Nachruf: Tobe Hooper (1943-2017)

Am vergangenen Sonntag verstarb Tobe Hooper mit nur 74 Jahren. Damit ist innerhalb weniger Monate nun schon der zweite enorm einflussreiche Genre-Regisseur von uns gegangen, dessen Erstlingswerk den modernen Horrorfilm stark geprägt, ja beinahe schon neu erfunden hat. Mit dem am 16. Juli verstorbenen George A. Romero verband ihn dann auch, dass er immer wieder auf das eine, revolutionäre Werk reduziert wird. Gelang es Romero aber noch, dieses fortzuführen und dadurch in seinen späten Jahren noch einmal die Gelegenheit bekam, seine Visionen umzusetzen, so war dies Hooper nicht vergönnt. Zwar konnte er selber 1985 noch „Texas Chainsaw Massacre 2“ realisieren, doch bei den weiteren Folgen dieses Franchise war er dann außen vor.  Stattdessen musst er sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit billigem direct-to-video-Stoff herumschlagen, dem er nur selten seinen Stempel aufdrücken konnte.

Dabei hatte alles doch so gut angefangen. Nach dem Paukenschlag „The Texas Chain Saw Massacre“ drehte er den kleinen, aber unterhaltsamen „Blutrausch“  und den zwar relativ zahmen, aber trotzdem wunderschönen „Das Kabinett des Schreckens“. Mit „Das Kabinett des Schreckens“ zog der das Ticket nach Hollywood, wo er für Steven Spielberg „Poltergeist“ inszenierte. Sein scheinbar größter Triumph wurde aber auch zu einem Wendepunkt in seiner Karriere. Bis heute ist nicht klar, inwieweit er an „Poltergeist“ tatsächlich beteiligt war und wie viel Spielberg selber drehte. Heute gilt „Poltergeist“ vor allem als Spielberg-, und nicht als Hooper-Film. Wie auch der 1979 entstanden TV-Zweiteiler „Brennen muss Salem“ eher als Stephen-King-Verfilmung, denn als Werk von Tobe Hooper bekannt ist.

Die legendäre Filmproduktion Cannon gab ihm dann noch einmal – das letzte Mal in seiner Karriere – richtig Geld in die Hand. Aber trotz einer großen Fangemeinde heute, floppten sowohl der wundervolle „Lifeforce“, als auch das schöne „Invasion vom Mars“-Remake damals an der Kinokasse. Sein zweiter „Chainsaw“ – „The Texas Chainsaw Massacre 2“ – war da war etwas erfolgreicher, aber bei weitem nicht das, was Cannon sich vorgestellt hatte. Probleme mit den Zensurbehörden verschärften den Konflikt nur. Erst vier Jahre später drehte Hooper mit „Fire Syndrome“ seinen nächsten Film, den aber niemand sehen wollte.

Ab da war er im B-Video-Land gefangen. Den Tiefpunkt erreichtet er 1993 mit seinem nächsten Film: Dem grauenvoll schnarchigen „Tobe Hooper’s Living Nightmare“. Danach habe ich seine Karriere nicht mehr wirklich verfolgt. 2004 sah ich noch seine Remake „Toolbox Murders“, den ich recht schön fand – auch wegen der wunderbaren Angela Bettis.  Viel durfte Tobe Hooper dann leider nicht mehr drehen. Zwischen seinem, von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanzierten und auch dort gedrehten, letzten Film „Djinn“ von 2013 und dem überall von der Kritik (aber auch den Fans) zerrissenen „Mortuary“ lagen ganze 7 Jahre.

Für mich ist Tobe Hooper einer der Großen, die nie wirklich die Anerkennung erfahren haben, die ihnen zusteht. Denn Hooper war mitnichten das „One Hit Wonder“ zu dem er auch jetzt in den Nachrufen immer gemacht wird. Den Vogel schießt hier die dpa ab, die anlässlich seines Todes mit Bezug auf seinen Klassiker „The Texas Chain Saw Massacre“ schrieb: „Hooper verhalf damit dem Genre des günstig produzierten Splatter-Horrors mit knapp bekleideten Frauen und kreischenden Teenies zum Durchbruch“. Ich bezweifle mal, dass der verantwortliche Autor den Film gesehen hat. Und ich bedauere, dass so viele Zeitungen diesen Wortlaut einfach nachgedruckt haben, denn darin kommen mal wieder alle Vorurteile gegen den Film und seinen Regisseur hoch.

Ich kann mich noch gut an meine erste Begegnung mit dem berüchtigten „Kettensägenmassaker“ erinnern. Ja, ich war sehr enttäuscht. Das vom Titel versprochene Blutbad fand nicht statt. Mir gefiel da Hoopers zweiter Teil sehr viel besser. Dieser zeigte ja nämlich all das, was Menschen, die den ersten Film nie gesehen haben, sich unter genau ebendiesen vorstellten. Aus diesem Stoff formte Hooper dann eine rasante, absurde und rabenschwarze Komödie. Das Gegenteil seines Erstlings. Dieser wuchs bei mir aber immer mehr. Mit jeder neuen Sichtung packte er mich aufs Neue, schüttelte mich durch und seine krank-morbide Stimmung der permanenten Bedrohung machte mir mit jedem Male mehr Angst. Ich habe es (leider) nur selten erlebt, dass ein Film wirklich von Sichtung zu Sichtung besser und übermächtiger wird. „The Texas Chain Saw Massacre“ gehört auf jeden Fall dazu. Das letzte Mal sah ich den Film bei Open-Air-Kino am Schlachthof (welch passender Platz), wo wir ihn innerhalb unserer Bremer Filmreihe „Weird Xperience“ zeigten. An einem warmen Sommerabend und freiem Himmel. Es war großartig und für mich ein wirklich Highlight in unserer Reihe.

Anlässlich von Tobe Hoopers Tod habe ich auch nochmal „Das Kabinett des Schreckens“ geschaut, den ich bei der ersten Sichtung vor mehr als 20 Jahren auch nur so la-la fand. Und tatsächlich braucht der fast eine Stunde, bevor er so richtig in Gang kommt. Für jemanden, der ungeduldig auf Blut und Innerereien wartet eine Qual. Und auch wenn es dann rund geht, hält sich Hooper sehr zurück. Weiß man dies alles und ist mittlerweile in einem Alter, in der die Sturm-und-Drangphase schon viele Monde zurückliegt, kann man sich wunderbar in den Film fallen lassen und seine Qualitäten genießen. Im Grunde ist „Das Kabinett des Schreckens“ ja eine „Texas Chain Saw“–Variation. Vollständig mit überschaubaren Personenkreis und einer merkwürdigen Familie. Stilistisch trennen beide Film aber Welten. Hooper hat hier eine wunderbar morbide Rummelplatz-Atmosphäre geschaffen, ein Auge für kleine Details und wenn es dann in der Geisterbahn (das titelgebende „Funhouse“) zur Sache geht, schwelgt der Film in rot-grün-blauen Farben, die an Meister wie Bava und Argento denken lassen. Dazu kommt die erlesene Scope-Fotografie. Und worin Hooper nun wirklich brillant ist: Diese kranke, bedrohliche Stimmung zu kreieren, die hier nicht so unbehauen wie in „The Texas Chain Saw Massacre“ wirkt, aber immer noch da ist.

Vielleicht erhält Tobe Hooper ja nach seinem Tod noch die große Anerkennung, die ihm gebührt – auch jenseits von „The Texas Chain Saw Massacre“. Ich würde es ihm von Herzen gönnen.

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