Der Schlagertexter Martin lebt in den Tag hinein und lässt sich noch nicht einmal durch einen Einbruch im Elektrogeschäft gegenüber aus seiner exzessiv ausgelebten Ruhe bringen. Sein Freund Henry (Henry van Lyck), ein erfolgloser Schauspieler, versucht Martin aus seiner scheinbaren Lethargie zu reißen und ihn überreden, einerseits als Zeuge für den Einbruch bei der Polizei auszusagen, und endlich die versprochenen Schlagertexte für Viktor Block (Helmut Brasch) zu schreiben, damit die Beiden an ein wenig Geld kommen. Martins Freundin Anita (Inge Marschall) wiederum, verlangt von ihm sich endlich mit ihr zu verloben. Aber Martin interessiert das alles nicht. Lieber treibt er sich mit der gutbürgerliche Barbara (Uschi Glas) herum, die er zufällig im Freibad kennengelernt hat.
„Zur Sache, Schätzchen“ lässt den Filmfreund mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Lachend, weil man sich darüber freut, wie luftig leicht, unangestrengt und anarchistisch dieser Film gemacht ist. Weinend, weil man sieht, was damals im deutschen Film möglich gewesen war, aber dann aus den Augen verloren wurde. „Zur Sache, Schätzchen“ hätte der Startschuss zu einem populären, verspielten neuen deutschen Film sein können. Stattdessen ging bei den jungen, talentierten Filmemachern die Tendenz dann zu kopflastigen, schweren Filmen. Häufig mit Bauchnabelschau und gesellschaftskritischer Grundierung. Natürlich ist auch Fassbinders ein Jahr später entstandenes Debüt „Liebe ist kälter als der Tod“ verspielt und kokettiert flott mit Genre-Konventionen und Verweisen. Aber doch ist es mehr ein intellektuelles, kopfgesteuertes Spiel, während „Zur Sache, Schätzchen“ ganz aus dem Bauch heraus entstanden zu sind scheint. Um einen Vergleich mit der Nouvelle Vague – in die dieser Film auch bestens passen würde – anzustellen, wirkt „Schätzchen“ wie Truffaut, während der Rest der deutschen Filmemacher sich doch eher von Godard inspirieren ließen. Schade, Platz wäre doch für beide gewesen.
Dessen Credo, das alles politisch sei, kann man auch auf „Schätzchen“ anwenden, denn Martin rebelliert auf seine Weise auf die Zwänge der Gesellschaft. Er weigert sich standhaft, mitzuspielen und seine Freiheit aufzugeben. Dabei wirft er allerdings keine Bomben und geht nicht auf die Straße, wie es seine Generation in diesem heißen Sommer 1968 tat. Er bleibt im Bett und tut nichts. Weil es das ist, was er will – und das, was nicht akzeptiert ist. Weder von den Alten, die von ihm erwarten zu arbeiten, noch von den Jungen, die gegen den Staat kämpfen wollen, und von ihrer Generation verlangen dabei mitzumachen. Doch Martin entzieht sich all diesem. Er lebt in den Tag und genießt seine totale Freiheit. Auch seine Freunde wollen ihn dazu bringen „zu funktionieren“. Henry, der verzweifelt versucht, ihm zur Arbeit zu zwingen oder zumindest doch das zu tun, was die Gesellschaft von ihm erwartet. Oder seine Freundin Anita, die ihn in den Ehekäfig zwängen will. Natürlich sind die Bemühungen der Beiden bei Martin vollkommen zwecklos, und darauf zieht der Film auch ein Teil seiner Komik.
