Filmbuch-Rezension: Markus Stiglegger “Jenseits der Grenze“

Wie konnte das geschehen? Bereits im letzten Jahr erschien der abschließende Band der sogenannten „Grenz-Trilogie“ von Marcus Stiglegger. Ich hatte bei den ersten beiden Büchern das Gefühl, dass das Rauschen in den Sozialen Medien weitaus größer war als beim dritten „Grenz“-Werk. Zumindest war es mir so durch die Finger gerutscht. Daher dauerte es jetzt ein Jahr bis ich das Buch im Haus hatte, und ich mich eingehend damit beschäftigen konnte. Im Grunde kann man über „Jenseits der Grenze“ dasselbe schreiben, was man bereits über „Grenzkontakte“ und „Grenzüberschreitungen“ zu Papier gebracht hat. Wie zuvor besteht das Buch vor allem aus Texten, die zuvor bereits an anderer Stelle erschienen sind. Vor allem einige Booklet-Texte sind wieder dabei. Das hat zur Folge, dass die Abschnitte auch sehr unterschiedlich sind. Bei einigen (z.B. über Horror-Western und Zahnarzt-Horror) hat man das Gefühl, dass es sich um Auftragsarbeiten für die DVD/Blu-ray-Veröffentlichung eines bestimmten Filmes handelt. Die lesen sich dann zwar auch interessant, haben aber auch etwas „aus dem Ärmel geschütteltes“ an sich. Sehr viel spannender sind da Texte, bei denen man deutlich merkt, dass Marcus Stiglegger die Filme über die es geht, sehr am Herzen liegen und er eine persönliche Verbindung zu ihnen hat. So ist zum Beispiel das Essay zu „Das Messer am Ufer“ ein ganz wundervoller, persönlicher Text geworden.

Sehr schön ist natürlich das Vorwort vom großartigen Dominik Graf, der gerne auch selber mal wieder etwas veröffentlichen darf. Sein „Es schläft..“ ist für mich immer noch eines der schönsten deutschsprachigen Bücher über Film. Dominik Graf ist es auch, der das Buch – und damit die „Grenz-Trilogie“ – am Ende zu einem Abschluss führt. Nämlich in einem sehr lesenswerten und spannenden Interview, welches Marcus Stiglegger bereits 2011 mit Graf geführt hatte, welches aber keinesfalls an Relevanz verloren hat.
Trotz der Ankündigung, den Horrorfilm eigentlich schon im zweiten Band der „Grenz“-Trilogie abgehandelt zu haben, finden sich auch in „Jenseits der Grenze“ viele Filme aus diesem Genre. Überraschenderweise auch „The Last Horror Movie“, den ich einst auf dem Fantasy Filmfest sah, und der mir danach nicht wieder untergekommen ist. Eine schöne Überraschung, insbesondere da Marcus Stiglegger viel zum Film, sowie das Thema „Snuff“-Film zu sagen hat. Ansonsten sind von den – ich sage mal provokant „erwartbaren“ Themen „Maniac“ (Remake und Original), „Conan“ (sehr lesenswert!), „David Cronenberg (ein sehr gutes, auf den Punkt gebrachtes Portrait), „Pans Labyrinth“, „Under the Skin“, das Kino Pascal Laugiers und „Suspiria“ dabei.

Aber es gibt auch große Überraschungen: „Matador“ von Almodovar wird in einem großartigen, Liebe und Tod untersuchendes Essay vorgestellt. Es gibt ein herausforderndes, aber gerade deshalb sehr lohendes Kapital über Malicks „Der schmale Grat“. An ein Tabu-Thema wagt sich Stiglegger mit der Pädophilen-Studie „Michael“ und es gibt ein aufschlussreiches Kapitel über S. Craig Zahler. Auch „Noturnal Animals“ von Tom Ford zähle ich unter die Filme, die ich hier nicht erwartet hätte. Ganz besonders gefreut habe ich mich, dass Stiglegger auch dem deutschen Horrorfilm seinen Platz einräumt. Während man „German Angst“ allein aufgrund der persönlichen Verbindung zu den Machern erwarten konnte, so ist es nicht selbstverständlich, dass die großartige und seltsamerweise trotz größerer Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray (auch international) doch recht unbekannte gebliebene Produktion „Hagazussa“ von Lukas Feigelfeld hier auftaucht. Und Marcus Stiglegger erfüllt dann auch das, was ich mir ganz besonders von diesem dritten Band gewünscht habe: Mit Philippe Grandrieux stellt er einen Filmemacher vor, dessen Werk mir bisher vollkommen unbekannt war, weshalb ich mich über diese Horizonterweiterung ganz besonders freue.

Ich kann jetzt nicht sagen, dass „Jenseits der Grenze“ nun der beste Band der Trilogie geworden ist. Ich hätte mir gerade „jenseits der Grenze“ noch mehr provokativere, abseitigere Filme gewünscht. Er ist aber auf jeden Fall nicht schlechter als die anderen beiden Teile. Daher kann ich jedem, der „Grenzkontakte“ und „Grenzüberschreitungen“ mit Gewinn gelesen hat, auch dieses Buch ans Herz legen.

Markus Stiglegger „Jenseits der Grenze – Im Abseits der Filmgeschichte“, Martin Schmitz Verlag, 240 Seiten, € 17,80

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