Bericht vom 30. Internationalen Filmfest Oldenburg – Tag 1

Jubiläum! Zum nunmehr 30. Mal öffnete das Internationale Filmfest Oldenburg seine Tore. Hatte ich aus diesem Grund ein besonders rauschendes Filmfest erwartet, so wurde ich enttäuscht. Nein, nicht direkt enttäuscht, sondern es verblüffte mich, dass das Filmfest ausgerechnet in diesem Jahr ein wenig karg daher kam. Offensichtlich musste sehr viel Geld eingespart und das Budget auf ein Minimum reduziert werden. Dies fiel schon im Vorfeld auf. Es gab keine zugkräftigen Namen als Stargäste. Gut, damit kann ich ausgezeichnet leben, aber dass die Retrospektive ersatzlos gestrichen wurde, tat dann doch weh. Gerade hier hatte ich in den Vorjahren viele tolle Entdeckungen machen dürfen. Die Spielzeiten im Casablanca erschienen mir auch reduziert. Ebenso entfielen diesmal die traditionellen Vorstellungen in der JVA, welche immer ein Alleinstellungsmerkmal des Filmfest Oldenburg waren. Mir persönlich sauer aufgestoßen war der Verzicht auf ein physisches Programmheft. Scheinbar war der Druck zu teuer, so dass man es nur über die Homepage des Festivals aufrufen konnte. Am Handy eine Qual. Überhaupt die Webseite. Aus welchem Grund die Filterfunktion für die Filme plötzlich verschwunden ist, kann ich nicht nachvollziehen. So ist es von heute auf morgen nicht mehr möglich gewesen, das Programm nach Tagen, Kinos oder Reihen zu filtern. Überhaupt die Reihen – zumindest auf der Webseite existierten sie nicht mehr. Der Grund dahinter erschließt sich mir nicht. Die Pressebetreuung war auch nicht ideal. Ich kam am Freitag extra früh in Oldenburg an, um in Ruhe alles nötige zu organisieren. Da wurde mir im Pressezentrum mitgeteilt, dass man eigentlich erst um 16:00 Uhr öffnen würde und sich dementsprechend nicht um mich kümmern könne. Die Journalistin vor mir würde noch bedient, aber dann „habe ich eigentlich anderen Dinge zu tun“. Jene Journalistin raunte mir dann zu, dass die junge Dame völlig überfordert sei, weil einfach viel zu wenig Personal angestellt worden sei. Es gelang mir dann doch noch, die junge Dame zu überreden, mich noch „abzufertigen“, da mein erster Film bereits um 16:30 starten würde und es doch sehr knapp werden könne, wenn ich dann erst um 16:00 Uhr meine Akkreditierung und Tickets bekommen würde, und zudem möglicherweise in einer Schlange stehen müsse. Zudem merkte ich an, dass es etwas unglücklich sei, dass man keine Info vorab erhalten habe, dass das Pressezentrum erst um 16:00 Uhr öffnen würde. Woraufhin sie meinte, das stehe doch an der Tür. Tja, die kann man von Bremen nur so schlecht sehen, entgegnete ich. Aber immerhin war die junge Dame zwar sichtlich überarbeitet, aber sehr freundlich und letztendlich ging ja alles gut aus.

Also dann nach einem kleinen Ausflug in die Oldenburger City rüber ins cineK wo im größeren „Studio“ der für mich erste Film wartete. Und dort merkte ich dann auch, was die Journalistin mit „viel zu wenig Personal“ meinte. Während früher hier mindestens zwei junge Leute vom Filmfest standen, hatte diese Aufgabe diesmal ein Herr übernommen, den ich zuvor – soweit ich mich erinnere – hier noch nie gesehen habe, und der einen ganz eigenen Humor pflegte. So stürmte er vor dem Film ins Kino, verkündete, dass er eh nichts zum Film sagen können und man doch lieber den Films sehen als ihn quatschen hören würde. Daraufhin stürmte er mit einem lauten „Also! Film ab!“ wieder heraus. Kam bei einigen im Publikum gut an, ich fand es etwas befremdlich. Aber gut.

Little Girl Blue – Der Ansatz von Mona Achaches Film ist ein sehr interessanter gewesen. Carole Achache, die Mutter der Filmemacherin, war eine in Frankreich offenbar bekannte Autorin, die mit einem autobiographischen Roman großen Erfolg hatte und mit 63 Jahren Selbstmord beging. Die Tochter versucht nun mit ihrem Meta-Film das Leben ihrer Mutter anhand von Tonbandaufnahmen, Filmen und Bildern zu rekonstruieren. Dazu hat sie Schauspielerin Marion Cotillard mit ins Boot geholt, die in die Rolle der Mutter schlüpft. Und dies so perfekt, dass man tatsächlich völlig vergisst, dass man hier „nur“ eine der erfolgreichsten französischen Schauspielerinnen der Gegenwart vor sich hat, sondern nur noch Carole Achache sieht. Die Metamorphose ist komplett. Erst spät im Film fiel mir auf, dass Marion Cotillard gar nicht selber sprach, sondern zu den realen Tonbandaufnahmen von Carolin Achache lediglich die Lippen bewegte. So spannend dieser Ansatz ist und so großartig das Spiel von Marion Cotillard, so ist der Film aufgrund seiner ungeheuren Monologlastigkeit (französisch mit englischen Untertiteln, die man permanent mitlesen muss) sehr anstrengend. Erschwerend kommt hinzu, dass hier einiges an Wissen um die Pariser Intellektuellenszene der 50er, 60er und 70er vorausgesetzt wird. Denn wie ihre Tochter an ihr, arbeitete sich auch Carole Achache an ihrer Mutter Monique Lange ab, die ebenfalls eine bekannte Autorin war und – wie sie – in eben jenen Kreisen Zuhause war. Ohne das im besten Falle vor dem Film angelesene Wissen um Monique Lange und Carole Achache, sowie ihre Zeitgenossen schwirrt, einem schnell der Kopf ob der Vielzahl an Namen und Persönlichkeiten, die einem da maschinengewehrartig um die Ohren gefeuert werden. Es macht auch Sinn, sich vorher einmal mit Jean Genet beschäftigt zu haben, der für Monique Lange und Carole Achache eine große Rolle im Leben spielte. So wächst der Film, wenn man sich im Nachgang mehr mit den realen Protagonisten beschäftigt. So fühlt man sich als „Uninformierter“ erst einmal – trotz der Brillanz einer Marion Cotillard und den aufregenden Lebenswegen der Hauptfiguren – komplett erschlagen, erschöpft und oftmals etwas ratlos.

Danach ging es ins weitaus kleinere, aber gemütlichere und charmantere cineK Muvi, wo ich meinen Weird-Xperience-Kollegen und Mit-Cineasten Stefan traf, mit dem ich ab jetzt alle weiteren Filme am Freitag und Samstag schauen sollte. Was wie immer eine große Freude war.

Behind the Haystacks – Der Film der griechischen Regisseurin Asimina Proedrou erzählt die Geschichte einer im Norden Griechenlands, nahe der nordmazedonischen Grenze lebenden Familie und wie diese zerfällt, als der Vater einen Job als Schleuser von syrischen Flüchtlingen annimmt. Erzählt wird der hochinteressante Film in drei Teilen. Der erste – welcher durchaus Anleihen im Gangster – und Noirfilm nimmt – konzentriert sich auf den Vater und erzählt die Geschichte aus dessen Perspektive. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Mutter, und der letzte widmet sich der Tochter. Zunächst verwirrt diese Struktur etwas, dass die einzelnen Geschichten immer wieder Leerstellen aufweisen, bei denen sich der Zuschauer zunächst fragt, ob er eventuell eine wichtige Information verpasst hat. Diese Leerstellen werden dann aber in den weiteren Abschnitten aufgefüllt, wobei sich interessanterweise tatsächlich keine Szene wiederholt. Also Handlungsabschnitte nicht einfach nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln gezeigt werden. Obwohl keine der Figuren – wenn, dann vielleicht die Tochter – als Sympathieträger taugt, so ist man doch so nah an den Charakteren dran, dass man zumindest eine Verständnis und auch Mitgefühl für sie entwickelt. So würde beispielsweise der Vater – wenn man seine Geschichte nicht kennen würde – oftmals einfach nur wie ein jähzorniges Monstrum wirken. Und die Mutter erscheint im ersten Teil noch als um Balance bemühte Seele, während sie im zweiten – und vielleicht interessantesten Teil – sich als von Verpflichtungen, Rollenmodellen und religiösem Druck Getriebene entpuppt, um ihm letzten Teil autoritär das Interesse der Familie und hier vor allem der Tochter dem gesellschaftlichen Ansehen unterordnet. Wobei sie ihre Auge vor den Bedürfnissen und Gefühlen ihrer Familie verschließt, um letztendlich im alten, nur scheinbar harmonischen Trott weiterleben zu können. Der Film reißt auch Themen wie die Flüchtlingsproblematik an, formuliert diese aber nicht unbedingt aus. Vielmehr nutzt er sie, um einem die Handelnden näherzubringen und sie zu charakterisieren. Getragen wird der Film von seinen fantastischen Schauspieler und Schauspielerinnen, die komplett mit ihren Rollen verschmelzen.

