DVD-Rezension: “Revenge: Sympathy for the Devil”

In Hongkong geht ein Serienmörder um. Er tötet schwangere Frauen, indem er ihnen das ungeborene Kind aus dem Leib schneidet. Diese Frauen haben alle eins gemeinsam: Ihre Ehemänner sind Polizisten. Schon bald wird ein Tatverdächtiger gefangen. Doch es stellt sich heraus, dass hinter den Taten noch mehr steckt. Eine tragische Liebesgeschichte und ein weiteres, brutales Verbrechen…

In meiner Schulzeit gab es für manche Filme das nicht ganz so schöne Kürzel GWS. Wer in den späten 80ern seine ersten Videothekengänge gemacht hat (endlich 18!), der wird sich bestimmt daran erinnern. Da lieh man sich den neusten Grusel-Schocker oder Actionfilm aus, saß wenig später mit gleichgesinnten Freunden Zuhause, bewaffnet mit reichlich Knabberkram und leicht alkoholischen Getränken, in freudiger Erwartung auf das, was das Videocover an Aufregungen versprach. Der Film begann und gleich die erste Szene, in der es zur Sache ging, sah merkwürdig abgehackt aus. Ein Schuss und tausend Tote. Ein kollektives Aufstöhnen ging durch den Raum, denn man wusste: Dieser Film ist GWS. Geschnitten wie Sau.

Anfang des neues Jahrtausends, und mit dem Aufkommen der DVD, schien sich die Lage etwas zu entspannen. Ja, klar. Es wurde immer noch gekürzt, aber lange nicht mehr so exzessiv, wie zu seligen VHS-Zeiten. Ehrlich gesagt, hatte ich schon ganz vergessen, wie es sich anfühlte, wenn man plötzlich einem verstümmelten Filmtorso gegenüber sitzt. Dank der netten Leute von i-on Media, weiß ich es nun wieder. Aber es ist eine Erinnerung, die ich lieber unterdrückt hätte.

Im Internet wird die Länge der asiatischen DVD von „Revenge: Sympathy for the Devil“ mit 91 Minuten angeben. Nach Deutschland haben es davon gerade mal 77 geschafft. D.h. ganze 14 Minuten (vierzehn!) sind der Schere zum Opfer gefallen. Zunächst fällt dies gar nicht so stark auf. Ja, man merkt, dass hier und da eine Szene länger gewesen sein könnte, aber man kann das Geschehen noch immer gut im Kopf ergänzen. Ärgerlich, aber immerhin ist es noch möglich der Handlung zu folgen. Nach ca. einer Stunde ändert sich das aber rapide. Wenn die Hauptperson Kit es mit einer ganzen Polizeieinheit aufnimmt, kann man noch nicht einmal mehr erahnen, was vor sich geht. Personen tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden plötzlich auf Nimmerwiedersehen. Andere Charaktere weisen ohne fremdes Zutun wie von Geisterhand zugefügte Wunden auf. Man weiß nicht, was mit wem, wann passiert. Daher ist der Schluss ebenso frustrierend, wie verwirrend. Vielleicht erfährt man in der ungekürzten Fassung auch nicht alles, das kann ich anhand der vorliegenden Stümmelfassung nicht beurteilen, aber bei der deutschen DVD erscheint einem nicht nur ein Fragezeichen über dem Kopf. Das FSK18 Siegel auf dem Cover und die reißerischen Werbesprüchen erscheinen im Nachhinein bestenfalls als Hohn, schlimmstenfalls als Verarschung. Auf diese Art von Nostalgie hätte ich gerne verzichtet

Zum Film selber kann man dementsprechend auch nicht viel sagen, da er durch die fehlenden 14 Minuten gar nicht objektiv bewertet werden kann. Ich will trotzdem versuchen, die geschnittene Fassung irgendwie zu besprechen. Vielleicht (oder ganz bestimmt sogar, man kennt ja den Markt) wird irgendwann ein überteuerte Uncut-Fassung hinterhergeworfen.

„Revenge: Sympathy for the Devil“ trägt im Original den Titel „Revenge: A Love Story“, was die Handlung genauer wiedergibt. Wobei das im „deutschen“ Titel eingeforderte Mitgefühl auch nicht so verkehrt ist. Allerdings ist es trotz der tragischen Hintergrundgeschichte schwer, Mitgefühl für Kit zu entwickeln. Zu grausam sind seine Morde und treffen zudem auch noch die Falschen. Warum er die unschuldigen Frauen und, schlimmer noch, die ungeborenen Babies tötet, wird nicht klar und scheint allein der etwas perversen Fantasie des Drehbuchautors geschuldet zu sein. Schade, denn weniger Provokation an dieser Stelle hätte die Geschichte schlüssiger und emotional packender gemacht. Natürlich hat man Mitleid mit dem armen Kit und mehr noch mit seiner geistig zurückgebliebenen Freundin Weng, die in die brutalen Hände skrupelloser Polizisten geraten. Ja, selbstverständlich wünscht man diesen Ungeheuern in Uniform die Pest an den Hals. Aber doch nicht so.

Irgendwie scheint der Film dann auch im Laufe der Zeit sein kontroversen Beginn zu vergessen. Aus den abscheulichen und überflüssigen Rache-Morden vom Anfang entwickelt sich im Finale ein eher klassischer Feldzug gegen die Peiniger. Die dörfliche Umgebung erinnert an „The Untold Story“, erreicht aber nie dessen perverse Intensität. Okay, zumindest in der extrem gekürzten deutschen Fassung. Es kann durchaus sein, dass die ungeschnittene Fassung da mehr bietet.

Ansonsten, CATIII wie seit vielen Jahren bekannt. Mit prügelnden Polizisten und expliziten Morden. Alles handwerklich sauber und nicht gänzlich unspannend. Erstaunlich aber, wie hier, in einem chinesischen Film, die Staatsmacht in Form der Polizei, als solch ein skrupelloser und moralisch verkommener Haufen gezeigt werden kann. Da scheint Hong Kong innerhalb der Volksrepublik doch noch eine Sonderrolle zu spielen. Die schauspielerischen Leistungen sind okay, verlangen den Darstellern aber auch nicht allzu viel ab. Hongkong-Popstar Juno Mak (der auch die Idee zum Film lieferte) verkörpert den stoisch-linkischen Kit, dessen Mangel an Mimik seinem Darsteller vielleicht entgegenkommt. Mit großen Augen darf der japanische Pornostar Sola Aoi die geistig behindert Wing geben. Was ihr ohne große Anstrengungen gut gelingt. Die restlichen Schauspieler spielen routiniert ihren Stiefel runter. Insgesamt ist der Film angenehm ruhig, wenn auch etwas kalt, inszeniert. Lediglich am Ende gibt er plötzlich ordentlich Gas, was aber in der deutschen Fassung allenfalls zu erahnen ist. Solide Kost für CAT-III-Fans, die in der vorliegenden Flicken-Fassung allerdings absolut ungenießbar ist.

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