Western Unchained: “Eine Pistole für Ringo” & “Ringo kommt zurück”

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Ringo (Giuliano Gemma) – genannt „Engelsgesicht“ – gerät im Grenzgebiet von Mexiko durch seine locker sitzende Pistole immer wieder in Schwierigkeiten und letztendlich hinter Gitter. Als mexikanische Banditen unter Führung von Sancho (Fernando Sancho) die Bank der Stadt ausrauben und sich anschließend auf der Ranch von Major Clyde (Antonio Casas) verschanzen, bittet der Sheriff Ringo um Hilfe. Dieser soll sich unbewaffnet bei der Bande einschleichen und die Geiseln befreien. Seine Belohnung: Eine dicke Prämie und die Freiheit. Ringo gelingt es, das Vertrauen Sanchos zu gewinnen, doch „Engelsgesicht“ scheint ein doppeltes Spiel zu treiben.

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Duccio Tessari gehört zu den, der breiteren Masse eher unbekannteren Italo-Regisseuren. Ziemlich zu Unrecht, denn in vielen Genres hat er immer wieder mindestens solides Handwerk, häufig aber sogar weit mehr abgeliefert. Sei es jetzt im Giallo („Blutspur im Park„, „Der Mann ohne Gedächtnis„), Gangsterfilm („Der Bastard„) oder eben Italo-Western. Dort drehte er mit seinen beiden „Ringo“-Filmen gleich zwei überaus erfolgreiche Filme, die heute zu Recht zu den Klassikern des Genres zählen. Tatsächlich war „Eine Pistole für Ringo“ so populär, dass der Name „Ringo“ erst einmal bei einigen anderen Italo-Western recycelt wurde, und wenn es auch nur auf dem deutschen Filmplakat war. Zumindest bis Herr Corbucci einen gewissen Django durch den Schlamm jagte.

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Das wunderschöne, von Ennio Morricone komponierte und von Maurizio Graf geschmetterte, Titellied erzählt, dass „Ringo had an Angel Face“. Und das trifft es sehr gut, denn er wird von dem blutjungen, blond gefärbten Giuliano Gemma gespielt. Dessen unschuldig wirkendes Gesicht hat tatsächlich etwas Engelhaftes. Hier muss sich Gemma noch als „Montgomery Wood“ ausgeben, was aber nicht lange dauerte. Ab dem übernächsten Film durfte er unter eigenem Namen über die Prärie galoppieren. Gemma war vor seiner Schauspielkarriere Stuntman, was ihm in diesem Film des Öfteren zugutekommt, wenn er z.B. vom dahin preschenden Pferd abspringt oder bei Kämpfen tolldreiste Salti schlägt. Tessari fordert seinem Lieblingsdarsteller (die beiden sollten noch 8 weitere Filme zusammen drehen) das Äußerste an athletischen Turnübungen ab.

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Neben Gemma gibt es eine Reihe weiterer beliebter und gern gesehener Darsteller aus der zweiten (Fernando Sanchez, die wunderschöne Nieves Navarro alias Susan Scott) oder dritten Reihe (Nazzareno Zamperla, José Manuel Martín). Als Sheriff besetzt Tessari George Martin in einer kleineren Rolle. Martin sollte dann später, in weitaus billigeren Western, noch zu Hauptrollen kommen. Dem Zuschauer wird einiges geboten: Die Pistolen sind fast niemals still. Ständig kommt es zu größeren oder kleinere Schießereien, oder es wird sich geprügelt. Mittendrin: Giuliano Gemma, der sowohl mit den Fäusten, als auch der Pistole eine sehr gute Figur abgibt, was ihn nach diesem Film sofort in die A-Liga der italienischen Stars katapultierte.

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Auch die Geschichte, die an Filme wie „An einem Tag wie jeder andere“ erinnert, ist zügig und spannend inszeniert. Und tatsächlich fragt man sich mehr als einmal, wie es um Ringos Loyalität bestellt ist. Zudem werden die Nebenfiguren, wie z.B. der alte Major, lebendig gezeichnet und dienen nicht nur als Staffage. Rundum gute Unterhaltung, der bald mit den gleichen Schauspielern ein gänzlich anderer „Ringo“ folgen sollte.

Auf Tarantinos Top-20-Italo-Western nimmt „Eine Pistole für Ringo“ den 12. Rang ein. Das Bild der DVD ist recht gut. Als Extra gibt es eine 21-minütige Doku namens „They Called Him Ringo“. Hier kommen Hauptdarstellerin Lorella de Luca – die mit Regisseur Ducci Tessari verheiratet war und daher viel über ihn berichten kann -, sowie Hauptdarsteller Giuliano Gemma zu Wort. Gemma erzählt dabei vor allem von den Anfängen seiner Filmkarriere.

 

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Juni 1865: Hauptmann Montgomery Brown, genannt Ringo (Giuliano Gemma), will zwei Monate nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs in sein Heimatdorf nahe der mexikanischen Grenze zurückkehren. Doch dort hat eine mexikanische Bande unter der Führung der Brüder Paco (George Martin) und Esteban (Fernando Sancho) Fuentes eine Terrorherrschaft errichtet. Ringo erfährt, dass seine Frau Helen nun mit Paco Fuentes zusammenlebt und diesen heiraten soll. Daraufhin verkleidet er sich als mexikanischer Tagelöhner und bereitet seine Rache vor..

