DVD-Rezension: „Home Invasion – Der Feind in meinem Haus“

Durch ein Unglück verliert Sarah ihren einzigen Sohn. Jahre später ist sie nur noch ein von Medikamenten abhängiges Wrack. Ihr Ehemann hat sie verlassen, und sie haust allein im noch immer nicht ganz fertiggestellten Familienhaus im Elsass. Eines Nachts fährt sie auf dem Nachhauseweg einen jungen Mann namens Arthur an, der ihr plötzlich vor das Auto springt. Sofort kümmert sie sich um den Verletzten, der sie an ihren verstorbenen Sohn erinnert. Doch damit begibt sie sich selber in Lebensgefahr, denn der junge Mann wird von einem mysteriösen Mann gnadenlos verfolgt…

Home Invasion – Der Feind in meinem Haus“ ist der etwas uninspiriert anglisierte Titel des französischen Thrillers „Dans ton sommeil“, was übersetzt „In ihrem Schlaf“ bedeutet. Gedreht wurde der Film von einem Ehepaar, Caroline und Éric du Potet. Beide haben sich auf der Filmhochschule in Paris kennengelernt und haben nun, nach einigen Kurzfilmen, ihr Langfilm-Debüt hingelegt. Um es gleich zu sagen: Leider merkt man, dass es sich hier um ein Erstlingswerk handelt, da viele kleine, vermeidbare Fehler gemacht werden.

Zwar ist die Geschichte spannend und in flottem Tempo in nur 80 Minuten erzählt, doch die Geschichte dürfte für Leute, die mehr als einen Film aus dieser Gattung gesehen haben, leicht vorhersagbar sein. Zudem steht sich die, manchmal etwas umständliche, Rückblendenstruktur zum Teil selbst im Wege. So werden alle zu Beginn wunderbar ausgestreuten Ambivalenzen relativ schnell über Bord geworfen. Das dürften die du Potets selber gemerkt haben, denn zum Schluss des Filmes hin versuchen sie doch wieder auf den ursprünglichen Pfad zurückzukehren. Dann ist es dafür aber bereits viel zu spät und das ganze Bemühen wirkt nur noch angestrengt. Ein etwas weniger „raffiniertes“ Konstrukt und eine gradlinigere Erzählweise hätten dem Film sicherlich gut getan.

Gar unverzeihlich ist aber ein Kniff, dessen Bart von hier nach Timbuktu reicht. Da wird eine spannende, so nicht unbedingt erwartete Szene gedreht und der Zuschauer auf der Kante seines Sitzes gehalten – um diese dann völlig unmotiviert als Traumsequenz aufzulösen. Das riecht doch dann arg nach Füllmaterial und wäre gar nicht nötig gewesen. Immerhin gelingt den Regisseuren dann aber doch noch ein konsequentes und dankenswerterweise kompromissloses Finale.

Den Film kann man sicherlich nicht der „neuen harten Welle“ aus Frankreich zurechnen, die einst mit „High Tension“ begann und mit „Martyrs“ seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte. „Home Invasion“ hat, bis auf die Stimmung, weniger mit dem Blutbad „High Tension“ zu tun, als vielmehr mit klassischen Thrillern wie z.B. „Hitcher – Der Highwaykiller“ u.ä. Der Härtegrad ist trotz FSK18 angenehm zurückhaltend. Vielleicht ist das auf den Einfluss der weiblichen Hälfte des Regie-Duos zurückzuführen. Zwar mangelt es nicht an Brutalitäten, aber bei diesen wird nicht bedingungslos draufgehalten oder das Geschehen erbarmungslos ausgewalzt. Dies tut dem Film sehr gut, denn so gibt es Spielraum, dass sich einige Dinge noch im Kopf des Zuschauers abspielen können. Und die eigene Vorstellungskraft ist in der Regel ja immer kraftvoller als irgendwelche splatterigen CGI-Effekte, so wie sie zurzeit im modernen Horrorfilm in Mode sind.