Die überaus sympathische Regisseurin war zur Vorstellung anwesend. Die Q&A übernahm ein mir nicht bekannter Filmemacher, dessen Name mir nicht geläufig war, und den ich daher leider vergessen habe. Dies war ein neues Konzept, welches das Filmfest ausprobiert hat: „Filmmakers on Filmmakers“. Meine Vermutung: Dieses Konzept war sehr wahrscheinlich auch dem Sparzwang geschuldet. Denn während in all den Vorjahren die Q&A vor allem von jungen Mitarbeitern des Filmfests geleitet wurde, so sparte man dieses Personal in diesem Jahr komplett ein. Tatsächlich fiel mir niemand auf, der wie in den Vorjahren im Filmfest-T-Shirt für Kartenkontrolle, Ansagen und eben die Q&A anwesend war. Dies wurde von einem absoluten Minimum an Personal und eben den „Filmmakers on Filmmakers“ erledigt. Was zur Folge hatte, dass eigentlich jede Q&A zeitlich völlig aus dem Rahmen lief und vor allem Fragen gestellt wurden, die für einen Filmemacher, aber nicht zwangsläufig für das Publikum interessant sind. Zumindest unterstelle ich mal, dass den Durchschnittszuschauer nicht interessiert, mit welcher Kamera der Film gedreht wurde.

Regisseurin Asimina Proedrou mit den Produzenten ihres Filmes

Asimina Proedrou

Asimina Proedrou

Asimina Proedrou mit dem Moderator bei der Q&A

Die Q&A ging dann auch so lange, dass man sofort zurück ins Studio fiel und keine Zeit zum Verschnaufen blieb.

The Belgian Wave – Die belgische Mockumentary „Spit’n‘Split“ von um die – real existierende – „The Experimental Tropical Blues Band“ war eins der Highlights des 24. Internationalen Filmfests Oldenburg im Jahre 2017. Über diesen Film schrieb ich damals er sei „durchaus harter, unangenehm realistischer, dreckiger Punkfilm mit rabenschwarzhumorigen Untertönen“. Umso gespannter war ich nun auf den zweiten Spielfilm des Regisseurs Jérôme Vandewattyne, welche nun sechs Jahre später ebenfalls in Oldenburg lief. Und ich wurde nicht enttäuscht. Vandewattyne vermischt in „The Belgian Wave“ wie im Vorgänger Realität und Fantasie und lässt seine Figuren in eine absurd-surreale Situation nach der anderen schlittern. Grundlage sind die (tatsächlich stattgefundenen) gehäuften UFO-Sichtungen in Belgien, die im November 1989 begannen und ihren Höhepunkt Ende März 1990 erreichten. Vandewattyne nutzt altes TV-Material, mischt dies mit Fake-Found-Footage eines auf dem Höhepunkt der Welle angeblich verschwundenen Reporters, dessen Erlebnisse (und geistige Gesundheit) graduell in den Wahnsinn driften. In der Gegenwart versucht sein stetig unter Drogeneinfluss stehender Patensohn und die kleinwüchsige Tochter seines Kameramanns die Schicksal des Journalisten herauszufinden. Ihre Reise führt ebenfalls durch ein seltsames Traumland in knalligen Farben in dem es von Star-Trek-Süchtigen Anwälten, einer voll-tätowierten Notarin mit Welthass und Kuchensucht, einer geheimnisvollen Sekte und vielem anderen mehr wimmelt. Garniert wird alles mit einem knalligen Soundtrack, der ordentlich aus den Boxen knallt. Klar, manches erinnert an Terry Gilliams „Fear and Loathing in Las Vegas“ oder Lynch light. Aber man merkt, dass die Macher ihren Spaß hatten und dieser überträgt sich auf das Publikum. Nach dem Film kommt man einmal ordentlich durchgeschüttelt und mit einem ähnlich seligen Lächeln wie Hauptfigur Elzo nach einem seiner LSD-Trips aus dem Kino.

Der sehr sympathische Regisseur Jérôme Vandewattyne war mit seinen Hauptdarstellern anwesend und die nahmen gemeinsam gleich das Publikum für sich ein. Es wurden lustige und interessante Anekdoten vom Low-Budget-Dreh erzählt, von den Schwierigkeiten des Filmemachens berichtet und der gute Zusammenhalt aller gelobt. Schade war, dass Hauptdarstellerin Karen De Paduwa nicht einmal zu Wort kam. Faszinierend fand ich, dass Hauptdarsteller Karim Barras im wirklichen Leben ganz anders aussah wie im Film, nämlich exakt wie Checker Tobi vom Kika! Und in Nebendarstellerin Séverine Cayron (die scheinbar eine enge Beziehung zu Vandewattyne hat) konnte man sich schon ein wenig verlieben. Starker Film und würdiger Abschluss des ersten Tages.

Moderator mit Jérôme Vandewattyne

Jérôme Vandewattyne, Séverine Cayron, Karen De Paduwa, Karim Barras

Moderator, Jérôme Vandewattyne, Séverine Cayron, Karen De Paduwa, Karim Barras

Séverine Cayron, Karen De Paduwa, Karim Barras

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Blu-ray-Rezension: Der weiße Killer – The Last Jaws

Kurz vor einem großen Windsurf-Wettbewerb kommen plötzlich einige Leute auf dem offenen Meer um. Der Schriftsteller Peter Benton (James Franciscus) und der Kapitän eines Fischerboots (Vic Morrow) vermuten einen großen weißen Hai hinter den Todesfälle, weshalb sie den Bürgermeister (Massimo Vanni) drängen den Wettbewerb abzublasen. Dieser glaubt aber die Situation im Griff zu haben und will kurz vor seiner Wiederwahl den prestigeträchtigen Event unbedingt durchführen. Dies erweist sich als nicht besonders gute Idee.

1981 war die Zeit der großen “Der weiße Hai”-Klone eigentlich schon vorbei. Aber das hinderte die Italiener nicht daran, trotzdem Spielbergs großen Erfolg preisgünstig noch einmal zu drehen und auch noch Motive der offiziellen Fortsetzung mit beizumischen. Das Ergebnis wurde etwas großspurig als „The Last Jaws“ – oder in Deutschland auch „Der weiße Killer“ – betitelt. Als Regisseur konnte Action-Spezialist Enzo G. Castellari verpflichtet werden, der gleich zu Beginn schon einmal sehr beeindruckend seine berühmten Zeitlupen-Action-Aufnahmen einstreuen kann.

Beeindruckend ist es auch, wie eng sich „The Last Jaws“ an seine Blaupausen „Der weiße Hai“ und „Der weiße Hai 2“ hält. Die Variationen sind minimal. Aus dem Polizeichef Brody wird der Autor „Peter Benton“, welcher offensichtlich „Der weiße Hai“-Autor Peter Benchly als Vorbild haben soll. Aus dem bärbeißigen Quint wird „Ron Hamer“, der zwar wie eine Kopie des zähen Kapitäns der „Orca“ wirkt, aber weitaus sympathischer und zugänglicher gezeichnet wird. Hier ist der Kapitän zudem ein alter Kumpel des Helden Benton. Die Rolle des im Original von Richard Dreyfuß Hooper fällt weg. Dessen Funktion wird auf Benton und Hamer aufgeteilt. Als Darsteller konnten die beiden US-Amerikaner James Franciscus und Vic Morrow gewonnen werden. James Franciscus besaßen bereits einige Erfahrung mit italienischen Produktionen. So spielte er die Hauptrolle in Dario Argentos zweiter Regiearbeit „Die neunschwänzige Katze“ und war 1979 sowohl bei Antonio Margheritis „Piranhas II – Die Rache der Killerfische“ als auch Ruggero Deodatos „Concord Inferno“ dabei. Vic Morrow war einst durch seine Rolle als jugendlicher Unruhestifter in „Saat der Gewalt“ berühmt geworden und ist der Vater von Jennifer Jason Lee. Nach „The Last Jaws“ blieb er in Italien und drehte mit einen zweiten Film mit Castellari: „The Riffs – Die Gewalt sind wir“, bevor er bei den Dreharbeiten zu „Unheimliche Schattenlichter“ auf tragische Weise ums Leben kam. Beide machen das Beste aus dem Drehbuch, welches sie auf Stereotype reduziert und gerade Franciscus in den Szenen mit seiner durch einen Hai-Angriff verstümmelten Tochter einige sehr seltsam kitschige Momente zumutet.

