35mm und Digitales Kino – Good Vs. Evil?

projektor_kino46

Blick in den Projektionsraum des alten Kino 46.

In seinem Blog Digitale Leinwand hat Gerold Marks die Frage aufgeworfen: „Was hat das Digitale Kino für euch in den letzten 5 Jahren verändert?“ und andere Blogs aufgefordert, im Rahmen einer „Blogparade“ zu dieser Frage Stellung zu beziehen.

Darauf hatte Alexander Matzkeit in seinem Blog real virtuality mit einem etwas provozierenden Text geantwortet. Überspitzt formuliert sagt er darin aus, dass das Festhalten an 35mm-Material (oder CDs oder Büchern) den Datenträger über den Inhalt stellt. Er schreibt u.a.: „Wer dem Rattern des Projektors, der puren Existenz des Filmmaterials, dem Krisseln des Korns hinterherweint, betreibt Fetischismus. Er oder sie ersetzt das Erlebnis Kino durch eine physische Manifestation, die auf einer Ansammlung historischer Zufälle basiert, egal wie bewährt sie sein mag. Er oder sie begrenzt die Utopie dessen, was Kino sein kann. Was Kino werden muss.“ Zu diesem Artikel hatte ich einen längeren Kommentar verfasst, der zu einer kurzen Diskussion führte. Am Ende bat mich Alex, meine Gedanken doch als Teil von Gerolds oben erwähnter Blogparade auf meinen Blog zu stellen. Dies möchte ich jetzt hier auch in überarbeiteter und ergänzter Fassung tun.

Objektiv gesehen hat Alex ja ganz recht mit Deiner Forderung sich vom “Krams” zu trennen und am Ende allein die Information/die Daten zu behalten, nicht aber „die Konserve“ in der sie steckt. Seine Argumente sind auch rational absolut nachvollziehbar. Natürlich zählt in erster Linie der Inhalt, nicht der Träger. Die Musik, nicht die CD. Der Film, nicht die DVD. Die Geschichte, nicht das Buch.

Allein – ich kann diese Ansicht nicht teilen. Da grummelt es bei mir im Bauch, wenn ich lese “Meine Musik kaufe ich (fast nur noch) digital, meine Bücher lese ich (wann immer es sich lohnt) auf dem Kindle” oder “All das Gerede von Haptik und “es gibt sie noch, die schönen Dinge” zündet bei mir nicht mehr”, obwohl ich vom Kopf her weiß dass dieses Grummeln nicht gerechtfertigt ist. Vielleicht liegt es zum Teil daran, dass ich in meinem Leben nicht so häufig umgezogen bin, wie Alex. Bei jedem Umzug trennt man sich ja von Überflüssigen. Bei meinem letzten Umzug sind fünf Umzugskisten mit kopierten VHS-Tapes (also keine Originale) auf die Mülldeponie gewandert (drei Kisten mit Raritäten habe ich allerdings behalten). Ich habe es in knapp 44 Jahren auf gerade einmal zwei Umzüge “geschafft”. D.h. ich habe mir immer sehr langfristig ein “Nest” gebaut. Und in dieses Nest gehören für mich die Dinge, die ich liebe. Meine Bücher, meine Comics, meine Filme, meine CDs/LPs. Ich mag es noch immer, einfach mal am Regal entlangzugehen und die Bücherrücken anzusehen, hier und da mal wieder ein Buch (oder eine DVD) daraus in die Hand zu nehme, drin zu blättern und es wieder zurückzustellen. Es gibt mir ein gutes Gefühl, es ist eine Liebe zum Inhalt, der sich in einer festen, “begreifbaren” Form ausdrückt.

Ich habe lange Diskussionen mit Bekannten geführt, die sich keine CDs mehr kaufen, sondern alles über Spotify & Co. digital beziehen. Deren Argumente pro digital waren unschlagbar. Aber für mich ist das trotzdem nichts. Ich kann es nur nicht “hart” begründen, da es vor allem mit “weichen” Faktoren zu tun hat. Eben der Bauch, der mir sagt: “Du musst es anfassen können”. Die Nostalgie, das Gefühl, wie es früher war – im analogen Zeitalter – wenn man ein Buch oder eine LP von seinem knappen Taschengeld gekauft hat. Ich denke, mit objektiven Argumenten kommt man hier auch nicht weiter, weshalb so manch leidenschaftlich geführten Debatten zu diesem Thema am Ende zu nichts führen. Man ist so oder so gestrickt und ich denke, das eigene Verhalten hängt auch viel von den Umständen ab, in denen man groß geworden ist. Ich habe es z.B. schon als Kind geliebt, in Museen zu gehen, in Bibliotheken herumzustöbern und war immer stark beeindruckt von riesigen Bücherwänden. Ich habe den Geruch der Bücher aufgesogen, die Seiten befühlt und fand das großartig. Ebenso ist das mit Film.

