DVD-Rezension: “Twixt – Virginias Geheimnis”

Der Schriftsteller Hal Baltimore (Val Kilmer) ist bekannt für seine Hexenromane. Doch seit vielen Jahren schon schreibt er nichts anderes mehr. Die mittlerweile ausgelutschten Geschichten interessieren kaum noch jemanden, und Hals Karriere nähert sich unbarmherzig dem Nullpunkt. Als er auf einer Signiertour für sein neues Buch in eine abgelegene Kleinstadt kommt, macht er die Bekanntschaft des ortsansässigen Sheriffs Bobby LaGrange (Bruce Dern), der sich als Fan von Baltimore zu erkennen gibt. LaGrange erzählt ihm von einer mysteriösen Mordserie, dessen jüngstes Opfer ein kleines Mädchen geworden ist, welches mit einem Holzpflock in der Brust in der örtlichen Leichenhalle liegt. Bald schon verbinden sich die geheimnisvollen Geschichten der Kleinstadt mit Baltimores Träumen, und er beginnt daraus die große Geschichte für ein neues Buch zu ziehen…

Hört man den Namen Francis Ford Coppola, so denkt man automatisch an seine Großleistungen in der Filmgeschichte: Die „Pate“-Trilogie, „Apocalypse Now“ oder vielleicht „Der Dialog“. Danach wurde es still um ihn. Seinem ambitionierten und fürchterlich gefloppten Musical „Einer mit Herz“ folgten Anfang der 80er noch die beiden Jugendfilme „Rumble Fish“ und „The Outsiders“. Kleine Produktionen, die mit der Gigantomanie eines „Apocalypse Now“ nichts mehr zu tun hatten. Danach verließ Coppola der Erfolg. Selbst sein dritter „Pate“-Film wurde von Kritik und Publikum nur noch zögerlich angenommen. In den letzten 14 Jahren drehte er vor „Twixt“ nur zwei Filme. Während die Auftragsarbeit „Der Regenmacher“ zumindest an den Kinokassen einigermaßen erfolgreich war, erwiesen sich „Jugend ohne Jugend“ und „Tetro“ als Kassengift. Nun legt Coppola mit „Twixt“ einen Low-Budget-Film vor, der in den USA von Kritik und Publikum verrissen wurde und vielleicht deshalb in Deutschland nur auf dem Heimkinomarkt erscheint.

In Interviews betont Coppola, dass er nun in eine Phase seiner Karriere eingetreten ist, in der er nur noch das macht, was ihm Spaß bereitet. Und er will sich an drei Prämissen halten: Seine Filme sollen von ihm selbst geschrieben sein, einen persönlichen Bezug haben und von ihm selbst finanziert werden können. Mit seinem frühen Erfolg sei er gleich ein arrivierter Filmemacher gewesen, dem es nicht mehr erlaubt war zu experimentieren und einfach mal drauflos zu filmen, wie es seine jungen Kollegen taten. Nun will er diese „Experimentierphase“ nachholen. „Twixt“ ist dafür ein gutes Beispiel, denn hier tobt sich Coppola richtiggehend aus. „Twixt“ scheint für Coppola mehr Experimental-Labor, denn wirklicher Film gewesen zu sein.

Und irgendwie passt das auch, denn es geht immerhin um einen ehemals sehr erfolgreichen, nun aber abgehalfterten Schriftsteller, dessen Karriere schon bessere Zeiten gesehen hat. Ausgebrannt und doch voller Hoffnung, sucht er nach Wegen, etwas ganz Neues zu erschaffen, was ihn aus seiner üblichen Schreibroutine reißt. Hat Coppola diese Figur autobiographisch angelegt? Wie Hal Baltimore versucht Coppola, seine ausgetretenen Pfade zu verlassen und sich selbst neu zu erfinden. In diesem Falle als neugierig ausprobierender „Jungregisseur“. Dabei scheint er sich weniger um Maßkompatibilität zu kümmern, als vielmehr darum, seine Träume und Visionen in Bilder zu gießen. Betrachtet man die Geschichte um Hal Baltimore als ernsthaften Versuch einen Horrorfilm zu drehen, oder überhaupt eine gradlinige Geschichte zu erzählen, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden. Dies ist auch der Tenor vieler Rezensionen – vor allem aus den USA. Zu vollgestopft mit Handlungssträngen, uneinheitlich, ein wenig selbstverliebt und verwirrend ist das Ganze. Doch begegnet man dem Film auf einer irrealen Traumebene, so funktioniert er.