Von diesen Szenen abgesehen hat Castellari den Film aber gut im Griff und versteht es die episodenhafte Handlung unterhaltsam und mit Sinn für Spektakel voranzutreiben, obwohl diese Bemühungen ständig von den Hai-Aufnahmen konterkariert werden. Hier wurde teilweise auf Stock-Footage zurückgegriffen, wobei die verschiedenen Hai-Arten und unterschiedlichen Größen der Tiere – zusammen mit der deutlich erkennbaren anderen Bildqualität – die Illusion sofort entlarven. Des weiteren wurde ein recht unbewegliches Model eines Hai-Rumpfes samt beeindruckenden Mauls gebaut, welches hie und da aus dem Wasser schaut. Das hat durchaus Charme und reizt zu einem Lächeln, wenn die riesige Attrappe wie ein Korken auf der See auf und ab hüpft. In einem auf der Blu-ray enthaltenden Interview schwärmt Regisseur Castellari davon, wie aufwändig die Szene, welche Haiattacken auf ein Boot und einen Helikopter beinhaltet, inszeniert wurde. Mit einem echten Helikopter und einem gewaltigen Wasserbecken. Da glaubt man fasst, der gute Enzo hätte seinen eigenen Film nicht gesehen. Denn dort wurde eben jene Szene mit Spielzeugmodellen „aufgewertet“, wodurch sie dann doch so realistisch aussieht, wie eine Toho-Produktion. Nein, eigentlich noch weniger realistisch. Aber das macht eben auch die Freude an dieser Produktion aus, die spätestens hier dann doch von einem halbwegs ernsthaften „Der weiße Hai“-Imitat in ein unfassbaren Spaßfilm kippt.

Wenn dann noch der immer gute Romano Puppo als stoischer Hai-Jäger auftaucht, dann kennt die Freude keine Grenzen mehr. Neben Puppo ist noch ein weiterer Castellari-Stammschauspieler zu sehen: Giancarlo Prete, der als „Timothy Brand“ in „Metropolis 2000“ den Italo-Mad-Max gab. Seine lebendige Vorstellung des lokale TV-Reporters Bob Martin bringt tatsächlich etwas Ernsthaftigkeit und verhaltene Medienkritik zurück. Ja, wirkt wie eine Rückbesinnung des Italo-Kinos auf ähnliche Charaktere wie Philippe Leroys Figur Pablo in „Das wilde Auge“ und Gabriel Yorkes Alan Yates in „Nackt und zerfleischt“.

Ein wenig enttäuschend ist die Musik des Duos De Angelis, die zahlreiche Castellari-Filme – man denke nur an seine Poliziotteschi-Actioner – kongenial und grandios vertont hatten, hier aber nur einen – aus verschiedenen Gründen – auffälligen Titelsong ganz am Anfang beisteuern, dann aber überraschend zurückhaltend bleiben. Obwohl der Film doch genug Anlass bietet, auf der Musikspur ordentlich auf die Tube zu drücken.

Am Ende ist „The Last Jaws“ leider nicht das kleine Meisterwerk, welches man sich erhofft hätte. Ja, der Film driftet häufig in jene Gefilden, die weniger nette Zeitgenossen „Trash“ nennen würden. Aber Castellari ist einfach ein zu guter Regisseur und hat genügend talentierte Schauspieler vor der Kamera, dass man seiner kleinen „Der weiße Hai“-Variante nicht einen guten Unterhaltungswert und hier und dort sehr gelungene Momente absprechen kann. So sah es scheinbar auch die Universal, welche eine Aufführung des 1982 in den USA ungewöhnlich erfolgreich angelaufenen Filmes aufgrund seiner großen Ähnlichkeit zu ihrem Klassiker „Der weiße Hai“ per Gerichtsbeschluss untersagen ließen. Wahrscheinlich, um die Chancen ihres eigenen Sequels „Der weiße Hai 3D“ nicht zu gefährden.

Der Film ist mit fünf unterschiedlichen Cover-Motiven (wovon eines sicherlich nur als Gag gedacht ist) bei Anolis in der Reihe „Die 80s“ erschienen. Wie bei Anolis gewohnt in sehr guter Bild- und Tonqualität. Wie gewohnt ist das Mediabook wieder randvoll gestopft mit Extras. Das beginnt mit gleich zwei Audiokommentaren (der erste mit Dr. Gerd Naumann, Matthias Künnecke und Christopher Klaese, der zweite mit Ingo Strecker und Jörg Michael Jedner). Weiter geht es mit dem oben schon angesprochenen 17-minütigen Interview mit Enzo G. Castellari. Danach kommt Ugo Tucci zu Wort, der als Produzent und Autor der Story eine der treibenden Kräfte hinter dem Film war.(19 Minuten). Schließlich erzählt Massimo Vanni, der die Rolle des Bürgermeisterkandidaten spielt, der das Unglück auslöst, von den Dreharbeiten und seiner Karriere (26 Minuten). Neben Trailern und einer Bildergalerie gibt es auch ein 36-seitiges Booklet mit Bildern, Aushangfotos sowie Texten von Lars Dreyer-Winkelmann und Eugenio Ercolani. Ferner ist auf einer zweiten Blu-ray die alte, gekürzte deutsche Kinofassung zu finden.

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Vorschau: Das 30. Internationale Filmfest Oldenburg – Weitere Filme und Tribute

Nun wurden auch die letzten Filme für das diesjährige Filmfest angekündigt. Im Vergleich zum ersten Schwung sind nun sehr viele mehr spannend klingende Werke dabei. Die Ankündigungen machen auf jeden Fall neugierig. Zudem wurde der Tribute für dieses Jahr verkündet. Er gilt den beiden Filmemacherinnen Isild Le Besco und Jen Gatien, die mir beide bislang vollkommen unbekannt sind. Le Besco gilt laut New York Times als „The Wild Child of French Cinema“ und die junge französische Filmemacherin soll „die berühmteste Filmemacherin unbekannter Filme“ sein. Jen Gatien ist eine unabhängige Produzentin aus New York, die u.a. mit Abel Ferrarra arbeitete.

Leider gibt es in diesem Jahr keine Retrospektive, was ich extrem schade finde. Denn gerade die Retros waren immer kleine Highlights für mich, bei denen ich viele Künster*innen entdeckte, mit denen ich mich vorher nicht so sehr auseinandergesetzt hatte. Die ich für mich seitdem aber neu entdeckt habe und deren Werke mich noch immer begleiten. Wie Philippe Mora, John und Peter Hyams, Ovidio G. Assonitis oder George Armitage. Ich war schon sehr gespannt, wer es dieses Jahr wird und bin daher ein wenig enttäuscht. Ich tröste mich mal damit, dass mir die Filmauswahl dann wahrscheinlich noch schwerer gefallen wäre.

Ebenso enttäuscht bin ich darüber, dass es dieses Jahr nicht ein osteuropäischer oder skandinavischer Film ins Programm geschafft hat. Okay, dafür gibt es spezielle Festivals (GoEast bzw. Nordische Filmtage), aber für japanische Filme auch (da sogar zwei: Nippon Connection und das Japan Filmfest in Hamburg).

Hier nun die Übersicht über die restlichen Filme. Der Text stammt aus der Pressemitteilung, kursiv dahinter meine persönliche Anmerkung.

The Book of Solutions, Frankreich 2023, Michel Gondry (Internationale Premiere) – In seinem ersten Film seit acht Jahren, der in Cannes seine Premiere feierte, erzählt der Oscar-prämierte Michel Gondry die Geschichte eines exzentrischen Regisseurs, der versucht die Dämonen zu besiegen, die seine Kreativität zügeln. – Seit Gondry mit „Eternal Sunshine on a Spotless Mind“ einen meiner absoluten Lieblingsfilme gedreht hat, erwarte ich voller Ungeduld jeden neuen Film. Ich hoffe, dieser passt dieses Jahr in meinen Plan.