Zwar wird „Schätzchen“ immer als Komödie vermarktet, doch das ist er natürlich nicht. Es ist das Portrait eines völlig frei lebenden Individuums, welches sich nichts vorschreiben lassen möchte. Noch nicht einmal, wann es morgens aus dem Bett aufzustehen hat. Und aus dem Zusammenprall von Ordnung und Verantwortung mit dem anarchistischen Martin entstehen ulkige Szenen, wie die großartige Sequenz, in der Martin zunächst aus einem Polizeirevier flüchtet, um dann gleich in einer unglaublichen Verkleidung mit langem Mantel und falschen Bart am Gummiband zurückzukehren, und seinen Freund vor die Tür zu ziehen. Dort angekommen flüstert er ihm ins Ohr, dass man sich jetzt ganz unauffällig benehmen müsse nur um danach in einem wunderbar grotesken Lauf – der aus monty-pythonischen „Mininsty of Silly Walk“ stammen könnte – eben diesen Rat ad absurdum zu führen. Diese Szene strahlt so viel Witz, pure Freude und Lust am Leben aus, dass man einfach mitlächeln muss,
„Schätzchen“ war auch der Film, der Uschi Glas zum Star machte. Nun muss man sagen, dass sie im „Schätzchen“ die Rolle des süßen Mädchens aus gutem Hause perfekt ausfüllt. Doch man merkt gleich, dass ihre Barbara nicht bei Martin bleiben kann. Dafür sind die Beiden doch viel zu verschieden. Dennoch bereitet es große Freude dabei zuzusehen, wie Barbara zumindest für 24 Stunden aus ihrem gutbürgerlichen Alltag ausbricht und gemeinsam mit Martin für kurze Zeit die Utopie lebt, dass alles leicht und unbeschwert ist. Dass die Welt denjenigen gehört, die einfach das tun, was ihnen Spaß macht. Bedenkt man, wie sehr die Glass mit dem „Schätzchen“ identifiziert wurde, und noch immer wird, überrascht es, wie wenig sie im Film zu sehen ist. Für ihren Ruhm ist neben ihrer natürlichen, liebenswerten Ausstrahlung natürlich ihr berühmter (harmloser) Strip in der Polizeiwache verantwortlich. Hier spielt sie Martins Spiel einfach einmal mit, und tatsächlich hat man ein Gefühl, dass von nun ab alles möglich ist. Auch ein Happy End zwischen den Beiden oder zumindest ein langer Moment des Glücks.
Auch sonst wird die Atmosphäre der späten 60er in Schwabingen – zumindest so, wie ich sie mir vorstelle – hervorragend eingefangen. Figuren wie den „Verkäufer von Ideen“ Brock mit seiner eigenen primitiven Wasserskianlage, der erfolglose Schauspieler Henry und die ganze Clique, die auf hippen Partys rumhängt, kann man sich gut als Spiegelbild realer Personen vorstellen. Interessant auch, dass es nie dazu kommt, dass Martin in diesen Szenen auftaucht. Er bleibt ganz in seiner eigenen Welt, während seine Freunde sich abrackern, in der Schickeria ihren Mann oder ihre Frau zu stehen. Was zeigt, dass Martin nicht nur eine Abwehrhaltung gegenüber bürgerlichen Zwängen, sondern auch denen der sogenannten Szene aufgebaut hat,. Etwas, was heute noch einigen Leuten sehr gut tun würde. Martin lässt sich von niemanden bevormunden und tut auch niemandem weh (abgesehen von einige zerbrochen Herzen).
Viel, sehr viel wurde im Vorfeld damit Werbung gemacht, dass das Filmmaterial unter. Hohem Aufwand und mit Hilfe staatlicher Geldern restauriert wurde. Leider muss man sagen, auch etwas kaputt restauriert. Das originale Format von 1:1,33 wurde „HD-Bildschirm-kompatibel“ auf 1,78 beschnitten, was zur Folge hat, dass häufig die oberen Teile der Köpfe beschnitten werden oder das Bild insgesamt etwas zu „eng“ und beinahe klaustrophobisch wirkt. Grund hierfür war der Wunsch Werner Enkes, auf jeden Fall sicherzustellen, dass in der letzten Szene ein sehr wichtiger Gegenstand im Bild ist, der bei einer möglichen, falschen Einstellung des Fernsehapparats nicht zu sehen gewesen wäre. Weiterführend möchte ich hier auf Thomas Grohs Blog „filmtagebuch“ verweisen, in dem er sich eingehend damit beschäftigt hat und in dem Konrad Hirsch von Schamoni Film einen – für meinen Geschmack sehr aggressiven und eingeschnappten – Kommentar zu den genauen Hintergründen hinterlassen hat. Auch ich hätte es sehr begrüßt, wenn zumindest die Option bestanden hätte, auch die gedacht Bildkomposition anzuschauen. Aber nun ist es so, wie es ist. Immerhin wurde die ebenfalls restaurierte Kinofassung nicht im Format geändert.