Nicht nur die beeindruckenden Traumszenen, die die Künstlichkeit der Optik auf den Gipfel treiben, sondern auch die scheinbar „realen“ Szenen wirken durch ihre intensive Farbgebung und gleichzeitige Schärfe unwirklich. Alles erscheint als Kulisse, die Welt als B-Film. Dazu passt der Hauptdarsteller Val Kilmer. Iceman ist schon lange davongeflogen. Kilmer dürfte mittlerweile das Doppelte wie zu seiner Glanzzeit auf die Waage bringen. Die Schönheit ist dahin, in seinem langen Mantel und mit dem Pferdeschwanz wirkt er nur noch schmierig. Auch seine Karriere ist unten angekommen. Sein letzter Erfolg „Kiss Kiss Bang Bang“ schon sieben Jahre und etliche Pfunde her. Wie Mickey Rourke in „The Wrestler“ ist er daher die ideale Besetzung für Hal Baltimore. Doch im Gegensatz zu „The Wrestler“ wird hierdurch nicht Realität vorgespiegelt. Kilmer wird nicht wie Rourke zu der Figur im Film. Seine Figur wird vielmehr zu Val Kilmer. Und so sieht man Val Kilmer dabei zu, wie er durch die Träume Hal Baltimores stapft und damit das Künstliche, Unechte der Szenerie noch unterstreicht. Gleiches gilt für Bruce Dern als Sheriff Bobby LaGrange, der auch nie einen Zweifel daran lässt, nur eine Figur in einer Geschichte zu sein. Sieht man also wirklich die Geschichte eines Schriftstellers Hal Baltimore, oder sieht man die Geschichte, die sich dieser gerade aus den Fingern saugt, um seinen Verleger zu einem nächsten Vorschuss zu überreden? Die extreme Künstlichkeit des Filmes legt diese Interpretation nahe.

Optisch experimentiert Coppola insbesondere in den Traumszenen mit allen möglichen Stilen. Man fühlt sich an Coppolas eigenen „Bram Stoker’s Dracula“ erinnert, aber auch an „Sin City“ (oder doch an „Rumble Fish“, der auf einmal wie eine Blaupause für den Miller/Rodriguez-Film wirkt), ja manchmal fühlt man sich sogar in die lyrischen Filme eines Guy Maddin hineinversetzt. Man könnte Coppola nun vorwerfen, dass er nur wiederholt, was andere vor ihm bereits auf die Leinwand gebracht haben. Oder man gesteht ihm zu, dass er diese Elemente so zusammen mixt, dass etwas Neues entsteht. Eine Traumwelt, deren optische Brillanz uns in den Bann zieht und gleichzeitig seinem Film etwas Schlafwandlerisches verleiht. Und wie im Traum treiben auch hier die vielen Handlungsteile in wilder Assoziation durcheinander. Da gibt es eine Geschichte um getötete Kinder, Vampire, die am Rande eines Sees wilde Feste feiern, einen Serienmörder, der seine Opfer pfählt, und dann taucht auch noch der Großmeister des amerikanischen Schreckens, Edgar Allen Poe, auf, der Hal Baltimore durch diese Traumlandschaft führt und mit ihm Schreibtechniken diskutiert. Und wie im Traum sind diese Elemente nicht linear, sondern überlagern sich. Man sollte also gar nicht erst versuchen, den Film in Gänze zu verstehen, sondern sich durch ihn – wie durch einen Traum – treiben lassen. Dabei erreicht Coppola allerdings zu keinem Zeitpunkt die geniale Radikalität eines David Lynch. Wahrscheinlich schwebte ihm diese aber auch niemals vor.

Dieser Low-Budget-Film eines der Großmeister des New Hollywood kümmert sich weniger um seine Geschichte, sondern mehr um seine beeindruckende Optik und das irreale Gefühl, welches ein Traum kurz nach dem Aufwachen hinterlässt. Dabei nimmt Francis Ford Coppola durchaus in Kauf, dass seine verschachtelte Geschichte ohne großen Spannungsbogen und Höhepunkt auskommen muss. Alles wird dem hypnotischen Ganzen untergeordnet.

Die DVD von Ascot Elite punktet mit einem wahrhaft bestechenden Bild. Zeitweise hat man das Gefühl, keine DVD, sondern eine BluRay zu schauen, so brillant sind Schärfe und Farben. Leider wurde aber an der Synchronisation (die lediglich mittelmäßig daher kommt – der O-Ton ist definitiv vorzuziehen) und vor allem den Extras gespart. Außer einem läppischen Trailer herrscht hier nämlich Fehlanzeige, was gerade bei einem Film wie „Twixt“ sehr, sehr schade ist.

Die DVD/BluRay ist ab 06.12.2012 im Handel erhältlich.

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