DVD-Rezension: “White Vengeance”

Ca. 200 vor Christi in China. Rebellen revoltieren gegen die Besetzung ihres Heimatlandes Chu durch den chinesischen Kaiser. Die einflussreichsten Revolutionäre sind der kriegerische Xiang Yu und der idealistische Liu Bang. Der Kaiser ersinnt eine List, um die beiden zu schwächen. Subtil hetzt er den einen gegen den anderen auf. Als dann auch noch eine Frau ins Spiel kommt, ist das Band zwischen Xiang Yu und Liu Bang endgültig zerschnitten. Aus beiden werden erbitterte Feinde…

Als ich früher im Freundeskreis das erste Mal asiatische Filme gezeigt habe, wurde gerne in den Raum geworfen, man könne die ganzen Asiaten nicht auseinander halten. Wer ist denn jetzt wer? Das  hat mich immer zutiefst verärgert, denn natürlich kann man auch als „Langnase“ Chow Yun-Fat prima von Tony Cheung unterscheiden. Als ich jetzt „White Vengeance“ sah, bekam ich das erste Mal eine Ahnung davon, warum sich mein Freundeskreis damals so schwer tat. Gleich in den ersten Szenen wird man mit einem ganzen Haufen Menschen konfrontiert, die nicht nur ähnliche Kleidung tragen, sondern auch nahezu identische Haar- und Barttracht. Da fällt die Unterscheidung der Protagonisten doch etwas schwer. Erschwerend kommt hinzu, dass der Zuschauer innerhalb kürzester Zeit mit unzähligen Namen und Ereignissen bombardiert wird, was ihn erst einmal ziemlich ratlos zurücklässt.

Vielleicht liegt es daran, dass der Film auf historischen Ereignissen beruht und Regisseur Daniel Lee diese als bekannt voraussetzt. Liu Bang und Xiang Yu gab es wirklich. Liu Bang lebte von 256 – 195 vor Christi und wurde unter dem Namen  Han Gaozu 202 v.Chr. Kaiser von China. Generell sind alle Ereignisse und viele der Nebenfiguren aus „White Vengeance“ historisch verbürgt. Für jemanden, der sich mit chinesischer Geschichte nicht auskennt, ist dies allerdings recht verwirrend. Insbesondere wenn zu Anfang von Han Gaozu die Rede ist und man nicht weiß, dass dieser mit Liu Bang identisch ist. Die Ereignisse um das „Hongmen Banquet“ gehören, soweit ich das recherchieren konnte, scheinbar zur Allgemeinbildung in China.  Dort ging es allerdings weniger um ein Go-Spiel, wie im Film, sondern  um einen Schwerttanz, bei dem ein Attentat auf Liu Bang ausgeübt werden sollte. Reste dieser Geschichte finden sich aber auch in der Filmhandlung.

Man muss sich also schon etwas konzentrieren, um die ganzen Personen, Orte und Zusammenhänge für sich einsortieren zu können. „White Vengeance“ ist ein großes historisches Drama, für das seine Laufzeit von 133 Minuten immer noch viel zu wenig ist. Immer wieder werden neue, für die Handlung wichtige, Charaktere eingeführt. Andere verschwinden physisch lange aus der Handlung, bleiben aber in Dialogen präsent. Zudem wird der Schwerpunkt der Geschichte mal auf den einen, mal auf den anderen Protagonisten gesetzt. Einmal werden sie auch zu Nebenfiguren und die Handlung konzentriert  sich auf die beiden Berater der beiden. Insgesamt hätte  etwas mehr Straffung und die Konzentration auf einige wenige Figuren, es dem unwissenden Zuschauer einfacher gemacht, in die Handlung hineinzufinden.

Es fällt dadurch auch sehr schwer, eine Beziehung zu einer der Hauptpersonen aufzubauen. Analog zum Go-Spiel, welches der Film immer wieder als Metapher für politische Intrigen einsetzt, sind sie nur Steine, die auf einem Spielfeld hin und her geschoben werden.  Darunter leidet natürlich die Spannung, und es ist frustrierend zu sehen, wie einige wirklich interessante Nebenfiguren nicht wirklich ausgefüllt werden. So wirkt der Film trotz seiner Laufzeit von über zwei Stunden gehetzt und unfertig.

