Nachdem sich der alternde Theater-Star Samantha Sherwood (Samantha Eggar) in einem Anfall von extremen method acting unter einem Vorwand in ein Irrenhaus einweisen ließ, nutzt der berühmte Regisseur Jonathan Stryker (John Vernon) dies aus, um die bereits Samantha zugesagte Rolle der „Audra“ in seinem neuen Stück umzubesetzen. Zu diesem Zwecke lädt er vier Schauspielerinnen (u.a. Linda Thorson) auf sein Landgut ein, um diese hier ein Wochenende lang zu testen. Überraschend gesellt sich auch Samantha dazu, die in der Zwischenzeit aus der Anstalt fliehen konnte und nicht gewillt ist, die Rolle jemand anderen zu überlassen. So denkt scheinbar noch jemand, denn bald stapeln sich die Leichen…
Man sieht „Curtains“ seine nicht gerade einfache Produktionsgeschichte durchaus an. Gedreht ursprünglich 1980, wurde der Film nach vielen Nachdrehs erst im Jahre 1983 fertiggestellt und in die Kinos gebracht. In der Zwischenzeit wusste scheinbar niemand, wo die Reise genau hingen soll. So zeugen am Ende zwei Einblendungen von den vielen Katastrophen und Verzögerungen hinter den Kulissen. Regisseur Richard Ciupka zeichnete den Film nicht mit seinem eigenen Namen, sondern mit dem seiner Hauptfigur Jonathan Stryker, jenem diktatorischen und seine Schauspielerinnen skrupellos manipulierenden Theater-Regisseur. Ferner ist der Abspann in „Akt I“ und „Akt II“ unterteilt, jeweils mit unterschiedlichen technischen Mitarbeitern. Seine Zerrissenheit und das Stückwerk, welches erst später zu einem Ganzen zusammengefügt wurde, überfällt den Zuschauer förmlich. Der Film bewegt sich mal in diese, dann wieder in eine andere Richtung. Manche Szenen scheinen gar zu einem ganz anderen Werk zu gehören.
Der Beginn dampft die Geschichte von Sam Fullers meisterlichen „Shock Corridor“ auf 15 Minuten herunter. Dabei fährt Richard Ciupka die ganze Klaviatur des Irrenhaus-Horrors auf. Merkwürdige alte Frauen in Kindchenmodus, plötzlich aus dem Nichts kommende Furien, Fratzen, die dem Zuschauer ins Gesicht schreien. Schatten, Farbspiele und verkantete Winkel. Dazu die von Samantha Eggar gespielte Samantha Sherwood, die immer apathischer wird, um dann ebenfalls langsam dem Wahnsinn zu verfallen. Ciupka hetzt förmlich durch sein Albtraum-Szenario und verschießt so schon eine Menge Pulver, welches den Mittelteil dann gehörig durchhängen lässt, bevor er sich dann wieder aufrappelt, um die hängen gelassenen Zügel wieder anzuziehen. Da die ganze Irrenhaus-Szenerie nicht viel mit dem eigentlichen Film zu tun hat, sondern wie ein überlanger Prolog daher kommt, führt sie am Ende auch zu nichts. Es ist nur allzu deutlich zu merken, dass etwas fehlt und der Anschluss später krampfhaft durch ein Hilfskonstrukt dazwischen geflickt wurde. Man sieht plötzlich die sich in einem Schlafzimmer befindliche Samantha, die einer unbekannten Person davon erzählt, dass sie aus dem Irrenhaus geflüchtet wäre. Kurze Zeit später taucht sie dann bei Jonathan Strykers Casting auf, als sei nichts geschehen. Und es findet auch niemand seltsam, sie dort anzutreffen, obwohl doch die Flucht einer berühmten und angesehenen Schauspielerin aus einer geschlossenen Anstalt sicherlich Aufsehen erregt hätte.