Und hier bekomme ich endlich auch den Schlenker zu Gerolds Frage auf „Digitale Leinwand“ hin. Klar, hat digitales Kino sehr viele Vorteile. Aber ich bevorzuge weiterhin 35mm. So, wie Vinyl-Sammler, die CDs auch nur im Notfall kaufen und immer von der “Seele” reden, die im digitalen Prozess verloren geht. Wie sie das Knacken und Knistern als “Lebenszeichen” der LP sehen, welche ihre Geschichte erzählt, so geht es mir mit Filmkratzern, Bildsprüngen oder ähnlichem bei einem 35mm-Film. Natürlich kann/sollte man das vom Film selber trennen. Hier erlebt man Bild und Ton, dort eben das Material. Aber für mich ist das eine Einheit. Wenn ich eine alte 35mm-Kopie sehe, dann weiß ich, dass sie “ein Leben” hinter sich hat (und ich finde auch das Bild lebendiger). Das ist wahrscheinlich eine hoffnungslos romantische (und vielleicht auch falsche) Vorstellung, aber was wäre das Leben ohne ein bisschen Romantik?

“Wer dem Rattern des Projektors, der puren Existenz des Filmmaterials, dem Krisseln des Korns hinterherweint, betreibt Fetischismus.” schreibt Alex. Ja, das mag stimmen. Aber ich sehe jetzt nicht, was daran so schlimm sein soll? Der eine mag es so, der andere so. Meiner Meinung nach ist es ebenso falsch 35mm als überholt und unnötig abzutun, wie digitale Technik zu verdammen. Ich bin vergangenen Sonntag ganz bis nach Hamburg gefahren, um beim „Monster machen mobil“ dabei zu sein. Zu sehen gab es “Gruft der Vampire” (den ich auf DVD habe) und „Die 3 Supermänner räumen auf“. Ersterer war eine recht gute Kopie, letzterer extrem rotstichig und voller Sprünge und „Schnee“ bei den Rollenwechseln. Hat es mir etwas ausgemacht? Nein, nicht im Geringsten. Eher ganz im Gegenteil. Das Prinzip eines Festivals wie „Monster machen mobil“ ist es eben, Filme so zu zeigen, wie sie ursprünglich für das Kino gedacht waren: Auf 35mm. Und das Publikum hier will es auch nicht anders sehen. Sie bringen dem 35mm-Material die gleiche – ja, nennen wir es ruhig fetischistische – Liebe entgegen wie ich. Ich will diese Filme nicht digital sehen! Auch wenn die Kopien in noch so schlechtem Zustand sind, ich würde sie immer als „Original“ bevorzugen. Wenn diese Filme digital aufbereitet werden, sehen sie in meinen Augen nicht mehr „echt“ aus. Es fehlt mir das Flair, es fehlt mir das Leben. Nein, objektiv bin ich da nicht. Ich kann nur sagen, dass das Kino gut gefüllt war und ich glaube, niemand hätte hier eine digitale Version der Filme vom Beamer sehen wollen. Jeder wollte 35mm „schmecken“.

Aber dies ist sicherlich nicht repräsentativ. Für unsere Reihe „Weird Xperience“ im Kommunalkino City 46 waren (und sind) wir immer bemüht, unsere Filme als 35mm Kopien zu zeigen. Einmal begab es sich beim „Killer von Wien“, dass die 35mm Kopie für die erste Vorstellung am Donnerstag nicht verfügbar war und stattdessen eine DVD gezeigt wurde. Als wir davon am Sonntag erfuhren (dort war die zweite Vorstellung angesetzt und die 35mm-Kopie endlich da), waren wir darüber entsetzt und fragten, wie viele Zuschauer denn deshalb dann wieder nach Hause gegangen seien. Die Antwort: Niemand. Es war ihnen egal.

Gestern war ich wieder im Kino. Im Cinemaxx bei Gareth Edwards “Godzilla”. In 3D. Hat es mir etwas ausgemacht, dass der Film digital war? Nein, hat es nicht. Der Film wurde digital gedreht, da kann man ihn auch digital zeigen. Moderne Filme sind ja auf diesen klaren, brillanten – böse Zungen würden behaupten „sterilen“ – Look ausgelegt. Die künstlerische (oder auch kommerzielle) Entscheidung war es von Anfang an, digital zu drehen. Digital ist auch nicht böse. Es kann auch verdammt gut aussehen und es ist beeindruckend, wenn man jedes noch so kleine Härchen messerscharf auf der riesigen Leinwand sehen kann. Es ist eben ein anderes Filmerlebnis, als die zuvor beschriebenen 35mm-Vorführungen. Und es ist die Zukunft. Damit muss man sich abfinden, denn 35mm wird schon sehr bald nur noch ein Format für Liebhaber sein und die allerwenigsten Produktionen werden auf echtes Filmmaterial zurückgreifen.

Ich sehe das wie bei Fotokameras. Fast jeder hat eine Digitalkamera, aber ein paar wenige schwören weiterhin auf echten Film. Ich würde einmal behaupten, beiden Fraktionen machen schöne und weniger schöne Fotos. Ich für meinen Teil finde, dass schöne Fotos auf Film besser aussehen, wärmer sind. Aber wenn derjenige, der die Fotos geschossen hat nun einmal keinerlei Talent hat, ist es egal ob er eine digitale oder analoge Kamera benutzt. Das Ergebnis wird immer Schrott sein.

Weitere Teilnehmer an dieser Blogparade zum Thema „Digitales Kino“:

http://schoener-denken.de/
http://celluloidcerebro.wordpress.com/

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