Die Hauptrolle in „Home Invasion“ spielt eine gute, alte Bekannte: Anne Parillaud, die einst die Titelrolle in Luc Bessons Klassiker „Nikita“ spielte und dann nach ihrem, leider nicht sonderlich erfolgreichen, US-Debüt in John Landis‘ „Bloody Mary – Eine Frau mit Biss“ nur noch selten jenseits der französischen Grenze zu sehen war. Ihre Darstellung der Sarah verdient Lob, denn sie spielt diese Figur dezent, aber intensiv. Interessant ist auch der Wandel, den sie während des Filmes durchmacht. Ist sie zu Beginn noch sehr verhärmt und dem Alter der Rolle angemessen, scheint sie im Laufe des Filmes, trotz der Verzweiflung und Erschöpfung ihrer Figur, förmlich aufzublühen und gar jünger zu werden, wenn sie sich um den jungen Mann – der ihr Sohn sein könnte, aber gerne ihr Liebhaber wäre – kümmern kann. Hier muss allerdings abermals Kritik an Caroline und Éric du Potet geübt werden. Sie sind scheinbar so fasziniert von ihrer Idee, dass Sarah den mysteriösen jungen Mann als Wiedergänger ihres verunglückten Sohnes ansieht, dass sie diesen Aspekt immer und immer mit steigender Deutlichkeit hervorheben. Und als hätten sie kein Vertrauen in die Intelligenz ihres Publikums, wird dies in einem späteren Dialog auch noch plump verbalisiert.

Der mysteriöse junge Mann wird von Arthur Dupont dargestellt, der, bis auf Auftritte in diversen französischen TV-Serien, zuvor nicht groß in Erscheinung getreten ist. Arthur Dupont verfügt über ein seltsames Gesicht, welches sowohl schön, als auch hässlich, liebenswert-schüchtern und in der nächsten Sekunde abgrundtief böse aussehen kann. Somit ist er die absolute Idealbesetzung für einen Jungen, dessen wahre Natur einige (leider nur kurze) Zeit im Dunkeln bleibt. Sein Verfolger wird von Thierry Frémont gegeben, dem man ähnliche Qualitäten bescheinigen kann. Auch wenn er nicht viel Gelegenheit erhält, diese auszuspielen, da es sich bei „Home Invasion“ im Kern um ein Zwei Personen-Stück handelt, bei dem alle anderen Darsteller nur mehr oder weniger große Statistenrollen haben.

Mit ihrem Gefühl für temporeich erzähltes Spannungskino und überzeugende Bilder (Kamera: Pierre Cottereau) hätten Caroline und Éric du Potet gleich mit ihrem ersten Film einen bemerkenswerten Start hinlegen können. Leider haben sie sich ein wenig zu sehr in ihre eigene Cleverness verliebt und konnten der Versuchung nicht widerstehen, diese dem Zuschauer mit dem Holzhammer einzutrichtern. Auch die unnötig komplizierte Erzählstruktur bremst den Spannungsaufbau eher aus, als dass er ihn unterstützt. Trotzdem ist „Home Invasion“ stellenweise sehr spannend und glänzt mit einer beachtlichen Kompromisslosigkeit. Es wird interessant zu sehen, wie sich die Karriere des filmenden Ehepaares zukünftig entwickeln wird. Einige sehr viel versprechende Ansätze sind schon in ihrem Debüt zu finden.

Die DVD von Koch Media weist wie üblich ein sehr gutes Bild und einen exzellenten Ton auf. Neben der deutschen gibt es noch eine französische Tonspur. Die gut lesbaren Untertitel sind ohne irgendwelche Beanstandungen, die deutsche Synchro brauchbar. An Bonus wird, neben den obligatorischen Trailern, leider nur ein 5:47-minütiges Extra namens „Interviews“ angeboten, welches diesen Namen mal wieder nicht verdient, da es nur aus (vielen!) Filmausschnitten und einigen wenigen Interviewsprenkeln besteht.

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