Blu-ray-Rezension: „Five Fingers for Marseilles“

Die „Five Fingers“ sind eine Bande von halbwüchsigen, die in der kleinen Stadt Marseilles, irgendwo in den Weiten Südafrikas, mit Steinschleudern gegen die korrupte weiße Polizei antreten. Als die Polizei das Mädchen Lerato entführen, greift Tau, genannt „Der Löwe“, zu einer echten Waffe und erschießt zwei Polizisten. Tau flieht, schlägt das Leben eines Kriminellen ein und landet im Knast, aus dem er 20 Jahre nach der Tat entlassen wird. Tau (Vuyo Dabula) macht sich unerkannt auf den Weg zurück in seine Heimatstadt, wo er feststellen muss, dass sich nicht nur die Zeiten, sondern auch seine ehemaligen Freunde geändert haben. Zudem wird die Stadt durch den unheimlichen Gangsterboss Sepoko (Hamilton Dhlamini), bedroht….

Südafrika kennt man nicht unbedingt als Filmland. Zwar gibt es unzählige Co-Produktionen, zumeist im B-Filmbereich, wo die beeindruckende Kulisse des Landes genutzt wird, doch eigenständige Produktionen finden so gut wie nie den Weg in unsere Gefilde. „Five Fingers for Marseilles“ ist nun tatsächlich dank des großartigen Drop-Out-Verleihs auch in ausgewählten deutschen Kinos gestartet und jetzt auf Blu-ray erhältlich. Der Cast besteht fast ausschließlich aus farbigen Schauspielern und nimmt gleich zu Beginn Bezug auf die Geschichte Südafrikas mit seinem unsäglichen Apartheitssystem. Zwei weiße Polizisten machen Halt in dem kleinen Dorf Marseilles, um hier von den einheimischen Bewohnern abzukassieren. Die „Five Fingers“, eine Bande von Kindern an der Schwelle zur Pubertät wehren sich mit Steinschleudern gegen das Unrechtssystem. Nach einem Zeitsprung von 20 Jahren (wobei der Film seine Handlung nie konkret zeitlich verortet) hat sich nichts getan. Jetzt ist die korrupte Polizei schwarz – die Armen sind weiterhin die Opfer von Willkür und Gewalt. Ein Blick auf das heutige Südafrika, indem die Apartheid zwar abgeschafft wurde, aber die Probleme nicht beseitigt? Starke Bande, die gegen einen gemeinsamen Feind gekämpft haben, sind auseinander gefallen und bekämpfen sich jetzt gegenseitig. Gute Absichten verkehren sich ins Gegenteil. Wer vorher keine Macht hatte, nimmt sie sich jetzt. Ohne Rücksicht auf die, mit denen man einst zusammen herre Ziele verfolgt hat.

Regisseur Michael Matthews wählt für seinen Debütfilm die Form des Westerns. Und das passt ziemlich gut. Er bleibt vage, was die zeitliche Einordnung der Geschichte angeht. Sie kann in der Gegenwart, vor 10, 20 oder kurz nach Abschaffung der Apartheid vor 25 Jahren spielen. Im Grunde funktioniert sie aber auch Ende des 19, Jahrhunderts, den sie besteht aus klassischen Western-Motiven. Der Fremde der in die Stadt kommt, wo zwei Parteien um die Vormacht streiten (hier die Polizei des Bürgermeisters und die Bande des Verbrecher-Boss, genannt The Ghost). Das erinnert an „Für eine Handvoll Dollar“, ebenso die physische Pein, die der Held erleiden muss und die direkt aus einem Italo-Western stammen können. Die Art und Weise, wie er Verstärkung holt, was wiederum Erinnerungen an „Die glorreichen Sieben“ wachruft – auch wenn man geneigt ist an einen anderen, thematisch ähnlichen Neo-Western, nämlich Robert Rodriguez ‚ „El Mariachi“ bzw. das Remake „Desperado“ denken muss. Man merkt deutlich, dass Matthews seine Vorbilder kennt. Aber „Five Fingers for Marseilles“ verkommt nicht zu einem post-modernen Zitate-Zirkus, sondern nimmt diese Elemente nur, um daraus etwas eigenes zu schaffen, was zwar den Geist des Westerns atmet, dem es aber wichtiger ist, eine Geschichte um den Zerfall von Werten und Freundschaften, um menschliche Gier nach Macht und die Korrumpierbarkeit von schwachen Charakteren zu erzählen.

Michael Matthews verlässt sich ganz auf seine starken Bilder. Auf die Gesichter seiner Schauspieler, die karge, unwirkliche Wüste Südafrikas und die Mythen, die Land und Genre wie Geister durchziehen. Dabei hat er den Mut, dem Zuschauer die vermeidlich unausweichlichen Höhepunkte zu enthalten. Potentielle Showdowns werden schon im Keim erstickt oder beim großen Finale unspektakulär oder aus weiter Distanz abgehandelt. „Five Finger For Marseilles“ kann sich nicht vorwerfen lassen, Gewalt zu glamourisieren – so wie es bei einem Western, der um davon handelt, dass ein Fremder aufräumt und für Gerechtigkeit sorgt, durchaus die Regel ist. Hier ist nichts cool oder stylisch. Kein Kugelhagel in Zeitlupe oder durch-choreographierte Schusswechsel. Am Ende kommt der Film nicht nur wieder bei sich selber an, sondern zitiert auch den göttlichen „Zwei glorreiche Halunken“ (bzw. könnte es auch eines der Heroic Bloodshed-Epen aus Hongkong sein). Doch es ist keine Erlösung, kein Gut gegen Böse, sondern der tragische Schlusspunkt unter dem Verlust von Freundschaft, Werten und Zusammenhalt.

Die Bluray aus dem Hause Donau Film kommt in sehr guter Bildqualität daher. Auch der Ton ist sehr dynamisch und klar. Statt der deutschen Synchronisation sollte man meiner Meinung nach auf den O-Ton zurückgreifen in Bantu-Sprache (Sesotho) vorliegt und dem Film mehr Authentizität verleiht. Die deutschen Untertitel sind auch gut zu lesen. Leider sind die Extras nicht ganz so ergiebig: Es gibt neben Trailern noch drei kurze Featurettes zur Geschichte, Besetzung und Produktion.

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