Western Unchained: „Die Zeit der Geier“ & „Mercenario – Der Gefürchtete“

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Kitosch (George Hilton) arbeitet auf der Farm des Großgrundbesitzers Don Jaime Mendoza (Eduardo Fajardo). Hier sorgt er mit amourösen Ausschweifungen besonders bei den Ehefrauen seiner Kollegen für Unruhe. Als er eines Tages mit der Frau von Don Mendoza erwischt wird, flüchtet er von der Ranch. Doch Don Mendoza hetzt den Sheriff auf Kitosch und so landet er im Gefängnis. Hier wird er von dem berüchtigten „Schwarzen Tracy“ (Frank Wolff) befreit. Die beiden bilden schon bald ein Team. Tracy ist hinter einem ehemaligen Freund her, der ihn einst an den Sheriff ausgeliefert hat. Auf der Suche nach dem Verräter erkennt Kitosch immer mehr, mit was für einem gefährlichen Mann er da unterwegs ist…

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Die Zeit der Geier“ lockt den Zuschauer zunächst auf eine falsche Fährte. Der Film beginnt mit einer fröhlichen Prügelei und führt den vom Uruguayer George Hilton gespielten Kitosch als Schürzenjäger und unbekümmerten Hallodri ein. Das passt auch gut zu Regisseur Nando Cicero, der in den 70ern fast ausnahmslos Komödien drehte. Hilton verkörpert hier zunächst einen jugendlichen Draufgänger, so dass man sich in dieser Rolle auch sehr Giuliano Gemma vorstellen könnte.

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Doch bald schon ändert sich die Stimmung des Filmes. Bereits am Anfang, wenn Kitosch gebrandmarkt wird und später von den Männern seines Arbeitgebers (Eduardo Fajardo in einer für ihn typischen Rolle) verfolgt und bedroht wird, schwingt eine raue Brutalität mit, die so gar nicht zu dem Anfang passen will. Ganz finster wird es, wenn der von Frank Wolff bravourös gespielte „Schwarze Tracy“ auf einer Totengräberkutsche und Sarg auftaucht. Frank Wolff spielte in der Regel gutmütige – wenn auch manchmal etwas korrupte – Charaktere. Als Bösewicht sah man ihn eher selten. Vielleicht hat er nur darauf gewartet, seine dunkle Seite zeigen zu können. Hier lässt er den Zuschauer schon recht bald erschauern. Obwohl er bereits in der ersten Szene keine Skrupel zeigt, zahlreiche Ordnungshüter über den Haufen zu schießen, so glaubt man zunächst daran, dass sich zwischen ihm und Hilton so etwas, wie eine Vater-Sohn- oder zumindest Großer-Bruder/Kleiner-Bruder-Beziehung entwickeln könnte. So wie zwischen Lee van Cleef und Giuliano Gemma in „Der Tod ritt dienstags“. Das tut es auch, aber anders als geglaubt.

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Tracy ist ein Psychopath und Sadist, der in seiner Mordlust weder vor unbewaffneten Bürgern, noch wehrlosen Frauen zurückschreckt. Er mordet und quält mit einer Leidenschaft, die ihn – neben Kinskis Loco in „Leichen pflastern seinen Weg“ – zu einer der erschreckensten Figuren in der Geschichte des Italo-Western werden lässt. Wie Hilton mehr und mehr in seinen Bann gerät und mit der Zeit alle Skrupel verliert, ist spannend und in dreckigen, rauen Bildern erzählt. Die Fotografie von „Zeit der Geier“ besitzt keinerlei Eleganz, unterstützt aber gleichzeitig durch ungewöhnliche Winkel und Bildausschnitte das psychotische seiner Hauptfiguren.

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Der Film liegt nun erstmals vollständig in Deutschland vor. Für die Kinoauswertung waren damals zahlreiche Szenen geschnitten worden, in denen Tracy immer wieder an epileptischen Anfällen leidet. Vielleicht dachte der Verleih damals, es könnte eine Verbindung zwischen der Krankheit und Tracys eiskaltem Sadismus hergestellt werden. Neben den überzeugenden Hauptdarstellern sei hier auch die feine Musik von Piero Umiliani erwähnt und ein früher Auftritt der schönen Femi Benussi , die hier sehr gut ihr Mieder füllt.

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„Zeit der Geier“ ist einer der Filme, die Quentin Tarantino 2007 im Rahmen einer Italo-Western-Retrospektive auf dem Filmfest in Venedig zeigte. Die Bildqualität ist durchwachsen und reicht von leicht milchig bis sehr scharf. Das stört aber nicht sonderlich. Der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und Englisch vor. Die im Kino fehlenden Szenen wurden auf Italienisch mit deutschen Untertiteln eingefügt. Die Extras bestehen aus einer 12-minütigen Doku mit dem schönen Namen „Liebesgrüße aus Uruguay“, in der George Hilton über seine Karriere erzählt. Neun Minuten dauert die Doku „Mit Kitosch kam der Tod“ in dem der Filmhistorikers Fabio Melelli über „Die Zeit der Geier“ seine Einordnung im Italowestern spricht. Leider taucht hier erstmals das Problem auf, dass Melellis Ausführungen mit derart schlechten Untertiteln versehen sind, dass der Sinn teilweise untergeht.

