DVD-Rezension: “Incite Mill – Jeder ist sich selbst der Nächste“

Aufgrund eines Zeitungsinserats, welches eine fürstliche Entlohnung verspricht, finden sich 10 sehr verschiedene Personen in einem futuristischen Gebäude, irgendwo weit weg von der Zivilisation, ein. Das Experiment, an dem sie teilnehmen sollen, klingt simpel. Sie sollen sieben Tage unter strengen Regeln in dem Gebäude verbringen, ohne sich gegenseitig umzubringen. Doch was einfach klingt, ist aber schwieriger als gedacht. Bald schon taucht die erste Leiche auf und plötzlich weiß niemand mehr, wem er vertrauen kann….

Von einem wahrlich innovativen Film kann man bei „Incite Mill – Jeder ist sich selbst der Nächste“ auf keinen Fall sprechen. Er nimmt bekannte Motive aus Werken wie „Cube“, „Battle Royal“ oder auch „Saw“, mischt diese mit „Big Brother“-Paranoia wie in „Unsichtbare Augen“. Dass er im Grunde nur eine Variation bekannter Versatzstücke ist, scheint aber durchaus gewollt zu sein. Zitiert er doch überdeutlich den Ursprung aller „Zehn kleine Negerlein“-Filme, nämlich Agatha Christies „Ten Little Indians“; dieser Zusammenhang wird nicht nur durch die zehn Indianer-Figuren im Speisesaal des Gebäudes versinnbildlicht, sondern einmal auch von einer Figur ausgesprochen (wobei diese – zumindest in der deutschen Fassung den Alternativtitel „And then there were none“ nennt).

Nichtsdestotrotz weiß der Film auf seinen ausgetretenen Pfaden äußerst spannend zu unterhalten. Leider gibt es aber auch einige Szenen, die wie nachträglich eingefügt wirken und die zuvor aufgebaute Stimmung unterlaufen und der Geschichte einiges an potentieller Kraft nehmen. Einmal wird dem nominellen Helden ein innerer Monolog untergeschoben, der scheinbar alle Zweifel über seine Integrität zunichtemachen soll. Dies ist aber schon von daher unglücklich, als damit die Atmosphäre totaler Paranoia untergraben wird. Denn der Film zieht seine ungeheure Spannung gerade daraus, dass man eigentlich ohne Ausnahme KEINER Figur trauen kann. Reizvoll ist auch, dass die Schlüsse und Auflösungen, die der Film aufgrund von Indizien oder einzelnen „Geständnissen“ anbietet, völlig falsch sein können, da zu keiner Sekunde klar ist, wer die Wahrheit erzählt und wer nur eine Rolle spielt. Einer Figur nun eine eindeutig positive Helden-Rolle zuzuordnen, widerspricht diesem Konzept. Da das Stilmittel des inneren Monologs später auch nicht wieder aufgegriffen wird, kann man von einem nachträglichen Kunstgriff ausgehen. Ähnlich verhält es sich mit einer Szene, welche kurz außerhalb der „Paranoia-Hauses“ spielt und zwei Jugendliche zeigt, die mit den Worten „Guck mal, krass“, das Geschehen im Haus über ihre Handys verfolgen. Dies wirkt nicht nur aufgesetzt und wie ein Fremdkörper, sondern nimmt dem Film durch seine gezwungene Erklärung auch das Vage, Mysteriöse, welches zuvor so ungemein zur paranoiden Spannung beitrug.

Regisseur Hideo Nakata, der mit seinem wegweisenden „Ring“ vor 14 Jahren die J-Horror-Welle erst so richtig in Gang brachte, verzichtet wohltuend auf allzu vordergründige Effekte und Spielereien. Er ist mehr kühler Beobachter. Dies unterstützt die Handlung enorm. Auch die Schauspieler wissen zu überzeugen, auch wenn sie nicht besonders gefordert werden, da man sowieso nie weiß, ob ihre Figuren jetzt nur eine Rolle spielen oder nicht. Dadurch wirken einige darstellerische Unebenheiten (insbesondere beim Laien-Schauspieler. Takurô Ohno) auf positive Weise irritierend. Zusammengefasst ist „Incite Mill“ ein ausgesprochen spannender Paranoia-Thriller, der mit etwas mehr Konsequenz auch in einer Liga mit seinen großen Vorbilder hätte spielen können.

Die deutsche Synchro bietet Durchschnitt, aber bei japanischen Filmen empfiehlt es sich sowieso immer, die Originalfassung zu wählen. Das sollte aufgrund der vorhandenen deutschen Untertitel auch kein Problem sein. Das Bild in 1:1,85 ist scharf, wenn auch etwas farbarm, was aber an der künstlerischen Gestaltung des Regisseurs liegt. Neben den üblichen Trailern beinhaltet die DVD von Sun Entertainment ein ausgesprochen gelungenes Extra. Ein einstündiges Making-Of, welches komplett aus der Sicht von Takurô Ohno erzählt wird. Takurô Ohno kam durch einen Casting-Wettbewerb zu seiner Rolle und hatte vorher keinerlei Filmerfahrung. Für ihn ist es also auch das erste Mal auf einem Filmset, und er schildert sehr offen und nicht immer schmeichelhaft für ihn seine Erfahrungen. Insbesondere Regisseur Hideo Nakata ist zunächst überhaupt nicht begeistert von ihm, aber so langsam wächst Takurô ins Team hinein, ohne dass die harte Arbeit hinter den Kulissen verschwiegen oder gar romantisiert wird. Sehr interessant. Vom reißerischen Cover sollte man sich übrigens nicht täuschen lassen, da es so gut wie nichts mit dem Film zu tun hat.

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