Blu-ray-Rezension: „Die Teuflischen von Mykonos“

die_teuflischen_von_mykonos_mb_aDas britische Pärchen Christopher (Robert Behling) und Cecile (Jane Lyle) kommen auf die griechische Insel Mykonos. Angeblich, um hier Ferien zu machen, tatsächlich aber, weil sie in London von der Polizei gesucht werden. Auf Mykonos ist Christopher von den „einfachen und guten“ Menschen der Insel fasziniert und will diese darum radikal von den „perversen Sündern“ säubern. Was das schwer gestörte Pärchen gleich in die Tat umsetzt…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der DVD, nicht der Blu-ray.

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Es gibt einen Film der beiden Sleaze-Meister Joe D’Amato und Bruno Mattei, der sich „Alle Perversionen dieser Welt“ nennt. Dies wäre auch ein höchst treffender Titel für „Die Teuflischen von Mykonos“. Als ich diesen griechischen Film vor ungefähr 17 Jahren das erste Mal sah, verfasste ich umgehend eine erste Besprechung, in der ich meiner großen Verstörung Ausdruck verlieh. Diese Besprechung ist mittlerweile aus dem Netz verschwunden, was mich ziemlich erleichtert hat. Ursprünglich sollte diese uralte Besprechung nämlich das Rückgrat der hier nun vorliegenden neuen Rezension sein. Doch als ich sie in den Tiefen meines PCs wiederfand, war ich doch recht beschämt, da ich feststellen musste, dass diese alten Texte sprachlich ungeheuer unausgereift waren. Vor allem fiel mir auf, dass ich damals mehrmals das Unwort „krass“ benutzte. Wobei „krass“ den Inhalt von Nico Mastorakis‘ Film im Grunde recht gut beschreibt.

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Nico Mastorakis gibt an, zu „Die Teuflischen von Mykonos“ durch eine Kinovorstellung des damals gerade frisch angelaufenen „Texas Chain Saw Massacre“ inspiriert worden zu sein. Nun hat „Die Teuflischen von Mykonos“ recht wenig mit Tobe Hoopers Klassiker zu tun, doch es ging Nico Mastorakis auch gar nicht so sehr darum, eine Kopie des Terrorstreifens zu produzieren, sondern vielmehr einen Film, der die in „Texas Chain Saw Massacre“ gezeigten Brutalitäten und Schockmomente noch übertrifft. Aus diesem Grunde dachte er sich eine Story aus, in die er alles packte, was nur irgendwie kontrovers war und Tabus brach. Homosexualität zwischen Männern oder Frauen, Inzest, Drogenkonsum, Voyeurismus, Sodomie, Vergewaltigung (sowohl einer Frau als auch eines Mannes), Blasphemie, Pinkeleinlagen und Sex mit reiferen Frauen. Und natürlich Morde, Morde, Morde. Männer, Frauen und Tiere müssen in mehr oder weniger expliziten Szenen dran glauben. Es verwundert (und erleichtert), dass Nico Mastorakis zumindest Kinder außen vor lässt.

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Nico Mastorakis macht keine Gefangenen und arbeitet mit einer Technik der ständigen Eskalation. Interessanterweise stumpft man durch das Gezeigte nicht irgendwann ab, sondern wird immer wieder aufs Neue von den Aktionen des mörderischen Pärchens überrascht und abgestoßen. Nico Mastorakis inszeniert dies alles auf den größtmöglichen Effekt hin und erschafft eine Welt, in der es keine Hoffnung auf ein normales Leben mehr gibt. Der Knalleffekt mit dem er seinen Film beschließt ist da ebenso konsequent, wie logisch. In einer zynischen Form ist das Ende von „Die Teuflischen von Mykonos“ ein ebenso vergiftetes Happy End, wie beispielsweise das Finale des koreanischen „OldBoy“. Interessant ist es, wie Nico Mastorakis die Opfer des Pärchens Christopher und Celia in Szene setzt. Jeder von ihnen geht einem Laster nach. Sündigt also, wenn man eine erzkonservative Bibelauslegung zugrunde legt. Dafür werden sie von Christopher, der sich als eine Art „Zorn Gottes“ versteht, bestraft. Der Trick, den Nico Mastorakis anwendet, besteht darin, dass sich die „Sünden“ der Opfer im Vergleich zu den Taten des „Bestrafers“ nur als völlig harmlos herauszustellen, ja in einer aufgeklärten Gesellschaft auch nicht als „Sünden“ aufgefasst werden sollten. Christophers erzkonservative, bibelgestärkte Rechtfertigung seines Mordtriebes bei gleichzeitig maximalen Verstoß gegen alle christlichen Gebote macht eine Identifikation mit ihm (hoffentlich) unmöglich, ist aber auch gleichzeitig ein parodistisch überzogener Kommentar auf die abgrundtiefe Heuchelei jener, die immer mal wieder gerne mit dem Finger auf „die da“ zeigen.

