Rezension: “Here comes the Devil”

devilBei einem Familienausflug verschwinden die Kinder von Sol (Laura Caro) und Felix (Francisco Barreiro) in den Bergen. Nach einer verzweifelten Nacht des Wartens, werden die beiden Geschwister am nächsten Tag von der Polizei gefunden und wieder zurück zu ihren Eltern gebracht. Doch Sara (Michele Garcia) und Lucio (David Arturo Cabezud) scheinen verändert zu sein. Irgendetwas muss da oben in den Bergen passiert sein, was die Kinder traumatisiert hat. Als eine ärztliche Untersuchung ergibt, dass Sara keine Jungfrau mehr ist, scheint für Felix und Sol klar zu sein, dass sie einem Vergewaltiger zum Opfer fielen. Sie haben auch schon einen Verdacht, wer für das Unglück der Kinder verantwortlich sein könnte. Doch die Wahrheit ist noch viel grauenhafter…

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Nicht häufig hat man die Gelegenheit, einen Horrorfilm aus Mexiko zu sehen. Dabei hat das Genre hier eine große Tradition, vor allem in den 50er und 60er Jahren. Hier kämpften nicht nur maskierte Ringer, wie der legendäre „Santos“, gegen Vampire, sondern es wurden auch zahlreiche, sehr stimmungsvolle schwarz-weiß Gruseler gedreht. Von diesen fanden aber leider nur sehr wenige, wie z.B. „Vampiro“ (der gerade bei Subkultur erschienen ist), ihren Weg nach Deutschland. Seit dem Ende der goldenen 70ern (in denen vor allem René Cardona Jr. die Fahne hoch hielt) kam nur noch sporadisch eine Genrefilm aus Mexiko über den großen Teich zu uns, auch wenn es gerade in den letzten Jahren doch immer mal wieder ein Film, wie kürzlich beispielsweise „Wir sind was wir sind“, dann doch schaffte. Schön also, dass sich das Label Pierrot le Fou, das sich nun verstärkt um künstlerisch anspruchsvollere oder kontroverse Horrorfilme kümmern will, Adrián García Boglianos Film „Here comes the Devil“ angenommen hat.

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Der 1980 in Madrid geborene Regisseur hat in der Vergangenheit vor allem in Argentinien, aber auch Costa Rica, einige deftige Splatterfilme gedreht, die allerdings sowohl bei Kritik, als auch Horrorfans, keinen besonders guten Ruf genießen. Umso erstaunlicher, dass er mit „Here comes the Devil“ einen eher ruhigen, sich ganz auf eine irritierend-unangenehme Stimmung verlassenden Film gedreht hat. Offensichtliches Vorbild ist „Picknick am Valentinstag“. Ebenso wie in Peter Weirs verstörendem Klassiker, verschwinden hier Heranwachsende auf einem scheinbar verwunschenen Berg. Wie Irma in Weirs Film kehren beide zwar zurück, doch man erfährt zunächst nicht, was sich dort in den Hügeln zugetragen hat. Diese Unsicherheit und die schleichende Erkenntnis, dass vielleicht etwas Übernatürliches seine Finger im Spiel gehabt haben könnte (oder auch nicht), verbindet „Here comes the Devil“ und „Picknick am Valentinstag“. Bogliano gelingt es sogar, eine ähnlich traumhafte Atmosphäre wie Weir aufzubauen, wobei Bogliano diese schnell zu einer doch konkret albtraumhaften umschlagen lässt. Und im Gegensatz zu Weir, erlaubt Bogliano dem Zuschauer dann schließlich doch keine Zweifel daran, was sich da oben in den Hügel zugetragen hat. Dabei bedient er sich ganz offen bei Elementen anderer Genrefilmen, wie „Rosemary’s Baby“ oder „Gefahr aus dem Weltall“. Leider erinnert sich Bogliano irgendwann wieder an seine vorherige Karriere als Splatterfilm-Regisseur und baut in der Mitte des Filmes einen sehr heftigen Gore-Effekt ein. Dieser wäre nicht unbedingt nötig gewesen und wirft nicht nur das eher subtile Konzept des Filmes über den Haufen, sondern mag auch gar nicht recht zu den Figuren passen. Der Zuschauer wird hier im wahrsten Sinne des Wortes brutal aus dem Film heraus gerissen. Die fragliche Szene wirkt, ebenso wie der sehr exploitive Beginn, der uns gleich mit einer recht intensiven Sexszenen und einem brutalen Überfall konfrontiert, wie aus einem ganz anderen Film hier hinein kopiert. Da wäre weniger wieder einmal mehr gewesen.

