Bevor der Notar Frank Bigelow (Edmond O’Brien) mit seiner Sekretärin Paula (Pamela Britton) den Hafen der Ehe ansteuert, will er es noch einmal krachen lassen. Er fährt für einige Tage nach San Francisco und mietet sich dort in einem Hotel ein. Gleich am ersten Abend wird er von seinem Zimmernachbarn überredet, mit in einen Jazzclub zu kommen. Als Bigelow eine unbekannte Schönheit an der Bar sieht, fängt er an mit ihr zu flirten und man verabredet sich zu einem späteren Treffen. Doch Bigelow überlegt es sich dann doch anders und bleibt im Hotel. Am nächsten Morgen leidet er unter unerklärlichen Magenschmerzen, was er zunächst auf den wilden Abend schiebt. Doch bald schon stellt sich heraus, dass Bigelow vergiftet wurde und nur noch 48 Stunden zu leben hat. Diese Zeit will er nutzten, um seinen eigenen Mörder zu fangen…
Die spannenden und ungewöhnliche Geschichte, die in „Opfer der Unterwelt“ erzählt wird, bildet die Blaupause für zahlreiche andere Filme und TV-Episoden, welchen den Film entweder direkt nacherzählten (wie „Der leuchtende Tod“ oder „D.O.A: – Bei Ankunft Mord“) oder sich davon auf kreative Weise inspirieren ließen, wie beispielsweise „Crank“. „D.O.A“ – wie der Film im Original heißt wurde von dem Autorenduo Russell Rouse und Clarence Greene geschrieben, welches zwischen 1950 und 1957 eine Serie von sechs kleinen Film Noir-Filmen schufen. “Opfer der Unterwelt” war der Auftakt dieser Serie, die über die große Leinwand hinaus, in er Noir-Fernsehserie namens “Tightrope” mündete. Der berühmteste Film der Beiden gehört jedoch einem gänzlich anderem Gerne an. “Bettgeflüster”, der auf einer Story von Rouse/Greene basierte, startete eine ganze Serie leichter und überaus erfolgreicher Komödien mit Rock Hudson und Doris Day. Für “Opfer der Unterwelt” ließen sie sich von einem deutschen Film inspirieren: Der Heinz-Rühmann-Komödie “Der Mann, der seinen Mörder sucht”, der von Robert Siodmak, einem der großer Meister des Film Noir, inszeniert wurde und an dessen Drehbuch neben seinem früh nach Hollywood immigrierten Bruder Curt, auch Billy Wilder mitschrieb. Wobei dies auf einem Theaterstück beruht, welches seinerseits von einem Roman Jules Vernes inspiriert wurde.
Besonders interessant an „Opfer der Unterwelt“ ist seinem langsame Eskalation, die den Film mit dem Ablaufen der Lebenszeit seines Protagonisten immer mehr beschleunigt. Zunächst spielt Regisseur Rudolph Maté mit Screwball-Konventionen. Da gibt es die typisch neckischen Dialoge zwischen Frank Bigelow und seiner Sekretärin/Verlobten Paula. Allerdings werden – im Gegensatz zur „echten“ Screwball-Komödie – beide nicht als gleichberechtigte Partner gezeigt. So wie Paula sich an Bigelow klammert, ist sie sie mehr nervigen Klette als selbstbewusste Frau. Kein Wunder, dass Bigelow ausbrechen und noch einmal sein Junggesellenleben genießen will. Seine Ankunft im Hotel in San Francisco und seine dortige Konfrontation mit dem holden Geschlecht, kommentiert Maté mit einem komischen Soundefffekt. Dadurch wird der Zuschauer zunächst einmal etwas eingelullt. Auch wenn Bigelow einfach nur etwas Spaß haben will und dabei gleich von der nächsten Dame – ausgerechnet der Ehefrau seines Zimmernachbarn – umklammert wird, wähnt man sich eher in einer Komödie als in einem finsteren Noir.
Diese in einem Jazz-Club endende Szene leitet dann auch die Thrillerhandlung des Filmes ein. Die dabei wild aufspielende Jazz-Band mit ihren fast schon psychotisch wirkenden Verrenkungen, gibt dann auch gleich den Beat für die weitere Handlung vorgibt. In dem Moment in dem Bigelow den Nachtclub betritt, macht er auch den Schritt in eine neue Welt. Dass diese für ihn das Fegefeuer sein wird, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal. Hier stirbt sein altes Ich, hier wird sein neues Ich geboren, welches in den nächsten 48 Stunden ausbrennen wird. Aber noch weiß Bigelow nichts davon. Seine Schmerzen am nächsten Tag schiebt er zunächst auf die verbotenen Vergnügen des Vortages. Die Offenbarung, dass er vergiftet wurde und nicht mehr lange zu leben hat, inszeniert Rudolph Maté fast wie in einem Horrorfilm. Der Arzt, der ihm die zweite Meinung übermittelt, lässt die tödliche Substanz im Dunkeln leuchten, wie ein klassischer Mad Scientist. So wird der Horror sichtbar gemacht, den Bigelow durchlebt. In seiner Verzweiflung reagiert er dann zutiefst menschlich. Er rennt davon, immer schneller, immer selbstvergessener. Die Szene, in welcher der Schauspieler Edmund O’Brien durch eine Masse unbeteiligter (echter) Passanten pflügt, fühlt sich echt an, weil sie echt ist. Hier wird der Effekt vorweggenommen, den Abel Ferrara 42 Jahre später in den letzten Bildern seines „Bad Lieutnant“ ebenfalls gesucht hat. Am Ende bleibt Frank Bigelow erschöpft stehen. An einem Zeitungsstand. Zwischen einem „Life“-Magazin und der Überschrift „brighten up your morning“. Und sieht, was er nun nie mehr selber erleben wird. Ein frische verliebtes Paar und eine Mutter mit ihrem Kind.