Maestra, USA 2023, Maggie Contreras (Internationale Premiere) – Mit ihrem Debutfilm folgt die Regisseurin fünf internationalen Frauen, die sich auf »La Maestra« vorbereiten – dem weltweit einzigen Wettbewerb für Operdirigentinnen. Persönliche Geschichten vom Überleben, der Leidenschaft und Ausdauer verschwimmen mit der Aufregung des Ereignisses und durchbricht einen weiteren Käfig, der für Frauen geschaffen war. – Klingt spannend. Der Film ist – wie ich jetzt gesehen habe – eine Dokumentation. Interessiert mich sehr.

In the Form of Love, Iran 2023, Sivash Asadi (Weltpremiere) – Im Iran der 50er-Jahre suchen eine Mutter und ihre Tochter vorübergehend Zuflucht auf dem Dorfgut eines entfremdeten, aber langjährigen Freundes, dessen 14-jähriger das Kino liebt. Während die Erwachsenen sich um die reale Welt kümmern, verlieren die beiden Jugendlichen ihre Herzen an die Welt des Films – und aneinander. In Anlehnung an seine Kindheit, in der er als Zehnjähriger mit Freunden die Schule schwänzte um Filme im Kino zu sehen, überbringt Siavash Asadi eine Liebeserklärung an das Kino von gestern: eine Hommage an Cinema Paradiso. – Ich habe in der Tat noch nie einen schlechten iranischen Film gesehen. Bislang waren iranischen Filme immer Volltreffer oder mindestens gut. Da mich die Geschichte auch interessiert steht der Film weit oben auf meiner Liste.

Confines, Frankreich 2023, Isild Le Besco (Weltpremiere) – Der Moment, in dem Emmanuel Macron in einer Videobotschaft den Coronalockdown verkündet, trifft Zina und ihre Geschwister wie ein Schlag in die Magengrube. Sie werden nicht nur aus dem Alltag gerissen, sondern sind jetzt auch Gefangene ihres Vaters, der gewalttätig wird. Im Zentrum dieser klaustrophobischen Tragödie wächst Hoffnung. – Obwohl ich von Corona nichts mehr hören möchte, klingt dieser Film sehr vielversprechend. Vom Tribute-Ehrengast kenne ich bislang auch nichts, vertraue aber wie immer auf den guten Geschmack der Festivalleitung. Ist vorgemerkt.

Charcoal, Argentinien/Brasilien 2022, Carolina Markowicz (Deutschlandpremiere) – In ihrem preisgekrönten Spielfilmdebut wird einer Familie, die sich um ihren bettlägerigen Patriarchen kümmert, ein verwerfliches Angebot gemacht: Ihrem Ältesten abzusetzen und einen argentinischen Drogenbaron Zuflucht zu gewähren. Ein menschliches und gleichzeitig beklemmendes Porträt einer unmenschlichen Welt. – Das kann sich in viele unterschiedliche Richtungen entwickeln. Im Programm steht auch etwas von schwarzem Humor und Thriller. Ich lasse mich da gerne überraschen.

Heavier Is The Sky, Basilien 2023, Petrus Cariry (Internationale Premiere) – Von dem brasilianischen Filmemacher, dessen »Trilogie des Todes« über 100 Preise und Nominierungen erhielt, folgt nun ein Roadmovie: eine poetische, aber brutale Sicht auf Liebe, Familie und das Leben. Nachdem Teresa ein verlassenes Kind aufnimmt, trifft sie Antonio und ihre Reise über die Straßen beginnt. Sie teilen nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, sondern Erinnerungen an eine Stadt, die in einem Staudamm versunken liegt. Das Leben ist traumhaft, aber die Zukunft gefährlich. – Sicherlich kein schlechter Film. Aber ich habe etwas Angst davor, dass sich die Geschichte um das verlassene Kind zum traurigen Drama auswächst. Und da werde ich leider schnell getriggert. Wahrscheinlich lasse ich den Film darum aus.

From Dawn Till Noon On The Sea, Japan 2023, Takayuki Hayashi (Weltpremiere) – Die ersten Momente des tiefgehenden Spielfilmdebuts zeigen eine japanische Teenagerin, die in ihrer Schuluniform durch einen Tunnel geht, der sie in die Gesellschaft zurückführt. Laut des örtlichen Radios wurde sie entführt und 49 Tage als Geisel gehalten, aber körperlich nicht von ihrem Entführer berührt. Unter ihren Altersgenossen gilt sie als Verstoßene, aber schnell wird klar, dass nicht die Entführung, sondern die Gesellschaft das Gefängnis ist. – Als Freund des japanischen Kinos habe ich mir den Film vorgemerkt. Klingt auch sehr spannend.

Behind the Haystacks, Griechenland 2022, Asimina Proedou (Deutschlandpremiere) – Getrieben von finanzieller Not lässt sich ein Bauer an der nordgriechischen Grenze auf die Mafia ein: Er schmuggelt Einwanderer über einen Grenzsee, der mit Mazedonien verbunden ist. Doch als Leichen angeschwemmt werden und er aussteigen möchte, muss seine Familie die Konsequenzen seines Handelns tragen. – Eine klassische Gangstergeschichte also. Diesmal in Griechenland vor dem Hintergrund der Flüchtlingsströme. Den versuche ich mir auf jeden Fall anzusehen.

 

Im toten Winkel, Deutschland 2023, Ayşe Polat – Im toten Winkel verwebt Ayşe Polat die Fäden der Realität und des Ätherischen miteinander, um die Erzählung von politischen Intrigen in eine faszinierende Darstellung über die anhaltende Wirkung von Gewalt zu verwandeln. Mit meisterhafter Regie gelingt es ihr, Emotionen hervorzurufen, die dem Abspann weit nachwirken. – Hier weiß ich nicht wirklich, was mich erwartet. Im Programm steht auch etwas von „einem unheilvollen Tanz aus Paranoia, Verschwörung und geisterhaften Kräften“. Macht neugierig. Behalte ich mal im Hinterkopf.

Enter the Clones of Bruce, USA 2023, David Gregory (Deutschlandpremiere) – Anfang der 1970er Jahre wurde Bruce Lee zum Idol des internationales Actionkinos. Bereits wenige Stunden nach seinem Tod 1973 begannen Filmstudios nach einem neuen Star zu suchen, der Lee ersetzen sollte. Kommerzielle Motive ließen eine Armee von Bruce Lee-Klonen entstehen. Die sogenannte Bruceploitation läuft seit mittlerweile 50 Jahren.– Genau mein Ding. Den Spielfilm „The Clones of Bruce Lee“ (Bruceploitation at its best) durfte ich mal in Düsseldorf auf 35mm sehen. Würde ich mir auf jeden Fall anschauen, wenn dahinter nicht Severin stehen würde, die die Doku sicherlich sowieso – wie schon die tolle Al-Adamson-Doku die vor einigen Jahren in Oldenburg lief – als Bonus-Disc in einer Bruceploitation-Box bringen werden. Wobei die Severin-Boxen blöderweise fast immer Regionalcode A und damit für mich unabspielbar sind. Ich überlege es mir noch…

Mars Express, Frankreich 2023, Jérémie Périn – Die Akzeptanz von Unterschieden, Roboter und Menschen. Irgendwo zwischen der Ästhetik von »Blade Runner«, den technophilosophischen Ideen von »Ghost in the Shell« und den warnenden Science-Fiction-Prophezeiungen von Isaac Asimov entfaltet sich ein faszinierendes Film-Noir-Abenteuer über die Gefahren und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz. – Schon der zweite SF-Animationsfilm dieses Jahr in Oldenburg. Ich bin interessiert.

Shura: Sister of the Rope, Japan 2023, Tohjiro (Weltpremiere) – Zwei Schwestern kämpfen darum, ihre traumatische Vergangenheit zu überwinden. Ihre Mutter, ein Bondage Model, beging Selbstmord und ihr Vater, der Fesselkünstler, ließ sie im Stich. Die filmischen Absichten sind ebenso tiefgreifend und eindringlich wie in den intimen Dramen von Ozu oder den glühenden Psychodramen von Bergman. Transgressives Filmemachen von einer Intensität, die dem Zuschauer den Atem verschlägt. – Noch einmal Japan. Diesmal tief rein in eine für westliche Zuschauer seltsame und vielleicht bizarr anmutende Fetisch-Welt. Könnte etwas sein. Behalte ich auch im Auge.