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Christophers Geisteskrankheit wird ganz offen zur Schau gestellt. Bei Cecila geht Mastorakis etwas subtiler vor. Sie unterstützt Christopher bei seinem Blutrausch, doch ihr Motiv ist dem Christophers entgegengesetzt. Christopher tötet aus Frustration über sein eigenes sexuelles Unvermögen. Seinen größten Kick erhält er, wenn er Cecila oder jemand anderes beim Sex beobachten kann. Seine durch Voyeurismus kompensierte Impotenz wird durch das Motiv der Kamera, welche er als eine Verlängerung des eigenen Blickes benutzt, symbolisiert. Er selbst kommt entweder gar nicht erst zum Zuge oder wird abgewiesen, was seine Raserei noch mehr entfacht und ihm erst im ultimativen Tabubruch (Inzest, Sodomie, Mord) soweit stimuliert, dass er den Akt vollziehen kann. Er ist der sadistische Teil des Pärchens. Cecila hingegen wird mehrschichtiger gezeichnet. Generell wird sie durch Unterwerfung sexuell stimuliert. Dies kann entweder ihre eigene oder die eines der Opfer sein. Somit gibt es für sie am Ende ein Happy End, wenn der „impotente“ Christopher entsorgt wird und sie jemanden trifft, der einerseits mit seiner Primitivität und Gewalttätigkeit ihre submissiven Bedürfnisse befriedigt, sich gleichzeitig aber auch von ihr manipulieren lässt. So genießt sie es deutlich, sich gegenüber des leicht schwachsinnig wirkenden Schäfers zunächst in die Rolle des Opfers zu begeben, um den einfachen Mann dann dahingehend zu manipulieren, dass er ihre Rollenspiel mitmacht. Daher könnte man „Die Teuflischen von Mykonos“ fast schon als schmierige Ergänzung zu Peter Stricklands aktuellen Film „The Duke of Burgundy“ ansehen.

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„Die Teuflischen von Mykonos“ ist einer jener völlig unfassbaren Filme, die scheinbar nur in den 70er Jahren entstehen konnten. Ein Film, der nach feuchtem Keller riecht und nach dessen Sichtung man am liebsten eine lange und gründliche Dusche nehmen möchte. Ob man dies nun als Empfehlung oder Warnung (oder beides) verstehen möchte, muss jedem selber überlassen bleiben.

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Die Aufbereitung die OFDb filmworks diesem Film hat zukommen lassen ist sowohl vorbildlich als auch definitiv. Das Mediabook ist vollgepackt mit Extras, die keine weiteren Wünsche mehr offen lassen. So finden sich auf der Blu-ray und der DVD jeweils folgende Features: Ein Vorwort von Nico Mastorakis (1:15 min.), ein Audiokommentar von Marcus Stiglegger und Kai Naumann, das Essay „Return to ‚Island of Death’“ (16:55 min.) in dem Mastorakis nach Mykonos zurückkehrt, die Originalschauplätze zeigt und zu allen ein paar Anekdoten bereit hat, das Feature „Exploring ‚Island of Death’“ (38:24 min.) in dem Exploitation-Filmexperte Stephen Thrower (der Standardwerke über Fulci, Franco und den US-Indie-Horrorfilm schrieb) über den Film referiert. Es gibt den deutschen und englischen Trailer und zwei alternative Vorspänne. Unter „Island Sounds“ findet man fünf Musikstücke aus dem Score mit einer Laufzeit von insgesamt rund 24 Minuten. Weiter geht es auf der Bonus-DVD mit der unglaubliche 152 Minuten laufenden Doku „Die Filme von Nico Mastorakis“, einem Interview mit Nico Mastorakis (22:04 min.) und einem mehr als halbstündigen Mastorakis Trailer Reel. Laut Cover wurde eine „brandneue 2K-Restaurierung, erstellt in Zusammenarbeit mit Regisseur Nico Mastorakis“ verwendet und der Film sieht wirklich fantastisch aus. Fast schon zu gut, denn „Die Teuflischen von Mykonos“ ist einer jeder Filme, die man sich eigentlich nur als verschlissene und nach Essig riechende 35mm-Kopie vorstellen kann, die irgendwann mal hinter das Real gefallen ist und beim Aufräumen zufällig wiedergefunden wurde. Das Bild der OFDb filmworks-Fassung ist aber ,wie gesagt, brillant und mit kräftigen Farben. Nur im letzten Akt gab es scheinbar kein adäquates Filmmaterial mehr. Dort pulsiert das Bild manchmal leicht und scheint an der rechten Ecke etwas entfärbt. Das Bildformat ist ein korrektes 1:1,33. Der Ton liegt auf Deutsch und Englisch in 2.0 Mono vor. Ein fest im Mediabook eingeklebtes Booklet gibt es auch. Dieses enthält einen interessanten Artikel von Thorsten Hanisch, der sich gar nicht so sehr um „Die Teuflischen von Mykonos“ dreht, sondern den Schwerpunkt auf das weniger bekannte griechische Exploitationkino der 70er Jahre legt. Abgerundet wird dies durch eine „Jagdliste“ von Vrasidas Karalis, der neun griechsiche Sexploitation-filme vorstellt, die man seiner Meinung nach gesehen haben sollte.

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Eine Antwort zu Blu-ray-Rezension: „Die Teuflischen von Mykonos“

  1. Lance sagt:

    Durch diese Besprechung auf den Release aufmerksam geworden, habe ich mir den Film inzwischen nach der VHS-Kassette (vor 20 Jahren für 120 Mark auf einer Filmbörse) und Bootleg-Dvd endlich in verdienter Aufmachung zugelegt. Freue mich besonders auf den Stiglegger-Audiokommentar … wenn der Film sodann auch noch komplett unzensiert vorliegt, das sind Momente … Danke, ne!

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