Ab diesem Moment ist Frank Bigelow nicht mehr der nette Durchschnittstyp von nebenan. Er reduziert all sein Handeln auf nur noch ein Ziel: Rache für seinen Mord. Wie in einer Gespenstergeschichte, in der ein Geist aus dem Jenseits heraus versucht, seinen Tod zu rächen. Bigelow weiß, dass ihm hierfür nicht viel Zeit auf Erden bleibt. Also lässt er alles weg, was nicht unmittelbar zum Ziel führt. Die trauende Witwe eines anderen Mannes überfällt er mit der Frage, wie ihr Mann Selbstmord beging. Für Smalltalk oder Taktgefühl fehlt ihm einfach die Zeit. Dadurch, dass er bereits weiß, dass er ein toter Mann ist, befreit er sich von sämtlichen gesellschaftlichen Konventionen. Er wird zum harten Antihelden, wie sie vor allem in den 70ern, aber noch heute, die die Leinwand bevölkerten. Was sie so cool und hart macht ist allein das Wissen, dass sie bereits alles verloren haben. Und die unbewusste Sehnsucht nach der nächsten Kugel, die ihrem verkorksten Leben endlich ein Ende bereitet. Der Gangsterboss Majak bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „He’s not afraid…You can tell from a man’s eyes when he is afraid. Look at his eyes.“.
Regisseur Rudolph Maté wurde im damals österreichischen Krakau geboren und stieg bald zu einem der bedeutendsten Kameramänner Europas auf. So fotografierte er beispielsweise Carl Theodor Dreyers Meisterwerke „Die Passion der Jungfrau von Orléans“ und „Vampyr – Der Traum des Allan Grey“. Seine Erfahrung als Kameramann sieht man deutlich in „Opfer der Unterwelt“. Dies ist einer jener Film Noir, aus dem man sich jeden Screenshot einrahmen und ins Wohnzimmer hängen könnte. Auf diesen erkennt man allerdings auch, dass Edmond O’Brien den ganzen Film über Grimassen schneidet, um seine innere Gedankenwelt deutlich sichtbar nach außen zu kehren. Doch dies stört ebenso wenig, wie das doch sehr durchschnittliche Aussehen O’Briens, gepaart mit einer gewissen Blässe, was seine Persönlichkeit angeht. O’Brien ist hier perfekt besetzt als eben jener vollkommen durchschnittliche Mann, dessen Leben plötzlich und grausam umgekrempelt wird. Die Stadt erweist sich für solch ein Landei wie Bigelow als tödliche Falle. Als Sündenpfuhl ohne Chance, zu entkommen. Ebenfalls nicht gerade subtil spielt Neville Brand in seiner ersten Filmrolle. Brand legt den psychotischen Chester als eine vollkommen übersteigerte Version des von Richard Widmark in „Der Todeskuß“ gespielten Tommy Udo an. Wenn er Bigelow zu dem Ort fährt, an dem er ihn umzubringen gedenkt und sich dabei die grauenvollsten Todesarten ausdenkt, dann scheint ihm fast der Geifer aus dem zahnreichen Gebiss zu tropfen. Aber auch dieses Überdrehen passt zum Film, denn so wird aus Chester ein wahrer Dämon der Hölle, der in dem diffusen Reich zwischen Leben und Tod die frisch Verstorbenen quält.
Rudolphe Maté hat mit „Opfer der Unterwelt“ einen Klassiker des Film Noir geschaffen, der häufig kopiert wurde. Bemerkenswert ist die sich stetig steigernde Intensität, die brillant mit der unaufhaltsam ablaufenden Lebenszeit seines Protagonisten korrespondiert.
Die mittlerweile 20. Ausgabe der „Film Noir“-Reihe von Koch Media, wartet mit einem gewohnt gutem, wenn auch nicht perfektem Bild auf. Auch am sehr gut verstädnlichen Originalton lässt sich nichts aussetzten. Die alte deutsche Synchronisation der Kinoaufführung von 1952 war leider nicht mehr auffindbar, weshalb der Film im Original mit deutschen Untertiteln veröffentlicht wurde. Schön wären auch englische Untertitel gewesen, aber die sind bei der Reihe ja generell nicht vorgesehen. Wie leider ebenfalls üblich in der Reihe, gibt es zwar eine interessante Bildgalerie mit diversen Filmplakaten und Aufhangfotos aus aller Herren Länder, aber ansonsten keinerlei Extras.