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DVD-Rezension: „Wildwasser Sam“

Der Trapper Sam, genannt Wildwasser Sam, durchquert im Jahre 1820 allein die Rocky Mountains,

Wildwasser Sam“ ist eine One-Man-Show seines Regisseurs, Drehbuchautoren und Hauptdarstellers Keith Larsen. Larsen trat seit 1951 in Filmen auf und war Ende der 50er und in den 60ern als Hauptdarsteller wenig erfolgreicher TV-Serien aktiv. Leider ist er auch das große Problem des Filmes „Wildwasser Sam“, denn er entwickelt kaum Charisma, was natürlich keine gute Voraussetzung ist, wenn man in jeder Szene zu sehen ist und den Film ganz allein tragen möchte. Auch der Regisseur Larsen wirkt eher unsicher. Man mag kaum glauben, dass es sich hier um die bereits sechste Regiearbeit des Mannes handelt, denn der ganze Film wirkt wie das Debüt eines Schauspielers, der meint es auch mal selber versuchen zu müssen. Da passt vieles nicht zusammen, wirkt amateurhaft und baut keine wirkliche Dramatik auf.

Larsen filmt vor allem Totale, um dann immer wieder auf Nahaufnahmen zu schneiden, die aber nicht wirklich zum Rest passen. Diese Aufnahmen wirken wie nachträglich gedreht und dann später in im Schnitt irgendwo eingefügt. Dadurch sind die Hintergründe oftmals falsch und/oder man sieht Umgebung gar nicht nicht. Zudem hat man den Eindruck, als ob für Totale immer ein Double für den mittlerweile 53-jährigen Larsen genutzt worden wäre und er selber nur in den – vermutlich an einem Stück gedrehten – Nahaufnahmen in Aktion tritt. Dies wäre auch nicht schwierig, da beim zotteligen Wildwasser Sam das Gesicht eh kaum zu erkennen ist. Dem Drehbuch fehlt es an Dynamik und einer richtigen Geschichte. Dies versucht Larsen mit vielen durchaus beeindruckenden Naturaufnahmen zu kaschieren. Wobei er auch hier – analog der italienischen Kannibalenfilme – auf Inserts einer aggressiven Tierwelt setzt. Was nicht unproblematisch ist, denn er sieht sehr danach aus, dass hier Tiere nur für den Film aufeinander gehetzt worden sind.

Statt für eine packende Geschichte nutzt Larsen sein Drehbuch für Monologe in denen sich Sam ausführlich mit Gott oder seinem Hund unterhält. Ansonsten hat die Figur keinerlei Hintergrund. Man weiß nicht woher er kommt, weshalb er die Wildnis durchquert. Generell, wer dieses Mann überhaupt ist und was er will. So bleibt man mit dieser reinen Chiffre auf Distanz. Eine Identifikation ist kaum möglich. Es ist einem auch ziemlich egal, was mit ihm passiert. Man folgt Sam eben unbeteiligt durch die Wildnis, sieht zu wie er mit den Tieren interagiert oder diese einfach nur beobachtet. Wie er vor den Eingeborenen oder vor Wölfen flüchtet. Wobei beide völlig gesichtslos bleiben, Weshalb die Eingeborenen ihm gegenüber feindselig sind bleibt nebulös. Die sind einfach die Bösen. Fertig. Dabei wirken gerade diese Szenen auch sehr amateurhaft. Als hätte Larsen seine Darsteller einfach irgendwo hingestellt und dann auf Kommando loslaufen lassen. Und weshalb findet sich Sam plötzlich am Marterpfahl wieder. Weshalb überlebt er? Und was soll dieser verwirrende Schnitt auf einen verbrannten Schädel von dem man nicht weiß, ob er von einem Tier oder einem Menschen stammt? Auf die Dauer wird die episodenhafte Handlung, die keinem roten Faden folgt, dann doch langweilig. Konsequent endet der Film dann einfach irgendwann.

„Wildwasser Sam“ stammt laut IMDb von 1982 und soll 1977 gedreht worden sein. Dem widerspricht allerdings der auf der Pidax-DVD enthaltenden ZDF-Fassung, deren Abspann den Film auf 1976 datiert. Leider ist diese Präsentation kein Ruhmesblatt. Bild und Ton sind schlecht. Das Bild scheint von eienr alten ZDF-MAZ zu stammen. Es ist kontrastarm und pixelig. Am Ende gibt es Bildstörungen wie bei einer VHS und der obere Bildrand ist leicht ausgefranst. Die Szenen mit den Eingeborenen sind seltsam milchig, viel zu hell und wirken wie durch Rauch hindurch gefilmt. Auch das Format scheint nicht original zu sein. Laut IMDb sollte es 1.85 sein, doch auf der DVD befindet sich eine TV-konforme 4:3-Fassung. Der deutsche Ton ist eine Frechheit. Obwohl vom ZDF kompetent synchronisiert, wurde er scheinbar fehlerhaft konvertiert, denn er kommt nur aus den hinteren Boxen und klingt extrem verhallt. Demgegenüber ist der englische Ton dann so dumpf, dass man kaum etwas versteht.

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Vorschau: Das 30. Internationale Filmfest Oldenburg – Erste Filme angekündigt

Die ersten Filme für das 30. Internationale Filmfest Oldenburg – welches vom 13. bis 17. September stattfindet – wurden gerade angekündigt. Ich habe wieder einmal die Ankündigungstexte der Pressemeldung übernommen und im Anschluss mit meinen eigenen Anmerkungen versehen. Die beiden TV-Produktionen habe ich außen vorgelassen. Man geht ja auch ein Filmfestival um Kino zu sehen, keine TV-Serienformate. Also, ich zumindest.

Willie and Me, Deutschland/USA 2023, Eva Haßmann – „Als Hommage an den legendären Country-Sänger, dessen Lieder und Texte die Inspiration für das Drehbuch und die Regie des Films waren, erzählt Eva Hassmann die Geschichte einer deutschen Hausfrau, die einer tristen Ehe entflieht und sich auf eine spontane Reise nach Las Vegas begibt, um Willies Nelsons Abschiedskonzert zu erleben. Selbstbewusst und unbekümmert wie die besten Komödien des goldenen Zeitalters Hollywoods mischt sie als Autorin und Regisseurin (und als Hauptdarstellerin und Produzentin) verschiedene Genres zu einer unwiderstehlichen Melange aus Roadmovie, Screwball Comedy, Musikfilm und Indie Drama.“ – Der Eröffnungsfilm. Reiht sich ein in die Eröffnungsfilme der letzten Jahre. Deutsches Kino für ein großes Publikum. Das macht auch Sinn. Mich interessiert der Film eher weniger.

The Wait, Spanien 2023, F. Javier Gutierrez (Deutschlandpremiere) – „Nach dem großen Erfolg seines Erstlingsfilms „Before the Fall“ folgte Javier Gutiérrez dem Ruf Hollywoods und drehte den dritten Teil der Horrorsaga „The Ring“, der mit 83 Mio Dollar an den Kinokassen reüssierte. Trotzdem verbuchte man den Film als Desaster, Gutiérrez kehrte enttäuscht von der Gefräßigkeit der Traumfabrik zurück nach Spanien und drehte seine ganz persönliche Abrechnung mit Hollywood. „The Wait“ ist ein Film wie eine Urgewalt, ein hartes Familiendrama, Cinemascope-Bilder zum Niederknien schön und eine Story, die ganz langsam in einem Alptraum landet, aus dem es kein Erwachen gibt. Europa hat eines seiner größten Talente zurück.“ – Diese Ankündigung verrät leider nichts über den Inhalt des Filmes. Die IMDb hilft da auch nicht weiter, zeigt aber ein Kinoplakat, welches auf einen Horrorfilm hindeutet. Als Genres werden dort „Drama, Fantasy“ angegeben. Ein Link zur Mubi läasst den Film zu „Horror, Fantasy“ werden und erhüllt folgende Zusammenfassung: „Eladio, an upright ranch caretaker, takes a bribe from a veteran hunter. Weeks later, his whole life falls apart. What looked like the opportunity of a lifetime, turns into a nightmare when he discovers that his bad fortune isn’t casual.” Ich bin auch jeden Fall schon mal sehr gespannt.