Aber man sollte bei diesem Film sowieso nicht allzu sehr in der Logik-Kiste kramen. Eine andere Szene zeigt den Mord an einer jungen Schauspielerin. Diese kann durchaus als zweiter Prolog aufgefasst werden, den von der Stimmung her, passt diese Passage mit Kurzfilmcharakter ebenfalls nicht recht zum Hauptfilm. Es wird beispielsweise eine gruselige Puppe eingeführt, die es auch auf das Filmplakat geschafft hat. Diese steht in einer unheimlichen Szenen im Mittelpunkt, welche sich dann aber nur als Albtraum herausstellt. Später taucht sie nicht mehr auf, und auch der auf diese Szene folgende, recht effektiv in Szene gesetzt Mord spielt keine Rolle mehr. Erst jetzt setzt die eigentliche Handlung ein, die den Pfaden eines klassischen Whodunits folgt. Mehrere Personen sind in einem vornehmen Herrenhaus versammelt, weitab der Zivilisation. Jeder könnte ein Motiv haben, die anderen zu beseitigen, und dann fällt einer nach dem anderen einem maskierten Unhold zum Opfer. Das mondäne Anwesen und die Upper-Class-Attitüde lassen hierbei an eine Agatha-Christie-Verfilmung denken. Hierzu passen auch die recht dezenten Morde, die teilweise im Off stattfinden.
Drei Szenen katapultieren den in diesem Teil eher gemütlichen Film dann aber doch wieder in Slasher-Regionen. Das Auffinden eines abgeschlagenen Kopfes in einer Toilette, eine mit vielen Licht- und Schattenspielen inszenierte Verfolgungsjagd durch eine farbenfrohe Requisitenhalle und vor allem der Mord aus dem Eis. Diese höchst effektive Szene ist es dann auch, die man noch lange nach dem Abspann im Kopf behält. Wenn sich eine mit der unheimlichen Maske einer alten Frau ausgestattete Figur rasant auf ihr Opfer zu bewegt, erreicht der Film kurzzeitig eine wahrhaft mörderische Intensität.
Die lange Produktionszeit merkt man auch den Schauspielern an, die offensichtlich irgendwann auch keine große Lust mehr hatten, immer wieder zu Nachdrehs zu erscheinen. Was man insbesondere John Vernon ansieht, der eine ziemlich lustlose Vorstellung gibt, obwohl gerade seine Rolle Potential für mehr gehabt hätte. Die restliche Besetzung zieht ihr Ding professionell durch, wobei Samantha Egger insbesondere im ersten Teil Gelegenheit hat, etwas aus sich heraus zu gehen. Ein nettes Wiedersehen gibt es auch mit Linda Thorson, die einst als Emma-Peel-Nachfolgerin Tara King einige – meines Erachtens ungerechtfertigte – Prügel von den „Mit Schirm, Charme und Melone“-Fans einstecken musste. Hier darf sie einmal die egozentrische Diva geben, was ihr gut steht.
„Curtains“ ist nicht unbedingt ein Highlight, auch wenn der Film mit einigen durchaus sehenswerten Einzelaktionen aufwarten kann. Doch die über drei Jahre zusammengebastelten Einzelstücke wollen nicht wirklich ein überzeugendes Ganzes ergeben. Interessant anzusehen ist er trotzdem, und man kann sich auch weitaus schlechter unterhalten.
Der Film befand sich aus mir unerfindlichen Gründen 25 Jahre auf dem Index und war daher bisher nicht für eine digitale Heimkino-Auswertung in Frage gekommen. Nun veröffentlicht CMV in Verbund mit New Vision Video diesen Slasher erstmals in Deutschland auf Blu-ray und DVD. Das Bild der Blu-ray ist zwar nicht ganz taufrisch, bietet aber sonst keinen Grund zum Meckern. Diesen hat man vielmehr bei der ausgesprochen schwachen deutschen Synchronisation. Aber da auch der Originalton mit an Bord ist, ist dies ebenfalls zu verschmerzen. Schwerer wiegt der vollständige Verzicht von Bonusmaterial, welches beispielsweise bei der us-amerikanischen Veröffentlichung von Synapse reichlich zu finden sind. Gerade bei der spannenden Produktionsgeschichte wäre dies eigentlich ein Muss gewesen.