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Noch im selben Jahr wie „Eine Pistole für Ringo“, erschien die Fortsetzung „Ringo kommt zurück“. Wobei der Begriff „Fortsetzung“ hier nicht ganz passt. Zwar hat Duccio Tessari die komplette Besetzung seines Erfolgsfilmes, bis hin zu den Nebendarsteller, wieder zusammengetrommelt, aber sie alle spielen hier gänzlich andere Rollen. Auch der Titelheld „Ringo“ ist nicht mit dem „Angel Face“ aus Teil 1 identisch. Scheinbar wurde das „Ringo“-Prädikat auch erst später auf den Film gepappt, denn aus Ringo genannt „Engelsgesicht“ wurde Montgomery Brown genannt „Ringo“. Wobei letzteres immer etwas angestrengt als Anhängsel nachgeschoben wird. Ursprünglich sollte der Film auch „Die Odyssee der langen Gewehre“ heißen, was ein weitaus passenderer Titel gewesen wäre. Denn bei der Odyssee bedienen sich die Drehbuchautoren Tessari und der spätere Kult-Regisseur Fernando di Leo mehr als deutlich. Genaugenommen der Rückkehr des Odysseus. Aus dem Trojanischen Krieg wurde dabei der amerikanische Bürgerkrieg; aus den Freiern, die um Penelope buhlen, der Bandit Paco Fuentes und statt als Bettler, verkleidet sich der Held als mexikanischer Tagelöhner.

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Auch der leichte Ton des actiongeladenen Vorgängers wurde geändert. „Ringo kommt zurück“ ist düster und melancholisch, besitzt sehr viel mehr Pathos – den Gemma mehr schlecht als recht durch übertriebenes Augen aufreißen darzustellen versucht – und ist ruhiger, mit einem Fokus auf dichte Stimmung, inszeniert. Während in „Eine Pistole für Ringo“ die Musik, bis auf das großartige Titellied, eine eher untergeordnete Rolle spielt, so greift Tessari hier in die Vollen. Er wird dabei kongenial von Ennio Morricone unterstützt, der einen abwechslungsreichen und emotionalen Soundtrack komponiert hat. Die Szene, in der Ringo das erste Mal seine Tochter sieht, wird beispielsweise mit einem gar Orffschen Klang-Gewitter begleitet. Wenn er, in einer der schönsten Szenen des Filmes, seiner Frau, die ihn für tot hielt, gegenübersteht, wird das Titelstück auf eine ergreifende Weise als traurig-pathetische Untermalung genutzt.

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Auch die Ausleuchtung, Bildkomposition und Kameraführung ist ambitionierter als in „Eine Pistole für Ringo“. Tessari war sichtlich daran interessiert, eine stimmungsvolle Tragödie zu erschaffen, die mehr als ein reiner Unterhaltungsfilm sein soll. Man denke nur an ikonische Szenen, wie die vom Sandsturm umtoste Silhouette Ringos in der Kirchentür erscheint, um das Finale einzuläuten. Oder die Begegnung zwischen Ringo und seiner Frau in einem nur von einer schwachen Lampe beleuchteten Raum. Später sitzen sie sich dann im stimmungsvollen Gegenlicht einander gegenüber. Oder man denke an Ringos psychedelisch angehauchten Gang, vorbei an verschiedenfarbigen Fenstern.

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Hinzu kommen sehr starke Darstellerleistungen. Antonio Casas gibt statt des Gentleman der alten Schule diesmal den trunksüchtigen Sheriff; Manuel „Pajarito“ Muñiz gelingt es, seinen doch eher komischen Charakter Miosotis mit echtem Leben zu füllen, statt ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. So gehört die für mich beste Szene des Filmes gerade diesen beiden Figuren, wenn sie gemeinsam in das finale Shoot-Out mit den Banditen ziehen und Muñiz Casas ein Gewehr zuwirft. Profis, die keiner Worte bedürfen und wissen, was zu tun ist. Fast fühlt man sich wie bei Howard Hawks. Mir gefällt der Gedanke, „Ringo kommt zurück“ wäre eine alternative Welt zu „Eine Pistole für Ringo“, in der einfach einige Sachen anders gelaufen sind, aber die Charaktere sich irgendwie an die Welt aus „Eine Pistole für Ringo“ erinnern. Warum sonst entwickelt Susan Scott plötzlich eine Sympathie für Casas, in den sie sich ja in dem anderen Film verliebt hatte. Warum sonst besteht George Martin so bedingungslos darauf, Lorella de Luca zu heiraten, die im Vorgänger seine Verlobte war? Warum nimmt Muñiz Ringo ohne zu fragen bei sich auf und hilft ihm, wie er ihm schon zuvor geholfen hat? Und verwandelt sich nicht auch Ringo zurück in das „Engelsgesicht“? Laut dem für ihn errichteten Grabstein müsste er 50 Jahre alt sein und wird zu Beginn auch mit weißen Haaren gezeigt. Am Ende ist er dann braunhaarig und wirkt keinen Tag älter als der Ringo, der eine Pistole brauchte. Auch das freche Grinsen ist zurück. Von daher passt der Titel „Ringo kommt zurück“ dann wohl doch sehr gut.

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Quentin Tarantino hat diesem Film auf seiner Liste den Platz Nummer 10 gegeben. Das Bild der DVD ist für das Alter gut. Im Bonusmaterial befindet sich die Doku „A Western Greek Tragedy” (25:27 Minuten), in der wieder Tessaris Ehefrau und Hauptdarstellerin Lorella de Luca zu Wort, sowie Kamerassistent Sergio D’Offizi zu Wort kommen. Beide erzählen informativ von den Dreharbeiten.

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