Passenger C, USA 2023, Cassian Elwes (Internationale Premiere) – „Die wahre Geschichte von Cassian Elwes, dem erfolgreichen Filmproduzenten und Hollywood Agenten, der auf einem Nachtflug von New York nach LA in einen Zwischenfall mit einem aggressiven Passagier gerät. Die Begegnung mit diesem Mann verändert sein Leben, er definiert seinen inneren Kompass neu. Als Produzent hat er einige der großen Independent Filme der vergangenen Jahre ermöglicht, „Dallas Buyers Club“ war einen weltweiter, oscarprämierter Hit, jetzt schafft Cassian Elwes mit seinem Regiedebüt ein spannenden Spagat – einerseits ein emotionales Drama mit intensiven Momenten und tollen Darstellern, anderseits ein aufregender und sehr persönlicher Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik. Als Co-Produzentin beweist Veronica Ferres sehr viel Einfühlungsvermögen für starkes Independentkino.“ – Hmmmm, der Name der Co-Produzentin lockt mich jetzt nicht. Auch der Plot klingt eher nach übergroßer Nabelschau und Ego-Show. Ich bin skeptisch, schreibe den Film aber noch nicht ab.

Whenever I’m Alone With You, Frankreich 2023, Guillaume Campanacci/Vedrana Egon (Weltpremiere) – „Von Guillaume Campanacci & Vedrana Egon kommt eine romantische Komödie, inspiriert von der französischen Nouvelle Vague. Die Hauptdarsteller spielen sich selbst, ergänzt durch Guillaumes gesamte Familie, einschließlich seiner 96-jährigen Großmutter. Im zauberhaften Südfrankreich trifft der suizidale Guillaume auf Vedrana, eine Ballerina aus Sarajevo. Die Mission: Sein Herz neu zu entfachen. Doch seine Ex-Verlobte taucht auf, schwanger mit seinem Kind. Jean-Luc Godard trifft auf Cinéma Vérité und Magischen Realismus – ein kühnes, fesselndes Kinoerlebnis.“ – Der letzte Satz klingt fantastisch. Und das Cure-Zitat als Titel natürlich auch. Die Sätze davor sprechen mich noch nicht so wirklich an. Würde ich auf der Liste eher nach hinten schieben.

Little Girl Blue, Frankreich 2023, Mona Achache (Weltpremiere) – „“Es gibt nichts, was geschehen könnte, das mich davon abhalten würde, Teil dieses Films zu sein“ – ein starkes Statement aus dem Munde der oscarprämierten Marion Cotillard. Am 1. März 2016 beging Carole Achache Suizid, hinterließ jedoch keinen Abschiedsbrief, sondern 25 Kisten gefüllt mit tausenden Fotos, Briefen und Aufnahmen. Diese entdeckt ihre Tochter Mona Achache – vergrabene Geheimnisse, die ihren Tod noch rätselhafter erscheinen lassen. Mona agiert in diesem persönlichen Dokudrama selbst vor der Kamera und engagiert Marion Cotillard, die in die Rolle ihrer Mutter schlüpft. Durch die Kraft des Films und die Schönheit der Verkörperung lässt sie ihre Mutter wiederauferstehen, um ihren Weg nachzuvollziehen und herauszufinden, wer sie wirklich war.“ – Das klingt sehr interessant. Marion Cotillard mag ich sehr gerne und der Ansatz gefällt mir. Mal schauen. Die IMDb-Bewertungen (wenn auch wenige) sind sehr gut.

Robot Dreams, Spanien/Frankreich 2023, Pablo Berger (Deutschlandpremiere) – „Basierend auf der Graphic Novel der amerikanischen Autorin Sara Varon, erzählt „Robot Dreams“ von Dog and Robot im New York der 80er Jahre. Eine Geschichte über Freundschaft, ihre Bedeutung und ihre Zerbrechlichkeit. Ein Liebesbrief an den Big Apple. Dog lebt in Manhattan und hat es satt, allein zu sein. Eines Tages beschließt er, sich einen Roboter zu bauen, einen Begleiter. Ihre Freundschaft blüht auf, bis sie im Rhythmus des New York der 80er Jahre unzertrennlich werden. Eines Sommerabends muss Dog voller Trauer Robot in Coney Island am Strand zurücklassen. Werden sie sich jemals wiedersehen? Die Filme von Charlie Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd waren Pflichttermine für die Robot Dreams-Crew, ihr kleines Meisterwerk des Animationsfilms wird schon jetzt als heißer Oscarkandidat gehandelt.“ – Das spricht mich schon mal sehr an. Ich bin gespannt auf den Film und werde definitiv versuchen ihn zu erwischen. Ich hoffe mal, der Spielplan gibt das her. Bislang hatte ich da bei Animationsfilmen immer wenig Glück. Regisseur Berger hat auch „Blancanieves“ gedreht, von dem ich viel Gutes gehört habe. Ich glaube, der lief auch mal in Oldenburg.

King of Algiers, Frankreich 2023, Elias Belkeddar (Internationale Premiere) – „ Im Debütfilm des französischen Regisseurs Elias Belkeddar spielt César-Award-Gewinner Reda Kateb den Gangster Omar, in der Unterwelt ehrfurchtsvoll „die Erdbeere“ genannt. Auf der Flucht in Algier gestrandet, um einer 20-jährigen Haftstrafe in Frankreich zu entkommen, findet er Zuflucht bei seinem Freund Roger (César-Award-Gewinner Benoît Magimel). Die Chemie der beiden Hauptdarsteller auf der Leinwand ist umwerfend. Temperamentvoll, melancholisch und einfach nur herzerwärmend entfachen die beiden eine Liebesgeschichte über Freundschaft und die Schönheit der einfachen Freuden des Lebens.“ – Hier schreckt mich der letzte Satz eher ab. Grundsätzlich könnte der Film aber interessant sein. Und Reda Kateb ist ja ein Guter.

The Nothingness Club, Portugal 2023, Edgar Pêra (Deutschlandpremiere) – „Ein surrealer Blick auf die Welt und das Leben des portugiesischen Modernisten-Schriftstellers Fernando Pessoa, der unter etwa 75 verschiedenen „Heteronymen“ schrieb: vollständig ausgearbeitete fiktive Personen mit ihren eigenen, unverwechselbaren Geschichten, literarischen Stilen und Lebensphilosophien. Der Kultfilmemacher Edgar Pêra, der mit dem faszinierenden „Magnetic Pathways“ bereits Gast in Oldenburg, entführt die vielen literarischen Persönlichkeiten Pessoas in eine Noir-Welt aus verrauchten Bars und Femme Fatales, in der die größte Bedrohung von dem zunehmend gewalttätigen und geistesgestörten Álvaro de Campos (einer von Pessoas berühmtesten Künstlernamen) ausgeht. Eine filmische tour de force, die man erleben muss, ohne zu versuchen, sie zu verstehen.“ – Ehrlich gesagt bin ich jetzt nicht wirklich durchgestiegen worum es in dem Film geht. Ich vermute mal, dass die „Heronyme“ als eigenständige (Film)-Welten dargestellt werden. Quasi ein „Multiversum“ in einem Autoren. Damit kann ich allerdings auch komplett falsch liegen. Auf jeden Fall bin ich neugierig.

The Belgian Wave, Belgien 2023, Jérôme Vandewattyne (Weltpremiere) – „Nachdem er mit „Spit’n’Split“ einen der wildesten Bandfilme aller Zeiten vorgelegt hat, zeigt sich Belgiens enfant terrible Jerome Vandewattyne erneut als Meister des Paranoiakinos. „The Belgian Wave“ nimmt sich eines der spektakulärsten Phänomene der jüngeren belgischen Geschichte an – eine Reihe an ungeklärten UFO Sichtungen Ende der 80er Jahre, die das Land in Aufregung versetzte. Ein gefundenes Fressen für den letzten echten Punkrocker des Autorenkinos, der aus dem Stoff eine psychedelische Jagd nach der Wahrheit macht, die ja eigentlich ganz einfach zu finden wäre, wenn man denn nur das Unmögliche einfach akzeptieren würde.“ – „Spit’n’Split“ war großartig. Da freue ich mich schon sehr auf Vandewattynes neuen Film. Zumal mich belgische Filme in Oldenburg noch nie enttäuscht haben. Bin dabei!

