone“ hatte Richard Elfman, weil er die extravagante Bühnenshow der „Mystic Knights of the Oingo Boingo“ festhalten wollte und den ganzen Wahnsinn, den sie produzierten. Vergleicht man den Film mit den Videoaufnahmen der „Mystic Knights“-Show, die freundlicherweise in den Extras zu sehen sind, erkennt man einerseits, dass Elfman dieses Vorhaben geglückt ist und er andererseits die Schraube noch viel mehr anzog. Das Tohuwabohu der „Mystic Knights“ wurde noch mit filmischen Extravaganzen und genuinen Irrwitz angereichert, so dass der Film am Ende weit über eine bloße Hommage an die „Mystic Knights“ hinausgeht. Die Dreharbeiten erstreckten sich über drei Jahre. Zunächst war ein 16mm Film unter dem Titel „The Hercules Family“ mit 12 „Mystic Knights“-Nummern geplant. Zwei Nummern wurden gedreht (ebenfalls in den Extras zu finden), dann aber wurde das Projekt größer, es wurde auf 35mm gedreht und die bereits fertigen Szenen neu konzipiert, damit sie in den neuen Film, der jetzt „The Forbidden Zone“ hieß, passten. Die Dreharbeiten waren chaotisch und irgendwann halfen auch die Schauspieler mit, ihre Kostüme zu schneidern und Kulissen zu bauen.
Ein nicht unwichtiger Faktor für den Erfolg des Filmes ist, neben der Musik, auch die großartige Arbeit von Richard Elfmans damaliger Ehefrau Marie-Pascale Elfman, die nicht nur eine der Hauptrollen spielte, sondern auch für das Design der expressionistisch-naiven Kulissen zuständig war. Beim Casting wurde zunächst natürlich auf die Mitglieder der „Mystic Knights“ gesetzt. Dann wurden Verwandte und Bekannte dazu geholt. Ein besonderer Coup gelang mit der Besetzung von Hervé Villechaize, der berühmt wurde als Christopher Lees teuflischer Handlanger Nick Nack in dem James-Bond-Abenteuer „Der Mann mit dem goldenen Colt“ und als Mr. Roarkes Assistent Tattoo in der in den USA enorm populären TV-Serie „Fantasy Island“. Villechaize war ein ehemalige Mitbewohner von „Forbidden Zone“s Co-Drehbuchautor und Darsteller des Squeezit, Matthew Bright und brachte noch seine Ex-Freundin Susan Tyrrell mit. Gerade Susan Tyrrell gibt dem Film noch zusätzlich Würze. Ihre hemmungslose und de Grenze zum Wahnsinn einige Male überschreitende Darstellung der Königin Doris sprengt förmlich den Bildschirm. Dass Frau Tyrrell auch im wahren Leben eine sehr explosive und extrovertierte Persönlichkeit war, kann man einerseits in den Extras bestaunen, andererseits in einem Interview mit John Waters, welches er vor einige Tagen „Spiegel Online“ im Rahmen seiner „This Filthy World“-Tour gegeben hat, nachlesen. Dort sagt er über Susan Tyrrell – die in seinem „Cry Baby“ eine ähnlich erinnerungswürdige Darstellung gab: „Die (war) zwar die ganze Zeit betrunken (…), (hat) aber trotzdem umwerfend gespielt (…)! Es war nur manchmal ein wenig irritierend, mit ihr zu reden, weil ihre Augäpfel die ganze Zeit wie wild hin- und herflackerten…“. Leider nahm es mit Frau Tyrrell ein trauriges Ende. Aufgrund einer seltenen Krankheit mussten ihr 2000 beide Beine amputiert werden, was sie aber nicht davon abhielt, noch bis zum ihrem frühen Tod 2012 weiter in Filmen aufzutreten.
Neben Villechaize und Tyrrell kann man noch die Ex-Warhol-Muse Viva als Ex-Königin und Joe „Maniac“ Spinell in einer deutlich von „Marnie“ inspirierten Szene als Squeezits betrunkener und gewalttätiger Vater sehen. Noch einmal deutlich hervorheben muss man aber die Gesang- und Tanzkünste von Marie-Pascale Elfman, dem heimlichen Star des Filmes. Generell spielt die Musik naturgemäß eine große Rolle in „Forbidden Zone“ und die Bandbreite reicht von Playback-Aufnahmen alter Jazz- und Swing-Standards, über die brillante Coverversion von „Minnie the Moocher“ von Danny Elfman bis in zum unvergesslichen Titelthema, welches von „Oingo Boingo“ eingespielt wurde und schon deren musikalische Ausrichtung am New Wave in den 80er Jahren deutlich macht. Dieses wilde Potpourri an Musikstilen passt hervorragend in einen Film, der insgesamt ausgesprochen zusammengewürfelt wirkt. Was in diesem speziellen Fall nicht negativ gemeint ist.
„Forbidden Zone“ ist Chaos und Wahnsinn pur. Ein expressionistisches Cartoon-Musical mit Monty-Pythonesquen Animationen, avantgardistischen Einfällen, schlechten Witzen und nackten Brüsten. Irgendwo zwischen aus dem Ruder gelaufenen Vorschultheater und Experimentalfilm. Das kann man lieben oder hassen. Kein Film für jedermann.
Die CMV-DVD ist sehr vorbildlich. Der Film wird in der bestmöglichen Qualität präsentiert. Neben der originalen schwarz-weiß-Version kann man auch eine kolorierte Fassung auswählen. Die Kolorierung wirkt – wie so häufig – etwas „unecht“, wurde aber so von Regisseur Richard Elfman durchgeführt, der den Film von vornherein gerne bunt gedreht hätte. Allerdings geht die Farbe zu Lasten der expressionistischen und an Stumm- und Slapstickfilme gemahnende Bildkomposition. Die Extras lassen keine Wünsche offen und sind hoch informativ. Insbesondere kann man hier sehr genau die Karriere Danny Elfmans verfolgen. Kernstück der Extras ist die 36-minütige Doku „“A Look into Forbidden Zone“ in der Richard Elfman seine damaligen Mitstreiter interviewt. Des Weiteren kann man sich 10 Minuten „Outtakes“ ansehen und 5-Minuten aus dem ursprünglichen 16mm „The Hercules Family“-Film. In einer 4-minütigen japanischen Promo tritt Richard Elfman als Zirkusdirektor auf und erzählt über die Entstehung des Filmes. Wenn man wissen möchte, wie es mit „Oingo Boingo“ weiterging, der kann sich ein Musikvideo der Gruppe von 1982 ansehen, welches Richard Elfman gedreht hat: „Private Life“. Und obendrauf gibt es noch einen Audiokommentar von Richard Elfman und Matthew Bright, der wie die meisten Extras von der US-amerikanischen „Fantoma“-DVD übernommen wurde. Super!
Das Ding ist doch im Rahmen der „Trash Collection“ erschienen, oder? Schön zu hören, dass die Extras angemessen ausgefallen sind, denn diese Perle hat so eine Ausstattung wahrlich verdient. Hab das Ding mal auf 35mm gesehen, das war ein wahrer Hochgenuss!