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Adrian Garcia Boglianos Vorbilder liegen klar in den 70er Jahren. Nicht nur entdeckt er den mittlerweile „verbotenen“ Zoom wieder, auch die ganz Stimmung und die Darsteller könnten aus einem der paranoiden Horrorthriller der 70er stammen. Bogliano hat keine stromlinienförmigen, geklont wirkende, schöne Menschen besetzt, sondern echte Gesichter mit Charakter. Die Mutter wird von Laura Caro gespielt, einer in Mexiko bekannten R&B Sängerin, die hier ihre erste Filmrolle spielt. Ihr sowieso schon markantes, nicht schönes im klassischen Sinne, und dann doch wieder interessantes Gesicht, wird von Bogliano nicht glattgebügelt, sondern in all seiner Natürlichkeit und mit seiner unreinen Haut gezeigt. Was dem Film dann trotz seines übernatürlichen Themas einen gewissen Realismus gibt. Auch Francisco Barreiro als Vater ist kein klassischer Filmheld und vor allem kein Sympathieträger. Er könnte der Typ sein, der nebenan wohnt und dem man morgens gerne aus dem Weg geht. Obwohl Laura Caro von Bogliano immer mal wieder nackt gezeigt wird, haben diese Szenen keine erotische Wirkung, sondern zeigen sie meistens nur schutzlos und verletzlich. Umso mehr befremdet in diesem Zusammenhang die dampfend inszenierte Softsexszene am Anfang des Filmes, die zwei junge Frauen beim Sex zeigt und – wie bereit erwähnt – sich nicht in den folgenden Film einfügen will. Dieser ist auch eher rau und schroff, oftmals in grauen Farben fotografiert. Aber es gibt auch immer wieder kunstvoll gestaltete Szenen, in denen die Farbe zurückkehrt und förmlich wie ein Hammer zuschlägt. Zum Beispiel in der beängstigenden Rückblende, in der die Babysitterin erzählt, was sie mit den beiden Kindern erlebt hat. Dabei werden die unheimlichsten Augenblicke dem Zuschauer nicht gezeigt, sondern direkt in seinen Kopf gepflanzt. Nicht nur an dieser Stelle werden Erinnerungen an „Rosemary’s Baby“ wach.

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Ansonsten lässt Bogliano seinen Film vor Symbolismus und Allegorien fast platzen. Selbstverständlich ist es kein Zufall, dass die Höhle, in der die Geschwister verschwinden, an eine Vagina denken lässt, aus der die Kinder „neu geboren“ wieder hervor kommen. Und dass Tochter Sara am Tag ihres Verschwindens ihre erste Menstruation hat, ist ein Verweis auf die Veränderung des Körpers in der Pubertät, der Transformation vom Kind zum Erwachsenen. Und so kann man den Film durchaus auch Metapher auf das Erwachsenwerden, das Entfremden der Kinder von den Eltern und die Entdeckung der eigenen Sexualität deuten. Letztere lässt das „Kind“ verschwinden und etwas anderes (den pubertierenden, sich seltsam verhaltenen Teenie) sich an seine Stelle setzten. Es ist die Zeit, in der die Eltern nicht mehr wissen, was ihre Kinder eigentlich treiben, wenn sie nicht dabei sind. Und kann das Ende nicht auch als Emanzipation der Eltern von ihren Kindern, der Einstieg in ein Leben „danach“ – wenn die Kinder aus dem Haus sind – gedeutet werden?

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Mit „Here comes the Devil“ ist Adrian Garcia Bogliano ein unheimlicher und über weite Strecken angenehm subtil inszenierter Film gelungen. Allerdings nehmen ihm ein unpassender, wie aus einem anderen Film stammender, exploitiver Beginn, und vor allem eine deplatzierte, heftige Splatterszene in der Mitte, dann leider doch etwas von seiner Intensität. Dabei funktioniert Boglianos Film nicht nur als ein – an die paranoiden Terrorstreifen der 70er Jahre gemahnender – Horrorfilm, sondern auch eine intensive Allegorie auf das Erwachsenwerden der eigenen Kinder.

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Leider ist es mir wieder nicht möglich, die DVD selber zu rezensieren, da mit von Pierrot Le Fou wiederum nur eine Presse-DVD mit fettem Wasserzeichen (siehe Screenshots) und ohne deutsche Tonspur/Extras zur Verfügung gestellt wurde.  Da macht das Besprechen dann leider wenig Spaß. Laut OFDb soll aber ein fast einstündiges „Making Of“ (welches ich sehr gern gesehen hätte) und der Trailer mit an Bord sein.

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