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In eigener Sache: Aktuelle Bonusmaterialarbeiten für Ostalgica

In eigener Sache hier eine kleine Übersicht über die letzten  Heimkinoveröffentlichungen des Labels Ostalgica an denen ich beteiligt sein durfte.

Mehr hierzu (und meine Arbeit für andere Labels) findet man auch oben unter dem Reiter „Veröffentlichungen“. Da ist schon so einiges zusammengekommen. Das hätte ich in der Tat nie erwartet, als ich 2008 diesen Blog begann.

Und der nächste Audiokommentar ist schon in Vorbereitung.

Von oben links nach unten rechts:

DER TEST DES PILOTEN PIRX (Blu-ray– Mai 2023) – Videofeature über den Film und Stanislaw Lem.

FARAON (Blu-ray – März 2023) – Videofeature über Jerzy Kawalerowicz.

DAS GRAB DER MUMIE (Blu-ray – Juli 2023) – Booklet, Audiokommentar mit Clemens Williges und Lars Johansen, Features: „Universal Talk – Die goldene Ära des Horrorfilms“ (zusammen mit Lars Johansen, Clemens Williges und Andreas Bierschenk, ca. 87 Min.) & „Universal Talk – Die silberne Ära des Horrorfilms“ (zusammen mit Lars Johansen und Clemens Williges, ca. 53 Min.).

DIE PEST IN FLORENZ (Blu-ray– Mai 2023) – Feature: Filmtalk zusammen mit Lars Johansen und Clemens Williges.

HILDE WARREN UND DER TOD (Blu-ray – März 2023) – Audiokommentar mit Clemens Williges und Lars Johansen.

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35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin: Jubiläumsausgabe 50 – ausverkauft

Das haben wir bei der 35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin auch nicht erwartet. Da ist unsere extradicke Jubiläumsausgabe 50 im Juni erschienen und bereits jetzt Mitte August komplett ausverkauft. Danke an unsere Leser!

Titelthema war diesmal 20th Century Fox, wozu ich einen Artikel über die für die Popkultur extrem einflussreiche – heute aber namentlich fast vergessene – Theda Bara beitragen durfte. Zudem führte ich schweren Herzens die Kolumne „Operazione Europloitation“ zu Ende, die ich einst ins Leben rief und welche von verschiedenen Redakteuren bestückt wurde. Diese letzte Kolumne ist ebenso eine Rückschau, wie eine Sammelsurium an Tipps, wo man Gleichgesinnten Freunden dieser Art von Film finden kann.

Ansonsten wurden viele neue Kolumnen gestartet, man erfährt viel über die 20th Century Fox und generell ist das Heft ein diesmal übergroßes Füllhorn an Informationen rund um den Film bis 1965.

Nebenbei: Wer gerne wissen möchte, was die 35MM-Redaktion im Mai in der wundervollen, vereinsgeführten Kneipe Helga (in der ich einen guten Teil meiner knappen Freizeit als Mitglied der dortigen Veranstaltungsgruppe verbringe) im Bremer Stadtteil Walle auf die Beine gestellt hat, dem sei der Bericht von Tonio Klein ans Herz gelegt.

Vielleicht findet man das Heft ja noch irgendwo antiquarisch. Ich drücke die Daumen!

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Blu-ray-Rezension: „Die Erde ist ein sündiges Lied“

Der Norden Finnlands, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Die 18-jährige Martta (Maritta Viitamäki) lebt in einem kleinen Dorf mit ihren Eltern Juhani und Alli (Pauli Jauhojärvi und Milja Hiltunen), sowie ihrem Großvater Äijä (Aimo Saukko) zusammen. Ihr Leben ist gekennzeichnet von Armut und den harten Lebensbedingungen. Als sie sich in den samischen Rentierhirten Oula (Niiles-Jouni Aikio) verliebt, bahnt sich eine Katastrophe an.

Wenn gleich in einer der ersten Szenen ein Hund getreten wird, dann ahnt man schnell, dass es in Rauni Mollbergs Film „Die Erde ist ein sündiges Lied“ nicht unbedingt heiter zugehen wird. Mollberg selber hat den Ruf ein sehr unangenehmer Mensch, aber genialer Regisseur gewesen zu sein. Einer der gerne zu weit ging. Verbal übergriffig und verletzend. Manchmal auch physisch. Seine Schauspieler und Schauspielerinnen vor sich her treibend, brutal und manipulativ. Jemand, der seine Wut, Ungeduld und Frustration auch gerne an der Crew ausließ. Seltsamerweise wird er von eben jenen Opfern seiner Taten zwar konsequent als „Arschloch“ bezeichnet, trotzdem sprechen sie mit großem Respekt von ihm und scheinen im Nachhinein seine Untaten herunter zu spielen – so als ob man über den verstorbenen, zu Lebzeiten immer etwas peinlichen Onkel spricht, der sich bei den Familienfeiern immer sinnlos betrunken und die Anwesenden angepöbelt hat – , da doch am Ende große Meisterwerke entstanden. Beides merkt man „Die Erde ist ein sündiges Lied“ an: Das raue, brutale Meisterwerk und die sicherlich nicht angenehmen Umstände, wie es entstanden ist.

Sicherlich lag es auch in der Intention Mollbergs, dem Film durch die so entstanden Spannungen und Grenzsituationen die Aura einer ungeschönten Dokumentation geben. Szenen wie jene, in der die Geburt eines Kalbes auf grauenvolle Weise schief geht und es im Leib der Mutter zerstückelt werden muss, sind hart mit anzusehen. Und in einem Interview mit dem Szenenbildner und rechte Hand Mollbergs wird erzählt, dass sie ungestellt war. Es bleibt zu hoffen, dass dies eine Übertreibung war. Die eingangs erwähnten Tritte gegen den Hund sind es aber nicht. Auch ist es kein Special Effect, wie vor der Kamera zahlreiche Rentiere mit einem gezielten Stich ins Herz getötet werden, und ihnen anschließend das Fell abgezogen wird. Mollbergs Film wimmelt von solchen Bildern, die einem eine brutale, grausame Welt zeigen, in der ein Leben schnell beendet werden kann, Alkohol und Armut die Gesichter und Leben der Menschen zerstören und echte Liebe keine Chance hat. Ja, man nicht einmal sicher sein kann, dass Liebe überhaupt existiert. Die Menschen sind derb und derb ist auch ihre Sprache und ihr Umgang miteinander. Auch wenn die karge, aber beeindruckend schöne Landschaft Südlapplands das Zeug zur Romantisierung hat, so scheint sie irgendwo getrennt von den Menschen zu existieren. Wenn diese durch sie hindurch stapfen, wirken sie wie Fremdkörper.

Sein Darsteller fand Mollberg nicht in Casting-Agenturen, sondern auf der Straße, an Tankstellen, beim Vorsprechen an der Schauspielschule. Dementsprechend rau sind seine Figuren. Die Gesichter verwittert und oftmals vor Dreck starrend, die Zähne schief, die Haare struppig oder strähnig. In zerschlissener Kleidung. In Worten und Gesten primitiv. Aber eben auch „echt“ und charismatisch. Damit auch sehr lange in Erinnerung bleibend. Mollbergs Entdeckung Maritta Viitamäki, die hier das erste Mal vor der Kamera stand, spielt mit einer entwaffnenden Natürlichkeit. Ihre Martta ist keine klassische Schönheit, aber im Dorf (oder sollte man eher sagen, der Ansammlung von ärmlichen und heruntergekommenen Höfen) das einzige junge Mädchen, welches quirlig, lebensbejahend und lebendig wirkt. Ihre Freundin ist zwar ebenfalls hübsch, aber in ihrem jungen Alter bereits so verhärmt, dass sie viel älter und lustfeindlich wirkt. Bis in einer fast schon surrealen Szene ein Geistlicher die örtliche Kirche besucht. Ein auf den ersten Blick abstoßender Mann, der sich in seiner Predigt wortstark über die Unmoral und Wertlosigkeit der Leute ereifert. Und sich in eine Rage redet, welche seltsam ansteckend wirkt und seine Zuhörer in eine beunruhigende Ekstase versetzt. Die Stimmung ist dadurch am Ende derart sexuell aufgeheizt, dass die sich Männlein und Weiblein übereinander hermachen und Marttas Freundin am nächsten Morgen nackt im Bett des angeblich so moralischen und reinen Priester erwacht.