„Zur Sache Schätzchen“ ist gut gealtert und verstrahlt heute noch eine lockere Leichtigkeit, die wie ein frischer Windhauch im damals gerade entwickelnden Neuen Deutschen Film, der doch eher intellektuell grundiert war, wirkt. Seine Botschaften sind zeitlos und ein hervorragend passendes Schauspieler-Ensemble sorgt dafür, dass „Zur Sache Schätzchen“ wie aus dem prallen Leben herausgeschnitten wirkt. Ärgerlich ist lediglich das korrigierte Bildformat, welches das Bild manchmal zu eng wirken lässt.
Das Bild der Restauration ist sehr gut geworden. Zwar wirken einige Szenen etwas matschig, dafür sind andere messerscharf. Ich vermute mal, dass dies am Ausgangsmaterial lag, aus dem einfach nicht immer mehr heraus geholt werden konnte. Aber auch so sieht der Film sehr gut aus. Der Ton liegt im Original Mono und in Stereo vor und ist sehr voluminös und klar. Als Extras gibt es zwei 10-minütige Kurzfilme von May Spils. In dem spielerischen „Das Portrait“ spielt sie selber eine junge Malerin, die sich an einem Selbstportrait versucht. In „Manöver“ tritt sie zusammen mit ihrem damaligen, und auch noch heutigen, Lebensgefährten als Paar auf, welches das morgendliche Aufstehen übt. Der Film kann durchaus als Fingerübung für „Zur Sache Schätzchen“ durchgehen. Ein 4-minüiger Clip zeigt Werner Enke heute, der über Geburtstage sinniert. Das 12-seitige Booklet enthält ein Essay über die Entstehung von „Zur Sache, Schätzchen“, sowie einen Text des Alt-Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der sich – zum Teil etwas falsch – an den Film erinnert. Alles in allem – bis auf das Bildformat – eine tolle Veröffentlichung.
Eine sehr schöne Besprechung für einen wunderbaren Film. Aber die Formatveränderung geht für mich überhaupt nicht. Schon alleine der bei Thomas Groh zu lesende Satz des Schamoni-Geschäftsführers »Wir haben jede Szene einzeln hoch bzw. runter geschoben, damit keine Bildinhalte abgeschnitten werden.« ist doch lächerlich. Natürlich werden Bildinhalte abgeschnitten, und zwar jeweils genau ein Viertel – die Bearbeitern halten diese Inhalte halt nur nicht für relevant. Wie schaurig die Kadrage nun teilweise aussieht, kann man ja auf den Screenshots begutachten. Ich finde merkwürdig, daß bei der Entscheidung für 16:9 offenbar nicht die Regisseurin sondern der Hauptdarsteller und Autor Enke treibende Kraft war. (»Enke hat … die 4:3-Verion nicht für DVD freigegeben.«) Und was sagt eigentlich der Kameramann zur Verstümperung seiner Bilder? Naja, früher wurden Breitwandfilme auf Vollbild zurechtgestutzt, heute Normalformatfilme auf Breitwand getrimmt. Das Grauen höret nimmer auf. Diese DVD kommt mir jedenfalls nicht ins Haus, Gott sei Dank habe ich noch meine gute alte Schrabbel-VHS des Films im Regal stehen … 🙂