 

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Mexiko 1910: Zur Zeit der mexikanischen Revolution rebelliert der Minenarbeiter Paco Roman (Tony Musante) gegen den Grubenbesitzer García (Eduardo Fajardo). Fortan nennen sich Paco und seine Männer „Revolutionäre“, sind aber in erster Linie nur am Rauben und Plündern interessiert. Sie heuern den Waffenhändler und Söldner Kowalski (Franco Nero), genannt der Pole, an, der ihnen beibringen soll, wie man „Revolution macht“. Aber Kowalski ist nur an seinem eigenen Vorteil interessiert, und als er immer höhere und abstrusere Forderungen stellt, eskaliert die Situation.

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Innerhalb des Italo-Westerns ist der Revolutions-Western ein Sub-Genre, in dem sich vornehmlich politisch motivierte Regisseure tummelten, die in der mexikanischen Revolution eine Parabel auf das sahen, was sie Mitte/Ende der 60er Jahre überall auf der Welt erlebten. Die Studentenunruhen, der Krieg in Vietnam und der Beginn eines terroristischen Untergrundes. Damiano Damiani schuf „Töte Amigo“, Sergio Sollima „Von Angesicht zu Angesicht“ und zu guter Letzt erzählte sogar Sergio Leone in „Todesmelodie“ vom Aufstand der ungebildeten Bauern und von den Gringos, die sich als Söldner in Mexiko verdingten.

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Auch Sergio Corbucci, der Schöpfer von „Django“ und Regisseur des wohl bittersten und nihilistischsten Italo-Westerns überhaupt, „Leichen pflasterten seinen Weg“, lieferte hierzu zwei Beiträge ab: „Zwei wilde Companeros“ und den hier besprochenen „Mercenario – Der Gefürchtete“. Beide mit Franco Nero in der Rolle des Gringos. „Mercenario“ ist der erste dieser beiden Filme, und er drückt sowohl Corbuccis Zynismus, als auch sein Mitgefühl für die Unterdrücken aus. Neros „Pole“ ist ein eiskalter, zutiefst zynischer Geschäftsmann, der schon lange nicht mehr an irgendwelche Ideale glaubt. „Ideale sind der Dünger für Friedhöfe“, sagt er irgendwann. Kowalski ist nur sich selbst und dem Geld verpflichtet. Für Leute wie Paco (Tony Musante in einer typischen Tomas Milian-Rolle) hat er nur ein müdes Lächeln übrig.

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Paco wiederum ist auch nicht gerade zum Revolutionär geboren. Revolution heißt für ihn erst einmal, seinen eigenen Bauch voll zu schlagen. Revolutionäre Ideen werden ihm von anderen eingepflanzt, vor allem von der schönen Giovanna Ralli. Bis dies aber Früchte trägt, wird er erst einmal von Kowalski wie eine Puppe gelenkt und immer wieder manipuliert. Wobei Kowalski natürlich nur eins im Sinn hat: Mit Pacos Hilfe möglichst viel Geld zu verdienen. Wie wenig Paco ein echter Revolutionär ist, erkennt man in der berühmten Szene, in der ihm Kowalski die Revolution anhand eines nackten Frauenkörpers erklärt: Der Kopf, das sind die Mächtigen, der Arsch, das sind die Unterdrückten – dazwischen ist der Rücken, und der verhindert, dass der Arsch sich an die Stelle des Kopfes setzt.

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In „Mercenario“ werden sowohl die sogenannten Revolutionäre vorgeführt, die weniger an der sozialer Gerechtigkeit, als an eigener Macht und Wohlstand interessiert sind. Aber auch der kapitalistische Westen, der die Unruhen noch anheizt, um daraus seinen maximalen Profit schlagen zu können, bekommt sein Fett weg. Immerhin gönnt Corbucci – im Gegensatz zu „Leichen pflastern seinen Weg“ – dem Zuschauer am Ende ein kleines Stück Hoffnung. Überhaupt ist die Inszenierung eher leicht und unterhaltsam, als schwer und tragisch. Dafür sorgt schon Ennio Morricones verspielte Musik und der großartige Jack Palance in einer bis an die Grenzen der Parodie gehenden Darstellung eines Profi-Killers, sowie der bei Leone abgeschaute finale Showdown.

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„Mercenario“ nimmt in Quentin Tarantinos Top 20 Italo-Western die Nummer 4 ein. Die DVD ist ein Repack der bereits 2010 erschienen Koch-DVD. Dementsprechend enthält sie die gleichen Extras. In „Die Regeln der Revolution“ (41:29 Minuten) werden Interviews mit Franco Nero, Drehbuchautor Luciano Vincenzoni und Sergio Corbuccis Witwe Nori Corbucci, sowie älteres Material mit Sergio Corbucci und Tony Musante präsentiert.Ferner gibt es einen knapp vier-minütigen Drehorte-Vergleich zwischen entsprechenden Filmausschnitten und aktuellen Aufnahmen der Drehorte, an denen „Mercenario – Der Gefürchtete“ gedreht wurde. Die Bildqualität ist okay, der Ton liegt auf Deutsch, Italienisch und Englisch vor.

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