Im Gegensatz zu ihrer Freundin lebt Martta ihre Sexualität ohne Reue aus. Sei es mit dem Nachbarn, dem „fremden“ Samen aus dem Norden oder mit ihrem eigenen Adoptivbruder. Sex ist für sie etwas natürliches, etwas was ihr Freude bereitet und ein wenig Geborgenheit gibt. Und dies wäre wahrscheinlich auch kein Problem (ein Nachbarin hat unzählige uneheliche Kinder und ist trotzdem Teil der Gemeinschaft), doch sie lässt sich mit dem Falschen ein. Der nicht zur Gemeinschaft zählende Same Oula, der in der Natur wohnt, traditionelle Tracht trägt und Rentierhirte ist, ist in den Augen der Dörfler verfemt. Gut genug, um einmal im Jahr die Rentiere ins Dorf zu treiben, aber nicht gut genug für ihre Töchter. Eine Beziehung zum Fremden wäre eine Schande. Auch wenn sich Oula weitaus anständiger verhält, als das grobe Dorfvolk um Martta herum, welches Martta bei jeder sich bietenden Gelegenheit begafft und versucht anzutatschen. Die Figur des Oula ist ein leider noch immer aktueller Kommentar zur Ausländerfeindlichkeit und der sture Einkapselung in die eigene Blase. Man kann sich allerdings nicht vorstellen, dass ein Film wie „Die Erde ist ein sündiges Lied“ heute noch einmal so gedreht werden könnte. Mollbergs Film ist ein kraftvolles Unikum. Nicht schön anzusehen. Grausam und brutal. Mit einem zutiefst pessimistischen Blick auf den Menschen. Eine messerscharfe Sezierung des nackten Menschen mit seinen Trieben, Schwächen, Unzulänglichkeiten und ungefilterten Emotionen.

Wie gewohnt hat das Vorzeige-Label Bildstörung wieder ein absolut vorbildliche Edition zusammen geschnürt. An der Bildqualität lässt sich nichts aussetzen, ebenso am Ton. Dieser liegt lediglich auf Finnisch vor mit deutschen Untertiteln. Was der Authentizität und dem dokumentarischen Charakter des Filmes nur förderlich ist. Würden die Finnen auf einmal Deutsch sprechen, so käme einen dies falsch vor. Die Extras zum Film befinden sich auf einer zweiten Scheibe, die nur als DVD vorliegt, was aber nichts ausmacht. Diese bestehen aus einem relativ aktuellen Interview mit der Hauptdarstellerin Maritta Viitamäki, die sich gut an die Dreharbeiten erinnert und eine sympathische, fröhliche Person ist. Auch wenn ihre Erfahrungen mit Mollberg nicht die Besten waren. Das zweite Interview findet mit Seppo Heinonen statt, der lange Zeit Mollbergs rechte Hand war und einen guten Einblick in die Person Mollberg gibt, den er als „Arschloch“ und ebenso film- und detailbesessen, wie unberechenbar bezeichnet. Teil dieses Interviews findet man auch im wichtigsten Extra wieder: Den 90-minütigen Film „Dinosaurier“, den sein Schüler und zeitweiliger Co-Autor Veikko Aaltonen inszenierte, der mittlerweile selber zu den bedeutenden Regisseuren Finnlands zählt. Der Film geht auf Mollbergs Werdegang ein, seine extrem schwierige Persönlichkeit, die Dreharbeiten für seine Filme, insbesondere „Die Erde ist ein sündiges Lied“ und „Der unbekannte Soldat“ und die Geschichte der finnischen Filmindustrie in den 60ern, 70er, 80ern und der Gegenwart. Gerade letzteres ist sehr spannend und zumindest mir eher unbekannt. Bei den Interviews mit Mollbergs Mitstreitern bleibt mir zu viel im Ungefähren. Zwar hört man von allen, dass Mollberg seine Schauspieler und Crew ausgenutzt und gepeinigt hat. Doch davon, was konkret vorgefallen ist, erfährt man nur wenig. Muss vielleicht auch nicht und ist dem Respekt der Interviewten vor dem verstorbenen „Genie“ geschuldet. Doch durch die vagen Information und dem gleichzeitigen relativeren mit dem Argument, dass am Ende aber ja immer ein Meisterwerk herausgekommen sei, schleicht sich ein Gefühl von „so schlimm wird es schon nicht gewesen sein“ ein, welches sicherlich nicht im Sinne der Macher war. Oder doch? Die Extras werden abgerundet durch einen Audiokommentar der Regieassistentin Pirjo Honkasalo und dem Kameramann Kari Sohlberg (auf Finnisch mit deutschen Untertiteln), sowie einem Booklet mit einem längeren, sehr gut geschriebenen und informativen Text von Olaf Möller und einem kürzeren von Heikki Huttu-Hiltunen zur Sprache im Film „Die Erde ist ein sündiges Lied“.

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07. Mai: „35 Millimeter – Das Retro Filmmagazin“ zu Gast in Bremen!

In eigener Sache:

Am Sonntag, den 7. Mai ist ab 17:00 Uhr ein großer Teil der Redaktion der „35 Millimeter – Das Retro Filmmagazin“ zu einem Nachmittag ganz im Zeichen des „Trivialen Zelluloids“ in der Kneipe HELGA in Bremen-Walle (Helgolander Str. 22) zu Gast!

Es wird drei Vorträge zum Thema „triviales Kino“ geben.

Ich selber werde in meiner Rolle als stellvertretender Chefredakteur „Triviales im Europäischen Kino bis 1965“ vorstellen. Die Redakteure Dr. Christoph Seelinger (Braunschweig) und Lars Johansen (Magdeburg) werden über „Herkules erobert die Leinwand – Muskelmänner im italienischen Sandalenfilm“ bzw. das Kolportagekino des Wolfgang C. Hartwig referieren.

Im Anschluss gibt es ein kleines Filmkonzert von Jakob Gardemann (Meisterschüler der HBK Braunschweig) zu drei experimentellen, jugoslawischen Kurzfilmen aus den frühen 60er Jahren.

Danach ist dann noch Zeit, um mit den Vortragenden und den weiteren aus ganz Deutschland angereisten Redakteuren zu plaudern.
EINTRITT FREI

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Die neuen Ausgaben der 35 Millimeter und 70 Millimeter sind erhältlich

Auch wenn ich den Blog momentan etwas zugunsten anderer Aktivitäten vernachlässige, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass sowohl die Ausgabe 49 des „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, sowie die Ausgabe 4 des von mir als Chefredakteur verantworten „70 Millimeter-Magazin“ seit einiger Zeit über den Online-Shop des Verlages erhältlich sind.

Die 35 Millimeter hat diesmal das Titelthema „Osteuropäisches Kino“ und ich hatte das große Vergnügen mich dreimal mit einem meiner Lieblingsfilmländer, nämlich Polen, auseinanderzusetzen. Ich schrieb über einen meiner Lieblingsfilme: „Die Handschrift von Saragossa“ vom großartigen Woijech Has. Und dann porträtierte ich zwei seht unterschiedliche Jerzys. Nämlich Jerzy Kawalerowicz und Jerzy Skolimowski. Mir hat die Arbeit an diesem Heft besonders viel Spaß gemacht und die Artikel der Kollegen zu lesen, war auch ein einziger Quell der Freude.

Die 70 Millimeter hat im Gegensatz zur großen Schwester normalerweise keine Titelthemen. Aus den vielen Vorschlägen, welche die Redakteure unterbreiten, stelle ich als Chefredakteur einen möglichst bunten Strauß an Artikeln für das Heft zusammen. Manchmal kommt es aber auch vor, dass die Redakteure Themen anbieten, die ganz zufällig einen gemeinsamen Nenner haben. So war es diesmal, als ganz unabhängig von verschiedenen Seiten Artikelvorschläge kamen, die man gut unter der großen Klammer „Blaxploitation“ zusammenfassen konnte. So ist die Hälfte des Heftes diesem Thema gewidmet, und ich selber habe hier einen Beitrag zum einzigen Blaxploitation/Italo-Western-Hybrid „Einen vor den Latz geknallt“ alias „Tote brauchen keine Dollars“ verfasst. Insgesamt bin ich auf das Heft, vor allem Dank meiner tollen Autoren, sehr stolz.

Die 35 Millimeter #49 kann man HIER für € 6,40 zzgl. Versand beziehen.
Die 70 Millimeter #4 gibt es HIER für 4,90 zzgl. Versand.

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