DVD-Rezension: „Doomsday Book“

„Brave New World“: Ein geheimnisvoller, durch die Nahrung aufgenommener Virus lässt die Menschheit sich in Zombies verwandeln.

„Heavenly Creature“: Ein Roboter erlangt in einem buddhistischen Kloster seine Erleuchtung und wird von den Mönchen als Reinkarnation Buddhas angesehen.

„Happy Birthday“: Durch eine fatale Falschbestellung im Internet, rast ein riesiger Meteor auf die Erde zu.

Doomsday Book“ ist ein koreanischer Anthologie-Film, der drei Geschichten umfasst, die alle mehr oder weniger um das Thema Weltuntergang kreisen. Die ersten beiden Episoden wurden 2006 von den beiden zurzeit sehr angesagten Regisseuren Jee-woon Kim („A Tale of Two Sisters„, „I Saw the Devil„) und Pil-Sung Yim („Hansel & Gretel„) gedreht. Ursprünglich war noch Han Jae-rim mit an Bord, der die dritte Story beisteuern sollte, ein SF-Musical. Aber diese wurde aus Kostengründen nicht umgesetzt und erst 2010 wurde die jetzige dritte Episode hinzugefügt, die Jee-woon Kim und Pil-Sung Yim zusammen inszenierten.

„Brave New World“ zeigt den Weltuntergang anhand einer klassischen Zombiegeschichte, und hier muss man einmal fragen, was die FSK geritten hat, „Doomsday Book“ ab 12 Jahren freizugeben. Noch 20 Jahre zuvor wäre „Doomsday Book“ aufgrund dieser Episode mindestens mit dem FSK 18-Siegel und diversen Schnitten belegt worden. Das ist zwar auch übertrieben, aber die gelungenen Zombiegestalten und ihr blutiges Treiben würde ich keinem 12-Jährigen zumuten wollen. Merkwürdig, merkwürdig. Davon aber abgesehen ist die Episode sehr gelungen. Sie hat ein gutes Tempo und weist allerhand (makabren) Humor auf. Make-Up und Effekte sind, wie gesagt, sehr effektiv und zum Teil von exquisiter Ekelhaftigkeit. Hinzu kommt eine überaus schön anzusehende Kameraarbeit und Bildgestaltung.

Einige Darsteller, insbesondere der Protagonist und seine (Comic)-Familie, überziehen zwar maßlos, aber da die Geschichte sowieso als überdrehte Satire angelegt ist, fällt dies nicht besonders negativ ins Gewicht. Wie alle Geschichten der Anthologie, versteht sich auch „Brave New World“ (der Aldous-Huxley -Titel ist kein Zufall) als Parabel. Seine Gier nach Gewinnmaximierung; das skrupellose Ausbeuten der Natur und die Gedankenlosigkeit, welche Konsequenzen sein Tun hat, wird den Menschen schließlich ins Unglück stürzen. Doch die Menschheit macht wie Zombies immer weiter und immer weiter.

Dazu passt das Bild vom verfaulten Apfel (als Symbol für pervertierte Wissenschaft), der immer wieder ins Bild gerückt wird. Wer denkt da nicht an den Baum der Erkenntnis und die damit verbundene Vertreibung aus dem Paradies. Insgesamt eine handwerklich vollauf überzeugende, kurzweilige Episode, die auch nicht davor Halt macht, die aktuellen Zustände in Korea zu kritisieren. So wird von den Medien und der Politik die Zombie-Problematik heruntergespielt oder schlichtweg geleugnet, während die Politiker vor laufender Kamera nichts Besseres zu tun haben, als sich gegenseitig zu beschimpfen und die Schuld zuzuschieben, statt zu handeln.

Die zweite Episode, „Heavenly Creature“, kommt gänzlich anders daher. Regisseur Jee-woon Kim ist eigentlich als Regisseur wilder und extrem harter Geschichten bekannt. Hier aber präsentiert er sich von einer vollkommen anderen Seite. Seine Geschichte über einen Roboter, der ein Bewusstsein entwickelt und in einem Buddhisten-Kloster seine Erleuchtung findet, ist sehr langsam – fast hypnotisch -, in wunderschönen Bildern und eleganten Kamerabewegungen erzählt.

Die Story selber enthält, abseits von seinen oberflächlichen Reizen, eine Menge Stoff zum Nachdenken. Was passiert, wenn sich das Werk auf eine Stufe mit oder sogar noch über den Schöpfer erhebt? Ist es Segen oder Fluch? Muss die arbeitende Masse dumm gehalten werden, damit sie ihre Aufgaben erfüllt? Was macht einen Menschen aus? Wann ist ein Wesen perfekt? Diese und mehr theologische, wie moralische Fragen werden angeschnitten, aber nicht beantwortet. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, sich darüber Gedanken zu machen. Die Grenze zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht wird durchlässig. Denn die Frage, wer sich hier die Wahrheit für sich beanspruchen kann, bleibt ebenfalls dem Zuschauer überlassen.

Eine starke, in wunderbare Bilder umgesetzte Geschichte, die im krassen Kontrast zu den anderen Episoden in „Doomsday Book“ steht. Auch die thematische Klammer „Weltuntergang“ wird hier eher theoretisch angerissen. Wäre es wirklich unse Untergang, wenn unsere Schöpfung, oder – weniger theologisch – die ausgebeutete Masse ein Bewusstsein erhält?

Nach diesem ruhigen Ausflug ins Philosophische ist in der letzten Episode, „Happy Birthday“, wieder Spaß angesagt. Die märchenhafte Geschichte um ein kleines Mädchen, das im Internet auf der falschen Seite etwas bestellt und damit versehentlich die Apokalypse auslöst, ist vor allem humorig. Auch die Seitenhiebe auf Politik und Medien, die wir schon in der ersten Episode gesehen haben, kehren wieder zurück. Hier aber sehr viel übertriebener, so das der satirische Ansatz fast schon im Klamauk stecken bleibt.

Zwar hat „Happy Birthday“ sehr viel weniger Tiefgang als Episode 2 und ist auch weniger actionreich als Episode 1, aber dieser kurze Film weiß trotzdem Freude zu bereiten. Auch wenn sich die Darsteller hier gerne zu Overacting hinreißen lassen. Insbesondere die Mutter ist doch sehr anstrengend. Ansonsten hat auch diese Episode den Charakter einer Parabel und zeigt, was passiert, wenn eine fortgeschrittene Technik nicht mit gewissem Bewusstsein einsetzt wird. Aufgrund dieser Episode wird „Doomsday Book“ mit Lars Von Triers „Melancholia“ verglichen, was aber natürlich ein himmelschreiender Blödsinn ist.

Insgesamt ist „Doomsday Book“ eine überdurchschnittlich gelungene Anthologie mit drei sehr interessanten und anspruchsvoll gefilmten Geschichten, aus denen insbesondere die philosophische zweite herausragt. Nur die FSK 12 Freigaben halte ich, angesichts der expliziten Zombie-Episode, für nicht angebracht.

Als Extras wird ein 3:52 Minuten kurzes„Making Of“ angeboten, welches aber viel zu kurz ist, um irgendwelche tiefschürfenden Erkenntnisse zu bringen. Schade, denn gerade zur zweiten Episode und seine buddhistischen Hintergründe hätte ich gerne mehr gehört. Bild- und tontechnisch kann die DVD aber überzeugen.

Dieser Beitrag wurde unter DVD, Film, Filmtagebuch abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.