Die romantische Rolle von Yifei Liu als Yu Ji wird es so aber nicht gegeben haben. Sie wirkt auch nicht wirklich in die Handlung integriert. Zwar wird unterstellt, dass sie eine wichtige Rolle in der Konkurrenz zwischen Xiang Yu und Liu Bang spielt, aber mehr als Behauptung bleibt dies nicht. Wem ihre Liebe gilt wird auch nicht richtig klar. Zwar scheint sie Xiang Yu zu lieben, lässt sich aber auch widerstandslos mit Liu Bang ein, nur um am Ende für ein  melodramatisches Finale zu Xiang Yu zurückzukehren. Hier soll wohl, aus Rücksicht auf Kinokonventionen, in die historischen Geschichte um politische Intrigen und Machthunger, noch schnell eine kleine Liebesgeschichte mit eingewoben werden. Das wirkt allerdings arg aufgesetzt. Zumal man weder zu  ihr, noch mit den Protagonisten, aus oben angeführten Gründen keine echte emotionale Beziehung aufbauen kann.

Unter den Kameraden Liu Bangs gibt es viele interessante Typen. Allen voran Qing Xiu als Xiao He. Leider wird niemandem der Raum gegeben, seine Figur wirklich zum Leben zu erwecken. Besonders schade ist dies bei der von Andy On gespielten Figur des General Han Xin, bei dem man deutlich spürt, dass seine Figur weitaus vielschichtiger und ambivalenter ist, als seine kurzen Auftritte im Film zeigen.

Die mit Abstand interessantesten Figuren in „White Vengeance“ sind aber die beiden Berater der Kontrahenten. Insbesondere Hanyu Zhang weiß als Zhang Liang sehr zu gefallen. Er erinnert irgendwo an einen der klassischen Meisterdetektive vom Schlage eines Sherlock Holmes, die anhand kleinster Indizien komplexe Vorgänge rekonstruieren. Genauso ist Zhang Liang in der Lage, allein durch Beobachtung und Zuhören die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Züge der Gegner vorherzusehen. Für ihn ist Politik und Kriegsführung nichts weiter als eine intellektuelle Herausforderung, und da ist es ihm schon fast egal, welchem Herrn er dient. Das Spiel ist wichtig. Das sich messen mit anderen. Und genau darin gleicht er dem vom großen Anthony Wong gespielten Fan Zeng, dem  Berater von Xiang Yu. Es ist ein cleverer Schachzug von Daniel Lee, dass er beim legendären „Hongmen-Banquet“ die historischen Vorgaben verlässt und ein Go-Spiel zwischen Zhang Liang und Fan Zeng erfindet. Dieses inszeniert er dann auch folgerichtig wie einen klassischen Kung-Fu-Kampf, inklusive Blutspucken bei einem besonders „tödlichen“ Zug des Gegners. Schade, dass Daniel Lee sich nicht öfter diese Freiheit nimmt, von den historischen Fakten abzuweichen.

Generell hat der Film etwas Zwitterhaftes.  Einerseits hält er sich fast sklavisch an historische Ereignisse und scheint das Ziel zu verfolgen, einen „seriösen“ Geschichtsfilm zu drehen. Aber dann lässt er wieder Figuren wild durch die Luft fliegen oder stattet sie mit übermenschlichen Fähigkeiten aus. So sitzt er permanent zwischen den Stühlen. Dem einen mag die rekonstruierende Herangehensweise zu trocken und verwirrend sein, dem anderen die „fantastischen“ Elemente  zu unrealistisch.

Es ist ebenfalls schade, dass Lee seinen Film mit einem Übermaß an kleinen Spielereien und technischen Tricks vollstopft. Ständig Zeitlupe, Zeitraffer, Hochgeschwindigkeit-Zooms und Jump-Cuts. Das ganze Arsenal an Postproduction-Tricks wird hier aufgefahren und nervt irgendwann. Dazu werden die Action-Szenen mit der Handkamera gefilmt, um ihnen noch mehr Dynamik zu geben. Es scheint fast so, als wollte sich Daniel Lee nicht auf die Kraft der Geschichte verlassen und deshalb der Meinung ist, solche Taschenspielereien nötig zu haben.

Das ist schade, denn das hat der Film eigentlich gar nicht nötig. Er ist zwar zum Teil verwirrend, aber nicht langweilig. Am Besten liest man sich vorher etwas Wissen über Xiang Yu und Liu Bang an. Es ist sehr schade, dass „White Vengeance“ sein volles Potential nicht ausschöpft. Als TV-Serie, oder zumindest als Zweiteiler, hätte er sicherlich mehr Kraft entwickeln können. Aber auch so bleibt ein Film, mit dem man sehr gut einmal etwas über zwei Stunden totschlagen kann.

Die DVD von Splendid weist ein sehr gutes Bild, aber außer dem Trailer keinerlei Extras auf. Durch das Wendecover kann man das riesige FSK-Logo verschwinden lassen. Die Synchronisation ist sehr solide. Wer – wie ich – den O-Ton bevorzugt, kann sich über eine Tonspur auf Mandarin mit optionalen deutschen Untertiteln erfreuen.

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